[Geschrieben im Juli-November 1914. Zum ersten Mal veröffentlicht im russischen Enzyklopädischen Wörterbuch Granat (7. Auflage) Bd. XXVIII. Nach Sämtliche Werke, Band 18, 1929, S. 7-57] Karl Marx wurde am 5. Mai 1818 in Trier (Rheinpreußen) geboren. Sein Vater war Rechtsanwalt, Jude, aber 1824 zum Protestantismus übergetreten. Die Familie war wohlhabend, gebildet, jedoch nicht revolutionär. Nach Beendigung des Gymnasiums in Trier ging Marx an die Universität, erst in Bonn, danach in Berlin, und studierte Rechtswissenschaft, vor allem aber Geschichte und Philosophie. Nach Ablauf der Studienzeit 1841 legte er eine Doktordissertation über die Philosophie Epikurs vor. In seiner Denkweise war Marx zu dieser Zeit noch Hegelianer und Idealist. In Berlin gehörte er dem Kreise der „linken Hegelianer“ (Bruno Bauer u. a.) an, die aus der Hegelschen Philosophie atheistische und revolutionäre Schlussfolgerungen zu ziehen suchten. Nach beendetem Universitätsstudium übersiedelte Marx, auf die Professur rechnend, nach Bonn. Allein die reaktionäre Politik einer Regierung, die Ludwig Feuerbach 1832 den Lehrstuhl entzogen, 1836 erneut seine Zulassung zur Universität verweigert hatte und 1842 dem jungen Dozenten Bruno Bauer in Bonn das Vorlesungsrecht entzog, zwang Marx zum Verzicht auf die Gelehrtenlaufbahn. Die Entwicklung der von dem linken Hegelianertum in Deutschland vertretenen Anschauungen machte zu dieser Zeit sehr rasche Fortschritte. Ludwig Feuerbach insbesondere macht sich 1836 an die Kritik der Theologie und beginnt seine Wendung zum Materialismus, der 1841 bei ihm völlig das Übergewicht bekommen hat („Das Wesen des Christentums“); 1843 erscheinen auch seine „Grundsätze der Philosophie der Zukunft“. „Man muss die befreiende Wirkung dieser Bücher2 selbst erlebt haben“ – schrieb Engels später über diese Feuerbachschen Schriften. „Wir“ (d. h. die linken Hegelianer, darunter auch Marx) „waren alle momentan Feuerbachianer.“ Zu dieser Zeit wurde in Köln von rheinischen radikalen Bourgeois, die mit den linken Hegelianern gewisse Berührungspunkte halten, ein oppositionelles Blatt gegründet: die „Rheinische Zeitung“ (sie begann mit dem 1. Januar 1842 zu erscheinen). Marx und Bruno Bauer wurden als Hauptmitarbeiter herangezogen, im Oktober 1842 aber wurde Marx Chefredakteur des Blattes und übersiedelte von Bonn nach Köln. Die revolutionär-demokratische Richtung der Zeitung wurde unter der Redaktion von Marx immer bestimmter, und die Regierung unterwarf sie zunächst einer doppelten und dreifachen Zensur, verfügte aber dann zum 1. April3 1843 die gänzliche Unterdrückung des Blattes. Marx sah sich zu diesem Zeitpunkt zur Niederlegung seines Redaktionspostens genötigt, aber auch sein Abgang rettete die Zeitung nicht, sie musste im März 1843 ihr Erscheinen einstellen. Unter den bedeutendsten von Marx in der „Rheinischen Zeitung“ veröffentlichten Artikeln vermerkt Engels außer den weiter unten angegebenen (siehe Literaturverzeichnis) auch den über die Lage der bäuerlichen Winzer im Moseltal. Die journalistische Tätigkeit hatte Marx gezeigt, dass er mit der politischen Ökonomie nicht genügend bekannt war, so machte er sich denn eifrig an ihr Studium. Im Jahre 1843 vermählte sich Marx in Kreuznach mit Jenny von Westphalen, seiner Jugendfreundin, mit der er schon als Student verlobt war. Seine Frau entstammte einer reaktionären preußischen Adelsfamilie. Ihr älterer Bruder war preußischer Innenminister in einer der reaktionärsten Epochen, 1850-1858. Im Herbst 1843 ging Marx nach Paris, um hier, im Ausland, gemeinsam mit Arnold Ruge (1802-1880; linker Hegelianer, 1825 bis 1830 im Gefängnis, nach 1848 Emigrant, nach 1866-1870 Bismarckianer) eine radikale Zeitschrift herauszugeben. Es erschien jedoch nur ein erstes Heft dieser Zeitschrift, der „Deutsch-Französischen Jahrbücher“. Sie musste eingestellt werden infolge der Schwierigkeiten ihrer geheimen Verbreitung in Deutschland und infolge von Meinungsverschiedenheiten mit Ruge. In seinen in den „Jahrbüchern“ veröffentlichten Aufsätzen tritt uns Marx bereits als Revolutionär entgegen, der die „schonungslose Kritik alles Bestehenden“ und im speziellen die „Kritik der Waffe“ verkündet, der an die Massen und an das Proletariat appelliert. Im September 1844 kam für einige Tage Friedrich Engels nach Paris, seit diesem Zeitpunkt der nächste Freund von Marx. Beide nahmen gemeinsam den lebhaftesten Anteil an dem damaligen regen Leben der revolutionären Gruppen in Paris (von besonderer Bedeutung war die Lehre Proudhon, mit der Marx in seinem „Elend der Philosophie“, 1847, entschiedene Abrechnung hielt), in scharfem Kampfe mit den verschiedenen Lehren des kleinbürgerlichen Sozialismus arbeiteten sie die Theorie und Taktik des revolutionären proletarischen Sozialismus oder Kommunismus (Marxismus) aus. Siehe die Marxschen Schriften aus dieser Epoche, 1844-1848, im Literaturverzeichnis. Im Jahre 1845 wurde Marx auf Betreiben der preußischen Regierung als gefährlicher Revolutionär aus Paris ausgewiesen. Er übersiedelte nach Brüssel. Im Frühjahr 1847 schlossen sich Marx und Engels einer geheimen Propagandagesellschaft, dem „Bund der Kommunisten“, an, nahmen hervorragenden Anteil an der zweiten Tagung dieses Bundes (November 1847 in London) und verfassten in seinem Auftrag das berühmte, im Februar 1848 erschienene „Manifest der Kommunistischen Partei“. Mit genialer Klarheit und Deutlichkeit ist in diesem Werk die neue Weltauffassung dargestellt, der konsequente, auch das Gebiet des gesellschaftlichen Lebens umfassende Materialismus, die Dialektik als die vielseitigste und tiefste Lehre von der Entwicklung, die Theorie des Klassenkampfes und der welthistorischen revolutionären Rolle des Proletariats, des Schöpfers einer neuen, der kommunistischen Gesellschaft. Als die Februarrevolution von 1848 ausbrach, wurde Marx aus Belgien ausgewiesen. Er kam wieder nach Paris, ging aber von hier nach der Märzrevolution nach Deutschland, und zwar nach Köln. Dort erschien vom 1. Juni 1848 bis zum 19. Mai 1849 die „Neue Rheinische Zeitung“; ihr Chefredakteur war Marx. Die neue Theorie wurde durch den Verlauf der revolutionären Ereignisse von 1848 bis 1849 glänzend bestätigt, wie sie in der Folge auch durch sämtliche proletarischen und demokratischen Bewegungen in allen Ländern der Welt bestätigt worden ist. Von der siegreichen Konterrevolution wurde Marx zunächst vor Gericht gestellt (am 9. Februar 1849 freigesprochen), dann aber aus Deutschland ausgewiesen (16. Mai 1849). Marx begab sich zuerst nach Paris, wurde aber nach der Demonstration vom 13. Juni 1849 auch von hier ausgewiesen und reiste nach London, wo er bis zu seinem Tode lebte. Die Bedingungen des Emigranten-Lebens, wie sie im Briefwechsel von Marx und Engels (herausgegeben 1913) besonders anschaulich aufgedeckt sind, waren außerordentlich schwer. Die Not lastete geradezu erstickend auf Marx und seiner Familie; wäre nicht die ständige aufopfernde finanzielle Unterstützung durch Engels gewesen, Marx hätte nicht nur nicht die Möglichkeit gehabt, das „Kapital“ zu beenden, sondern wäre unzweifelhaft unter dem Druck der materiellen Not untergegangen. Außerdem war Marx durch die vorherrschenden Lehren und Strömungen des kleinbürgerlichen, überhaupt des nichtproletarischen Sozialismus zu unausgesetztem, schonungslosem Kampf, ja manchmal zur Abwehr der erbittertsten und absurdesten persönlichen Angriffe („Herr Vogt“) genötigt. Abseits von den Zirkeln der Emigranten entwickelte Marx in einer Reihe von historischen Arbeiten (siehe Literaturverzeichnis) seine materialistische Theorie, seine Kräfte hauptsächlich auf das Studium der politischen Ökonomie richtend. Diese Wissenschaft wurde von Marx revolutioniert (siehe weiter unten Marx’ Lehre) in seinen Werken „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ (1859) und „Das Kapital“ (Bd. I, 1867). Die Epoche des Wiederauflebens der demokratischen Bewegungen zu Ende der fünfziger und in den sechziger Jahren rief Marx erneut zum praktischen Handeln. 