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3. Allrussische Konferenz der SDAPR

Die 3. Allrussische Konferenz fand in Finnland vom 5. (18.) bis zum 12. (25.) November 1907 statt.

Anwesend waren 27 Delegierte: 10 Bolschewiki, 4 Menschewiki, 5 Polen, 5 Bundisten und 3 Letten.

In Terioki fand eine Vorberatung des ZK mit den bolschewistischen Delegierten statt. Anwesend waren: Lenin, Bogdanow, Roschkow, Sinowjew, Goldenberg, Knunjanz, Tyszka, Warski, Dzierżyński (die letztgenannten drei als Vertreter Polens), Theodorowitsch, Poletajew, Tomski, Mark (Ljubimow), Smidowitsch, Ljadow, Tschernomordik, Selikson-Bobrowskaja.

Die Ortsorganisationen waren folgendermaßen vertreten (Delegierte mit beschließender Stimme): Moskau und Zentralgebiet 5, Petersburger Organisation 2, Ural 2, Wolgagebiet, Sibirien und Nordkaukasus 1, Transkaukasien – 3, Südrussland 1, Polnische Sozialdemokratie 5, Jüdischer Arbeiterbund 5 (Liber, Abramowitsch u. a.), Lettische Sozialdemokratie – 3. Von den Menschewiki waren anwesend: Dan, Martow, Tschcheïdse u. a.

Ein Brief von „A. Wolschski" (A. A. Bogdanow – nicht das Mitglied der Redaktion des „Proletarij", sondern ein Ortsfunktionär), veröffentlicht in Nr. 20 des „Proletarij" vom 19. November 1907, schildert ausführlich die Arbeiten der Konferenz. Nachstehend geben wir seinen Inhalt wieder.

Als erster Punkt der Tagesordnung wurde die Frage der Stellung zur Reichsduma erörtert. Das Referat hielt Lenin (das Referat wird in der Darstellung von A. Wolschski im Text des vorliegenden Bandes. Seite 131, wiedergegeben). Die Bolschewiki: Lenin, N. Roschkow, Bogdanow u. a. sprachen sich im Geist der Beschlüsse des Londoner Parteitags über die Reichsduma und über die Beziehungen zu den bürgerlichen Parteien aus. Die beiden bolschewistischen Resolutionen – die eine, eingebracht von 6 Mitgliedern des ZK, und die andere, die Resolution der Petersburger Konferenz, deckten sich im Wesentlichen. Die menschewistisch-oportunistische Richtung war auf der Konferenz „in zwei Varianten" vertreten. Der Vertreter der Bundisten, Liber, behauptete offen, vor der Partei stünden gegenwärtig „rein praktische" Ziele, und die Beteiligung an der gesetzgeberischen Arbeit der Duma könne und müsse in der Unterstützung der kadettisch-oktobristischen Gesetzentwürfe, in der Unterstützung der Verwirklichung der „auf der Linie des sozialdemokratischen Programms" liegenden Reformen zum Ausdruck kommen. Er begründete seine Auffassungen theoretisch damit, dass die Klasseninteressen der Großbourgeoisie mit den Interessen des Absolutismus unvereinbar seien. Daher erwachse der Sozialdemokratie die Aufgabe, die Kadetten und Oktobristen zu unterstützen, und zwar um so mehr, als in der Oktobristen-Partei eine Differenzierung unvermeidlich sei und ein Teil der Oktobristen nach links rücken würde. „Lieber das wenige Reale, zu dem die Bourgeoisie fähig ist", als verknöcherte Hartnäckigkeit in der Durchführung von „Meeting"-Resolutionen. Für die Partei müssten „Erwägungen praktischer Zweckmäßigkeit" ausschlaggebend sein: wenn aber die Sozialdemokratie den einen oder anderen oktobristischen Gesetzentwurf, der einen positiven Schritt vorwärts bedeutet, nicht unterstützt, so wird die Bevölkerung es ihr nicht verzeihen, die Partei wird diskreditiert werden und wird bei den Wahlen zur vierten Duma viel verlieren. Die Rede Libers war eine offene Verkündung des Reformismus in der Sozialdemokratie. Der Führer der anderen menschewistischen Richtung, Dan, kam im Wesen der Sache den Liberschen Auffassungen ganz nahe. Er verwies darauf, dass die Dumamehrheit die feudale Diktatur der Gutsbesitzer durchführen werde und die Kadetten höchstwahrscheinlich „in Opposition" stehen würden. Diese Auffassung veranlasste ihn zu der Behauptung, „der Zusammenschluss der ganzen Opposition" sei notwendig. In der Hauptsache vertraten beide menschewistischen Gruppen die Auffassung, die mit Hilfe der bürgerlichen Opposition durchgeführten Reformen seien ein Plus, das die sozialdemokratische Partei sich nicht entgehen lassen dürfe. Die von den Menschewiki beantragte und von ihnen als Konzept bezeichnete Resolution enthielt keine Wertung des oktobristisch-kadettischen Blocks und war mit „praktischen Details" ausgefüllt. Die Konferenz nahm mit 17 Stimmen gegen 2 bei 5 Stimmenthaltungen die bolschewistische Resolution über die Taktik in der dritten Duma an.

