Zeitschrift für die Vierte Internationale Organ des IS, der MA Schweiz, der RKÖ, der IKCSR Redaktionssekretariat: Postfach 466. Zürich-Fraumünster Administration: Dynamo Verlag, L. De Lee, Postbus 296, Antwerpen Leo Trotzki: 90 Jahre Kommunistisches Manifest. Trotzki schuldlos! Das Urteil der amerikanischen Untersuchung. Hohe Sowjetbeamte brechen mit Stalin und kehren zu Lenin zurück. Leo Trotzki: Nichtproletarischer und nichtbürgerlicher Staat? Trotzkisten vor faschistischem Klassengericht. Nr 2. Januar 1938. Preis der Einzelnummer: Schweiz: -.30 Fr.; Österreich: -.30 Sch.; C S R: 2- Kc.; Frankreich: 2.- Fr.; Belgien: 2.- Fr.; Holland: -.15 Fl.; Skandinavien: -.35 Kr.; England: 4 d.; USA: -.10 Doll.; Palästina: 2- Piast. Abonnementspreis für 6 Nummern: Schweiz: 1.50 Fr.; Österreich: 1.50 Sch.; C S R: 10- Kc.; Frankreich: 10- Fr ; Belgien: 10- Fr , Holland: -.80 FI.; Skandinavien: 2- Kr.; England: 1/10 Sh.; USA: -.50 Doll.; Palästina: 10- Piast. Mitteilungen der Administration Dynamo-Verlag (Zürich-Antwerpen-Prag). Der Dynamo-Verlag ist organisiert als Genossenschaft und rechtlich eingetragen im Schweizerischen Handelsregister (Zürich). Er stellt sich die Aufgabe, nicht nur die Literatur der 4. Internationale und insbesondere Werke Leo Trotzkis, sondern auch literarische Arbeiten von diesen nahestehenden Personen und Gruppierungen in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Der Dynamo-Verlag besorgt gleichzeitig die Administration der vorliegenden Zeitung. Er ist unabhängig und überparteilich. Wir fordern alle Personen, die diesen dringend notwendigen Zweck unterstützen wollen, auf, durch Zeichnen von Anteilscheinen die Mitgliedschaft zu erwerben. Die Anteilscheine betragen 15.- Schweiz. Fr. Weiter fordern wir alle auf, durch Spenden die Verlagstätigkeit zu fördern. Auf Anraten mehrerer Freunde sind wir dazu übergegangen: Bausteine zum Aufbau unseres Verlags herauszugeben. Der Preis für einen Baustein ist festgesetzt auf Schw. Fr. 2.-. Jeder der mindestens ein Heft, d.i. 10 Bausteine, verkaufen wird, wird als Prämie ein Exemplar von Trotzkis «Verratene Revolution» in deutscher Sprache erhalten. Werdet Mitglieder des Dynamo-Verlags! Zeichnet Anteilscheine! Kauft «Bausteine»! Gebt für den Pressefonds! Verlags- und Administrationsadressen: Hauptsitz (Anmeldung der Mitgliedschaft, Ausgabe von Anteilscheinen usw.): Zürich-Fraumünster, Postfach 466. Zentrale Administration des Verlags und der Zeitschrift: Antwerpen, L. de Lee, Postbus 296. Zahlungen: Postscheckkonto Brüssel 92 535, Bankkonto: Banque de Commerce, Antwerpen. Administration für CSR und Osteuropa: Prag-Branik, Georg Kopp, Jezerka 572. Vertreter für Frankreich: Paris 10e, c/o Librairie du Travail, 17, rue de Sambre&Meuse. Vertreter für die Schweiz: Basel 12, Postfach 42. Vertreter für Norwegen: Oslo, Tidskriftforlag «Oktober:», St. Olavsgate 31 v. 811. Bei Bestellungen wende man sich an den nächsten Ländervertreter oder direkt an Antwerpen. Demnächst erscheint Leo Trotzki: Durch freundliches Entgegenkommen des Jean Christophe-Verlags Zürich sind wir in der Lage, unsern Kunden und Freunden eine Anzahl dieses neusten, die Moskauer Prozesse und ihre Auswirkungen behandelnden Werkes Leo Trotzkis zu einem Spezialpreis von ungefähr 5- Schweiz. Fr. (statt 8.-) abzugeben. Desgleichen sind wir in der Lage, die beiden Bücher von Andre Gide: Rückkehr aus Sowjetrussland und Retuschen zu meinen Russlandbuch zum Spezialpreis von 2.60 Schw. Fr. (statt 3.50) anzubieten. Bestellungen für diese drei Werke sind zu richten an Dynamo-Verlag, Zürich-Fraumünster, Postfach 466, Schweiz.
