SDAPR 19030800 Resolutionen des 2. Parteitages

Resolutionen des 2. Parteitages der  Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands

[Protokoll des 2. Ordentlichen Parteitages der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands Verlegt vom Zentralkomitee der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands Genf, 1904. Nach Sämtliche Werke, Wien-Berlin 1930, Band 6, S. 517-526]

1. Die Stellung des „Bund" in der Partei

In Anbetracht der Tatsache: a) dass die innigste Vereinigung des jüdischen Proletariats mit dem Proletariat der Rassen, unter denen es lebt, im Interesse seines Kampfes für die politische und die wirtschaftliche Befreiung unbedingt notwendig ist; b) dass nur eine solche engste Geschlossenheit der Sozialdemokratie den Erfolg im Kampf gegen jeden Chauvinismus und Antisemitismus sichert; c) dass eine solche Geschlossenheit keineswegs die Selbständigkeit der jüdischen Arbeiterbewegung in all dem ausschließt, was die besonderen Aufgaben der Agitation unter der jüdischen Bevölkerung betrifft, die durch die Besonderheiten der Sprache und der Lebensbedingungen entstehen – gibt der 2. Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands seiner tiefen Überzeugung Ausdruck, dass die Umgestaltung der organisatorischen Beziehungen zwischen dem jüdischen und dem russischen Proletariat auf der Grundlage der Föderation ein wesentliches Hindernis wäre für eine vollständigere organisatorische Annäherung der klassenbewussten Proletarier der verschiedenen Rassen, und dass sie darum unweigerlich die Interessen des Proletariats Russlands im Allgemeinen, insbesondere aber seines jüdischen Teiles, ungeheuer schädigen würde. Der Parteitag lehnt darum jede Möglichkeit föderativer Beziehungen zwischen der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und dem „Bund", der ihr Bestandteil ist, als grundsätzlich unbedingt unzulässig entschieden ab und beschließt, dass der „Bund" in der einheitlichen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands die Stellung eines autonomen Bestandteiles einnimmt; die Grenzen seiner Autonomie müssen bei der Ausarbeitung des allgemeinen Parteistatuts festgelegt werden. In Anbetracht des eben Dargelegten betrachtet der Parteitag das von den Delegierten des „Bund" vorgeschlagene „Statut" als Entwurf zu einem Teil des allgemeinen Parteistatuts, dessen Erörterung somit unter Punkt 6 der Tagesordnung fällt, und geht zur Tagesordnung über.

2. Das Zentralorgan der Partei (Resolution der Mitglieder der Gruppe „Juschny Rabotschij " u. a.)

In Anbetracht a) der Verdienste der „Iskra" um den ideologischen Zusammenschluss, um die Entwicklung und Verteidigung der Prinzipien der revolutionären Sozialdemokratie und des Kampfes auf dem Boden dieser Prinzipien gegen alle möglichen opportunistischen Strömungen in unserer Partei, ferner gegen Strömungen, die bestrebt sind, die Bewegung der Arbeiterklasse von dem einzigen richtigen Weg abzulenken; b) der Rolle der „Iskra" bei der Leitung der praktischen Parteiarbeit und c) der führenden Rolle der „Iskra" in der Einigungsarbeit, – erklärt der 2. Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands die „Iskra" zu seinem Zentralorgan.

3. Die Bezirksorganisationen

Der Parteitag hält die Gründung von Bezirksorganisationen, in der Form von Komitee-Verbänden, in jenen Gegenden Russlands für zulässig, die sich durch starke Besonderheiten hinsichtlich der Sprache, der Zusammensetzung der Bevölkerung usw. auszeichnen. Mit der Bestätigung des Statuts solcher Organisationen wird das Zentralkomitee der Partei beauftragt.

4. Die Ortsorganisationen

Hinsichtlich der örtlichen Organisationen hält der Parteitag das Bestehen einer einzigen führenden Organisation in jedem Zentrum der Parteitätigkeit für notwendig; das Zentralkomitee wird beauftragt, Maßnahmen für die Herstellung einer solchen Einheit zu treffen. Was die nicht örtlichen Organisationen anbelangt – die militärische, verlagstechnische usw., so erkennt der Parteitag das Bestehen solcher Organisationen für möglich an, unter der Bedingung, dass das Zentralkomitee der Partei sie bestätigt hat.