1864 (am 28. September) wurde in London die berühmte Erste Internationale, die „Internationale Arbeiter-Assoziation“ gegründet. Marx war die Seele dieser Organisation, Verfasser ihres ersten Manifestes und einer langen Reihe von Resolutionen, Erklärungen und Aufrufen. Indem Marx die Arbeiterbewegung der verschiedenen Länder zusammenzufassen bemüht war, die verschiedenen Formen des nicht-proletarischen, vormarxistischen Sozialismus (Mazzini, Proudhon, Bakunin, englischer liberaler Trade-Unionismus, die lassalleanischen Rechtsschwankungen in Deutschland usw.) in die Bahnen gemeinsamen Handelns zu lenken suchte, die Theorien aller dieser Sekten und Schulen bekämpfte, schmiedete er eine einheitliche Taktik des proletarischen Kampfes der Arbeiterklasse in den verschiedenen Ländern. Nach dem Fall der Pariser Kommune (1871), die Marx (im „Bürgerkrieg in Frankreich 1871“) so tiefschürfend, treffend, glänzend und als Handelnder, als Revolutionär würdigte, und nach der Spaltung der Internationale durch die Anhänger Bakunins war deren Fortbestehen in Europa unmöglich geworden. Nach dem Haager Kongress der Internationale (1872) setzte Marx die Verlegung ihres Generalrates nach New York durch. Die I. Internationale hatte ihre historische Rolle ausgespielt und räumte einer Epoche von unvergleichlich größerem Wachstum der Arbeiterbewegung in allen Ländern der Welt das Feld, – eben der Epoche ihrer Entwicklung in die Breite, der Entstehung sozialistischer Massen-Arbeiterparteien auf dem Boden der einzelnen Nationalstaaten. Die angestrengte Tätigkeit in der Internationale und die noch angestrengteren theoretischen Studien untergruben endgültig Marxens Gesundheit. Er setzte seine Neubearbeitung der politischen Ökonomie und die Vollendung des „Kapital“ fort, trug zu diesem Zweck eine Menge neuer Materialien zusammen, studierte eine Reihe von Sprachen (so z. B. die russische), doch den Abschluss des „Kapital“ verhinderte die Krankheit. Am 2. Dezember 1881 starb seine Frau, am 14. März 1883 entschlief Marx still in seinem Lehnstuhl. Er ist neben seiner Frau und neben Helene Demuth, der treuen Dienerin, die fast ein Familienmitglied war, auf dem Highgate-Friedhof in London begraben. Die Marxsche Lehre Der Marxismus ist das System der Anschauungen und der Lehren von Marx. Marx war der Fortsetzer und geniale Vollender der drei geistigen Hauptströmungen des 19. Jahrhunderts, die den drei fortgeschrittensten Ländern der Menschheit zugehören: der klassischen deutschen Philosophie, der klassischen englischen politischen Ökonomie und des französischen Sozialismus in Verbindung mit den französischen revolutionären Lehren überhaupt. Die selbst von den Gegnern Marxens anerkannte bemerkenswerte Folgerichtigkeit und Geschlossenheit seiner Anschauungen, die in ihrer Totalität den modernen Materialismus und den modernen wissenschaftlichen Sozialismus als Theorie und Programm der Arbeiterbewegung in allen zivilisierten Ländern der Welt darstellen, machen es nötig, dass wir der Darstellung des Hauptinhalts des Marxismus, der ökonomischen Lehre von Marx, einen kurzen Abriss seiner Weltanschauung überhaupt vorausschicken. Der philosophische Materialismus Seit den Jahren 1844 und 1845, in denen sich Marxens Anschauungen formierten, war er Materialist, und zwar im besonderen Anhänger Ludwig Feuerbachs, dessen schwache Seiten er auch in der Folge ausschließlich in der ungenügenden Folgerichtigkeit und ungenügenden Allseitigkeit seines Materialismus erblickte. Die weltgeschichtliche, die „epochemachende“ Bedeutung Feuerbachs sah Marx gerade in dem entschiedenen Bruch mit dem Hegelschen Idealismus und in der Verkündung des Materialismus, der schon im 18. Jahrhundert, namentlich in Frankreich, „nicht nur ein Kampf gegen die bestehenden politischen Institutionen, wie gegen die… Religion und Theologie“ war, „sondern ebenso sehr … gegen alle Metaphysik“ (im Sinne der „trunkenen Spekulation“ im Unterschied zu der „nüchternen Philosophie“; – „Die Heilige Familie“ im „Literarischen Nachlass“). „Für Hegel“ – schrieb Marx – „ist der Denkprozess, den er sogar unter dem Namen Idee in ein selbständiges Subjekt verwandelt, der Demiurg“ (der Schöpfer, der Erzeuger)4 „des Wirklichen … Bei mir ist umgekehrt das Ideelle nichts andres als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle“ („Kapital“, Bd. I, Vorwort zur 2. Aufl.). In völliger Übereinstimmung mit dieser materialistischen Philosophie von Marx schrieb Fr. Engels bei der Darstellung dieser Philosophie im „Anti-Dühring“ (siehe daselbst) – Marx hatte sich mit dieser Schrift noch im Manuskript bekannt gemacht -: „Die Einheit der Welt besteht nicht in ihrem Sein… Die wirkliche Einheit der Welt besteht in ihrer Materialität, und diese ist bewiesen… durch eine lange und langwierige Entwicklung der Philosophie und der Naturwissenschaft … Die Bewegung ist die Daseinsweise der Materie. Nie und nirgends hat es Materie ohne Bewegung gegeben, oder kann es sie geben … Materie ohne Bewegung ist ebenso undenkbar, wie Bewegung ohne Materie … Fragt man …, was denn Denken und Bewusstsein sind und woher sie stammen, so findet man, dass es Produkte des menschlichen Hirns und dass der Mensch selbst ein Naturprodukt, das sich in und mit seiner Umgebung entwickelt hat; wobei es sich dann von selbst versteht, dass die Erzeugnisse des menschlichen Hirns, die in letzter Instanz ja auch Naturprodukte sind, dem übrigen Naturzusammenhang nicht widersprechen, sondern entsprechen.“ „Hegel war Idealist, d. h. ihm galten die Gedanken seines Kopfs nicht als die mehr oder weniger abstrakten Abbilder“ (zuweilen spricht Engels von „Abklatsch“) „der wirklichen Dinge und Vorgänge, sondern umgekehrt galten ihm die Dinge und ihre Entwicklung nur als die verwirklichten Abbilder der irgendwo schon vor der Welt existierenden ,Idee‘“. In seiner Schrift „Ludwig Feuerbach“, in der Fr. Engels seine und Marxens Ansichten über die Philosophie Feuerbachs darlegte und die er erst in Druck gab, nachdem er vorher das alte Manuskript von ihm und Marx aus den Jahren 1844/45 über Hegel, Feuerbach und die materialistische Geschichtsauffassung nochmals durchgesehen hatte, – schreibt Engels: „Die große Grundfrage aller, speziell neueren Philosophie ist… die nach dem Verhältnis des Denkens zum Sein, des Geistes zur Natur… Was ist das Ursprüngliche, der Geist oder die Natur? … Je nachdem diese Frage so oder so beantwortet wurde, spalteten sich die Philosophen in zwei große Lager. Diejenigen, die die Ursprünglichkeit des Geistes gegenüber der Natur behaupteten, also in letzter Instanz eine Weltschöpfung irgendeiner Art annahmen…, bildeten das Lager des Idealismus. Die anderen, die die Natur als das Ursprüngliche ansahen, gehören zu den verschiedenen Schulen des Materialismus.“ Jeder andere Gebrauch der Begriffe Idealismus und Materialismus (im philosophischen Sinne) stiftet nur Verwirrung. Marx verwarf entschieden nicht nur den – so oder so ständig mit der Religion verknüpften – Idealismus, sondern auch den in unseren Tagen besonders verbreiteten Standpunkt von Hume und Kant, den Agnostizismus, Kritizismus, Positivismus in verschiedenen Gestalten; – eine Philosophie von solcher Art galt ihm als „reaktionäre“ Konzession an den Idealismus und im besten Falle als „verschämte Weise, den Materialismus hinterrücks zu akzeptieren und vor der Welt zu verleugnen“. Vgl. zu dieser Frage außer den schon genannten Schriften von Engels und Marx auch den an Engels gerichteten Marx-Brief vom 12. Dezember 1868; dort spricht Marx von dem berühmten Naturforscher T. Huxley, der „wieder materialistischer als in den letzten Jahren“ aufgetreten sei und erklärt habe: „Solange wir wirklich beobachten und denken, können wir nie aus dem Materialismus hinaus“; zugleich wirft Marx ihm vor, er habe dem Agnostizismus, dem Humeismus „auch wiederum eine neue Hintertür geöffnet“. Insbesondere muss Marxens Auffassung von dem Verhältnis von Freiheit und Notwendigkeit hervorgehoben werden: „Die Freiheit“ ist „die Einsicht in die Notwendigkeit. ,Blind ist die Notwendigkeit nur, insofern dieselbe nicht begriffen wird'“ (Engels im „Anti-Dühring“). Das besagt: Anerkennung der objektiven Gesetzmäßigkeit der Natur und der dialektischen Verwandlung der Notwendigkeit in die Freiheit (zugleich mit der Verwandlung des unerkannten, aber erkennbaren „Ding an sich“ in ein „Ding für uns“, des „Wesens der Dinge“ in „Erscheinungen“). Der Hauptmangel des „alten“ Materialismus, den Feuerbachschen mit eingerechnet (und erst recht gilt das für den „vulgären“ Materialismus der Büchner, Vogt und Moleschott), bestand nach Marx und Engels darin: 1. dass dieser Materialismus ein „vorwiegend mechanischer“ war und die neueste Entwicklung der Chemie und Biologie (in unseren Tagen wäre noch hinzuzufügen: der elektrischen Theorie der Materie) nicht berücksichtigte; 2. dass der alte Materialismus unhistorisch, undialektisch war (metaphysisch im Sinne von antidialektisch) und den Standpunkt der Entwicklung nicht konsequent und allseitig durchführte; 3. dass man „das menschliche Wesen“ als „Abstraktum“ und nicht als „das Ensemble“ der (bestimmten konkret-historischen) „gesellschaftlichen Verhältnisse“ auffasste und deshalb die Welt nur „interpretierte“, während es darauf ankommt, „sie zu verändern“, d. h. dass man die Bedeutung der „revolutionären, der praktischen Tätigkeit“ nicht begriff. Die Dialektik In der Hegelschen Dialektik als der umfassendsten, inhaltsreichsten und tiefsten Entwicklungslehre sahen Marx und Engels die größte Errungenschaft der klassischen deutschen Philosophie. Jede andere Formulierung des Prinzips der Entwicklung, der Evolution, hielten sie für einseitig und inhaltsarm, für eine Entstellung und Verzerrung des wirklichen Verlaufs der (nicht selten in Sprüngen, Katastrophen, Revolutionen sich vollziehenden) Entwicklung in Natur und Gesellschaft. „Marx und ich waren wohl ziemlich die einzigen, die aus der deutschen idealistischen Philosophie die bewusste Dialektik in die materialistische Auffassung der Natur und Geschichte hinüber gerettet hatten.“ „Die Natur ist die Probe auf die Dialektik, und wir müssen es der modernen Naturwissenschaft nachsagen, dass sie für diese Probe ein äußerst reichliches, sich täglich häufendes Material geliefert und damit bewiesen hat, dass es in der Natur, in letzter Instanz, dialektisch und nicht metaphysisch hergeht.