Soeben erschienen zum ersten Mal in deutscher Sprache, das neuste Standard-Werk von Leo Trotzki: Verratene Revolution (Was ist die U.S.S.R. und wohin treibt sie?) Preise: fr. Fr. 26,-; belg. Fr. 25,-; Kc. 25,-; Schw. Fr. 4,-; schwed. u. norweg. Kr. 4,-; engl. Sh. 4,-; pal. Piast. 20,-; holl. Fl. 1,60; dän. K. 4,50; Pengö 3,50; öster. Schil. 5,-; pol. ZI. 5,-; Dinar 40,-; Doll. USA 1,- alle anderen Länder. Bestellungen beim Verlag: Editions De Lee, Antwerpen (Dynamo Verlag Zürich-Antwerpen-Prag). Antwerpen, Postbus 296 Bankkonto: Banque de Commerce. Antwerpen. Postscheckkonto Brüssel 92535 Leo Trotzki: Neunzig Jahre Kommunistisches Manifest. der «Kommission zur Untersuchung der gegen Leo Trotzki in den Moskauer Prozessen erhobenen Anklagen». «Das Bewusstsein der Arbeiterklasse kann kein wahrhaft politisches sein, wenn die Arbeiter es nicht gelernt haben, auf alle und jegliche Fälle der Willkür und der Unterdrückung. auf Gewalttaten und Missbräuche zu reagieren, welche Klassen diese Fälle auch betreffen mögen. – und zwar müssen sie eben vom sozialistischen und nicht von irgend einem andern Standpunkt aus darauf reagieren. Das Bewusstsein der Arbeiterklasse kann kein wahrhaftes Klassenbewusstsein sein, wenn die Arbeiter es nicht an konkreten und außerdem unbedingt aktuellen politischen Tatsachen und Ereignissen lernen werden, jede der übrigen gesellschaftlichen Klassen in allen Erscheinungen des intellektuellen, moralischen und politischen Lebens dieser Klassen zu beobachten; – wenn sie es nicht lernen, die materialistische Analyse und materialistische Beurteilung aller Seiten der Tätigkeit und des Lebens sämtlicher Klassen, Schichten und Gruppen der Bevölkerung in der Praxis anzuwenden. Wer die Aufmerksamkeit, die Beobachtungsgabe und das Bewusstsein der Arbeiterklasse ausschließlich oder sogar nur vorwiegend auf sie selber richtet, der ist kein Sozialist, denn die Selbsterkenntnis der Arbeiterklasse ist untrennbar verbunden mit der absoluten Klarheit nicht nur der theoretischen – besser gesagt, nicht so sehr der theoretischen wie der an Hand der Erfahrungen des politischen Lebens ausgearbeiteten – Vorstellungen von den Wechselbeziehungen sämtlicher Klassen der modernen Gesellschaft.» Lenin 1902. Die GPU bereitet die Ermordung Sedows vor Nichtproletarischer und Nichtbürgerlicher Staat? Es handelt sich um wirkliche Trotzkisten und um echte Geständnisse. Aus diesem Grunde nahm die stalinistische Presse, die sonst ihre Seiten gerne mit «trotzkistischen Geständnissen» füllt, keine Notiz davon. Im Juli und August 1937 standen einige Trotzkisten vor dem Wiener faschistischen Klassengericht. Sie hatten sich wegen ihres illegalen Kampfes gegen die klerikofaschistische Schuschniggdiktatur zu verantworten. Die Genossen benützten das Gericht als Tribüne, traten nicht als Angeklagte, sondern als Ankläger wider die faschistische Diktatur, wider die stalinistischen Verleumder auf. Wir zitieren einige markante Stellen aus der programmatischen Rede des jungen Genossen Georg Scheuer: Vorsitzender: «Geben Sie zu, das Delikt des Hochverrats begangen zu haben?» Gen. Scheuer: «Nein. Wir Marxisten sind keine Putschisten. Leider erlaubten uns die österreichischen Verhältnisse nicht, an die Auslösung bewaffneter Kämpfe zu denken. Selbstverständlich würde ich im Falle einer revolutionären Situation alles tun, um den Sieg der proletarischen Revolution herbeizuführen … Es gibt in der Geschichte kein Beispiel, das uns zeigen würde, dass eine ausbeutende Klasse verschwindet, ohne von einer ihr feindlichen Klasse dazu gezwungen zu werden…» Vorsitzender: «Seit wann betätigen Sie sich politisch?» Gen. Scheuer: «Seit meiner frühesten Jugend. Ich habe bald begriffen, dass die Sozialdemokratie, die Prinzipien des Marxismus preisgegeben hat … ich schloss mich