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Wladimir I. Lenin 19140429 Die Liquidatoren und die lettische Arbeiterbewegung

Wladimir I. Lenin: Die Liquidatoren und die lettische Arbeiterbewegung

[„Putj Prawdy", Nr. 62 16./29. April 1914. Nach Sämtliche Werke Band 17, Moskau-Leningrad 1935, S. 395-397]

Der kürzlich gefasste Beschluss aller organisierten lettischen Arbeiter, durch den das Liquidatorentum verurteilt und die marxistische Linie unterstützt wird, hat dem „August-Block" einen mächtigen Schlag versetzt, da er zeigte, dass alle proletarischen Elemente früher oder später mit dem Liquidatorentum brechen. Die „Sewernaja Rabotschaja Gaseta" versucht aus allen Kräften, sich aus dieser unangenehmen Geschichte „herauszuwinden". An diese nicht leichte Aufgabe haben sich L. M. und Th. D. gemacht.1

Auf das von dem Liquidatoren erhobene kleinliche Gezänk werden wir nicht antworten. Für uns ist hier nur jene Seite der Sache wichtig, die von organisatorisch-politischer Bedeutung ist.

Die Liquidatoren erklären: Gut, die lettischen Marxisten haben den „August-Block" verlassen, aber sie sind ja auch nicht zu den „Leninisten" gegangen.

Ganz richtig, meine Herren! Die lettischen Marxisten sind tatsächlich neutral geblieben. Schon in unseren ersten Artikeln über die Beschlüsse der Letten haben wir gesagt, dass die Letten nur den ersten Schritt gemacht haben, dass sie überhaupt als Versöhnler aufgetreten sind.

Haben aber die Liquidatoren überlegt, was daraus folgt?

Wenn die Letten in der Tat Versöhnler, wenn sie Anhänger der Einheit um jeden Preis, wenn sie im organisatorischen Kampfe neutral sind, so ist die politische Einschätzung des Liquidatorentums, die von den versöhnlich gestimmten lettischen Marxisten gegeben wurde, für die Liquidatoren um so empfindlicher.

Diese Einschätzung aber ist in politischer Hinsicht durchaus klar und unzweideutig. Die lettischen Arbeiter haben den altem Beschluss, wonach das Liquidatorentum ein Ausdruck des bürgerlichen Einflusses auf das Proletariat ist, entschieden bestätigt. Sie erklärten, sich mit den Liquidatoren zu vereinigen bedeute, „in ideologisch-politische Abhängigkeit von den Liquidatoren" zu geraten.

Ja, meine Herren L. M. und Th. D., die Letten sind tatsächlich neutral geblieben, ja, sie haben, die „versöhnlerischen" Hoffnungen noch nicht aufgegeben, ja, sie haben noch nicht alle praktischen Schlussfolgerungen aus ihrer Stellung gezogen, ja, sie haben sich zu den euch verteidigenden Gruppen noch allzu milde verhalten. Aber gerade von diesen milden und neutralen Leuten habt ihr die Erklärung erhalten, dass eure liquidatorische Linie nur den Einfluss der Bourgeoisie auf die zurückgebliebenen Arbeiterschichten zum Ausdruck bringt.

Wie ergötzlich die Liquidatoren, sich bei der Beurteilung der Beschlüsse der Letten verstrickt haben, geht aus den Artikeln der Zeitung der jüdischen Liquidatoren, „Zait", hervor. Hier erzählt Herr Jonow in langatmigen Artikeln, dass „die lettischen Genossen nicht Anhänger der Spaltung, im Gegenteil, schärfste Gegner einer solchen Taktik sind".2

Und derselbe Verfasser erklärt,

der allgemeine Geist der Resolution" (der Letten) „ist ohne jeden Zweifel Leninscher Geist. Sie" (die Resolution) „beruht auf einem feindseligen Verhalten zum Liquidatorentum, auf der Anerkennung der Notwendigkeit des Kampfes gegen dasselbe" („Zait", Nr. 14).

Verständigt euch, meine Herren Liquidatoren, untereinander und schreibt irgendwie einheitlich!

Die Liquidatoren hoffen, die Letten werden noch einen Schritt zurück machen – zum Liquidatorentum. Wir hoffen, sie werden einen Schritt vorwärts machen – zur Stellung der russischen Marxisten. Wessen Hoffnungen in Erfüllung gehen werden – wenn wir's erleben, werden wir sehen. Wir überlassen dies ruhig dem Gange der lettischen und der gesamten Arbeiterbewegung Russlands. Doch ist im gegenwärtigen. Augenblick eines erreicht: die Letten haben dem „August-Block" einen tödlichen Schlag zugefügt und das Liquidatorentum für eine bürgerliche Strömung anerkannt.

Noch einige Worte zum Beschluss der Letten über die Spaltung der sozialdemokratischen Dumafraktion. Die sechs liquidatorisch gesinnten Abgeordneten haben keine direkte Antwort auf die Frage gegeben, ob sie die Bedingungen der Letten annehmen. Mit Hilfe des Herrn Th. D. versuchen sie, wie man so sagt, die Menschen „einzuseifen". Das wird ihnen nicht gelingen.

Man betrachte die „Argumente" des Herrn Th. D. Man zitiert ihm den (von den Letten bestätigten) Beschluss vom Jahre 1908 gegen die Vereinigung mit der Partei Jagellos. Er aber antwortet mit dem Hinweis darauf, dass man in die Fraktion der II. Duma die … litauischen Sozialdemokraten aufgenommen habe. Der „kleine" Unterschied besteht nur darin, dass die russischen Marxisten mehr als einmal beschlossen hatten, sich mit den Litauern zu vereinigen, während sie beschlossen hatten, sich mit der PPS nicht zu vereinigen, denn diese Partei ist keine marxistische. Der Unterschied liegt darin, dass die litauischen Abgeordneten unter voller Unterstützung aller Sozialdemokraten ihres Landes in die Duma gewählt worden waren, während Jagello gegen den Willen der polnischen Sozialdemokraten, gegen den Willen der Mehrheit der Arbeiterwahlmänner gewählt worden ist.

(Die Letten machten zur Bedingung der Einheit die Anerkennung der gesamtrussischen Beschlüsse von 1908 und 1910, die das Liquidatorentum als eine bürgerliche Strömung verurteilen. Nimmt die Fraktion Tschcheïdse diese Bedingung an? Was hat ihr Verteidiger, Herr Th. D., über diesen Punkt zu sagen? Nur das eine, dass „der Raummangel uns“ (d. h. ihm) „nicht erlaubt", bei diesen gesamtrussischen Beschlüssen „zu verweilen".

So werden wir denn warten, bis sich in der „Sewernaja Rabotschaja Gaseta" mehr Raum findet, um endlich die Frage zu beantworten, wie sich diese Zeitung zu den Beschlüssen der marxistischen Gesamtheit aus den Jahren 1908 und 1910 verhält, die feststellen, dass das Liquidatorentum eine bürgerliche Strömung ist

Die Arbeiter aber werden aus diesen Kniffen und Schlichen der Liquidatoren zweifellos ihre Schlussfolgerungen ziehen und sich davon überzeugen, dass diese Leute für die Sache des Marxismus verloren sind.

1 Lenin meint die Artikel von Th. D. (Dan) „Auf dem Wege der Unwahrheit" und L. M. (Martow) „Ein unbegründeter Triumph" in der „Sewernaja Rabotschaja Gaseta" vom 18. (5.) und 14. (1.) April 1914.

2 Lenin zitiert hier den Artikel Jonows „Die Interpellation über die Pogromagitation" in der „Zait" vom 16. (3.) April 1914.

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