“ „Der große Grundgedanke“ – schreibt Engels –, „dass die Welt nicht als ein Komplex von fertigen Dingen zu fassen ist, sondern als ein Komplex von Prozessen, worin die scheinbar stabilen Dinge, nicht minder wie ihre Gedankenbilder in unserem Kopf, die Begriffe, eine ununterbrochene Veränderung des Werdens und Vergehens durchmachen, in der bei aller scheinbaren Zufälligkeit und trotz aller momentanen Rückläufigkeit schließlich eine fortschreitende Entwicklung sich durchsetzt – dieser große Grundgedanke ist, namentlich seit Hegel, so sehr in das gewöhnliche Bewusstsein übergegangen, dass er in dieser Allgemeinheit wohl kaum noch Widerspruch findet. Aber ihn in der Phrase anerkennen und ihn in der Wirklichkeit im einzelnen auf jedem zur Untersuchung kommenden Gebiete durchführen, ist zweierlei.“ „Vor ihr (der dialektischen Philosophie) besteht nichts Endgültiges, Absolutes, Heiliges; sie weist von allem und an allem die Vergänglichkeit auf, und nichts besteht vor ihr als der ununterbrochene Prozess des Werdens und Vergehens, des Aufsteigens ohne Ende vom Niederen zum Höheren, dessen bloße Widerspiegelung im denkenden Hirn sie selbst ist.“ Demnach ist die Dialektik nach Marx „die Wissenschaft von den allgemeinen Gesetzen der Bewegung, sowohl der äußeren Welt wie des menschlichen Denkens“. Diese revolutionäre Seite der Hegelschen Philosophie wurde von Marx übernommen und weiter entwickelt. Der dialektische Materialismus „braucht keine über den anderen Wissenschaften stehende Philosophie mehr“. Was von der bisherigen Philosophie noch bestehen bleibt, ist „die Lehre vom Denken und seinen Gesetzen – die formelle Logik und die Dialektik.“ Die Dialektik in der Marxschen, ebenso auch in der Hegelschen Fassung begreift in sich das, was man heute Erkenntnistheorie, Gnoseologie nennt, die ihren Gegenstand gleichfalls historisch betrachten muss, indem sie die Entstehung und Entwicklung der Erkenntnis, den Übergang von der Unkenntnis zur Erkenntnis erforscht und verallgemeinert. In unserer Zeit ist die Idee der Entwicklung, der Evolution, nahezu restlos in das gesellschaftliche Bewusstsein übergegangen, doch auf anderen Wegen, nicht über die Philosophie Hegels. Allein in der Formulierung, die ihr Marx und Engels, ausgehend von Hegel, gegeben haben, ist diese Idee viel umfassender, viel inhaltsreicher als die landläufige Evolutionstheorie. Eine Entwicklung, die die bereits durchlaufenen Stufen gleichsam noch einmal durchmacht, aber anders, auf höherer Basis („Negation der Negation“), eine Entwicklung, die nicht geradlinig, sondern sozusagen in der Spirale vor sich geht; – eine sprunghafte, mit Katastrophen verknüpfte, revolutionäre Entwicklung; – „Unterbrechungen der Allmählichkeit“; Umschlagen der Quantität in die Qualität; – innere Entwicklungsantriebe, ausgelöst durch den Widerspruch, durch den Zusammenprall der unterschiedlichen Kräfte und Tendenzen, die auf einen gegebenen Körper innerhalb der Grenzen einer gegebenen Erscheinung oder innerhalb einer gegebenen Gesellschaft wirksam sind; – gegenseitige Abhängigkeit und engster, unzertrennlicher Zusammenhang aller Seiten einer jeden Erscheinung (wobei die Geschichte immer neue Seiten zum Vorschein bringt), ein Zusammenhang, der einen einheitlichen, gesetzmäßigen Weltprozess der Bewegung darbietet, – dies sind einige Züge der Dialektik als derjenigen Entwicklungslehre, die weit gehaltvoller ist als die übliche. (Vgl. Marxens Brief an Engels vom 8. Januar 1868 mit dem Spott über Steins „hölzerne Trichotomien“, die mit der materialistischen Dialektik zu verwechseln Unsinn wäre.) Die materialistische Geschichtsauffassung Die Einsicht in die Inkonsequenz, Unzulänglichkeit und Einseitigkeit des alten Materialismus führte Marx zu der Überzeugung von der Notwendigkeit, die „Wissenschaft von der Gesellschaft … mit der materialistischen Grundlage in Einklang zu bringen und auf ihr zu rekonstruieren.“ Wenn der Materialismus überhaupt das Bewusstsein aus dem Sein erklärt, und nicht umgekehrt, so fordert der Materialismus in seiner Anwendung auf das gesellschaftliche Leben der Menschheit die Erklärung des gesellschaftlichen Bewusstseins aus dem gesellschaftlichen Sein. „Die Technologie“ – sagt Marx („Kapital“, Bd. I) – „enthüllt das aktive Verhalten des Menschen zur Natur, den unmittelbaren Produktionsprozess seines Lebens, damit auch seiner gesellschaftlichen Lebensverhältnisse und der ihnen entquellenden geistigen Vorstellungen.“ Eine abgeschlossene Formulierung der Grundsätze des Materialismus in Anwendung auf die menschliche Gesellschaft und ihre Geschichte gab Marx in dem Vorwort zu seiner Schrift „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ in folgenden Worten: „In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess überhaupt. Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt. Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen, oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um. In der Betrachtung solcher Umwälzungen muss man stets unterscheiden zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewusst werden und ihn ausfechten. So wenig man das, was ein Individuum ist, nach dem beurteilt, was es sich selbst dünkt, ebenso wenig kann man eine solche Umwälzungsepoche aus ihrem Bewusstsein beurteilen, sondern muss vielmehr dies Bewusstsein aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen erklären … In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern bürgerliche Produktionsweisen als progressive Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformation bezeichnet werden.“ (Vgl. Marx’ kurze Formel in seinem Brief an Engels vom 7. Juli 1866: „Unsere Theorie von der Bestimmung der Arbeitsorganisation durch die Produktionsmittel“.) Die materialistische Geschichtsauffassung, oder richtiger, die folgerichtige Anwendung und Ausdehnung des Materialismus auf das Gebiet der gesellschaftlichen Erscheinungen beseitigte zwei Hauptmängel der früheren Geschichtstheorien. Diese hatten erstens im besten Falle nur die ideellen Motive des geschichtlichen Handelns der Menschen zum Gegenstand der Betrachtung gemacht, ohne nachzuforschen, wodurch diese Motive hervorgerufen werden, ohne der objektiven Gesetzmäßigkeit in der Entwicklung des Systems der gesellschaftlichen Verhältnisse nachzuspüren, ohne die Wurzeln dieser Verhältnisse und die Entwicklungsstufe der materiellen Produktion ins Auge zu fassen; zweitens hatten die früheren Theorien gerade die Handlungen der Massen der Bevölkerung ganz beiseite gelassen, während der historische Materialismus zum ersten Mal die Möglichkeit gab, mit naturhistorischer Exaktheit die gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Massen sowie die Veränderungen dieser Bedingungen zu erforschen. Die „Soziologie“ und die Geschichtsschreibung vor Marx hatten im besten Fall eine Anhäufung von fragmentarisch gesammelten unverarbeiteten Tatsachen und die Schilderung einzelner Seiten des historischen Prozesses geliefert. Der Marxismus wies den Weg zur allumfassenden, allseitigen Erforschung des Entstehungs-, Entwicklungs- und Verfallsprozesses der gesellschaftlich-ökonomischen Formationen, indem er die Gesamtheit aller widerstreitenden Tendenzen untersuchte, diese auf die exakt bestimmbaren Lebens-und Produktionsverhältnisse der verschiedenen Klassen der Gesellschaft zurückführte, den Subjektivismus und die Willkür bei der Auswahl bzw. Auslegung der einzelnen „vorherrschenden“ Ideen ausschaltete und die Wurzeln ausnahmslos aller Ideen und all der verschiedenen Tendenzen in dem Zustand der materiellen Produktivkräfte nachwies. Die Menschen machen ihre Geschichte selbst, aber wodurch die Motive der Menschen und namentlich die der menschlichen Massen bestimmt, wodurch die Zusammenstöße der widerstreitenden Ideen und Bestrebungen verursacht werden, was die Gesamtheit aller dieser Zusammenstöße aller menschlichen Gesellschaften darstellt, welches die objektiven Produktionsbedingungen des materiellen Lebens sind, die die Basis für alles geschichtliche Handeln der Menschen abgeben, welches das Entwicklungsgesetz dieser Bedingungen ist, – auf all das machte Marx aufmerksam und er wies den Weg zur wissenschaftlichen Erforschung der Geschichte, als eines einheitlichen, in all seiner gewaltigen Vielseitigkeit und in all seiner Gegensätzlichkeit gesetzmäßigen Prozesses. Der Klassenkampf Dass in einer gegebenen Gesellschaft die Bestrebungen der einen den Bestrebungen der andern schnurstracks zuwiderlaufen, dass das gesellschaftliche Leben voller Widersprüche ist, dass uns die Geschichte den Kampf zwischen Völkern und Gesellschaften zeigt, ebenso auch den Kampf innerhalb ihrer und außerdem noch den periodischen Wechsel von Revolution und Reaktion, Krieg und Frieden, Stagnation und schnellem Fortschritt oder Verfall, – das sind allgemein bekannte Tatsachen. Der Marxismus lieferte den Leitfaden, der in diesem scheinbaren Labyrinth und Chaos eine Gesetzmäßigkeit zu entdecken erlaubt, – nämlich die Theorie des Klassenkampfes. Nur die Untersuchung der Gesamtheit der Bestrebungen aller Mitglieder einer gegebenen Gesellschaft oder einer Gruppe von Gesellschaften kann zur wissenschaftlichen Bestimmung des Resultats dieser Bestrebungen führen. Der Ursprung der gegensätzlichen Bestrebungen liegt aber in der Verschiedenheit der Lage und der Lebensverhältnisse der Klassen, in die jede Gesellschaft zerfällt. „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft – schreibt Marx im „Kommunistischen Manifest“ (mit Ausnahme der Geschichte der ursprünglichen Gemeinwesen, fügt Engels nachträglich hinzu) – ist die Geschichte von Klassenkämpfen. Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener, Zunftbürger und Gesell, kurz Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf, der jedes Mal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen … Die aus dem Untergang der feudalen Gesellschaft hervorgegangene moderne bürgerliche Gesellschaft hat die Klassengegensätze nicht aufgehoben. Sie hat nur neue Klassen, neue Bedingungen der Unterdrückung, neue Gestaltungen des Kampfes an die Stelle der alten gesetzt. Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie, zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass sie die Klassengegensätze vereinfacht hat. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat.“ Seit der großen französischen Revolution hat die Geschichte Europas mit besonderer Anschaulichkeit in einer Reihe von Ländern diese wirkliche Grundlage der Ereignisse, den Kampf der Klassen, zum Vorschein gebracht. Schon die Restaurationsepoche in Frankreich ließ eine Reihe von Historikern (Thierry, Guizot, Mignet, Thiers) auf den Plan treten, die bei der Verallgemeinerung der Geschehnisse nicht umhin konnten, den Kampf der Klassen als den Schlüssel zum Verständnis der ganzen französischen Geschichte anzuerkennen. Die jüngste Epoche aber, die Epoche des vollen Siegs der Bourgeoisie, der Repräsentativ-Körperschaften, des weitgehenden (wo nicht allgemeinen) Wahlrechts, der billigen, in die Massen dringenden Tagespresse usw., die Epoche der mächtigen, immer mehr anschwellenden Arbeiterverbände und der Unternehmer-Vereinigungen usw. zeigte noch sinnfälliger (wenn auch mitunter in einseitiger, „friedlicher“, „konstitutioneller“ Form) den Kampf der Klassen als die Triebfeder der Ereignisse. Die folgende Stelle aus dem Marxschen „Kommunistischen Manifest“ mag uns zeigen, was für Anforderungen einer objektiven Analyse der Lage einer jeden Klasse in der modernen Gesellschaft, samt der Analyse der Entwicklungsbedingungen einer jeden Klasse, Marx an die Gesellschaftswissenschaft stellte: „Von allen Klassen, welche heutzutage der Bourgeoisie gegenüberstehen, ist nur das Proletariat eine wirklich revolutionäre Klasse. Die übrigen Klassen verkommen und gehen unter mit der großen Industrie, das Proletariat ist ihr eigenstes Produkt. Die Mittelstände, der kleine Industrielle, der kleine Kaufmann, der Handwerker, der Bauer, sie alle bekämpfen die Bourgeoisie, um ihre Existenz als Mittelstände vor dem Untergang zu sichern. Sie sind also nicht revolutionär, sondern konservativ. Noch mehr, sie sind reaktionär, sie suchen das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Sind sie revolutionär, so sind sie es im Hinblick auf den ihnen bevorstehenden Übergang ins Proletariat, so verteidigen sie nicht ihre gegenwärtigen, sondern ihre zukünftigen Interessen, so verlassen sie ihren eigenen Standpunkt, um sich auf den des Proletariats zu stellen.“ In einer Reihe von historischen Schriften (siehe Literaturverzeichnis) lieferte Marx tiefschürfende und glänzende Muster der materialistischen Geschichtsschreibung, der Analyse der Lage einer jeden einzelnen Klasse und mitunter verschiedener Gruppen oder Schichten innerhalb der Klasse und wies augenfällig nach, wie und warum „jeder Klassenkampf ein politischer Kampf“ ist. Die von uns angeführte Stelle illustriert, was für ein kompliziertes Netz von gesellschaftlichen Verhältnissen und Übergangsstufen von einer Klasse zur andern, von der Vergangenheit zur Zukunft Marx analysiert, um die Resultate der ganzen historischen Entwicklung festzulegen. Ihre tiefste, umfassendste und bis ins Einzelnste gehende Bestätigung und Anwendung erfährt die Theorie von Marx in seiner ökonomischen Lehre. Die ökonomische Lehre von Marx „Es ist der letzte Endzweck dieses Werks“ – sagt Marx im Vorwort zum „Kapital“ –, „das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen“, d. h. der kapitalistischen, der bürgerlichen Gesellschaft. Die Erforschung der Produktionsverhältnisse einer gegebenen, historisch bestimmten Gesellschaft in ihrem Entstehen, ihrem Werden und Vergehen – das ist der Inhalt der ökonomischen Lehre von Marx. In der kapitalistischen Gesellschaft herrscht die Produktion von Waren, und die Marxsche Analyse beginnt daher mit der Analyse der Ware. Der Wert Eine Ware ist erstens ein Ding, das irgendein menschliches Bedürfnis befriedigt; sie ist zweitens ein Ding, das gegen ein anderes austauschbar ist. Die Nützlichkeit eines Dings macht es zum Gebrauchswert. Der Tauschwert (oder einfach Wert) ist vor allem ein Verhältnis, die Proportion, worin sich eine bestimmte Anzahl von Gebrauchswerten einer Art gegen eine bestimmte Anzahl von Gebrauchswerten anderer Art austauscht. Die tägliche Erfahrung zeigt uns, dass Millionen und Milliarden solcher Austauschvorgänge alle und jede, selbst die verschiedensten und miteinander am wenigsten vergleichbaren Gebrauchswerte fortwährend vergleichen. Was haben nun diese verschiedenartigen Dinge miteinander gemein, die in einem bestimmten System gesellschaftlicher Verhältnisse fortwährend miteinander verglichen werden? Was sie miteinander gemein haben, ist dies, dass sie Arbeitsprodukte sind. Indem die Menschen ihre Produkte austauschen, setzen sie die verschiedensten Arten von Arbeit einander gleich. Die Warenproduktion ist ein System von gesellschaftlichen Verhältnissen, unter dem die einzelnen Produzenten verschiedenartige Produkte erzeugen (gesellschaftliche Arbeitsteilung) und alle diese Produkte beim Austausch einander gleichgesetzt werden. Das Gemeinsame, das in allen Waren enthalten ist, ist also nicht die konkrete Arbeit eines bestimmten Produktionszweigs, nicht Arbeit von bestimmtem Charakter, sondern abstrakte menschliche Arbeit, menschliche Arbeit schlechthin. Die gesamte Arbeitskraft einer gegebenen Gesellschaft, dargestellt in der Summe der Werte aller Waren, gilt hier als eine und dieselbe menschliche Arbeitskraft: Milliarden von Tauschakten erweisen das. Folglich stellt auch jede einzelne Ware nur einen bestimmten Teil der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit dar. Die Wertgröße wird bestimmt durch die Menge der gesellschaftlich notwendigen Arbeit oder durch die zur Herstellung einer gegebenen Ware, eines gegebenen Gebrauchswerts gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit. „Indem sie“ (die Menschen) „ihre verschiedenartigen Produkte einander im Austausch als Werte gleichsetzen, setzen sie ihre verschiedenen Arbeiten einander als menschliche Arbeit gleich. Sie wissen das nicht, aber sie tun es.“ Der Wert ist ein Verhältnis zwischen zwei Personen, wie ein alter Ökonom gesagt hat; er hätte bloß hinzufügen sollen: ein unter dinglicher Hülle verstecktes Verhältnis. Nur vom Standpunkt des Systems der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse einer bestimmten historischen Gesellschaftsformation, und zwar von Verhältnissen, die in der zu Millionen und aber Millionen Malen sich wiederholenden Massenerscheinung des Austausches zum Vorschein kommen, kann man begreifen, was der Wert ist. „Als Werte sind alle Waren nur bestimmte Maße fest geronnener Arbeitszeit.“ Nach eingehender Analyse des Doppelcharakters der in den Waren verkörperten Arbeit geht Marx zur Analyse der Wertform und des Geldes über. Die Hauptaufgabe, die sich Marx hier stellt, ist die Untersuchung der Entstehung der Geldform des Wertes, das Studium des historischen Prozesses der Entwicklung des Austausches, angefangen mit den einzelnen, zufälligen Tauschakten („einfache, einzelne oder zufällige Wertform“: ein bestimmtes Quantum einer Ware wird gegen ein bestimmtes Quantum einer anderen Ware ausgetauscht) bis zur allgemeinen Wertform, wobei eine Reihe von verschiedenen Waren gegen ein und dieselbe bestimmte Ware ausgetauscht wird, und bis zur Geldform des Wertes, wo als diese bestimmte Ware, als das allgemeine Äquivalent, das Gold erscheint. Das Geld als das höchste Produkt der Entwicklung des Austausches und der Warenproduktion vertuscht und verschleiert den gesellschaftlichen Charakter der Privatarbeiten, den gesellschaftlichen Zusammenhang zwischen den einzelnen Produzenten, die durch den Markt zusammengebracht werden. Marx unterzieht die verschiedenen Funktionen des Geldes einer außerordentlich eingehenden Analyse, wobei es auch hier (wie überhaupt in den ersten Kapiteln des „Kapital“) von besonderer Wichtigkeit ist, festzustellen, dass die abstrakte und mitunter scheinbar rein deduktive Form der Darstellung in Wirklichkeit ein gewaltiges Tatsachenmaterial zur Entwicklungsgeschichte des Austauschprozesses und der Warenproduktion reproduziert. „Das Geld … setzt eine gewisse Höhe des Warenaustausches voraus. Die besonderen Geldformen, bloßes Warenäquivalent, oder Zirkulationsmittel, oder Zahlungsmittel, Schatz und Weltgeld, deuten, je nach dem verschiedenen Umfang und dem relativen Vorwiegen einer oder der anderen Funktion, auf sehr verschiedene Stufen des gesellschaftlichen Produktionsprozesses.