5. Die Arbeit unter den Sektierern

In der Erwägung, dass in vielen ihrer Äußerungen die Sektiererbewegung in Russland eine der gegen das bestehende Regime gerichteten demokratischen Strömungen Russlands darstellt, lenkt der 2. Parteitag die Aufmerksamkeit aller Parteimitglieder auf die Arbeit unter den Sektierern, um diese für die Sozialdemokratie zu gewinnen.

Der Parteitag beauftragt das Zentralkomitee, sich mit dem Vorschlag zu befassen, der im Bericht des Genossen Bontsch-Brujewitsch enthalten ist.

6. Die Aussagen bei Vernehmungen

In Anbetracht dessen, dass a) jede Aussage von Revolutionären bei Vernehmungen durch die Gendarmen unabhängig vom Willen der Revolutionäre den Untersuchungsrichtern als Hauptunterlage für die Anklage und das gerichtliche Verfahren gegen andere Genossen dient; dass b) die Verweigerung der Aussage, wenn sie in breitem Umfang zur Anwendung gelangt, in hohem Maße die revolutionäre Erziehung des Proletariats fördern wird, – empfiehlt der 2. Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands allen Parteimitgliedern, bei den Vernehmungen durch Gendarmen jede Aussage zu verweigern.

7. Das Verhältnis zu den Liberalen

(Resolution Starowjers)

Von dem Grundsatz ihres Programmes ausgehend, demzufolge die Partei „jede oppositionelle und revolutionäre Bewegung unterstützt, die sich gegen die in Russland bestehende soziale und politische Ordnung richtet", lehnt die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands – die selbständige politische Partei des Proletariats – es nicht ab, durch ihre zentralen Körperschaften zeitweilige Abkommen mit liberalen oder liberal-demokratischen Strömungen zu treffen, und sie wird, wenn die Notwendigkeit sich einstellt, solche Abkommen treffen, jedoch unter der Bedingung, dass a) diese Strömungen klar und unzweideutig erklären, dass sie sich in ihrem Kampf gegen die absolutistische Regierung entschieden auf die Seite der russischen Sozialdemokratie stellen; dass sie b) in ihren Programmen keine Forderungen aufstellen, die den Interessen der Arbeiterklasse und der Demokratie im Allgemeinen widersprechen oder ihr Bewusstsein verdunkeln, und dass sie c) das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht zu ihrer Kampflosung machen.

8. Das Verhältnis zu den Liberalen

(Resolution Plechanows)

In der Erwägung, dass a) die Sozialdemokratie die Bourgeoisie unterstützen muss, soweit diese in ihrem Kampf gegen den Zarismus revolutionär oder auch nur oppositionell ist; dass b) die Sozialdemokratie darum das Erwachen des politischen Bewusstseins in der russischen Bourgeoisie begrüßen muss, dass sie aber anderseits verpflichtet ist, die Beschränktheit und Unzulänglichkeit der Befreiungsbewegung der Bourgeoisie überall dort vor dem Proletariat zu entlarven, wo auch immer diese Beschränktheit und Unzulänglichkeit sich äußert, – empfiehlt der 2. ordentliche Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands allen Genossen dringend, in ihrer Propaganda die Aufmerksamkeit der Arbeiter auf den gegenrevolutionären und antiproletarischen Charakter jener Richtung zu lenken, die im Organ des Herrn P. Struve zum Ausdruck gekommen ist.

9. Die Sozialrevolutionäre

In Anbetracht dessen, dass a) die Interessen des russischen Proletariats im Allgemeinen und seiner Befreiungsbewegung im Besonderen es erfordern, dass es im Kampf gegen den Absolutismus als durchaus selbständige politische Kraft auftrete; dass b) nur die auf die Vereinigung des Proletariats zu einer solchen Kraft gerichtete Tätigkeit dem Kampf gegen den Absolutismus einen sozialistisch-revolutionären Inhalt gibt; c) dass ferner die „Sozialrevolutionäre" den Anstrengungen der Sozialdemokraten, die Arbeiter zu einer selbständigen politischen Partei zusammenzufassen, theoretisch und praktisch entgegenwirken und im Gegenteil bemüht sind, sie im Zustand einer politisch formlosen Masse zu erhalten, die nur der liberalen Bourgeoisie als Werkzeug zu dienen imstande ist –- stellt der Parteitag fest, dass die „Sozialrevolutionäre" nur eine bürgerlich-demokratische Fraktion sind, der gegenüber die Sozialdemokratie sich prinzipiell nicht anders verhalten kann als gegenüber den liberalen Vertretern der Bourgeoisie im Allgemeinen.