In der Frage, wie die sozialdemokratischen Dumaabgeordneten sich bezeichnen sollten – als Fraktion oder als Gruppe –, wurde folgende Resolution gefasst: „Die Konferenz erachtet es für notwendig, dass die Vertretung der SDAPR in der dritten Reichsduma sich als sozialdemokratische Fraktion bezeichnet."

Charakteristisch ist die Stellungnahme der Minderheit in der Frage der Mitarbeit an bürgerlichen Presseorganen. Während die revolutionären Sozialdemokraten, die Bolschewiki, die Neigung Plechanows zu den Bernsteinianern und Anhängern der Gruppe „Bes Saglawia" („Ohne Kopf") aus dem „Towarischtsch" entschieden verurteilten, suchten einige Menschewiki, wie der Verfasser des Briefes schildert, diese wichtige Frage über Mitarbeit an bürgerlichen Presseorganen auf das Niveau eines „kleinen Familienskandals" herabzudrücken. Dan vertrat das „freie Zutrittsrecht" der Sozialdemokraten zur bürgerlichen Presse, und in der von ihm beantragten Resolution stellte er den Gedanken in der Vordergrund, Sozialdemokraten müssten an bürgerlichen Presseorganen mitarbeiten (da es keine legalen sozialdemokratischen Zeitungen gebe, die sozialdemokratischen Ideen aber in den breiten Massen propagiert werden müssten usw.). Der bolschewistische Vertreter (l. Goldenberg-Meschkowski) verwies darauf, dass die Mitarbeit einzelner Genossen an bürgerlichen Presseorganen unter strengster Kontrolle der Partei stehen müsse, dass die Veröffentlichung von Artikeln über taktische Fragen in bürgerlichen Zeitungen in den ideologisch-politischen Block eines Teils der Partei mit bernsteinianischen Vertretern der bürgerlichen Demokratie ausarte. In dieser Frage wurde mit 20 gegen 1 Stimme bei 6 Stimmenthaltungen die bolschewistische Resolution angenommen.

Die nächste Frage der Tagesordnung war die Organisierung einer einheitlichen Verbindung des ZK mit den Ortsorganisationen und die Aufhebung der „Fraktionszentren". Diese Frage wurde von Vertretern der außerhalb der Fraktionen stehenden nationalen Organisationen zur Sprache gebracht. Es stellte sich heraus, dass das ideologische Zentrum der bolschewistischen Fraktion die auf dem Londoner Parteitag gewählte Redaktion des „Proletarij" war. Der menschewistische Vertreter, Dan, leugnete das Vorhandensein einer Direktiven erteilenden menschewistischen Zentrale – die menschewistische Fraktion hätte nur einen „Klub", dem mehrere Literaten angehörten. Aus den faktischen Äußerungen trat aber, wie Wolschski mitteilt, klar zutage, dass, obwohl die Menschewiki (nach der „aufrichtigen" Erklärung Dans) keine praktische Zentrale hatten, sondern nur einen „Klub", irgendeine „Tarnkappe" einer ganzen Reihe von Organisationen systematisch menschewistische Sendschreiben zukommen ließ. Ja noch mehr, sie bediente sich dabei der Briefformulare des ZK. Gleichzeitig ging eine Reihe von Schreiben von Ortsorganisationen an das ZK verloren – aber nicht spurlos, weil dieselbe geheimnisvolle Hand der „Tarnkappe" diese verschwundenen Briefe pünktlich beantwortete. Zugleich sprach sich Dan gegen die Annahme der Resolution über Aufhebung der Fraktionszentren aus. In namentlicher Abstimmung wurde die Resolution mit allen Stimmen – mit Ausnahme der von Dan, der sich der Abstimmung enthielt – angenommen. Der Verfasser des Briefes fasst die Bilanz der Konferenz dahin zusammen, auf der Konferenz sei ein neues opportunistisches Schichtgebilde deutlich zutage getreten – die Verwandlung des Menschewismus in den Reformismus. Diese werde in den Reihen der Menschewiki einen Zerfall herbeiführen, dessen Anzeichen bereits in Erscheinung träten.

Der Beschluss der Konferenz über die Beziehungen zur Dumafraktion stieß auf heftigen Widerstand der Fraktion infolge der starken Reibungen zwischen Fraktion und ZK. Die Beziehungen zum ZK wurden von der Fraktion selbst folgendermaßen formuliert: „Die Frage der Beziehungen der sozialdemokratischen Dumafraktion zum ZK der SDAPR. Nach längeren Debatten wurde beschlossen: Die sozialdemokratische Dumafraktion ist eine autonome Gruppe, die die Stimme der Partei zwar berücksichtigt, aber in den einzelnen konkreten Fragen der Dumaarbeit selbständig entscheidet."

Das Bestreben der Fraktion, sich abzusondern und ein von Partei und ZK unabhängiges Dasein zu führen, trat von ihren ersten Schritten an zutage. Die Verbindungsleute des ZK in seinen Beziehungen zur Fraktion waren N. Roschkow und I. Goldenberg. [Band 12]

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