den Kommunisten an, wurde Funktionär des kommunistischen Jugendverbandes.» Vorsitzender: «Wann wurden Sie Trotzkist?» Gen. Scheuer: «Schon die kampflose Niederlage des Proletariats, die feige Kapitulation der KPD-Führung vor Hitler, erschütterten meinen Glauben an die Richtigkeit der stalinistischen Politik … Als der 7. Weltkongress der Komintern den kommunistischen Parteien befahl, Bündnisse mit dem Klassenfeind abzuschließen und chauvinistisch zu werden, da erkannte ich, dass die dritte Internationale als revolutionäre Organisation tot ist, dass die vierte gebaut werden muss … Wir Trotzkisten kämpfen in Österreich für die Rückeroberung der demokratischen Rechte und Freiheiten, die dem Proletariat im Februar 1934 geraubt wurden, wir kämpfen für Versammlungs-, Presse- und Koalitionsfreiheit. Wir sind bereit, mit jedem, der für diese Rechte kämpft, gewisse gemeinsame Schritte zu gehen … Aber wir führen diesen Kampf nicht mit der Perspektive: Errichtung der demokratischen Bourgeoisrepublik, sondern unser Ziel ist die Enteignung der Kapitalisten und Großgrundbesitzer, die Errichtung der Diktatur des Proletariats.… Wir Trotzkisten sind die einzigen, die auf dem Boden der Weltrevolution stehen, unser Ziel ist die Zertrümmerung des bürgerlichen Staates, die Errichtung der Diktatur des Proletariats.» Vorsitzender: «Halten Sie keine politischen Vorträge, sie werden kein berühmter Mann, Sie werden kein zweiter Trotzki werden – Herr Scheuer!» Gen. Scheuer: «Die Wiener Textilarbeiter haben durch ihren prächtigen Streikkampf dem gesamten österreichischen Proletariat den richtigen Weg, den Weg des Kampfes gewiesen…» Ein anderer, Gen. Auinger. klagte die III. Internationale an, dass sie den Weg der Weltrevolution verlassen habe und dass ihre Politik in der SU zu einer Katastrophe führe. Er bekannte sich zur IV. Internationale. Die österreichischen Zeitungen brachten über die Trotzkisten Prozesse ausführliche Berichte in großer Aufmachung. Alle Genossen, mehr als ein Dutzend, erhielten für Verbreitung und Herstellung unserer Literatur hohe, für Österreich z.T. sehr schwere Kerkerstrafen darunter Scheuer sechs Jahre, Hochrainer fünf Jahre usw. Unter fürchterlichen Bedingungen schmachten die gefangenen Trotzkisten und mit ihnen hunderte und tausende Sozialisten und Kommunisten in den Kasematten der österreichischen Bourgeoisie. In allen Ländern der Erde müssen die Bolschewiki-Leninisten und alle proletarischen Revolutionäre laut den Ruf erheben: «Heraus mit unsern Genossen Hochrainer, Niescher, Scheuer, Auinger, Fischer und allen andern! Heraus mit allen politischen Gefangenen aus den Kerkern der österreichischen Bourgeoisie!» Der Kampf für diesen Ruf ist der Kampf gegen die Bourgeoisie und ihre Agenten. Dass er gelinge, dafür wird das österreichische Proletariat, das trotz Terror und Illegalität mutig und unverdrossen am Joch der Diktatur rüttelt, dafür werden die revolutionären Kommunisten Österreichs, die die neue revolutionäre Partei schaffen, sorgen. An unsere Leser! Die Herausgabe eines Werks wie Trotzkis «Verratene Revolution» kostet eine Menge Geld! Unser junger Verlag hat mit großen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Helft uns! Werdet Mitglied unserer Genossenschaft! Zeichnet Anteilscheine! Dynamo Verlag. Zum Anschluss der russischen Gewerkschaften an den IGB Mitteilung der Redaktion: Genossen, helft unserer Zeitschrift durch Sammeln von Pressefonds und Werben von Abonnenten! Sendet uns Literatur, Informationen und Artikel aller Art. Redaktionsschluss der nächsten Nummer am 20. Januar 1938. Verantwortlich für die Schriftleitung: Walter Nelz, Postfach 466, Zürich-Fraumünster. Leo Trotzki: Stalins Verbrechen. Mitte Dezember 