“ („Kapital“, Bd. I.) Der Mehrwert Auf einer bestimmten Entwicklungsstufe der Warenproduktion verwandelt sich das Geld in Kapital. Die Formel der Warenzirkulation war: W (Ware) – G (Geld) – W (Ware), d. h. Verkauf einer Ware, um eine andere zu kaufen. Die allgemeine Formel des Kapitals dagegen ist: G-W-G, d. h. Kauf, um zu verkaufen (mit Profit). Den Zuwachs über den ursprünglichen, in Umlauf gesetzten Geldwert hinaus nennt Marx Mehrwert. Die Tatsache dieses „Zuwachses“ von Geld im kapitalistischen Umlauf ist jedermann bekannt. Eben dieser „Zuwachs“ verwandelt das Geld in Kapital, als ein besonderes, historisch bestimmtes gesellschaftliches Produktionsverhältnis. Der Mehrwert kann nicht aus der Warenzirkulation entspringen, denn diese kennt nur den Austausch von Äquivalenten, er kann auch nicht aus einem Preisaufschlag entspringen, denn die gegenseitigen Verluste und Gewinne der Käufer und Verkäufer würden sich ausgleichen, es handelt sich aber gerade um eine gesellschaftliche Massen- und Durchschnittserscheinung und nicht um einen individuellen Vorgang. Um Mehrwert zu erhalten, muss der „Geldbesitzer … auf dem Markt eine Ware … entdecken, deren Gebrauchswert selbst die eigentümliche Beschaffenheit besäße, Quelle von Wert zu sein“, – eine Ware also, deren Verbrauchsprozess gleichzeitig Prozess der Wertschöpfung wäre. Eine solche Ware findet sich auch vor. Es ist die Arbeitskraft des Menschen. Der Gebrauch der Arbeitskraft ist die Arbeit, die Arbeit aber schafft den Wert. Der Geldbesitzer kauft die Arbeitskraft zu ihrem Wert, der wie der Wert jeder anderen Ware durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit bestimmt wird, die zu ihrer Herstellung erforderlich ist (d. h. durch die Unterhaltskosten des Arbeiters und seiner Familie). Hat der Geldbesitzer die Arbeitskraft gekauft, so hat er das Recht, sie zu verbrauchen, d. h. sie zu veranlassen, einen ganzen Tag zu arbeiten – sagen wir 12 Stunden. Der Arbeiter indessen erzeugt im Laufe von 6 Stunden („notwendige“ Arbeitszeit) ein Produkt, durch das sein Lebensunterhalt ersetzt wird, im Laufe der übrigen 6 Stunden aber („überschüssige“ Arbeitszeit) erzeugt er ein vom Kapitalisten nicht bezahltes „Mehrprodukt“ oder den Mehrwert. Folglich muss man vom Standpunkt des Produktionsprozesses zwei Teile des Kapitals unterscheiden: das konstante Kapital, das für die Produktionsmittel verausgabt wird (Maschinen, Arbeitsmittel, Rohmaterial usw.) – dessen Wert (auf einmal oder teilweise) unverändert in das fertige Produkt eingeht – und das variable Kapital, das für die Arbeitskraft verausgabt wird. Der Wert dieses Kapitals bleibt nicht unverändert, sondern vermehrt sich im Arbeitsprozess durch Schaffung des Mehrwerts. Um den Exploitationsgrad der Arbeitskraft durch das Kapital auszudrücken, hat man daher den Mehrwert nicht mit dem Gesamtkapital, sondern nur mit dem variablen Kapital zu vergleichen. Die Rate des Mehrwerts, wie Marx dieses Verhältnis nennt, wird also in unserem Beispiel 6 : 6, d. h. 100% betragen. Historische Voraussetzung für die Entstehung des Kapitals ist erstens die Akkumulation einer bestimmten Geldsumme in den Händen einzelner Personen bei verhältnismäßig hohem Entwicklungsniveau der Warenproduktion überhaupt, zweitens das Vorhandensein eines in doppeltem Sinne „freien“ Arbeiters – frei von allen Behinderungen oder Einschränkungen beim Verkauf der Arbeitskraft, und frei von Grund und Boden sowie von Produktionsmitteln überhaupt – d. h. eines vogelfreien Arbeiters, eines „Proletariers“, der nicht anders als vom Verkauf seiner Arbeitskraft existieren kann. Vermehrung des Mehrwerts ist möglich vermittelst zweier hauptsächlicher Methoden: durch Verlängerung des Arbeitstags („absoluter Mehrwert“) und durch Verkürzung des notwendigen Arbeitstags („relativer Mehrwert“). In der Analyse der ersten Methode lässt Marx vor uns das grandiose Bild erstehen vom Kampf der Arbeiterklasse für die Verkürzung des Arbeitstags und vom Eingreifen der Staatsgewalt für die Verlängerung des Arbeitstags (14.-17. Jahrhundert) und für seine Verkürzung (die Fabrikgesetzgebung des 19. Jahrhunderts). Seit dem Erscheinen des „Kapital“ hat die Geschichte der Arbeiterbewegung in allen zivilisierten Ländern der Welt eine Unmenge neuer Tatsachen zur Illustrierung dieses Bildes geliefert. In seiner Analyse der Produktion des relativen Mehrwerts untersucht Marx die drei hauptsächlichen historischen Stadien in der Erhöhung der Produktivität der Arbeit durch den Kapitalismus: 1. einfache Kooperation; 2. Arbeitsteilung und Manufaktur; 3. Maschinerie und große Industrie. Wie tief hier Marx die grundlegenden und typischen Merkmale der Entwicklung des Kapitalismus bloßgelegt hat, wird unter anderem auch daraus ersichtlich, dass die Untersuchungen über die sogenannte „Hausindustrie“ in Russland sehr reiches Material zur Illustrierung der beiden ersten von den drei genannten Stadien liefern. Die revolutionierende Wirkung der großen Maschinenindustrie aber, wie sie von Marx im Jahre 1867 beschrieben worden war, offenbarte sich im Laufe des seitdem verflossenen halben Jahrhunderts in einer ganzen Reihe von „neuen“ Ländern (Russland, Japan u. a.). Weiter. Höchst wichtig und neu ist Marxens Analyse der Akkumulation des Kapitals, d. h. der Verwandlung von einem Teil des Mehrwerts in Kapital und Verwendung dieses Teils nicht für die persönlichen Bedürfnisse oder Launen des Kapitalisten, sondern zu neuer Produktion. Marx wies den Fehler der ganzen früheren klassischen politischen Ökonomie (seit Adam Smith) nach, die angenommen hatte, dass der gesamte in Kapital zu verwandelnde Mehrwert zum variablen Kapital geschlagen werde. In Wirklichkeit aber zerfällt er in Produktionsmittel plus variables Kapital. Von gewaltiger Bedeutung im Entwicklungsprozess des Kapitalismus und im Prozess seiner Umwandlung in den Sozialismus ist die Tatsache, dass der Anteil des konstanten Kapitals (an der Gesamtsumme des Kapitals) rascher wächst als der des variablen. Indem die Akkumulation des Kapitals die Verdrängung der Arbeiter durch die Maschine beschleunigt und auf dem einen Pol Reichtum, auf dem Gegenpol Elend produziert, erzeugt sie auch die sogenannte „industrielle Reservearmee“, den „relativen Überschuss“ an Arbeitern oder die „kapitalistische Übervölkerung“, die außerordentlich verschiedenartige Formen annimmt und dem Kapital die Möglichkeit zu außerordentlich rascher Erweiterung der Produktion verschafft. Diese Möglichkeit im Zusammenhang mit dem Kredit und der Kapital-Akkumulation in Produktionsmitteln liefert unter anderem den Schlüssel zum Verständnis der Krisen der Überproduktion, die in den kapitalistischen Ländern periodisch ausbrachen, und zwar zuerst im Mittel alle zehn Jahre, dann in größeren und weniger bestimmten Zwischenräumen. Von der Akkumulation des Kapitals auf Basis des Kapitalismus hat man zu unterscheiden die sogenannte ursprüngliche Akkumulation: die gewaltsame Trennung des Arbeiters von den Produktionsmitteln, die Verjagung der Bauern von ihrem Boden, den Diebstahl der Gemeindeländereien, das Kolonialsystem, das Staatsschulden- und Schutzzollsystem usw. Die „ursprüngliche Akkumulation“ erzeugt auf dem einen Pol den „freien“ Proletarier, auf dem andern den Geldbesitzer, den Kapitalisten. Die „geschichtliche Tendenz der kapitalistischen Akkumulation“ charakterisiert Marx in folgenden Worten: „Die Expropriation der unmittelbaren Produzenten wird mit schonungslosestem Vandalismus und unter dem Trieb der infamsten, schmutzigsten, kleinlichst gehässigen Leidenschaften vollbracht. Das selbst erarbeitete, sozusagen auf Verwachsung des einzelnen, unabhängigen Arbeitsindividuums mit seinen Arbeitsbedingungen beruhende Privateigentum“ (des Bauern und Handwerkers)5 „wird verdrängt durch das kapitalistische Privateigentum, welches auf Exploitation fremder, aber formell freier Arbeit beruht… Was jetzt zu expropriieren, ist nicht länger der selbst wirtschaftende Arbeiter, sondern der viele Arbeiter exploitierende Kapitalist. Diese Expropriation vollzieht sich durch das Spiel der immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktion selbst, durch die Zentralisation der Kapitale. Je ein Kapitalist schlägt viele tot. Hand in Hand mit dieser Zentralisation oder der Expropriation vieler Kapitalisten durch wenige entwickelt sich die kooperative Form des Arbeitsprozesses auf stets wachsender Stufenleiter, die bewusste technische Anwendung der Wissenschaft, die planmäßige Ausbeutung der Erde, die Verwandlung der Arbeitsmittel in nur gemeinsam verwendbare Arbeitsmittel, die Ökonomisierung aller Produktionsmittel durch ihren Gebrauch als Produktionsmittel kombinierter, gesellschaftlicher Arbeit, die Verschlingung aller Völker in das Netz des Weltmarkts, und damit der internationale Charakter des kapitalistischen Regimes. Mit der beständig abnehmenden Zahl der Kapitalmagnaten, welche alle Vorteile dieses Umwandlungsprozesses usurpieren und monopolisieren, wächst die Masse des Elends, des Drucks, der Knechtschaft, der Entartung, der Ausbeutung, aber auch die Empörung der stets anschwellenden und durch den Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst geschulten, vereinten und organisierten Arbeiterklasse. Das Kapitalmonopol wird zur Fessel der Produktionsweise, die mit und unter ihm aufgeblüht ist. Die Zentralisation der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit erreichen einen Punkt, wo sie unverträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stunde des kapitalistischen Privateigentums schlägt. Die Expropriateurs werden expropriiert.