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Frankel: Neubildung der amerikanischen Sektion der 4. Internationale [Nach Der Einzige Weg. Zeitschrift für die Vierte Internationale. Nr. 3 (März 1938), S. 70-72] Die amerikanische Sektion der 4. Internationale hat soeben ihren Gründungskongress in Chicago abgehalten. Nach dem 6. Weltkongress der Komintern im Jahre 1928 von führenden Elementen der amerikanischen KP begründet, hatte sie es im Jahre 1934 verstanden, durch Verschmelzung mit der Amerikanischen Arbeiterpartei (Muste) auf der Grundlage eines bolschewistischen Programms den Übergang von einer kleinen ideologischen Propagandagruppe zu einem Stoßtrupp politischer Aktion zu vollziehen. Es sei hier nur an die führende Rolle erinnert, die die neue Organisation, die Arbeiterpartei der Vereinigten Staaten (WPUS), in der mächtigen Streikbewegung von Minneapolis spielte. Indes schreckten unsere Genossen nicht zurück, im Jahre 1936 auf den stolzen Titel «Partei» zu verzichten, um in der sozialistischen Partei unterzutauchen und dort zum Sammelpunkt für die revolutionären Elemente des linken Flügels zu werden. Der Kongress war ein eindeutiger Beweis für den erfolgreichen Abschluss dieses Manövers in feindlicher Umgebung, ermöglicht durch die Verbindung programmatischer Festigkeit und organisatorischer Schmiegsamkeit. Die Hälfte der 76 stimmfähigen Delegierten, die aus 17 Staaten und ca. 40 Lokalorganisationen zum Kongress gekommen waren, setzte sich aus ehemaligen Sozialisten zusammen. Durch den Zufluss der revolutionären Linken aus der SP hat die Partei ihre alte Mitgliederzahl verdoppelt, während die Jugend, die ihren Gründungskongress im Oktober v.J. abgehalten hatte, die Mehrheit der sozialistischen Organisation mit sich riss und jetzt das Dreifache der alten «trotzkistischen» Jugend beträgt. Von der sozialistischen Partei ist nur ein armseliger Trümmerhaufen typischer Gemeindesozialisten übriggeblieben, ergänzt durch ein kleines ca. 200 Mitglieder zählendes Grüppchen chronischer Zentristen. ★ Dem Kongress war eine vier Monate lange innere Diskussion vorausgegangen. Ihr Schwerpunkt lag auf dem Gebiete theoretischer und internationaler Fragen. Die Entartung der russischen Revolution und die schweren Niederlagen des internationalen Proletariats haben eine tiefgehende ideologische Reaktion innerhalb der Arbeiterbewegung und an ihrer Peripherie mit sich gebracht. Den kleinbürgerlichen Bierphilistern, den Eklektikern und Reformsuchern ist mächtig der Kamm gewachsen. Unter radikalen Revisionstheorien versuchen sie ihren nicht weniger radikalen Rückzug vom proletarischen Klassenkampf zu verdecken. In den Vereinigten Staaten mit dem verhältnismäßig geringen Kapital unmittelbarer revolutionärer Erfahrung, mit den stark empirischen Überlieferungen der Intelligenz musste diese Tendenz einen besonders fruchtbaren Boden finden. Auch in unseren Reihen fand sie ihr Echo, wenn sie auch auf kleine Splittergrüppchen (alles in allem ca. 40 Mann im ganzen Lande) beschränkt blieb. Weit davon entfernt, sich in akademischen Diskussionen zu verlieren, machte die amerikanische Sektion die Verteidigung der theoretischen Fundamente des Marxismus und der Methoden des Leninismus zum Gegenstand täglichen politischen Kampfes und der ideologischen Festigung ihrer Kader. Die erdrückende Mehrheit der Partei einigte sich in diesen Diskussionen über die Notwendigkeit der Verbindung des Kampfes um die soziale Revolution in Spanien mit der militärischen Einheitsfront gegen den Franco-Faschismus, in der unversöhnlichen Bekämpfung defätistischer Tendenzen gegenüber der Sowjetunion und in der Zurückweisung der Versuche, die marxistische Auffassung vom Klassencharakter des Staates zugunsten der Charakterisierung der Sowjetunion als klassenlosen, bürokratischen, «stalinistischen» oder «halb bürgerlichen» Staat preiszugeben. Sie erzog in diesen Diskussionen die zahlreichen neuen Mitglieder zum Verständnis der leninistischen Begriffe des demokratischen Zentralismus. Das Ergebnis dieser Diskussionen fand seinen klarsten Ausdruck in den Abstimmungen des Kongresses: Unter den 76 Delegierten fand die ultralinke Tendenz in der Frage der militärischen Unterstützung gegen Franco nicht eine einzige Stimme. Für die Defätisten in der russischen Frage stimmten zwei Delegierte. Die Verfechter der Idee vom «halb bürgerlichen» Sowjetstaat erhielten drei Stimmen. Die Resolution über den Charakter und das Regime der revolutionären Partei fand einstimmige Annahme. ★ Die vorausgegangene Periode theoretischer Auseinandersetzungen ermöglichte es dem Kongress, sein Hauptaugenmerk den Gegenwartsaufgaben der amerikanischen Politik zuzuwenden. Der amerikanische Kapitalismus befindet sich an einem kritischen Wendepunkt seiner Laufbahn, bestimmt durch die Ereignisse im Fernen Osten und die mit unvermeidlichen Schwankungen sich ankündigende neue zyklische Wirtschaftskrise. Der Yankee-Imperialismus hat endgültig den Weg aktiver Kriegsvorbereitungen eingeschlagen. Eine fieberhafte