In der weiteren Erwägung, dass a) die „Sozialrevolutionäre" ihre bürgerlichen Tendenzen unter der Fahne des Sozialismus verfolgen, und dass sie b) außerdem oder gerade darum als bürgerlich-revolutionäre Fraktion vollkommen unzulänglich sind, betrachtet der Parteitag ihre Tätigkeit als schädlich, nicht nur für die politische Entwicklung des Proletariats, sondern auch für den allgemein-demokratischen Kampf gegen den Absolutismus.

Von all dem ausgehend, verurteilt der Parteitag unbedingt alle Versuche, die prinzipielle und politische Bedeutung der Meinungsverschiedenheiten zwischen den „Sozialrevolutionären" und den Sozialdemokraten zu vertuschen. Er hält es im Gegenteil für notwendig – sowohl im Interesse der Entwicklung der politischen Selbständigkeit des russischen Proletariats als auch im besonderen Interesse der Befreiungsbewegung gegen den Absolutismus –, dass die Sozialdemokraten die bürgerlichen Tendenzen der „Sozialrevolutionäre" und ihre praktische Unzulänglichkeit vom allgemein-demokratischen Standpunkt klarlegen und betonen.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen verurteilt der Parteitag entschieden alle Versuche einer Vereinigung der Sozialdemokraten mit den „Sozialrevolutionären"; er ist der Meinung, dass einzelne Abkommen mit ihnen in einzelnen Fällen des Kampfes gegen den Zarismus zulässig sind, wobei die Bedingungen solcher Abkommen der Kontrolle des Zentralkomitees unterliegen.

10. Die Demonstrationen

In Anbetracht dessen, dass a) unter den in Russland herrschenden Verhältnissen die politischen Demonstrationen eines der wichtigsten Mittel zur politischen Erziehung breitester Volksmassen und zur Erweiterung und Festigung des sozialdemokratischen Einflusses sind; dass b) die Demonstrationen gleichzeitig das beste Mittel zur systematischen Desorganisierung des Regierungsapparates sind; dass c) diese Demonstrationen, nach und nach einen immer größeren Umfang annehmend, zu einer Reihe bewaffneter Zusammenstöße zwischen Volk und Regierungsgewalt führen müssen und zum Teil schon führen, wodurch die Volksmassen zum allrussischen Aufstand gegen die bestehende Ordnung vorbereitet werden, – hält der Parteitag es für notwendig, dass die örtlichen Komitees die günstigen Gelegenheiten für die Organisierung politischer Demonstrationen ausnutzen.

Gleichzeitig stellt der Parteitag fest, dass bei der früheren Stellung dieser Frage sich in der Praxis wesentliche Mängel offenbarten, zu deren Beseitigung der Parteitag empfiehlt: 1. die Komitees müssen bemüht sein, durch vorhergehende umfassende Agitation in den breitesten Bevölkerungsschichten Sympathien für die Ziele der Demonstrationen zu wecken und sie über die Aufgaben der Partei zu unterrichten; 2. für die Veranstaltung von Demonstrationen müssen solche Augenblicke ausgenutzt werden, wo in den Arbeitermassen die geeignete Stimmung herrscht, wobei man die künstliche Auslösung von Demonstrationen bei Fehlen dieser Bedingungen vermeiden muss; 3. der aktive Kern der Demonstranten muss genügend zahlreich, gut organisiert und für seine Rolle vorbereitet sein; 4. es müssen Maßnahmen getroffen werden, damit die Demonstranten im Falle der Notwendigkeit einen aktiven und nach Möglichkeit bewaffneten Widerstand gegen die Polizeihorden zu leisten imstande sind; 5. da bei Demonstrationen gegen das Volk immer häufiger reguläre Truppen eingesetzt werden, so ist dafür Sorge zu tragen, dass die Soldaten den Charakter und das Ziel der Demonstrationen kennenlernen und dass sie zur Verbrüderung mit dem Volk aufgerufen werden; man darf nicht zulassen, dass sie unnötigerweise von den Demonstranten gereizt werden.