“ („Kapital“, Bd. I.) Höchst wichtig und neu ist ferner die von Marx im zweiten Bande des „Kapital“ gelieferte Analyse der Reproduktion des gesellschaftlichen Kapitals insgesamt genommen. Auch hier nimmt Marx nicht eine individuelle, sondern eine Massenerscheinung, nicht einen Bruchteil der Ökonomie der Gesellschaft, sondern diese ganze Ökonomie in ihrer Totalität. Indem Marx den oben erwähnten Fehler der Klassiker korrigiert, teilt er die gesamte gesellschaftliche Produktion in zwei große Abteilungen: I. Produktion von Produktionsmitteln und II. Produktion von Konsumtionsmitteln, und untersucht an Hand von Zahlenbeispielen die Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals im Ganzen, und zwar sowohl bei Reproduktion im früheren Umfange als auch bei Akkumulation. Im dritten Bande des „Kapital“ wird das Problem der Bildung der Durchschnittsprofitrate auf Grund des Wertgesetzes gelöst. Ein großer Fortschritt der ökonomischen Wissenschaft ist es, dass Marx bei seiner Analyse ausgeht von den ökonomischen Massenerscheinungen, von der Gesamtheit der gesellschaftlichen Ökonomie, nicht von Einzelfällen oder von der äußeren Oberfläche der Konkurrenz, womit sich die vulgäre politische Ökonomie oder die moderne „Grenznutzentheorie“ zu begnügen pflegt. Zunächst analysiert Marx die Entstehung des Mehrwerts, um dann erst zu seiner Teilung in Profit, Zins und Grundrente überzugehen. Der Profit ist das Verhältnis des Mehrwerts zu dem gesamten in ein Unternehmen gesteckten Kapital. Kapital von „hoher organischer Zusammensetzung“ (d. h. mit Überwiegen des konstanten Kapitals über das variable, und zwar in über dem gesellschaftlichen Durchschnitt stehenden Ausmaßen) liefert eine Profitrate, die niedriger ist als die durchschnittliche; Kapital von „niedriger organischer Zusammensetzung“ dagegen eine höhere als die Durchschnittsprofitrate. Die Konkurrenz unter den Kapitalen, ihr freies Abwandern aus einem Produktionszweig in den anderen reduzieren in beiden Fällen die Profitrate auf die durchschnittliche. Die Summe der Werte aller Waren einer gegebenen Gesellschaft fällt mit der Summe der Warenpreise zusammen, aber in den einzelnen Unternehmungen und in den einzelnen Produktionszweigen werden die Waren unter dem Einfluss der Konkurrenz nicht zu ihrem Wert verkauft, sondern zu den Produktionspreisen, die dem aufgewandten Kapital plus Durchschnittsprofit gleich sind. Die allgemein bekannte und unbestreitbare Tatsache des Abweichens der Preise von den Werten und der Ausgleichung des Profits wird also von Marx vollkommen auf Grund des Wertgesetzes erklärt, denn die Summe der Werte aller Waren fällt mit der Summe ihrer Preise zusammen. Aber die Reduzierung des (gesellschaftlichen) Werts auf die (individuellen) Preise ist kein einfacher, unmittelbarer, sondern ein sehr komplizierter Vorgang: es ist ganz natürlich, dass in einer Gesellschaft zersplitterter Warenproduzenten, die nur durch den Markt miteinander verknüpft sind, die Gesetzmäßigkeit sich nicht anders als in einer durchschnittlichen, gesellschaftlichen, massenhaften Gesetzmäßigkeit äußern kann, bei gegenseitiger Aufhebung der individuellen Abweichungen nach der einen oder der anderen Seite hin. Steigerung der Produktivität der Arbeit bedeutet schnelleres Anwachsen des konstanten Kapitals im Vergleich zum variablen. Da aber der Mehrwert Funktion des variablen Kapitals allein ist, so ist es begreiflich, dass die Profitrate (das Verhältnis des Mehrwerts zum gesamten Kapital, nicht zu seinem variablen Teil allein) eine Tendenz zum Sinken hat. Marx analysiert ausführlich diese Tendenz und eine Reihe der sie verhüllenden bzw. ihr entgegenwirkenden Umstände. Ohne uns weiter bei der Wiedergabe der außerordentlich interessanten Abschnitte des dritten Bandes aufzuhalten, die dem Wucher-, Handels- und Geldkapital gewidmet sind, gehen wir zum Wichtigsten über: zur Theorie der Grundrente. Der Produktionsprozess der landwirtschaftlichen Produkte wird infolge der Begrenztheit der Bodenfläche, die in den kapitalistischen Ländern restlos in den Händen von einzelnen Besitzern ist, bestimmt durch die Produktionskosten nicht auf dem durchschnittlichen, sondern auf dem schlechtesten Boden, nicht unter den durchschnittlichen, sondern unter den schlechtesten Bedingungen, unter denen das Produkt auf den Markt geliefert wird. Die Differenz zwischen diesem Preis und dem Preis der Produktion auf besserem Boden (bzw. unter besseren Bedingungen) ergibt die Unterschieds- oder Differentialrente. Indem Marx die Differentialrente eingehend analysierte und nachwies, dass sie aus dem Unterschied in der Fruchtbarkeit der einzelnen Bodenteile, aus dem Unterschied in der Größe des auf den Boden aufgewandten Kapitals entspringt, deckte er (siehe auch die „Theorien über den Mehrwert“, wo die Kritik an Rodbertus besondere Aufmerksamkeit verdient) vollkommen den Irrtum Ricardos auf, wonach die Differentialrente sich nur bei aufeinanderfolgendem Übergehen von besseren zu schlechteren Böden ergeben sollte. Im Gegenteil, es pflegen auch umgekehrte Übergänge, Umwandlung einer bestimmten Bodenklasse in andere stattzufinden (kraft des Fortschritts in der Agrikulturtechnik, des Anwachsens der Städte usw.), und das berühmte „Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag“ erweist sich als tiefer Irrtum, als Versuch, die Gebrechen, die engen Schranken und die Widersprüche des Kapitalismus auf die Natur abzuwälzen. Ferner setzt die Gleichheit des Profits in allen Zweigen der Industrie und der Volkswirtschaft überhaupt völlige Freiheit der Konkurrenz voraus, Freiheit des Abwanderns des Kapitals aus einem Produktionszweig in den andern. Das Privateigentum an Grund und Boden erzeugt jedoch ein Monopol, ein Hindernis für dieses freie Abwandern. Infolge dieses Monopols gehen die Produkte der Landwirtschaft, die gekennzeichnet ist durch niedrigere Zusammensetzung des Kapitals und folglich auch durch individuell höhere Profitrate, nicht in den vollkommen freien Prozess der Ausgleichung der Profitrate ein; der Grundeigentümer als Monopolist erlangt die Möglichkeit, den Preis über dem durchschnittlichen zu halten, dieser Monopolpreis aber erzeugt die absolute Rente Die Differentialrente kann bei Existenz kapitalistischer Produktionsweise nicht aufgehoben werden, die absolute Rente dagegen kann dies z. B. bei Nationalisierung des Bodens, bei Überführung des Bodens in Staatseigentum. Solche Überführung würde die Untergrabung des Monopols der Privateigentümer bedeuten, würde die konsequentere, vollkommenere Durchführung der Konkurrenzfreiheit in der Landwirtschaft bedeuten. Aus diesem Grund sind auch, wie Marx vermerkt, radikale Bourgeois in der Geschichte zu wiederholten Malen mit dieser progressiven bürgerlichen Forderung der Nationalisierung des Bodens aufgetreten, die jedoch die große Mehrheit der Bourgeoisie abschreckt, da sie allzu nahe noch einem anderen, in unserer Zeit besonders wichtigen und „empfindlichen“ Monopol „auf den Leib rückt“: dem Monopol an den Produktionsmitteln überhaupt. In ausgezeichnet populärer, knapper und klarer Weise hat Marx selbst seine Theorie des durchschnittlichen Kapitalprofits und der absoluten Grundrente in dem Brief an Engels vom 2. August 1862 auseinandergesetzt (siehe „Briefwechsel“, Bd. III, S. 77-81; vgl. auch den Brief vom 9. August 1862, ebenda S. 86 u. 87). Zur Geschichte der Grundrente ist es auch wichtig, auf die Analyse von Marx hinzuweisen, welche die Verwandlung der Arbeitsrente (wobei der Bauer durch seine Arbeit auf dem Boden des Grundherrn das Mehrprodukt erzeugt) in Produkten- oder Naturalrente (der Bauer produziert das Mehrprodukt auf seinem eigenen Boden und liefert es an den Grundherrn kraft „außerökonomischen Zwanges“), weiter in Geldrente (dieselbe Naturalrente, nur in Geld umgewandelt, „Obrok“ im alten Russland, und zwar infolge der Entwicklung der Warenproduktion) und schließlich in kapitalistische Rente zeigt, bei der an Stelle des Bauern der Unternehmer in der Landwirtschaft erscheint, der die Bearbeitung des Landes mit Hilfe von Lohnarbeit betreibt. Im Zusammenhang mit dieser Analyse der „Genesis der kapitalistischen Grundrente“ ist auf eine Reihe von sehr präzisen (für rückständige Länder, wie Russland, besonders wichtigen) Marxschen Gedanken über die Entwicklung des Kapitalismus in der Landwirtschaft zu verweisen. „Die Verwandlung der Naturalrente in Geldrente wird … nicht nur notwendig begleitet, sondern selbst antizipiert durch Bildung einer Klasse besitzloser und für Geld sich verdingender Tagelöhner. Während ihrer Entstehungsperiode, wo diese neue Klasse nur noch sporadisch auftritt, hat sich daher notwendig bei den besser gestellten rentepflichtigen Bauern die Gewohnheit entwickelt, auf eigene Rechnung ländliche Lohnarbeiter zu exploitieren, ganz wie schon in der Feudalzeit die vermögenderen hörigen Bauern selbst wieder Hörige hielten. So entwickelt sich nach und nach bei ihnen die Möglichkeit, ein gewisses Vermögen anzusammeln und sich selbst in zukünftige Kapitalisten zu verwandeln. Unter den alten, selbst arbeitenden Besitzern des Bodens selbst entsteht so eine Pflanzschule von kapitalistischen Pächtern, deren Entwicklung durch die allgemeine Entwicklung der kapitalistischen Produktion außerhalb des flachen Landes bedingt ist…“ („Kapital“, Bd. III,2, S. 332.) „Die Expropriation und Verjagung eines Teils des Landvolks setzt mit den Arbeitern nicht nur ihre Lebensmittel und ihr Arbeitsmaterial für das industrielle Kapital frei, sie schafft den inneren Markt.“ („Kapital“, Bd. I, S. 712.) Die Verelendung und Ruinierung der Landbevölkerung erzeugt ihrerseits eine Reservearmee von Arbeitern für das Kapital. Ein Teil der Landbevölkerung in jedem kapitalistischen Lande „befindet sich daher fortwährend auf dem Sprung, in städtisches oder Manufakturproletariat überzugehen… (Manufaktur hier im Sinn aller nicht-agrikolen Industrie). Diese Quelle der relativen Übervölkerung fließt also beständig … Der Landarbeiter wird daher auf das Minimum des Salärs herabgedrückt und steht mit einem Fuß stets im Sumpf des Pauperismus.