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Wladimir I. Lenin 19140412 Die Entlarvung der „August“-Fiktion

Wladimir I. Lenin: Die Entlarvung der „August“-Fiktion

[„Putj Prawdy", Nr. 50, 30. März/12. April 1914. Nach Sämtliche Werke Band 17, Moskau-Leningrad 1935, S. 366-369]

Im August 1912, vor mehr als anderthalb Jahren, trat ein Ereignis ein, das in der Geschichte der Arbeiterbewegung Russlands vom ziemlich großer Bedeutung ist. Am Vorabend der Wahlen in die IV. Reichsduma „vereinigten" sich, wie sie es nannten, die Liquidatoren mit den Vertretern verschiedener Richtungen auf der August-Konferenz, womit sie beweisen wollten, dass sie keineswegs Liquidatoren seien, dass sie nichts liquidiert haben und nichts liquidieren, dass die „Einheit" der offenkundig ernsthaften, nicht fiktiven marxistischen Arbeiterorganisation mit ihnen durchaus möglich sei.

Der Streit zwischen den Liquidatoren und ihnen Gegnern wurde durch die August-Konferenz auf ein anderes Gebiet übertragen: es handelte sich nicht nur um die Frage, ob die Theorie und Taktik der Liquidatoren richtig sei; sondern auch um die Frage, ob die Worte der Liquidatoren durch ihre eigene Praxis bestätigt oder widerlegt werden. Ist ihre August-Konferenz Fiktion, Verstellung, Betrug, leeres Getue oder eine ernsthafte Sache, ein aufrichtiger Schritt, etwas Reales, das die Möglichkeit einer Besserung der Liquidatoren beweist?

So stand die Frage.

Durch ihre Taten, durch die Erfahrung ihrer August-Konferenz sollten die Liquidatoren auf diese Frage eine Antwort geben.

Diese Antwort ist nun von dem einzigen marxistischen Faktor, nämlich von den lettischen Marxisten gegeben worden, die von ausnahmslos allen Richtungen und Fraktionen als Marxisten anerkannt worden sind, die die Beschlüsse der Partei nicht verletzten, und die die Erfahrung mit der berühmten August-Konferenz selbst mitgemacht haben. Aus sehr gut informierten Quellen wird uns mitgeteilt, dass die Versammlung der Spitzenvertreter der organisierten lettischen Marxisten Russlands beendet ist. Der tonangebende Charakter dieser Versammlung der Vertreter der lettischen organisierten Marxisten ist von niemandem, von keiner einzigen Richtung, von keiner einzigen Fraktion bestritten worden; im Gegenteil, an der Versammlung haben Bevollmächtigte und verantwortliche Delegierte nicht nur der Mehrheit der Arbeiter Russlands (der Anti-Liquidatoren) sondern auch der Liquidatoren, ihrer leitenden August-Instanz, des Bund und des linken Flügels der PPS teilgenommen.

Die anderthalbjährige Erfahrung des August-Blocks und der August-Instanzen ist von denjenigen, die diese Erfahrung selbst mitgemacht haben, indem sie den Liquidatoren zu helfen suchten, sich vom Liquidatorentum zu befreien, einer allseitigen Behandlung und Beurteilung unterzogen worden.

Zu welchem Resultat hat nun diese Behandlung und Beurteilung geführt?

… „Der von den Versöhnlern unternommene Versuch“ – lautet der Beschluss der organisierten lettischen Marxisten –,sich mit den Liquidatoren um jeden Preis zu vereinigen (August-Konferenz 1912), hat sich als nutzlos erwiesen, und die Vereiniger sind selbst in ideologisch-politische Abhängigkeit von den Liquidatoren geraten"

So lautet der offizielle Beschluss eines unparteiischen Kollegiums von Marxisten, der eine vollständige und endgültige Entlarvung der August-Fiktion enthält!

Was wir im Laufe zweier Jahre gesagt haben – und was die Liquidatoren mit Schwüren und Beteuerungen, mit zahllosen Schimpfereien gegen uns bestritten haben –, das ist jetzt von Teilnehmern der August-Konferenz, des August-Blocks und der leitenden August-Instanz selbst bewiesen und offiziell festgestellt worden.

