Die
sechziger
Jahre
des 19. Jahrhunderts bedeuten für Deutschland die
Vereinigungsbestrebungen der kleinen deutschen Staaten zu einem
großen Einheitsstaate. Die geschichtlichen Umstände führten dazu,
dass diese Aufgabe nur auf einem der folgenden drei Wege gelöst
werden konnte: durch die nationale bürgerlich-demokratische
Revolution, durch die Vereinigung unter der Hegemonie Österreichs
oder durch die Vereinigung unter großpreußischer Hegemonie. Für
die nationale Revolution waren die Verhältnisse in den sechziger
Jahren nicht günstig. Die Einigung Deutschlands musste daher auf dem
zweiten oder dritten Wege erfolgen. Der Krieg von 1866, von dem Lenin
hier spricht, war der Krieg zwischen Österreich und Preußen um die
Frage, unter wessen Hegemonie die Einigung Deutschlands sich
vollziehen sollte. Das viel schwächere Österreich wurde von Preußen
bald besiegt. Das Ergebnis war das Ausscheiden Österreichs aus dem
Deutschen Bunde. Die Einigung Deutschlands vollzog sich unter
preußischer Hegemonie. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 4, Anm. 119] Unter der „Revolution von oben“ im Deutschland der sechziger und siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts ist die Vereinigung der einzelnen deutschen Königreiche, Herzogtümer, Fürstentümer usw. in ein Deutsches Kaiserreich unter der Hegemonie Preußens zu verstehen, wie sie von der preußischen Junkerregierung mit Bismarck an der Spitze bewerkstelligt wurde. Mit der Frage der Einigung Deutschlands war in den sechziger Jahren und zu Beginn der siebziger Jahre die Spaltung der deutschen Sozialisten jener Zeit in Lassalleaner, die die „Revolution von oben“, d. h. die Bismarcksche Politik, unterstützten, und in Eisenacher, die unter der Führung von Marx und Engels für eine „Revolution von unten“, von der hier Engels spricht, eintraten, aufs engste verknüpft. Lenin schrieb hierüber in seinem Artikel „August Bebel“: „Auf der Tagesordnung stand die Frage der Einigung Deutschlands. Sie konnte angesichts der damaligen Klassenverhältnisse auf zweierlei Art vor sich geben: entweder durch eine Revolution, die vom Proletariat geführt wurde und eine deutsche Republik schuf, oder durch dynastische Kriege Preußens, die die Hegemonie der preußischen Agrarier im geeinigten Deutschland festigten. Lassalle und die Lassalleaner, die die schwachen Chancen des proletarischen und demokratischen Weges erkannten, verfolgten eine schwankende Taktik und passten sich der Hegemonie des Junkers Bismarck an. Ihre Fehler liefen darauf hinaus, dass die Arbeiterpartei auf einen bonapartistisch-staatssozialistischen Weg abwich. Bebel und Liebknecht dagegen vertraten konsequent den demokratischen und proletarischen Weg, kämpften gegen die geringsten Zugeständnisse an das Junkertum, an die Bismarck-Politik und an den Nationalismus. Und die Geschichte hat Bebel und Liebknecht recht gegeben, obwohl Deutschland auf dem Bismarckschen Wege geeinigt wurde“. [Lenin, Ausgewählte Werke Band 7, Anm. 20] |
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