Glossar‎ > ‎

IV. Parteitag der Sozialdemokratie des lettischen Gebietes

Der IV. Parteitag der Sozialdemokratie des lettischen Gebietes fand vom 26. (13.) Januar bis zum 8. Februar (26 Januar) 1914 in Brüssel statt. Die Mehrheit der Mitglieder des ZK der Sozialdemokratie des lettischen Gebietes gehörte zu den Versöhnlern oder war liquidatorisch gestimmt. Der IV. Parteitag wurde unter dem Druck der bolschewistischen Opposition in den Reihen der lettischen Sozialdemokratie einberufen; das organisatorische Zentrum dieser Opposition war das Büro der Auslandsgruppen der lettischen Sozialdemokratie. Dieses Auslandsbüro gab ein eigenes Organ heraus unter dem Titel „Biletens Latwijas Sozialdemokratijas Ahrsemju Grupu Biroja isdewums" („Bulletin des Büros der Auslandsgruppen der Sozialdemokratie des lettischen Gebietes"; siehe Anmerkung 27), das den Kampf für die Einberufung des Parteitages führte, da schon seit Ende 1908 kein Parteitag mehr stattgefunden hatte. In den Nummern 9–10 des Bulletins vom 20. (7.) November 1913 wurden die Leninschen Thesen unter der Überschrift „Unsere Plattform zum IV. Parteitag der Sozialdemokratie des lettischen Gebietes" veröffentlicht.

Der Entwurf der Plattform wurde von Lenin geschrieben und von der Redaktion des Bulletins redigiert, wobei zum Teil Kürzungen und unwesentliche Ergänzungen vorgenommen wurden. Zugleich wurde der Absatz über die nationale Frage vollständig weggelassen, und zwar wegen der Meinungsverschiedenheiten zwischen den lettischen Sozialdemokraten und Lenin in dieser Frage.

An dem Parteitag nahmen 18 Delegierte mit beschließender und 11 mit beratender Stimme teil; unter ihnen befänden sich: Lazis, German, Kalnyn, Schilf, Witol, Sils, Krewin, Zaune, Bersin (Semels), Karlson, Grike, Janson (Braun), Elias, Zelen u. a.

Unter den Gästen, die am Parteitage teilnahmen, befanden sich: vom bolschewistischen ZK Lenin, vom menschewistischen Organisationskomitee Semkowski, vom „Bund" Jonow, von der (bolschewistischen} Sozialdemokratischen Arbeiterfraktion der Reichsduma Malinowski, von der sozialdemokratischen Dumafraktion (der menschewistischen Gruppe) Tschchenkeli und ein Vertreter der PPS. Auf der Tagesordnung standen die folgenden Punkte: Bericht des ZK der Sozialdemokratie des lettischen Gebietes und des Auslandskomitees, die Stellung zur SDAPR und zur Spaltung der Dumafraktion, die politische Lage und die Aufgaben der Fraktion, die politische Lage und die Aufgaben der Partei, die Stellung zu den bürgerlichen Parteien, die Arbeit in den legalen Organisationen und eine Reihe anderer Fragen. Auf dem Parteitage verfügten die bolschewistisch gestimmten Elemente über eine Mehrheit von nur einer Stimme. Infolgedessen gelang es den Menschewiki, bei den wichtigsten Resolutionen eine Reihe wesentlicher Änderungen durchzusetzen, durch welche die in der Hauptsache politisch richtigen und in ihrem Charakter in vieler Hinsicht bolschewistischen Beschlüsse des Parteitages verschlechtert wurden.

In der Resolution über die Stellung zur Spaltung in der sozialdemokratischen Dumafraktion hieß es, diese Spaltung sei eine Folge der Spaltung in der Partei selbst. Die Resolution schlug vor, eine gemeinsame Arbeit der sozialdemokratischen Abgeordneten auf der Grundlage der Parteibeschlüsse der Dezemberkonferenz 1908 und des Plenums des ZK vom Jahre 1910 zu erreichen. Zur Frage der Stellung zur SDAPR brachten die lettischen Bolschewiki eine Resolution ein, in der das Liquidatorentum verurteilt sowie der Bruch mit dem „Augustblock" und die Herstellung einer Verbindung mit dem bolschewistischen ZK gefordert wurden. Dem menschewistischen Teil des Parteitages gelang es, in der Resolution jene Stelle zu ändern, in der von der Verbindung mit dem ZK gesprochen wurde, in der beschlossenen Resolution hieß es, dass die Sozialdemokratie des lettischen Gebiets weder mit dem ZK noch mit dem OK eine organisatorische Verbindung eingehen wird, solange sich die ganze Arbeit an der Vereinigung der Partei nicht im richtigen Geleise bewegt. Die Resolution wurde auch durch eine Änderung in dem Punkte über die Verurteilung des Liquidatorentums geändert, so dass es in der Resolution hieß, dass sich die Beschuldigung des Liquidatorentums nicht auf die zum OK gehörenden illegalen Organisationen beziehe. Die Resolution verurteilte die Politik der lettischen Versöhnler und forderte den Austritt des Vertreters der lettischen Sozialdemokratie aus dem OK. Die Minderheit des Parteitages, die über 8 beschließende und 5 beratende Stimmen verfügte, gab eine Erklärung ab, in der die Verantwortung für die Spaltung in der SDAPR den Bolschewiki zugeschrieben und die Einigungsarbeit des OK begrüßt wurde. Zur politischen Lage wurde eine bolschewistische Resolution mit einigen unbedeutenden Änderungen der Minderheit angenommen. Dieser Art waren auch die übrigen vom Parteitage beschlossenen Resolutionen.

Der Parteitag, der unter regster Teilnahme Lenins stattfand, war ein Wendepunkt in der Geschichte der Sozialdemokratie des lettischen Gebietes. Lenin nahm an dem Parteitage nicht nur teil, sondern er erstattete auch ein Referat, in welchem er die Tätigkeit des lettischen ZK und des „Augustblocks" kritisierte, die vom bolschewistischen ZK geleistete Arbeit schilderte und zum Eintritt in das ZK aufforderte.

Auf dem Parteitage wurde ein neues ZK gewählt, in welchem die bolschewistischen Elemente die führende Rolle spielten. In ihre Hände ging auch das Zentralorgan „Zihnja" über. [Band 17]

Kommentare