1937 erschien endlich dieses lange erwartete Buch im Jean Christophe - Verlag Zürich. Wir empfehlen allen unsern Lesern seine aufmerksame Lektüre und beschränken uns hier bewusst auf bloße Inhaltsangabe. Es enthält die gründliche Abrechnung des «Hauptangeklagten» der Moskauer Prozesse mit seinen Verfolgern. Einerseits schildert es die Empfindungen und Erlebnisse Trotzkis während des Ablaufs der Prozesse, vor allem seine lehrreichen Erfahrungen im «sozialistischen» Norwegen; andrerseits liefert es die wissenschaftliche, juristische Auflösung der stalinschen Fälschungen und Verbrechen. Das Buch enthält als wichtigste Kapitel: Die Rede Trotzkis, die er als Zeuge vor dem norwegische Gericht gegen die Einbrecher-Faschisten leider unter Ausschluss der Öffentlichkeit halten musste. (1934 wollte die SAP die Norwegische Arbeiterpartei für die 4. Internationale erobern. Wenn man jetzt das Verhalten dieser Partei gegenüber Trotzki kennen lernt erinnert man sich unwillkürlich an unsere seinerzeitige NAP-Diskussion und staunt nur über die Gründlichkeit, mit der der «historische Prozess» Walchers Prophetie zermalmte.) Trotzkis Rede an das Meeting im Neuyorker Hippodrom und seine Schlussrede vor der mexikanischen Untersuchungskommission. Den Artikel über die Enthauptung der Roten Armee. Köstlich ist die Analyse der bekannten analphabetischen Polizeirede Stalins vom 3. März 1937, in der dieser die Richtigkeit unseres Kampfes und seine Fälschungen bestätigt und nebenbei die Unmöglichkeit des Aufbaus der klassenlosen Gesellschaft in einem Lande eingesteht. Der Anfang vom Ende hat begonnen. «Stalin steht vor dem Abschluss seiner tragischen Mission. Je mehr es ihm scheint, dass er keinen mehr braucht, umso näher rückt die Stunde, dass niemand ihn braucht. Gelingt es der Bürokratie, durch Umwandlung der Form des Eigentums aus sich heraus eine besitzende Klasse zu schaffen, dann wird diese ihre eigenen, mit keiner revolutionären Vergangenheit verbundenen und – gebildeteren Führer finden. Dabei wird Stalin kaum ein Dankeswort für die vollbrachte Arbeit zu hören bekommen. Die offene Konterrevolution wird mit ihm wahrscheinlich unter der Anklage des … Trotzkismus abrechnen. Stalin wird in diesem Falle ein Opfer des von ihm erfundenen Amalgams werden. Jedoch ist dieser Weg nicht unbedingt vorausbestimmt. Die Menschheit tritt von neuem in eine Epoche von Kriegen und Revolutionen. Nicht nur politische, sondern auch soziale Regimes werden dabei wie Kartenhäuser zusammenstürzen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die revolutionären Erschütterungen in Asien und Europa dem Sturz der Clique Stalins durch eine kapitalistische Konterrevolution zuvorkommen und deren Sturz unter den Schlägen der Werktätigen herbeiführen werden. In diesem Falle hat Stalin noch weniger auf Dankbarkeit zu rechnen. Wenn strenge Maßnahmen angewandt werden im Dienste großer historischer Ziele, ist das Gedächtnis der Menschheit großmütig. Aber die Geschichte wird keinen Tropfen Blut verzeihen, der dem neuen Moloch der Willkür und der Privilegien geopfert wurde. Das sittliche Gefühl findet seine höchste Befriedigung in der unerschütterlichen Gewissheit, dass die historische Sühne dem Ausmaß des Verbrechens entsprechen wird. Die Revolution wird alle Geheimschränke öffnen, alle Prozesse nachprüfen, die Verleumdeten freisprechen, den Opfern der Willkür Denkmäler errichten und die Namen der Henker mit ewigem Fluch bedecken. Stalin wird von der Bühne treten, belastet mit allen Verbrechen, die er begangen hat – nicht nur als Totengräber der Revolution, sondern auch als die unheilvollste Figur der menschlichen Geschichte.» Mit diesen Sätzen schließt das Buch, für dessen weiteste