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Gewerkschaftsdiskussion

Die Rede „Über die Gewerkschaften, die gegenwärtige Lage und die Fehler des Genossen Trotzki, Ende Dezember 1920 gehalten und im Sammelband „Über die Rolle der Gewerkschaften in der Produktion“ erschienen, der Artikel „Die Krise der Partei“, im Januar 1921 geschrieben und gleich darauf in der „Prawda“ Nr. 13 von 21. Januar 1921 abgedruckt, die Broschüre „Noch einmal über die Gewerkschaften, die gegenwärtige Lage und die Fehler der Genossen Trotzki und Bucharin“, ebenfalls im Januar 1921 geschrieben und erschienen, stehen im Zusammenhang mit der Gewerkschaftsdiskussion in der Partei. Diese Diskussion nahm Ende Dezember 1920 einen breiten Umfang an und fand erst im März 1921 auf dem X. Parteitag ihren Abschluss. Am 24. Dezember fand die erste große Diskussionsversammlung der „Funktionäre der Gewerkschaftsbewegung gemeinsam mit den Delegierten des VIII. Allrussischen Sowjetkongresses“ statt. Auf dieser Versammlung sprachen Trotzki, der Urheber der Diskussion, und Genosse Tomski (der damals den Leninschen Standpunkt verteidigte). Am 30. Dezember wurde die Gewerkschaftsfrage in der Fraktion des VIII. Sowjetkongresses behandelt. Diese Versammlung war für den Gang der Diskussion von besonders großer Bedeutung. Dort hielt Lenin die vorliegende Rede, in der er alle Kernfragen, die in der Gewerkschaftsdiskussion aufgeworfen wurden, beleuchtete und die später, auf Grund des weiteren Verlaufs der Diskussion, durch die Broschüre „Noch einmal über die Gewerkschaften, die gegenwärtige Lage und die Fehler der Genossen Trotzki und Bucharin“ ergänzt wurde.

Auf dem Boden der Gewerkschaftsdiskussion entbrannte in der Partei ein scharfer Fraktionskampf, der Lenin veranlasste, seinerseits die Frage einer „Krise der Partei“ in einem Artikel unter dieser Überschrift zu stellen.

Die Grundursachen für diese Krise der Partei sind in der ökonomischen und politischen Krise zu suchen, die das Land damals durchmachte.

Gegen Ende 1920 erreichte die durch den imperialistischen Krieg und den Bürgerkrieg hervorgerufene wirtschaftliche Zerrüttung ein ungeheures Ausmaß. Die Produktion der Zensusindustrie (d. h. der Betriebe mit mehr als 16 Arbeitern) sank im Jahre 1920 auf 18 Prozent gegenüber 1913. Besonders stark ging die Produktion der Metallindustrie zurück: so betrug die Roheisenerzeugung von 1920 insgesamt 2,4 Prozent der Roheisenproduktion von 1913. Die landwirtschaftliche Produktion ging im Vergleich mit 1913 um mehr als die Hälfte zurück und konnte mit knapper Not nur den eingeschränkten Bedarf des flachen Landes selbst decken. Das gesamte Volkseinkommen erreichte 1920 ungefähr 40 Prozent des Vorkriegsniveaus. Am stärksten war die Produktion der sozialistischen Großindustrie gesunken. Dadurch erhöhte sich bedeutend der Anteil der Kleinindustrie (die sich zu 75–78 Prozent im Privatbesitz befand – vorwiegend in den Händen der Heimgewerbetreibenden und Handwerker). Die Produktivität der Arbeit sank in der Großindustrie auf 39 Prozent des Vorkriegsniveaus. Die ökonomischen Beziehungen zwischen Stadt und Land waren ungeheuer stark geschwächt.

Der Hauptgrund dieses Sinkens der Produktivkräfte waren der imperialistische Krieg und der Bürgerkrieg. Der Kriegskommunismus, den die Partei gezwungenermaßen verwirklichen musste, um den Sieg im Bürgerkrieg zu sichern, trug nicht dazu bei, die Entwicklung der Produktivkräfte des Landes zu fördern. Die Lebensmittelzwangsumlage untergrub das Interesse des Bauern an der Entwicklung seiner Wirtschaft. Die proletarische Stadt holte sich aus dem Dorf Lebensmittel, Futtermittel usw., die Bauernwirtschaft erhielt aber als Gegenleistung dafür von der fast ausschließlich für die Front arbeitenden Staatsindustrie sehr wenig.