patriotische Pressekampagne begleitet Roosevelts neues Rüstungsprogramm, das größte, das Amerika in Friedenszeiten gekannt hat. In der Wirtschaftspolitik bereitet Roosevelt einen Neo-New Deal vor, diesmal unter dem direkten Diktat eines neuen «Brain Trust» der von ihm nach Washington berufenen Bankiers und Großindustriellen. Der einzige revolutionäre Faktor, der sein Feuer gegen den amerikanischen Imperialismus und gegen die Politik der Klassenzusammenarbeit richtet, ist die amerikanische Sektion der 4. Internationale. Und die Chancen unserer Partei sind nicht gering. Die amerikanische Arbeiterbewegung ist jung, der Druck verknöcherter Führertraditionen ist hier weitaus geringer als in Europa. Die revolutionäre Propaganda hat hier unermessliches Neuland vor sich. Die Arbeiterklasse, die mit einem Riesensprung in drei kurzen Jahren die mächtigste Gewerkschaftsbewegung der Welt geschaffen hat, treibt nun auch auf politischem Gebiet zum Bruch mit den traditionellen bürgerlichen Parteien (Demokraten und Republikaner) und zum Versuch, sich zu verselbständigen. Zwar verläuft diese Entwicklung noch in den Bahnen des Reformismus (Labor Party). Doch lässt das gewaltige Tempo der gewerkschaftlichen Zusammenfassung des amerikanischen Proletariats erwarten, dass auch seine reformistische Kinderschule von unvergleichlich kürzerer Dauer sein wird als in Europa. ★ Der Kongress hat in den Vordergrund der nächsten Parteiaufgaben die Verwurzelung in der Gewerkschaftsbewegung als Sprungbrett für die Revolutionierung der amerikanischen Arbeiterbewegung gestellt. Diese Aufgabe war weit davon entfernt, von rein theoretischem Gepräge zu sein. Mehr als die Hälfte der anwesenden Delegierten waren aktive Gewerkschaftsarbeiter, die meisten von führendem Einfluss in ihrem Wirkungskreis, fest verwurzelt unter den Kraftfahrern (in Amerika die Vorhut der radikalen Arbeiterschaft), den Seeleuten, in der Stahl-, Kautschuk-, Auto-, Elektrizitäts- und Radioindustrie, im Schiffs- und Flugzeugbau, unter den Transport- und den Lebensmittelarbeitern, den Lehrern und Angestellten, unter den Landarbeitern und in der Arbeitslosenbewegung. Drei Dutzend erfahrener Massenarbeiter beteiligten sich an der Diskussion der Gewerkschafts- und der Arbeitslosenfrage. Ihr hohes politisches Niveau war eine der erfreulichsten Erscheinungen des Kongresses und zeigte, dass die Partei in diesem Kader nicht nur ein unschätzbares Bindeglied mit der amerikanischen Arbeiterbewegung besitzt, sondern einen wertvollen Grundstock für ihren eigenen Führernachwuchs. E;n spezielles Gewerkschaftssekretariat wird die gewerkschaftliche Orientierung der Partei besorgen. ★ Das Hauptziel, das sich die Partei auf dem Kongress gestellt hat: entscheidende Positionen in der Arbeiterbewegung zu gewinnen, war auch bestimmend für die Wahl des Namens der neuen Partei. Während für jene Sektionen, die sich noch hauptsächlich in der Periode ideologischer Propaganda befinden, der Name meist ein Mittel der Abgrenzung von pseudorevolutionären zentristischen Tendenzen ist, war auf dem Kongress der Gesichtspunkt maßgebend, den für die Zwecke der Agitation unter breiteren Arbeiterschichten geeignetsten Namen zu finden. In diesem Sinne entschied sich der Kongress mit großer Mehrheit für den Namen Socialist Workers Party (SWP, Sozialistische Arbeiter-Partei). Der Name Kommunismus ist in der Meinung der amerikanischen Arbeiter endgültig mit den Schandtaten des Stalinismus verbunden. Der Reformismus hat in der angelsächsischen Welt unter dem Namen Labor Party seine Triumphe gefeiert und wird es auch in Amerika unter dieser Flagge tun. Sozialismus ist hingegen das, womit der amerikanische Proletarier die Idee der sozialen Revolution verknüpft. ★ Die SWP hat nach Anhörung eines internationalen Berichts den einstimmigen Beschluss gefasst, sich als Sektion der 4. Internationale zu konstituieren. In ihrer Resolution grenzt sie sich entschieden von den Zentristen des Londoner Büros und von den Brandler-Lovestone-Gruppen ab. In einer besonderen Resolution werden praktische Maßnahmen für die aktive Beteiligung an der Internationalen Konferenz der 4. Internationale, an deren internationaler Leitung und für die Organisierung der revolutionären Kader Lateinamerikas im Kampfe gegen den nordamerikanischen Imperialismus festgelegt. Ein regelmäßiger Mitgliedsbeitrag für die internationale Organisation wurde in den Statuten zur Pflicht gemacht. Durch die Neubildung der amerikanischen Sektion hat die 4. Internationale einen wichtigen Faktor für die internationale Zusammenfassung der revolutionären Avantgarde gewonnen. New York, Januar 1938. P. S. Die SWP gibt die Wochenzeitung «Socialist Appeal» heraus. Die ca. Tausend Mitglieder zählende Jugendorganisation (YPSL) die Monatszeitschrift «The Challenge of Youth». Monatlich erscheint auch die theoretische Zeitschrift «The New International». Anschrift der Partei und der Organe: 116, University Place, New York, NY, USA. - Die Red. |
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