Verbreitung wir besorgt sein müssen. Die Wahrheit hat ihren Marsch angetreten und nichts wird sie aufhalten. W. O. Leo Trotzki: Verratene Revolution Dynamo Verlag. Was geht in der Sowjetunion vor? Was bedeuten die seltsamen Prozesse, die furchtbaren Massenhinrichtungen? Das sind die Fragen, die sich jeder denkende Arbeiter, jeder denkende Mensch heute stellt. Das nun endlich auch in deutscher Sprache erschienene Buch Leo Trotzkis: «Verratene Revolution» bietet den Schlüssel zum Verständnis dieser Fragen. Nicht eigentlich der Abrechnung mit den Skandalprozessen und den Justizmorden gewidmet, deren gründliche Entlarvung Leo Trotzki in dem ebenfalls in diesen Tagen erscheinenden Buch: «Stalins Verbrechen» vornimmt, gibt die «Verratene Revolution», deren Manuskript am Vorabend des Prozesses gegen Sinowjew, Kamenew, Smirnow etc. abgeschlossen wurde, eine gründliche Analyse des sozialen Hintergrundes für diese furchtbaren Verbrechen der Moskauer Regierung. Trotzki unterzieht die Resultate des industriellen Aufbaus einer gründlichen Kritik. Rein zahlenmäßig ist das Erreichte bewundernswert: die Sozialisierung der Wirtschaft hat im Laufe von 20 Jahren einen in der Geschichte beispiellosen industriellen Aufschwung ermöglicht. Insofern hat der Sozialismus seine Überlegenheit über den Kapitalismus in der Praxis bewiesen. Doch vom prahlerischen Optimismus der offiziellem Sowjetpropaganda ist Trotzki weit entfernt. Die Qualität der Sowjetproduktion ist schlecht, die Gestehungskosten sind unerhört hoch, die Arbeitsproduktivität der Sowjetgesellschaft liegt weit unter der des Kapitalismus. Und Trotzki stellt fest: solange sich das alles so verhält, kann von einer Errichtung des Sozialismus oder gar von einem endgültig gesicherten Sozialismus keine Rede sein, und solange ist die Frage, ob die Sowjetunion den Kampf gegen den Weltkapitalismus siegreich bestehen wird, nicht entschieden. Eine Hebung der Arbeitsproduktivität und eine Verbesserung der Qualität setzt heute vor allem eine Hebung des Lebensstandards der Massen und deren aktive und bewusste Teilnahme am Produktionsprozess voraus. Mit einem Wort: die Sowjetdemokratie. Doch eben einer solchen Entwicklung stemmt sich der bürokratische Zwangsapparat entgegen. Für jeden Kenner der sozialistischen Theorie erhebt sich nun die Frage: was ist die Ursache dieses gewaltigen Anschwellens der Bürokratie und des bürokratischen Absolutismus in der Sowjetunion, wo doch der Marxschen Theorie zufolge der Staat unter dem Sozialismus absterben soll? Schon in seinen früheren Arbeiten hat Trotzki die Existenz des bürokratischen Despotismus einerseits auf die Rückständigkeit, andererseits auf die Isolierung der Sowjetunion zurückgeführt. In einem meisterhaft geformten Kapitel des vorliegenden Buches über «Sozialismus und Staat» vertieft er diese Erklärung. Nach der sozialistischen Umwälzung erhält der Staat einen doppelten Charakter: er ist sozialistisch in dem Maße, wie er das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln verteidigt und fördert, bürgerlich in dem Maße, wie er das bürgerliche System der Verteilung der Gebrauchsartikel beibehält. Marx und Lenin, die diesen Doppelcharakter des Staates in der Übergangsperiode der proletarischen Diktatur vollkommen erkannten, stellten sich jedoch vor, dass die sozialistischen Aufgaben die bürgerlichen stets mehr und mehr verdrängen, bis schließlich der staatliche Zwangsapparat selbst überflüssig wird. In Wirklichkeit ist jedoch in der Sowjetunion die umgekehrte Entwicklung eingetreten, der bürgerliche Charakter des Staats nimmt gegenüber dem sozialistischen stets ausgeprägtere Formen an, droht den letzteren völlig zu beseitigen. Und Trotzki findet