Der Mittelbauer, der zur „zentralen Figur der Landwirtschaft“ geworden war, fand sich mit der Politik des Kriegskommunismus ab, solange die militärische Gefahr bestand, dass die Gutsherren und Kapitalisten wieder an die Macht kommen könnten. Der Bürgerkrieg fügte militärisch-politisch das Bündnis des Proletariats und der Dorfarmut mit dem Mittelbauern gegen die weißgardistische Konterrevolution und die imperialistische Intervention fest zusammen. Mit der Beendigung des Bürgerkrieges änderte sich jedoch schroff die Lage. Die Unzufriedenheit der Bauernmassen wurde von den Kulaken und den Weißgardisten ausgenutzt, und das fand seinen Ausdruck in einer Reihe von Aufständen im Herbst und Winter 1920-1921. Es entstand eine Krise im Verhältnis zwischen Arbeiterklasse und Mittelbauernschaft, das Bündnis zwischen ihnen war gefährdet.

Die Unzufriedenheit der Mittelbauernschaft griff auch auf beträchtliche Schichten der Arbeiterklasse über. Ihre Kräfte waren durch den schweren Zustand der Industrie geschwächt, ihr materielles Lebensniveau war überaus niedrig. Infolge der Schrumpfung der Industrie wanderten bedeutende Arbeitermassen ins Dorf ab und wurden deklassiert. Angesichts der Schrumpfung der Industrie, der sinkenden Löhne, der allgemeinen wirtschaftlichen Zerrüttung stellten die Arbeiter in einer Reihe von Betrieben statt der vorgesehenen Fabriksproduktion „Feuerzeuge“ und ähnliche Artikel her, die man auf dem Markt absetzen, gegen Nahrungsmittel austauschen konnte. Das alles verursachte eine Stärkung des Einflusses des kleinbürgerlichen Elements auf die Arbeitermassen und eine gesteigerte Tätigkeit der konterrevolutionären Parteien der Menschewiki und Sozialrevolutionäre. Und auf der Tagesordnung stand der überaus schwierige Übergang vom Krieg zum Frieden, der verbunden war mit der Demobilisierung einer nach vielen Millionen zählenden Armee unter Verhältnissen der Zerrüttung von Wirtschaft und Verkehr.

Das waren die Hauptmerkmale der wirtschaftlichen und politischen Krise im Lande in der Periode, die dem Übergang zur neuen ökonomischen Politik unmittelbar voranging. Lenin bezeichnete diese Periode als „Übergangsperiode in der Übergangsperiode“. Innerhalb der langwierigen Übergangsperiode zwischen Kapitalismus und Sozialismus gibt es eine ganze Kette von einzelnen Übergangsperioden. Ein Glied dieser Kette bildete eben der Übergang zur neuen ökonomischen Politik, der die Partei im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen und politischen Krise im Lande vor eine ganze Reihe wichtiger Fragen stellte: die Frage, welche Methoden der Führung der Massen durch die Partei angewendet werden sollen, die Frage der organisatorischen Umgestaltung der Partei, des Verhältnisses zwischen der Partei und der in den Gewerkschaften organisierten Arbeiterklasse, die Frage der Aufgaben und der Tätigkeit dieser Gewerkschaften, des Verhältnisses der Arbeiterklasse zu den Sowjets und als zentrale Frage des damaligen Augenblicks die des Verhältnisses zwischen Proletariat und Bauernschaft unter den neuen Bedingungen des Übergangs von der Kriegs- zur Wirtschaftsfront. „Das Verhältnis des Proletariats zur Bauernschaft ändert sich – sagte Lenin während der Diskussion über die Gewerkschaften –. Wie ändert es sich? Das muss man aufmerksam betrachten.“