Der 2. Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands erachtet es für wünschenswert, dass das Zentralkomitee die Anstrengungen der örtlichen Komitees für die Veranstaltung von Demonstrationen in die richtige Bahn lenkt und vereinigt, und dass es die Organisierung der allgemein-russischen politischen Demonstrationen nach einem allgemeinen Plan in seine Hand nimmt.

11. Der Gewerkschaftskampf

In Anbetracht dessen, dass a) der Gewerkschaftskampf der Arbeiter eine notwendige Folge der Lage des Proletariats in der kapitalistischen Gesellschaft ist; dass b) dieser Kampf der Arbeiter eines der Hauptmittel ist, um der Tendenz des kapitalistischen Systems, das Lebensniveau der Arbeiter herabzusetzen, entgegenzuwirken; dass c) dieser Kampf, soweit er sich außerhalb der Verbindung mit dem von der Sozialdemokratie geführten politischen Kampf des Proletariats entwickelt, zur Zersplitterung der proletarischen Kräfte und zur Unterordnung der Arbeiterbewegung unter die Interessen der besitzenden Klassen führt – erkennt der Parteitag an, dass die Aufgabe der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands auf dem Gebiet der Gewerkschaftsbewegung die Führung der Tageskämpfe der Arbeiter für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Agitation für die Beseitigung aller jener Hindernisse ist, die der Gewerkschaftsbewegung durch die Gesetzgebung des russischen Absolutismus in den Weg gelegt werden –, mit einem Wort die Vereinigung der vereinzelten Konflikte einzelner Arbeitergruppen zu einem organisierten Kampf der Klasse.

In Anbetracht des gleichzeitig immer klarer zutage tretenden Bestrebens der zaristischen Regierung, unter der Form einer „Legalisierung der Arbeiterbewegung" den wirtschaftlichen Kampf der Arbeiterklasse in ihre Hände zu bringen und, sie politisch korrumpierend, zu einem Spielzeug ihrer Politik zu machen; in Anbetracht dessen, dass diese sogenannte „Subatow-Politik" neben ihrem reaktionär-politischen Inhalt und den polizeilich-provokatorischen Methoden ihrer Durchführung auch eine Politik des systematischen Verrats an den Interessen der Arbeiterklasse zugunsten der Kapitalisten ist – empfiehlt der Parteitag allen Genossen, den unbeirrten Kampf gegen das Subatowtum in allen seinen Formen fortzusetzen, den eigennützigen und verräterischen Charakter der Taktik der Subatowschen Demagogen vor den Arbeitern zu entlarven und die Arbeiter zur Vereinigung in einer klassenmäßigen Bewegung des Kampfes für die wirtschaftliche und politische Befreiung des Proletariats aufzurufen. Im Interesse dieser Aufgabe hält es der Parteitag für wünschenswert, dass die Parteiorganisationen die von den legalen Arbeiterorganisationen hervorgerufenen Streiks unterstützen und lenken und gleichzeitig diese Zusammenstöße ausnutzen, um den reaktionären Charakter eines Bündnisses der Arbeiter mit dem Absolutismus zu entlarven.

12. Die Judenpogrome

Da solche Bewegungen, wie der so traurig berühmte Kischinewer Pogrom, ganz abgesehen von ihrer scheußlichen Bestialität, in den Händen der Polizei als Mittel dienen, mit dessen Hilfe sie das Anwachsen des proletarischen Klassenbewusstseins aufzuhalten versucht, empfiehlt der Parteitag den Genossen, alle zur Verfügung stehenden Mittel für den Kampf gegen solche Bewegungen und für die Aufklärung des Proletariats über den reaktionären und den Klasseninhalt der antisemitischen und jeder anderen national-chauvinistischen Hetze anzuwenden.