den Schlüssel zur Erklärung dieses Vorgangs in einer Polemik des 27 jährigen Marx gegen die «deutschen Sozialisten», wo dieser schrieb: «… die Entwicklung der Produktivkräfte ist eine absolut notwendige praktische Voraussetzung (des Kommunismus) auch darum, weil ohne sie die Not sich verallgemeinert, und mit der Not muss wieder der Kampf um die notwendigen Gegenstände beginnen und folglich die ganze alte Leier wiederauferstehen».1 Marx entwickelte diese Perspektive nicht weiter, da er damit rechnete, dass die Revolution zuerst in einem fortgeschrittenen Land ausbrechen und sich dann weiter fortpflanzen würde. Lenin dagegen rechnete damit, dass die Weltrevolution der russischen Revolution zu Hilfe kommen würde.Jedoch die ungünstigste Variante ist eingetroffen, die Revolution siegte in einem rückständigen Lande und wurde isoliert. Das Experiment also, den Sozialismus auf der Grundlage des sozialisierten Elends aufzubauen, brachte von neuem den Kampf um die eigene Existenz und infolgedessen eine starke Polizeimacht hervor, deren Funktion ist, dem einen zu geben und zehn andern zu nehmen, und die bei diesem Geschäft vor allem sich selbst nicht vergisst. Eben um in erster Linie ihre eigenen materiellen Ansprüche befriedigen zu können, muss sich die Bürokratie von der demokratischen Kontrolle der Massen befreien, das politische Leben der Partei ersticken, die Sowjets auflösen, die Gegner grausam vernichten. Aus diesem Grunde kann sie auch vor den Massen nicht Rechenschaft ablegen, ihre Gegner nicht mit ehrlichen Waffen bekämpfen. Verleumdung, Lüge, Terror und Meuchelmord, das mussten die politischen Waffen einer sozialen Schicht werden, die die Macht im Namen der Arbeiterklasse auszuüben vorgibt, in Wirklichkeit jedoch ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedacht ist. «Das Wiederauferstehen der ganzen alten Leier», eben das hat sich in der Sowjetunion ereignet. Der individuelle Kampf um die Existenz, die soziale Differenzierung und infolgedessen die Macht des staatlichen Zwangsapparats treten stets schärfer hervor. Und parallel mit der Verbürgerlichung des Staats geht eine Verbürgerlichung des gesamten öffentlichen und privaten Lebens, des gesamten kulturellen Überbaus. Kein Gebiet des menschlichen Zusammenlebens ist von der tiefen Reaktion gegen die Ideale der Oktoberrevolution und des Sozialismus unberührt geblieben, und Trotzki leuchtet ihr mit dem scharfen Licht der marxistischen Kritik überallhin nach. Doch ist der gegenwärtige Zustand der Sowjetgesellschaft äußerst unstabil, das innere Bewegungsgesetz der Sowjetunion wird von der Frage umspannt, ob der Bürokrat schließlich den Arbeiterstaat völlig verschlingen wird, oder ob es dem russischen Arbeiter gelingt, den Beamten in eine Funktion zurückzuversetzen, wo er nicht mehr schaden kann. Und diese Frage wird nicht in der Sowjetunion allein entschieden. Macht die Weltreaktion weitere Fortschritte, erleidet die internationale Arbeiterbewegung weiterhin Niederlage auf Niederlage, dann werden schließlich auch die sozialistischen Grundlagen der Sowjetwirtschaft fallen. Umgekehrt würde der Ausbruch der sozialen Revolution in einem westeuropäischen Land auch die Sowjetunion wieder auf den Weg zum Sozialismus führen. Den sogenannten «Freunden der Sowjetunion», die in Wirklichkeit Freunde der Sowjetbürokratie sind und ihr helfen, die Arbeiter und die öffentliche Meinung der Welt zu betrügen, widmet Trotzki ein besonderes Kapitel. Die Webbs, Louis Fischer, Heinrich Mann, Romain Rolland etc. haben eine gemeingefährliche reaktionäre Rolle übernommen und nichts kann berechtigter sein als die scharfe Abfuhr, die Trotzki diesen falschen Heiligen erteilt. Zahlreich sind die