Alle diese Fragen kamen in der Diskussion über die Gewerkschaften und später im innerparteilichen Kampf bei den Wahlen zum X. Parteitag sowie auf dem Parteitag selbst zum Ausdruck. Die kleinbürgerliche Anarchie, die sich auf dem Lande erhob und Teile der Arbeiterklasse mitriss, ließ die oppositionellen Strömungen und Gruppierungen in der Partei anwachsen, die die Probleme der damaligen Situation unter dem unmittelbaren Druck dieser Anarchie stellten und lösten und von der Leninschen Linie der Partei auf die „linken“ Positionen des menschewistelnden Trotzkismus (Trotzki, die „Puffer“-Gruppe Bucharins), des Anarchosyndikalismus („Arbeiteropposition“) und des kleinbürgerlichen Demokratismus (Gruppe „Demokratischer Zentralismus“) abwichen. In der Gewerkschaftsdiskussion wurden acht Plattformen aufgestellt. Unter den Plattformen, die der Leninschen Plattform („Plattform der Zehn“) entgegengestellt wurden, waren die Trotzkische Plattform nebst ihrer „Puffer“-Spielart sowie die Plattform der „Arbeiteropposition“ die wesentlichsten. [...]

Im Gegensatz zur Plattform Trotzkis schlug die „Arbeiteropposition“ vor, nicht die Gewerkschaften zu einem Anhängsel der staatlichen Wirtschaftsorgane zu machen, sondern die Wirtschaftsorgane den Gewerkschaften unterzuordnen, sie zu einem Anhängsel der Gewerkschaften zu machen. Die „Arbeiteropposition“ schlug vor, die Verwaltung der Wirtschaft den Gewerkschaften zu übergeben, und forderte einen „Kongress der Produzenten“, wodurch faktisch die Partei und die Sowjets von der Leitung der Wirtschaft ausgeschaltet worden wären. Gleichzeitig bestritt die „Arbeiteropposition“ das Recht der Partei, die Gewerkschaften zu leiten. Auch darin äußerte sich der faktische Widerstand gegen den Übergang zu neuen Methoden der Führung der Massen, der Widerstand gegen den geplanten Übergang zur neuen ökonomischen Politik.

Die Puffergruppe Bucharins suchte eklektisch, stückweise alle drei Plattformen zu vereinigen, wobei sie die Plattform Trotzkis als Grundlage nahm.

Wie sich die Diskussion entwickelte und wie die Partei unter Lenins Führung in diesem äußerst schwierigen Augenblick der Wendung vom Kriegskommunismus zur neuen ökonomischen Politik für die bolschewistische Einheit ihrer Reihen gegen die kleinbürgerlichen Schwankungen kämpfte, wird ausführlich in Lenins Artikel „Die Krise der Partei“ sowie in seiner Rede und Broschüre über die Gewerkschaften geschildert. Unter Lenins Führung überwand die Partei auf dem X. Parteitag endgültig die Krise und genas von jenem „Fieber“, das sie dank den kleinbürgerlichen oppositionellen Gruppierungen „geschüttelt“ hatte. Lenins Führung im Kampf gegen diese Gruppierungen, im Besonderen sein Eingreifen in die Gewerkschaftsdiskussion, und seine damit verbundenen Reden und Broschüren spielten dabei eine entscheidende Rolle. Sie bereiteten zugleich die Partei und die Arbeiterklasse zu jener Wendung in der ökonomischen Politik vor, die unter Lenins Führung auf dem X. Parteitag vollzogen wurde. Lenin hob die Fragen der Gewerkschaftsdiskussion auf die prinzipielle Höhe, die der überaus schwierige Moment dieser Wendung erforderte, und definierte deren Hauptrichtung. Die Reden und Schriften Lenins legten die Grundsätze für die wichtigste Massenorganisation der Arbeiterklasse, nämlich die Gewerkschaften, sowie für die Arbeit dieser Organisationen unter den Bedingungen des sozialistischen Aufbaus auf der Grundlage der neuen ökonomischen Politik fest [...]. Eine unmittelbare Entwicklung dieser Grundsätze in Bezug auf die Gewerkschaften war die später, auf dem XI. Parteitag, von Lenin verfasste und von diesem Parteitag angenommene Resolution „Über die Rolle und die Aufgaben der Gewerkschaften unter den Bedingungen der neuen ökonomischen Politik“ (Sämtliche Werke, Bd. XXVII). [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 9, Anm. 1]

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