13. Die Fabrikältesten

Ausgehend von den in der Resolution über den Gewerkschaftskampf entwickelten Grundsätzen und in Anbetracht dessen, dass a) das neue Gesetz über die Fabrikältesten nach den Absichten der Regierung ein Mittel zur Festigung der polizeilichen Bevormundung der Arbeiterklasse ist: dass b) dieses Gesetz, wie alle Versuche der Regierung, die „Arbeiterbewegung zu legalisieren", ein Ausgangspunkt für die Agitation gegen den Absolutismus und für die Entwicklung des Klassenbewusstseins des Proletariats sein kann und sein muss, – empfiehlt der Parteitag allen organisierten Genossen, an den Wahlen der Fabrikältesten nach dem neuen Gesetz teilzunehmen und bei diesen Wahlen für die zuverlässigsten Vertreter der Arbeiter und für die Entlarvung der Taktik der Behörden und der Kapitalisten zu agitieren.

14. Die Organisation der Propaganda

In Anbetracht dessen, dass a) das Anwachsen der Arbeiterbewegung in Russland dem Wachstum der Kaders der klassenbewussten sozialdemokratischen Arbeiter, die die Führer des immer verwickelter werdenden Kampfes des russischen Proletariats sein können, weit voraus eilt; dass b) die konspirativen und die polizeilichen Verhältnisse die richtige Organisierung der Zirkelpropaganda in einigermaßen breitem Umfang im höchsten Maße erschweren; c) dass eine solche Propaganda infolge des Fehlens einer genügenden Zahl erfahrener und tüchtiger Propagandisten auf starke Hindernisse stößt, – erachtet der Parteitag es für notwendig, dass die Ortskomitees die ernsteste Aufmerksamkeit auf die richtige Organisierung der Propaganda lenken, wobei sie sich vor allem durch die Aufgabe leiten lassen müssen, zielbewusste und aktive Agitatoren mit einer klaren revolutionären Weltanschauung auszubilden. Der Parteitag fordert die Ortskomitees auf, besondere Aufmerksamkeit auf die Auswahl tüchtiger Propagandisten zu lenken, und beauftragt das Zentralkomitee, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die propagandistische Arbeit an den einzelnen Orten zu systematisieren und zu vereinigen; solche Maßnahmen sind: systematische Leitfaden für die Arbeit in den Zirkeln, eine Reihe systematisch ausgewählter Broschüren propagandistischen Charakters usw.

15. Das Verhältnis zur studierenden Jugend

Der 2. Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands begrüßt die Belebung der revolutionären Selbsttätigkeit in der studierenden Jugend; er fordert alle Parteiorganisationen auf, diese Jugend in ihren Organisierungsbestrebungen in jeder Weise zu unterstützen, und empfiehlt allen Gruppen und Zirkeln der studierenden Jugend, erstens in den Vordergrund ihrer Tätigkeit zu stellen die Ausarbeitung einer einheitlichen und konsequenten sozialistischen Weltanschauung unter ihren Mitgliedern und das ernste Studium einerseits des Marxismus und anderseits des russischen Narodnikitums und des westeuropäischen Opportunismus – der Hauptströmungen unter den gegenwärtigen, miteinander ringenden führenden Richtungen; zweitens, sich zu bemühen, beim Übergang zur praktischen Tätigkeit vorher mit den sozialdemokratischen Organisationen Verbindungen anzuknüpfen, um ihre Hinweise auszunutzen und nach Möglichkeit schwerwiegende Fehler gleich am Anfang der Arbeit zu vermeiden.

16. Der Amsterdamer Kongress

Die internationalen Sozialistenkongresse sollen nicht nur von der Solidarität der Arbeiter der ganzen Welt Zeugnis ablegen, sondern in gewissem Maße auch den ideologischen und praktischen Kampf des Proletariats leiten. Darum empfiehlt der 2. Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands dem Parteirat, für eine entsprechende Vertretung auf dem Amsterdamer Kongress im Jahre 1904 Sorge zu tragen, um auch dort die Prinzipien der revolutionären Sozialdemokratie zu verteidigen, von denen sich die Partei in ihrer ganzen Tätigkeit leiten lässt.