Stimmen, die anlässlich der heutigen Vorgänge in der Sowjetunion erneut den Bankrott des Marxismus prophezeien. Doch ist es nicht der Marxismus, sondern im Gegenteil die nationalistische Revision des Marxismus, die Lehre vom Sozialismus in einem Lande, die Schiffbruch erlitten hat. Der Marxismus als wissenschaftliche Untersuchungsmethode des gesellschaftlichen Organismus feiert im vorliegenden Buche Trotzkis einen neuen gewaltigen Triumph. Kein denkender Arbeiter, kein Sozialist, kein ernsthafter Politiker kann ohne das Buch Trotzkis auskommen. Eine Sache verstehen, das heißt weiter schreiten. Weiter schreiten, das heißt vor allem verstanden haben. Ohne das gründliche Verständnis der Sowjetgesellschaft und der politischen Rolle der Sowjetbürokratie kann der europäische Sozialismus nicht weiter schreiten, sich nicht von seinen Niederlagen erholen. Darin, dass es uns dieses dringend erforderliche Verständnis gibt, liegt die außerordentliche theoretische und praktisch-politische Bedeutung des Trotzkischen Buches. Walter Held. Notizen Enthauptung der Polnischen Kommunistischen Partei Man teilt uns mit, dass in Moskau die hervorragendsten Mitglieder des Zentralkomitees und des Politbüros der polnischen kommunistischen Partei verhaftet wurden: S. Pruchnjak, Bronkowski. J. Ryng, Vera Kostschewa, Henrikowski, Walecki und andere bekannte polnische Kommunisten: Krajewski. S. Hubermann, Jan Hempel, Lapinski, Bronik, Bruno Jassenski. Einige nicht nachgeprüfte Meldungen besagen, dass auch der Generalsekretär der polnischen Kompartei, J. Lenski, verhaftet sei. «Die Jugend ist die Flamme der Revolution» Das Internationale Büro der Jugendorganisationen für die 4. Internationale erlässt einen Aufruf an alle revolutionären Jugendorganisationen «an der internationalen Konferenz teilzunehmen, die vorbereitet wird und an der neuen revolutionären Jugendinternationale mitzubauen, die die Arbeiterjugend der ganzen Welt befreien wird.» Diese Konferenz soll gleichzeitig mit der geplanten internationalen Konferenz für die 4. Internationale durchgeführt werden. Aufruf für das brasilianische Volk Unsere mexikanische Brudersektion veröffentlichte einen Aufruf zum brasilianischen Staatsstreich, worin sie auf dessen Beziehung zum europäischen Faschismus hinweist und u.a. schreibt. «Brasilien selbst besitzt – wie alle lateinamerikanischen Länder – kein oder fast kein Finanzkapital. Die Bauernmassen stecken noch halb in feudalen Leibeigenschaftsverhältnissen. Sie haben keine politische Kampftradition. Keine faschistische Partei hat sie erfasst. Die sogenannten «Grünhemden» sind eine zu vernachlässigende Größe – Getulio Vargas hielt es anscheinend nicht einmal für nötig, sie zu seinem Staatsstreich heranzuziehen. Infolge der politischen Misere des Kleinbürgertums musste der Staats- und in erster Linie der Militärapparat, d.h. das Werkzeug des ausländischen Imperialismus, gleichzeitig auch als Werkzeug des Staatsstreichs dienen. Daher trägt das totalitäre Regime Brasiliens von Anfang an einen rein bürokratischen Charakter. Es ähnelt mehr der Diktatur eines Primo de Rivera als der eines Hitler oder Mussolini. Jeglicher sozialen und politischen Basis in den Massen des Landes bar, aufgerichtet nur, um diese Massen noch gründlicher zu unterjochen und ihr soziales und politisches Sehnen zu ersticken, wird Vargas’ totalitäres Regime sich schwächer als irgendein anderes in den Ländern Lateinamerikas erweisen. Vargas’ Unterfaschismus kann nicht anders handeln denn als gehorsames Werkzeug des echten imperialistischen Faschismus der ihn schuf. Mit anderen Worten, der totalitäre Staatsstreich ist kein Schritt von einer halbkolonialen Stellung zur nationalen Befreiung, sondern