“ („Kapital“, Bd. I, S. 607 u. 608.) Das Privateigentum des Bauern am Acker, den er bestellt, ist die Grundlage des Kleinbetriebs und die Bedingung für sein Aufblühen, für seine Entwicklung zur klassischen Form. Aber diese Produktion im Kleinbetrieb ist nur verträglich mit engen naturwüchsigen Schranken der Produktion und der Gesellschaft. Unter dem Kapitalismus unterscheidet sich die Exploitation der Bauern „von der Exploitation des industriellen Proletariats nur durch die Form. Der Exploiteur ist derselbe: das Kapital. Die einzelnen Kapitalisten exploitieren die einzelnen Bauern durch die Hypotheken und den Wucher, die Kapitalistenklasse exploitiert die Bauernklasse durch die Staatssteuer“ … „Die Parzelle des Bauern ist nur noch der Vorwand, der dem Kapitalisten erlaubt, Profit, Zinsen und Rente von dem Acker zu ziehen und den Ackerbauer selbst Zusehen zu lassen, wie er seinen Arbeitslohn herausschlägt.“ („Klassenkämpfe in Frankreich“.6) In der Regel tritt der Bauer der kapitalistischen Gesellschaft, d. h. der Kapitalistenklasse, selbst einen Teil des Arbeitslohns ab, sinkt also „auf die Stufe des irischen Pächters“ herab – „und alles unter dem Vorwande, Privateigentümer zu sein“. Worin besteht nun „eine der Ursachen, warum der Getreidepreis in Ländern vorherrschenden Parzelleneigentums niedriger steht als in den Ländern kapitalistischer Produktionsweise?“ („Kapital“, Bd. III, 2, S. 340.) Darin, dass der Bauer der Gesellschaft (d. h. der Kapitalistenklasse) einen Teil des Mehrprodukts umsonst schenkt. „Dieser niedrige Preis“ (des Getreides und anderer landwirtschaftlicher Produkte) „ist also ein Resultat der Armut der Produzenten und keineswegs der Produktivität ihrer Arbeit“ („Kapital“, Bd. III, 2, S. 340). Das kleine Grundeigentum, die normale Form des Kleinbetriebs, wird unter dem Kapitalismus degradiert, vernichtet und geht zugrunde. „Das Parzelleneigentum schließt seiner Natur nach aus: Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit, gesellschaftliche Formen der Arbeit, gesellschaftliche Konzentration der Kapitale, Viehzucht auf großem Maßstab, progressive Anwendung der Wissenschaft. Wucher und Steuersystem müssen es überall verelenden. Die Auslage des Kapitals im Bodenpreis entzieht dies Kapital der Kultur. Unendliche Zersplitterung der Produktionsmittel und Vereinzelung der Produzenten selbst.“ (Kooperationsmethoden in Gestalt von kleinbäuerlichen Genossenschaften, die eine außerordentlich große bürgerlich-progressive Rolle spielen, vermögen diese Tendenz nur abzuschwächen, ohne sie jedoch aufzuheben; man darf auch nicht vergessen, dass diese Art von Kooperation den vermögenden Bauern viel, sehr wenig aber, fast nichts, der armen Masse einträgt, und weiter, dass die Genossenschaften selbst zu Ausbeutern von Lohnarbeit werden.)7 „Ungeheure Verschwendung von Menschenkraft, progressive Verschlechterung der Produktionsbedingungen und Verteuerung der Produktionsmittel“ ist „ein notwendiges Gesetz des Parzelleneigentums". In der Landwirtschaft wie in der Industrie vollzieht sich die kapitalistische Umwandlung des Produktionsprozesses nur um den Preis der „Martyrologie der Produzenten“. „Die Zerstreuung der Landarbeiter über größere Flächen bricht zugleich ihre Widerstandskraft, während Konzentration die der städtischen Arbeiter steigert. Wie in der städtischen Industrie wird in der modernen Agrikultur die gesteigerte Produktivkraft und größere Flüssigmachung der Arbeit erkauft durch Verwüstung und Versiechung der Arbeitskraft selbst. Und jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben … Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.“ („Kapital“, Bd. I, Schluss des 13. Kapitels.) Der Sozialismus Aus dem Vorhergehenden ist ersichtlich, dass Marx die Unvermeidlichkeit der Umwandlung der kapitalistischen Gesellschaft in die sozialistische einzig und allein aus dem ökonomischen Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft ableitet. Die Vergesellschaftung der Arbeit, die in tausendfältiger Form mit ständig zunehmender Geschwindigkeit voranschreitet und in dem halben Jahrhundert seit dem Tode von Marx besonders sinnfällig in Erscheinung tritt im Wachstum der großen Industrie, der kapitalistischen Kartelle, Syndikate und Trusts, ebenso aber in dem gigantischen Anwachsen des Umfangs und der Macht des Finanzkapitals, – dies ist die hauptsächliche materielle Grundlage für das unvermeidliche Kommen des Sozialismus. Als intellektuelle und moralische Triebkraft, als physischer Vollstrecker dieser Umwandlung erscheint das vom Kapitalismus selbst geschulte Proletariat. Sein Kampf mit der Bourgeoisie, der sich in verschiedenen und zunehmend inhaltsreicheren Formen äußert, wird unvermeidlich zum politischen Kampf, der auf die Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat („Diktatur des Proletariats“) gerichtet ist. Die Vergesellschaftung der Produktion muss zum Übergang der Produktionsmittel in das Eigentum der Gesellschaft führen, zur „Expropriation der Expropriateurs“. Gewaltige Steigerung der Produktivität der Arbeit, Verkürzung des Arbeitstags, Ersetzung der Überbleibsel, der Trümmer des primitiven, zersplitterten Kleinbetriebs durch die vervollkommnete Kollektivarbeit, – dies die direkten Folgen jenes Übergangs. Der Kapitalismus zerreißt endgültig den Zusammenhang zwischen Industrie und Landwirtschaft, gleichzeitig aber bereitet er in seiner höchsten Entwicklung neue Elemente vor für die Herstellung dieses Zusammenhangs, für die Vereinigung von Industrie und Landwirtschaft auf der Grundlage der bewussten Anwendung der Wissenschaft und der Kombination der kollektiven Arbeit, für eine neue Siedlungsweise der Menschheit (mit Aufhebung sowohl der ländlichen Öde, Weltabgeschiedenheit, Verrohung, wie der widernatürlichen Zusammenballung gigantischer Massen in den großen Städten). Eine neue Form der Familie, neue Verhältnisse in der Stellung des Weibes und in der Erziehung der heranwachsenden Generation werden vorbereitet durch die höchsten Formen des modernen Kapitalismus: die Frauen- und Kinderarbeit, die Auflösung der patriarchalischen Familien durch den Kapitalismus nehmen in der modernen Gesellschaft unvermeidlich die furchtbarsten katastrophalsten und ekelhaftesten Formen an; nichtsdestoweniger „schafft die große Industrie mit der entscheidenden Rolle, die sie den Weibern, jungen Personen und Kindern beiderlei Geschlechts in gesellschaftlich organisierten Produktionsprozessen jenseits der Sphäre des Hauswesens zuweist, die neue ökonomische Grundlage für eine höhere Form der Familie und des Verhältnisses beider Geschlechter. Es ist natürlich ebenso albern, die christlich germanische Form der Familie für absolut zu halten als die altrömische Form, oder die altgriechische, oder die orientalische, die übrigens untereinander eine geschichtliche Entwicklungsreihe bilden. Ebenso leuchtet ein, dass die Zusammensetzung des kombinierten Arbeitspersonals aus Individuen beiderlei Geschlechts und der verschiedensten Altersstufen, obgleich in ihrer naturwüchsig brutalen, kapitalistischen Form, wo der Arbeiter für den Produktionsprozess, nicht der Produktionsprozess für den Arbeiter da ist, Pestquelle des Verderbs und der Sklaverei, unter entsprechenden Verhältnissen umgekehrt zur Quelle humaner Entwicklung Umschlägen muss.“ („Kapital“, Bd. I, Ende des 13. Kapitels.) Das Fabriksystem zeigt uns den „Keim der Erziehung der Zukunft, welche für alle Kinder über einem gewissen Alter produktive Arbeit mit Unterricht und Gymnastik verbinden wird, nicht nur als eine Methode zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktion, sondern als die einzige Methode zur Produktion vollseitig entwickelter Menschen“ (ebenda). Auf dieselbe historische Basis, nicht nur im Sinne bloßer Erklärung der Vergangenheit, sondern ebenso im Sinne furchtloser Voraussicht der Zukunft und auf Verwirklichung dieser Zukunft gerichteten, kühnen praktischen Handelns, stellt der Marxsche Sozialismus auch die Probleme der Nationalität und des Staats. Die Nationen sind das unvermeidliche Produkt und die unvermeidliche Form der bürgerlichen Epoche der gesellschaftlichen Entwicklung. Und die Arbeiterklasse konnte nicht erstarken, in ihr Mannesalter eintreten und sich formieren, ohne „sich selbst als Nation zu konstituieren“, ohne „national“ zu sein („wenn auch keineswegs im Sinne der Bourgeoisie“). Aber die Entwicklung des Kapitalismus zerstört mehr und mehr die nationalen Schranken, vernichtet die nationale Absonderung und setzt an die Stelle der nationalen Antagonismen die Klassengegensätze. In den entwickelten kapitalistischen Ländern ist es daher vollkommene Wahrheit, dass „die Arbeiter kein Vaterland haben“ und dass die „vereinigte Aktion“ des Proletariats wenigstens der zivilisierten Länder „eine der ersten Bedingungen seiner Befreiung“ ist („Kommunistisches Manifest“). Der Staat, diese organisierte Gewalt, entstand mit Unvermeidlichkeit auf einer gewissen Entwicklungsstufe der Gesellschaft, als die Gesellschaft sich in unversöhnliche Klassen spaltete, als sie nicht mehr hätte existieren können ohne eine „Macht“, die scheinbar über der Gesellschaft steht und sich bis zu einem gewissen Grade von ihr absonderte. Indem der Staat aus den Klassengegensätzen entsteht, wird er zu einem „Staat der mächtigsten, ökonomisch herrschenden Klasse, die vermittelst seiner auch politisch herrschende Klasse wird und so neue Mittel erwirbt zur Niederhaltung und Ausbeutung der unterdrückten Klasse. So war der antike Staat vor allem Staat der Sklavenbesitzer zur Niederhaltung der Sklaven, wie der Feudalstaat Organ des Adels zur Niederhaltung der leibeigenen und hörigen Bauern und der moderne Repräsentativstaat Werkzeug der Ausbeutung der Lohnarbeit durch das Kapital.