17. Die Parteiliteratur

In Anbetracht dessen, dass a) der Entwicklung der Arbeiterbewegung in die Breite eine möglichst klare Auffassung der Arbeitermassen von den nächsten und den Endzielen der Sozialdemokratie entsprechen muss; dass b) die dringendste Aufgabe der Partei in diesem Augenblick die Schaffung einer streng konsequenten, möglichst breiten Lesermassen zugänglichen Literatur ist, und in Anbetracht des heutigen Zustandes der Parteikräfte, – erachtet der Parteitag für notwendig: 1. dass das Zentralorgan der Partei den Fragen des politischen und gesellschaftlichen Lebens möglichst viel Platz einräumt in einer einem breiten Leserkreis möglichst zugänglichen Form, wobei Artikel rein theoretischen Charakters nach Möglichkeit wegzulassen sind; 2. dass aus diesem Grunde und zum Zwecke einer systematischeren Klärung der Fragen der sozialistischen Theorie die „Sarja" in ein Parteiorgan zu verwandeln ist, wobei der Parteitag das Zentralkomitee beauftragt, sich mit der Redaktion des Zentralorgans über die Bedingungen der Herausgabe der Zeitschrift zu verständigen; 3. dass eine umfassende Broschürenliteratur geschaffen wird, die sich die systematische Popularisierung des Parteiprogramms und der Parteitagsresolutionen über die Fragen der Taktik zur Aufgabe zu machen hat.

Der Parteitag beauftragt die zentralen Parteikörperschaften, dafür zu sorgen, dass alle notwendigen Maßnahmen zur Durchführung dieser Beschlüsse getroffen werden.

18. Das Statut der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands

Das allgemeine Parteistatut ist für alle Teile der Partei bindend. Ausnahmen werden durch besondere Ergänzungen zum Statut festgelegt.

1. Als Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands gilt jeder, der ihr Programm annimmt, die Partei mit materiellen Mitteln unterstützt und ihr regelmäßig unter der Leitung einer ihrer Organisationen persönlichen Beistand gewährt.

2. Das oberste Organ der Partei ist der Parteitag. Er wird (nach Möglichkeit mindestens einmal in zwei Jahren) vom Parteirat einberufen. Der Parteirat ist verpflichtet, einen Parteitag einzuberufen, wenn es von Parteiorganisationen verlangt wird, die zusammen das Recht auf die Hälfte der Stimmen auf dem Parteitag haben. Der Parteitag ist rechtsgültig, wenn auf ihm Organisationen vertreten sind, die zusammen das Recht auf über die Hälfte der beschließenden Stimmen haben.

3. Das Recht der Vertretung auf dem Parteitag haben: a) der Parteirat, b) das Zentralkomitee, c) das Zentralorgan, d) alle Ortskomitees, die keinen besonderen Verbänden angehören, e) sonstige Organisationen, die in dieser Hinsicht den Komitees gleichgesetzt sind, f) alle von der Partei anerkannten Komiteevenbände. Alle genannten Organisationen werden auf dem Parteitag durch je einen Delegierten vertreten, der über zwei Stimmen verfügt; der Parteirat durch alle seine Mitglieder, die je eine Stimme haben.

Die Vertretung der Verbände wird durch besondere Statuten festgelegt.

Anmerkung 1. Das Recht der Vertretung auf dem Parteitag haben nur die Organisationen, die nicht später als ein Jahr vor dem Parteitag bestätigt worden sind.

Anmerkung 2. Dem Zentralkomitee steht es frei, Delegierte der Organisationen, die den in der Anmerkung 1 genannten Bedingungen nicht entsprechen, mit beratender Stimme zum Parteitag einzuladen.

4. Der Parteitag ernennt das fünfte Mitglied des Parteirates, das Zentralkomitee und die Redaktion des Zentralorgans.

5. Der Parteirat wird von der Redaktion des Zentralorgans und vom Zentralkomitee gewählt, die je zwei Mitglieder in den Parteirat entsenden; ausgeschiedene Mitglieder des Parteirats werden durch die Körperschaften ersetzt, die sie entsandt hatten, das fünfte Mitglied ersetzt der Parteirat selber.