umgekehrt, von der halbkolonialen Stellung zurück zu völliger kolonialer Versklavung. Getulio Vargas bereitet für den aggressivsten und hungrigsten Imperialismus eine Basis vor, von der aus dieser in das innere Leben Gesamt-Lateinamerikas einzugreifen vermag … Um Lateinamerika vor der ihm immer mehr drohenden Kolonialsklaverei zu bewahren, muss es sich zusammenschließen. Nicht die «nationalen» Bourgeoisien – diese Agenturen des ausländischen Imperialismus – werden diese Aufgabe erfolgreich lösen. Nur die Arbeitermassen sind imstande, durch ihren unbezwingbaren revolutionären Kampf die Vereinigten Sozialistischen Staaten Lateinamerikas zu schaffen … Die Avantgarde der mexikanischen Arbeiter appelliert laut an die Solidarität der Weltarbeiterschaft und vor allem der mächtigen Arbeiterklasse der Vereinigten Staaten, die die Geschichte ausersehen hat, Führer der unterdrückten Völker dieses Kontinents zu werden.» Lest die Presse der Vierten Internationale Unser Wort, Organ der IKD, L. de Lee, Postbus, 296, Antwerpen. La Lutte Ouvrière, Organ der franz. POI, 15, pass. Dubail, Paris 10. Quatrième Internationale, theor. Zeitschrift der POI, 15, pass. Dubail, Paris 10. La Lutte (Indochina), 95 E, rue Lagrandière, Saigon. La Lutte Ouvrière, Organ der belg. PSR, 24, rue Jaurès, Cuesmes, Belgique. Revolution, Organ der belg. Jugend (JSR), Maison du Peuple, Gilly (Charleroi). Socialist Appeal, Organ der soz. Part, von New York (Linker Flügel 116. University Place, New York City. ), The Challenge of Youth, offizielles Organ der Young People’s Soc. League,116, University Place, New York City. The New International, Monatsorgan für rev. Marxismus, 116, University Place, New York City. Bulletin der Opposition (russisch), c/o Librairie du Travail, 17, rue de Sambre-et-Meuse, Paris 10. IV. Intemacional, Organ der mexikan. Sekt, der IV. Internationale, Apartado Postal 8052, Mexico DF. Oktober (norwegisch), St. Olavsgate 31, v. 811, Oslo. Alianza Obrera, Organ der chilenischen Sekt, der 4. Internationale, Pedro Isla, Casilla 13219, Santiago. Service d’Information et de Presse, herausg. vom Internationalen Sekretariat für die 4. Internationale. c/o Librairie du Travail, 17, rue de Sambre-et-Meuse, Paris 1 Ö. Dynamo Verlag Zürich - Antwerpen - Prag In unserem Verlag sind bisher erschienen: L. Sedow: Rotbuch über den Moskauer Prozess. L. Sedow, der Sohn Trotzkis, der einzige Angeklagte, der sich frei äußern konnte, gibt die beste juristische, politische und psychologische Analyse des Prozesses, die als Grundlage der Gegenprozesse und der internationalen Untersuchungskommission dient. Mit einem Anhang: Der Prozess von Nowosibirsk als vorbereitende Etappe zum nächsten großen Prozess. Leo Trotzki: Wohin geht Frankreich? Eine 100 Seiten starke Broschüre, die Trotzkis Aufsätze über die französische politische und soziale Krise aus der Periode von Februar 1934 bis zu den Junistreiks 1936 enthält. Die beste Analyse der gegenwärtigen politischen Lage Frankreichs! Arbeiterstaat, Thermidor und Bonapartismus. Die Vierte Internationale und die USSR. Die «Terroristen»-Prozesse in der USSR. Die Vierte Internationale und der Krieg. Franz Heller: Arbeiterrevolution in Spanien. Herausgeber: L. de Lee, Antwerpen. 1 Offenbar eine Rückübersetzung folgender Passage „andrerseits ist diese Entwicklung der Produktivkräfte (womit zugleich schon die in weltgeschichtlichem, statt der in lokalem Dasein der Menschen vorhandene empirische Existenz gegeben ist) auch deswegen eine absolut notwendige praktische Voraussetzung, weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit um das Notwendige wieder beginnen und die ganze alte Scheiße sich herstellen müsste“ |
Der einzige Weg >