Die lettischen organisierten Marxisten haben offiziell erklärt, dass „im Zentrum des innerparteilichen Kampfes im Verlaufe der letzten fünf Jahre die Frage der liquidatorischen Richtung steht", die von der ganzen Partei längst verurteilt worden ist und dass ihr, der lettische Vertreter aus der leitenden August-Instanz abberufen wird, denn diese Instanz (heißt es im Beschlusse der lettischen Marxisten) „hat sich von den Liquidatoren nicht abgegrenzt".

Die Ereignisse haben folglich die Liquidatoren aber- und abermals entlarvt und damit durchaus bewiesen, dass wir im Recht waren. Wir hatten recht, als wir erklärten, die August-Konferenz sei eine Fiktion, ein Betrug, der (bei kleinbürgerlichen Parteien und Gruppen) übliche Wahlschwindel. Die Liquidatoren wagten es nicht, unter ihrem Banner, mit einer ehrlichem Verfechtung ihrer Überzeugung in den Wahlkampf zu gehen, sondern versteckten sich hinter den Augustblock, schwörend und beteuernd, dass sie ja gar nichts liquidieren wollen.

Die Letten haben den Betrug entlarvt.

Und man beachte, dass diese lettischen Marxisten eine neutrale Stellung eingenommen haben und bei ihr verblieben sind: sie sind so sehr neutral, dass sie beschlossen haben, mit keinem Teile der organisierten Marxisten Russlands organisatorische Beziehungen zu unterhalten! Die Entlarvung der August-Fiktion und der Wahlmaskerade der Liquidatoren wiegt um so schwerer, als sie von neutralen Organisationen ausgeht.

Wir werden noch mehr als einmal auf die Beschlüsse der lettischem Marxisten zurückkommen müssen, die aber- und abermals bewiesen haben, wie sehr wir recht hatten, als wir erklärten, die Einheit der marxistischen Arbeiter Russlands sei nur gegen die Liquidatoren möglich. Wir wollen hier zum Schluss nur einen besonders wichtigen Beschluss in der Frage des nationalen Prinzips innerhalb der marxistischen Organisation hervorheben.

Die lettischen Marxisten selbst vertreten Arbeiter einer nicht vollberechtigten und unterdrückten Nation, arbeiten in Zentren mit sehr bunter nationaler Zusammensetzung der Bevölkerung. In Riga z. B. haben sie es mit deutschem, russischem, lettischem, jüdischem und litauischem Proletariat zu tun. Und die Erfahrung langer Jahre hat die lettischen Marxisten durchaus in der Auffassung bestärkt, dass das Prinzip der internationalen Einheit der lokalen Organisationen der Arbeiterklasse richtig ist.

… „In jeder Stadt“heißt es im Beschluss der lettischen Marxisten soll eine vereinigte Organisation der marxistischen Arbeiter bestehen, die auf die vom Stockholmer Parteitag festgesetzten Grundlagen gestützt und in Übereinstimmung mit den Kommentaren der gesamtrussischen Konferenz vom Jahre 1908 tätig ist."

Es ist bekannt, dass dieser Kommentar das Föderationsprinzip direkt verurteilt Nicht Föderation der nationalen Arbeiterorganisationen, sondern internationale Einheit, eine einheitliche Organisation, die ihre Arbeit in allen Sprachen des örtlichen Proletariats leistet.

Das ist das einzig richtige Prinzip, das Prinzip des Marxismus. Das ist die dem Sozialismus einzig entsprechende Bekämpfung der nationalistischen Spießer, die das Proletariat national zu spalten bestrebt sind. Das ist die Forderung nach Ausführung des Beschlusses der gesamten Partei, den der Bund in himmelschreiendster Weise verletzt hat und verletzt.

Es geht zu Ende mit dem Betruge, den die Liquidatoren und Bundisten, die die Spaltung selbst bewirkten und am lautesten über die „Einheit“ zu schreien bemüht waren, unter den Arbeitern verbreitet haben. Der Beschluss der in unserem, dem russischen Kampfe neutralen lettischen Marxisten zeigt allen Arbeitern endgültig, dass man die Einheit tatsächlich nur gegen jene Spalter herstellen kann und muss, die sich weigern, die alte und ständige Forderung der ganzen Partei zu erfüllen: sich vom Liquidatorentum und von der Trennung der Arbeiterorganisationen nach Nationalitäten loszusagen.

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