Der Parteirat ist die höchste Parteiinstanz. Die Aufgabe des Parteirats ist die Koordinierung und Vereinigung der Tätigkeit des Zentralkomitees und der Redaktion des Zentralorgans und die Vertretung der Partei in ihren Beziehungen zu anderen Parteien. Dem Parteirat steht das Recht zu, das Zentralkomitee und die Redaktion des Zentralorgans zu erneuern, wenn der gesamte Bestand einer dieser beiden Körperschaften ausscheidet.

Der Parteirat wird zu einer Sitzung einberufen, wenn eine der zentralen Körperschaften, d. h. die Redaktion des Zentralorgans oder das Zentralkomitee oder zwei Mitglieder des Rats es verlangen.

6. Das Zentralkomitee organisiert die Komitees, die Komiteeverbände und alle anderen Parteikörperschaften und leitet ihre Tätigkeit; es organisiert und leitet die Unternehmungen von allgemeinparteilicher Bedeutung; es verteilt die Kräfte und die Mittel der Partei und verwaltet die zentrale Parteikasse; es schlichtet die Konflikte sowohl zwischen den verschiedenen Parteikörperschaften als auch innerhalb dieser und vereinigt und leitet überhaupt die gesamte praktische Tätigkeit der Partei.

Anmerkung. Die Mitglieder des Zentralkomitees können nicht gleichzeitig Mitglieder irgendeiner anderen Parteiorganisation sein, mit Ausnahme des Parteirats.

7. Die ideologische Führung der Partei liegt in Händen der Redaktion des Zentralorgans.

8. Alle Organisationen, die der Partei angehören, verwalten autonom alle Angelegenheiten, die sich besonders und ausschließlich auf das Gebiet der Parteitätigkeit beziehen, für dessen Leitung sie ins Leben gerufen worden sind.

9. Außer den vom Parteitag bestätigten Organisationen müssen alle Parteiorganisationen vom Zentralkomitee bestätigt werden. Alle Beschlüsse des Zentralkomitees sind bindend für alle Parteiorganisationen, die auch verpflichtet sind, Mittel in der vom Zentralkomitee bestimmten Höhe an die zentrale Parteikasse abzuführen.

10. Jedes Mitglied der Partei und jede Person, die in irgendeiner Weise mit der Partei zu tun hat, hat das Recht, zu verlangen, dass ihre Erklärung dem Zentralkomitee oder der Redaktion des Zentralorgans oder dem Parteitag in ihrem Wortlaut zugestellt werden.

11. Jede Parteiorganisation ist verpflichtet, sowohl dem Zentralkomitee als auch der Redaktion des Zentralorgans alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen, damit diese ihre gesamte Tätigkeit und ihren ganzen Personalbestand kennen lerne.

12. Alle Parteiorganisationen und alle kollegialen Parteikörperschaften entscheiden über die Parteiangelegenheiten mit einfacher Stimmenmehrheit und haben das Recht der Kooptation. Für die Kooptation neuer Mitglieder und für den Ausschluss von Mitgliedern sind zwei Drittel der Stimmen erforderlich, vorausgesetzt, dass kein motivierter Protest vorliegt. Gegen den Beschluss einer Organisation über die Kooptation oder den Ausschluss von Mitgliedern kann an den Parteirat appelliert werden.

Die Kooptation neuer Mitglieder in das Zentralkomitee und in die Redaktion des Zentralorgans muss einstimmig durchgeführt werden. Ist bei der Kooptation in das Zentralkomitee oder in die Redaktion des Zentralorgans keine Einstimmigkeit erzielt worden, so kann in dieser Frage an den Parteirat appelliert werden, und falls der Parteirat den Beschluss des betreffenden Kollegiums aufhebt, wird die Frage durch einfache Stimmenmehrheit endgültig entschieden.

Das Zentralkomitee und die Redaktion des Zentralorgans machen sich gegenseitig Mitteilung über die neu kooptierten Mitglieder.

13. Die Auslandsliga der russischen revolutionären Sozialdemokratie, als einzige Auslandsorganisation der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands, hat die Propaganda und Agitation im Auslande und die Unterstützung der Bewegung in Russland zum Ziel. Die Liga besitzt alle Rechte der Komitees, jedoch mit der Ausnahme, dass sie die Bewegung in Russland nur durch die Vermittlung von Leuten und Gruppen unterstützt, die das Zentralkomitee hierzu besonders bestimmt.

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