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Koalition mit den linken Sozialrevolutionären

Für Lenin und unsere Partei war die Frage eines Übereinkommens (einer „ehrlichen Koalition“, eines „Bündnisses“) mit den linken Sozialrevolutionären in der gegebenen Etappe der Revolution gerade eine Frage der Wechselbeziehungen zwischen dem Proletariat und den „werktätigen und ausgebeuteten Bauern“, da damals – wie Lenin in diesem Artikel sagt – „viele Bauern den linken Sozialrevolutionären Vertrauen schenkten“. Darum trägt dieser Artikel auch die Überschrift „Das Bündnis der Arbeiter mit den werktätigen und ausgebeuteten Bauern“. Er beleuchtet die Frage dieses „Bündnisses“ vom Gesichtspunkt des Verhaltens des Proletariats und seiner Partei zu den Bodenforderungen der Bauernschaft („Sozialisierung des Bodens“ mit ihrer „ausgleichenden“ Bodennutzung) und schließt sich unmittelbar an die im vorliegenden Band abgedruckte Rede Lenins „Über die Bodenfrage“ an, die er auf dem II. Kongress der Arbeiter- und Soldatendeputiertenräte am 26. Oktober/8. November 1917 gehalten halte.

In der „ehrlichen Koalition mit den linken Sozialrevolutionären“ fand formell die Verwirklichung der Losung der Diktatur des Proletariats und der ärmsten Bauernschaft durch unsere Partei während der Oktobertage ihren Ausdruck, da die ärmste Bauernschaft die Mehrheit jener „werktätigen und ausgebeuteten Bauern“ bildete, über die Lenin in seinem Artikel schreibt. [...]

Die linken Sozialrevolutionäre vertraten in der „ehrlichen“ Koalition, die die Bolschewiki mit ihnen eingegangen waren, die Dorfarmut nur formell. Tatsächlich waren sie damals, wie Lenin in seiner Broschüre „Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky“ sagte, nur „die radikalsten, revolutionärsten, dem Proletariat am nächsten stehenden bürgerlich-demokratischen Ideologen der Bauernschaft“ (von uns gesperrt), die die revolutionären, demokratischen Bestrebungen der „gesamten Bauernschaft“ zum Ausdruck brachten, wobei sie diese Bestrebungen in die angeblich sozialistische Toga der „Sozialisierung des Grund und Bodens“ und der ausgleichenden Bodennutzung hüllten.

Gerade weil die linken Sozialrevolutionäre im Laufe der ganzen Periode der „ehrlichen Koalition“, welche die Bolschewiki mit ihnen eingegangen waren, fortfuhren, kleinbürgerliche Demokraten zu bleiben, zeigten sie unaufhörliche und dabei immer größer werdende Schwankungen nach der Seite der rechten Sozialrevolutionäre und Menschewiki, nach der Seite der Bourgeoisie (Schwankungen in der Frage der Zusammensetzung der Sowjetregierung. Kampf gegen den Brester Frieden und gegen den Leninschen Wirtschaftsplan vom Frühjahr 1918). Gerade deshalb blieben sie auch hinter der Dorfarmut zurück, deren Interessen sie formell in dieser „ehrlichen Koalition“ vertraten. Und als „ein Jahr nach der proletarischen Revolution in den Hauptstädten unter ihrem Einfluss und mit ihrer Hilfe die proletarische Revolution in die abgelegensten Dorfwinkel getragen wurde“ (vgl. „Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky“, S. 86), als das Proletariat und seine Partei die Dorfarmut gegen die Kulaken in Bewegung brachte (Organisierung der Komitees der Dorfarmut), gerade da verrieten die linken Sozialrevolutionäre endgültig die „ehrliche Koalition“ mit den Bolschewiki, gerade da verrieten sie die Dorfarmut und ihren Bund mit dem Proletariat und organisierten im Sommer 1918 den abenteuerhaften Aufstand gegen die Diktatur des Proletariats. Und nach der raschen Niederwerfung dieses Aufstandes durch die proletarische Diktatur blieben sie – mit Ausnahme eines Teiles, der in die bolschewistische Partei eintrat – entweder für immer gemeinsam mit den rechten Sozialrevolutionären im Lager der Konterrevolution, oder sie verschwanden vom politischen Schauplatz überhaupt. In dem bereits angeführten Kapitel der Broschüre „Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky“ schreibt Lenin darüber: „Der tschechoslowakische gegenrevolutionäre Aufstand“ (Ende Mai – Anfang Juni 1918) „rüttelte die Großbauern auf. Durch Russland ging eine Welle von Kulakenaufständen. Die armen Bauern lernten nicht aus Büchern, nicht aus Zeitungen, sondern aus dem Leben, dass ihre Interessen mit denen der Dorfbourgeoisie der Reichen, der Großbauern nicht zu vereinen sind. Die ,linken“ Sozialrevolutionäre widerspiegelten wie jede kleinbürgerliche Partei das Schwanken der Massen und spalteten sich gerade im Sommer 1918: der eine Teil ging mit den Tschechoslowaken (der Aufstand in Moskau, wo Proschjan das Telegrafenamt – für eine Stunde! – besetzte und Russland den Sturz der Bolschewiki verkündete, dann der Verrat Murawjows, des Oberbefehlshabers der Armee gegen die Tschechoslowakei usw.,), der andere, oben erwähnte Teil mit den Bolschewiki zusammen.“ [Lenin, Ausgewählte Werke Banf 6, Anm. 147]

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