Der II. Allrussische Rätekongress (unter Teilnahme der Vertreter der Kreis- und Gouvernementssowjets), dessen Einberufung vom 1. Allrussischen Zentralexekutivkomitee auf den 20. Oktober/2. November festgesetzt war, wurde am 25. Oktober/7. November eröffnet. An dem Kongress nahmen 670 Delegierte teil: 300 Bolschewiki, 193 Sozialrevolutionäre (davon 169 linke Sozialrevolutionäre), 68 Menschewiki, 14 Vereinigte Sozialdemokraten-Internationalisten, 10 Delegierte der Polnischen Sozialistischen Partei (PPS) und der Polnischen Sozialdemokratie, 49 Vertreter anderer Parteien und 36 Parteilose. Im Mittelpunkt der Beratungen des Kongresses standen die Fragen der Bildung der Sowjetregierung und der Annahme der Dekrete über Land und Frieden. Bereits am 21. Oktober/3. November wurde Lenin vom ZK der Partei beauftragt, Thesen über die Fragen der Staatsmacht, des Grund und Bodens und des Friedens für den Kongress auszuarbeiten. Der Kongress tagte im Ganzen zweimal: am 25. und 26. Oktober/7. und 8. November. Die erste Sitzung beschäftigte sich mit der Konstituierung des Präsidiums und diskutierte die Frage der Vollmachten des Kongresses. Die Menschewiki und Sozialrevolutionäre verlasen eine Protesterklärung gegen die „militärische Verschwörung und Ergreifung der Macht, die die Bolschewiki hinter dem Rücken der anderen Parteien und Fraktionen, die in den Räten vertreten waren, organisiert hatten", und verließen den Kongress. Ihnen schlossen sich an: die Menschewiki-Internationalisten, die Bundisten und die Mitglieder der jüdischen sozialdemokratischen Partei „Poale-Zion". In derselben Sitzung wurde nach dem Weggang der Menschewiki und Sozialrevolutionäre mit allen Stimmen gegen zwei, bei zwölf Stimmenthaltungen, der Aufruf über den Übergang der Macht an die Sowjets „An die Arbeiter, Soldaten und Bauern" angenommen (siehe S. 7–8 dieses Bandes). Da Lenin dieser Sitzung nicht beiwohnte, wurde der Aufruf im Namen der bolschewistischen Fraktion von A. Lunatscharski verlesen. Er wurde noch vor Bestätigung durch den Kongress der Presse übergeben (mit der Unterschrift des Revolutionären Militärkomitees) und erschien in dieser Fassung in der „Iswestija" vom 27. Oktober/9. November 1917. In den übrigen Zeitungen erschien dieser Aufruf bereits im Namen des Kongresses. In der Debatte auf dem Kongress beantragte B. Kamkow im Namen der linken Sozialrevolutionäre, die Form der Übergabe des Bodens an die Bauern festzulegen, nämlich das Land den Landkomitees zu übergeben. Dieser Antrag wurde vom Kongress angenommen. Die Delegierten der Bauernräte schlugen vor, ihre Unterschrift unter den Aufruf zu setzen, was ebenfalls vom Kongress angenommen wurde. Die zweite und letzte Sitzung des Kongresses fand am Abend des 26. Oktober/8. November statt und dauerte bis 5 Uhr morgens. Der Kongress fasste den Beschluss über die Abschaffung der Todesstrafe, nahm das Bodendekret an (mit allen Stimmen gegen eine, bei acht Stimmenthaltungen), ferner die Dekrete über den Frieden (einstimmig) und über die Bildung der Sowjetregierung. Der Kongress wählte das Allrussische Zentralexekutivkomitee (62 Bolschewiki, 29 linke Sozialrevolutionäre, 6 Sozialdemokraten-Internationalisten, 3 Vertreter der ukrainischen sozialistischen Parteien und 1 Sozialrevolutionär-Maximalist). Dabei wurde beschlossen, dass das Allrussische Zentralexekutivkomitee durch Vertreter der Bauernräte, der Armeeorganisationen sowie der Gruppen, die den Kongress verlassen hatten, ergänzt werden solle. Diese Reden Lenins sind Zeitungsberichten entnommen; Stenogramme wurden auf dem Kongress nicht geführt wegen der Sabotage der Stenotypistinnen. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 22, Anm. 4] Der 2. Sowjetkongress geriet lange vor seiner Einberufung ins Zentrum des Kampfes der beiden Lager der Sowjets. Bei einem Treffen der Sowjetdelegierten zusammen mit dem Zentralen Exekutivkomitee in den Tagen der Demokratischen Beratung wurde beschlossen, den Sowjetkongress zum 20. Oktober einzuberufen. Unmittelbar nach dem Ende der Arbeit der Versammlung begann die menschewistisch-sozialrevolutionäre Mehrheit des ZEK eine Kampagne für seine Verschiebung. Aus politischen Gründen lehnte das ZEK-Präsidium Dans Vorschlag einer Verschiebung ab. Aber inoffiziell gab es eine wilde Arbeit, um den Kongress zu untergraben. Erst wenige Tage vor seiner Einberufung informierte das ZEK die Orte offiziell über die Notwendigkeit von Wahlen, um sicherzustellen, dass die Wahlen zum Kongress lebhaft stattfinden. Das Erscheinungsbild des Kongresses war bereits auf der Grundlage der vorangegangenen Regional- und Provinzkongresse klar. So standen zum Beispiel die regionalen Kongresse des Urals, der westlichen Region, der Wolga-Region usw. unter der Führung der Bolschewiki.
Die Parteizusammensetzung des 2. Sowjetkongresses war wie folgt: 382 Bolschewiki, 31 Parteilose, die mit den Bolschewiki sympathisierten, 70 linke Sozialrevolutionäre, 5 Anarchisten, 15 vereinigte Internationalisten, 40 menschewistische Internationalisten, 21 menschewistische Vaterlandsverteidiger, 7 Nationalitäten-Sozialdemokraten, 36 Sozialrevolutionäre des Zentrums, 16 rechte Sozialrevolutionäre, 3 Nationalitäten-Sozialrevolutionäre. Die Bolschewiki hatten auf dem Kongress die absolute Mehrheit. 14 Bolschewiki, 7 Sozialrevolutionäre, 3 Menschewiki und 1 Nowaja-Schisn-Anhänger wurden in das Kongresspräsidium gewählt. Auf der Tagesordnung des Kongresses standen Fragen: 1) über die Organisation der Macht, 2) über Krieg und Frieden, 3) über die Konstituierende Versammlung.
Nach
dem Auszug der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre aus dem
Kongress wurden die Hauptentscheidungen – das Friedensdekret
und das Dekret
über die Abschaffung des Privateigentums am Boden – fast
einstimmig angenommen. Der Kongress erließ auch ein Dekret über die
Abschaffung der durch Kerenski eingeführten Todesstrafe an der Front
und bildete den Rat der Volkskommissare. [Trotzki, Sotschinenija 3.2] |
Glossar >