“ (Engels im „Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“, worin er seine und Marx’ Auffassungen darstellte.) Selbst die freieste und fortschrittlichste Form des bürgerlichen Staats, die demokratische Republik, beseitigt keineswegs diese Tatsache, ändert vielmehr nur ihre Form (Zusammenhang der Regierung mit der Börse, Korruption – direkte und indirekte – der Beamten und der Presse usw.). Indem der Sozialismus zur Aufhebung der Klassen führt, führt er damit zugleich auch zur Aufhebung des Staats. „Der erste Akt“ – schreibt Engels im „Anti-Dühring“ –, „worin der Staat wirklich als Repräsentant der ganzen Gesellschaft auftritt – die Besitzergreifung der Produktionsmittel im Namen der Gesellschaft –, ist zugleich sein letzter selbständiger Akt als Staat. Das Eingreifen einer Staatsgewalt in gesellschaftliche Verhältnisse wird auf einem Gebiete nach dem andern überflüssig und schläft dann von selbst ein. An die Stelle der Regierung über Personen tritt die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen. Der Staat wird nicht .abgeschafft', er stirbt ab.“ „Die Gesellschaft, die die Produktion auf Grundlage freier und gleicher Assoziation der Produzenten neu organisiert, versetzt die ganze Staatsmaschine dahin, wohin sie dann gehören wird: ins Museum der Altertümer, neben das Spinnrad und die bronzene Axt“ (Engels, „Ursprung der Familie…“). Endlich, zur Stellung des Marxschen Sozialismus zur kleinen Bauernschaft, die auch in der Epoche der Expropriation der Expropriateurs bestehen bleiben wird, muss auf eine Äußerung von Engels hingewiesen werden, der Marxens Gedanken zum Ausdruck bringt: „Wenn wir im Besitz der Staatsmacht sind, [werden] wir nicht daran denken können, die Kleinbauern gewaltsam zu expropriieren (einerlei ob mit oder ohne Entschädigung), wie wir dies mit den Großgrundbesitzern zu tun genötigt sind. Unsere Aufgabe gegenüber dem Kleinbauer besteht zunächst darin, seinen Privatbetrieb und Privatbesitz in einen genossenschaftlichen überzuleiten, nicht mit Gewalt, sondern durch Beispiel und Darbietung von gesellschaftlicher Hilfe zu diesem Zweck. Und da haben wir allerdings Mittel genug, um dem Kleinbauer Vorteile in Aussicht zu stellen, die ihm schon jetzt einleuchten müssen.“ (Engels, „Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland“; „Neue Zeit“, Jahrg. XIII, 1, 1894, S. 301 u. 302.“8) Die Taktik des proletarischen Klassenkampfes Nachdem Marx schon 1844/45 einen der Grundmängel des alten Materialismus klargelegt hatte, den nämlich, dass er die Bedingungen der revolutionären praktischen Tätigkeit nicht zu begreifen und ihre Bedeutung nicht einzuschätzen gewusst hatte, widmete er sein ganzes Leben hindurch neben den theoretischen Arbeiten den Fragen der Taktik des proletarischen Klassenkampfes unablässige Aufmerksamkeit, Sämtliche Werke von Marx, insbesondere sein 1913 herausgegebener vierbändiger Briefwechsel mit Engels, liefern in dieser Hinsicht ein gewaltiges Material. Dieses Material ist noch lange nicht vollständig gesammelt, noch lange nicht zusammengefasst, studiert und durchgearbeitet. Deshalb müssen wir uns hier auf ganz allgemeine und kurze Bemerkungen beschränken, wobei wir betonen, dass Marx den Materialismus ohne diese Seite zu Recht für halb, einseitig und totenhaft hielt. Die Hauptaufgabe der Taktik des Proletariats bestimmte Marx in strenger Übereinstimmung mit allen Prämissen seiner materialistisch-dialektischen Weltanschauung. Nur die objektive Berücksichtigung der Totalität der Wechselbeziehungen samt und sonders aller Klassen einer gegebenen Gesellschaft, und daher auch die Berücksichtigung der objektiven Entwicklungsstufe dieser Gesellschaft, wie die der Wechselbeziehungen zwischen ihr und anderen Gesellschaften, kann als Grundlage für eine richtige Taktik der fortschrittlichen Klasse dienen. Dabei werden alle Klassen und alle Länder nicht in ihrer Statik, sondern in ihrer Dynamik betrachtet, d. h. nicht im starren Zustande, sondern in der Bewegung (deren Gesetze aus den ökonomischen Existenzbedingungen jeder Klasse entspringen). Die Bewegung wiederum wird nicht nur vom Standpunkt der Vergangenheit betrachtet, sondern auch von dem der Zukunft, und zwar nicht nach der platten Auffassung der „Evolutionisten“, die nur langsame Veränderungen sehen, sondern dialektisch: es sind „in dergleichen großen Entwicklungen zwanzig Jahre mehr als ein Tag“, schrieb Marx an Engels, „obgleich nachher Tage kommen können, worin sich zwanzig Jahre zusammenfassen“ (Briefwechsel, Bd. III, S. 127). Auf jeder Entwicklungsstufe, in jedem Moment muss die Taktik des Proletariats diese objektiv unvermeidliche Dialektik der menschlichen Geschichte berücksichtigen, einerseits, indem sie sie zur Entwicklung des Bewusstseins, der Kraft und der Kampffähigkeit der fortschrittlichen Klasse in der Epoche der politischen Stagnation bzw. der schneckengleich langsamen, der sogenannten „friedlichen“ Entwicklung ausnutzt, und andererseits, indem sie diese ganze Ausnutzungsarbeit in Richtung auf das „Endziel“ der Bewegung der betreffenden Klasse leistet und auf ihre Fähigmachung zur praktischen Lösung der großen Aufgaben in den großen Tagen, „worin sich zwanzig Jahre zusammenfassen“. Zu diesem Punkte sind zwei Äußerungen von Marx von besonderer Wichtigkeit: die eine im „Elend der Philosophie“ über den ökonomischen Kampf und die ökonomischen Organisationen des Proletariats, die andere im „Kommunistischen Manifest“ über seine politischen Aufgaben. Die erste lautet: „Die Großindustrie bringt eine Menge einander unbekannter Leute an einem Ort zusammen. Die Konkurrenz spaltet sie in ihren Interessen; aber die Aufrechterhaltung des Lohnes, dieses gemeinsame Interesse gegenüber ihrem Meister, vereinigt sie in einem gemeinsamen Gedanken des Widerstandes – Koalition … So formieren sich die anfangs isolierten Koalitionen … zu Gruppen, und gegenüber dem stets vereinigten Kapital wird die Aufrechterhaltung der Assoziationen notwendiger für sie, als die des Lohnes … In diesem Kampfe – ein veritabler Bürgerkrieg – vereinigen und entwickeln sich alle Elemente für eine kommende Schlacht. Einmal auf diesem Punkte angelangt, nimmt die Koalition einen politischen Charakter an.“ Hier haben wir Programm und Taktik des ökonomischen Kampfes und der gewerkschaftlichen Bewegung auf einige Jahrzehnte hinaus, für die lange Epoche der Vorbereitung der Kräfte des Proletariats „für eine kommende Schlacht“. Dazu hat man noch die zahlreichen Hinweise von Marx und Engels auf die englische Arbeiterbewegung zu nehmen, – darauf, wie die industrielle Prosperität Versuche hervorruft, „das Proletariat zu kaufen“ („Briefwechsel“, Bd. I, S. 136), sie vom Kampfe abzulenken; wie diese Prosperität überhaupt die Arbeiter „demoralisiert“ (ebenda, Bd. II, S. 218); wie das englische Proletariat „verbürgert, so dass diese bürgerlichste aller Nationen (die englische) es schließlich dahin bringen zu wollen scheint, eine bürgerliche Aristokratie und ein bürgerliches Proletariat neben der Bourgeoisie zu besitzen“ (Bd. II, S. 290); wie aus ihm die „revolutionäre Energie“ „verduftet“ (Bd. III, S. 124); wie man mehr oder minder lange abwarten muss, bis „die englischen Arbeiter von ihrer scheinbaren Bourgeoisansteckung sich befreien“ (Bd. III, S. 127); wie der englischen Arbeiterbewegung „der mettle (der feurige Geist) der alten Chartisten fehlt“ (im Jahre 1866; Bd. III, S. 305); wie die englischen Arbeiterführer eine Art Mittelding werden „zwischen den radikalen Bourgeois und den Arbeitern“ (über Holyoake, Bd. IV, S. 209); wie infolge der Monopolstellung Englands, und solange diese Monopolstellung nicht zerstört ist, „der British working man (der britische Arbeiter) eben nicht weiter will“ (Bd. IV, S. 433). Die Taktik des ökonomischen Kampfes im Zusammenhang mit dem allgemeinen Gang (und Ausgang) der Arbeiterbewegung wird hier von einem bewundernswert umfassenden, allseitigen, dialektischen, wahrhaft revolutionären Standpunkt betrachtet. Das „Kommunistische Manifest“ stellte zur Taktik des politischen Kampfes den folgenden Grundsatz des Marxismus auf: „Sie (die Kommunisten) kämpfen für die Erreichung der unmittelbar vorliegenden Zwecke und Interessen der Arbeiterklasse, aber sie vertreten in der gegenwärtigen Bewegung zugleich die Zukunft der Bewegung.“ Demgemäß unterstützte Marx im Jahre 1848 in Polen die Partei der „agrarischen Revolution“, „dieselbe Partei, welche die Krakauer Insurrektion von 1846 ins Leben rief“. In Deutschland unterstützte Marx in den Jahren 1848 und 1849 die extreme revolutionäre Demokratie, und er nahm in der Folge niemals etwas von dem zurück, was er damals über die Taktik gesagt hatte. Die deutsche Bourgeoisie betrachtete er als ein Element, das „von vornherein zum Verrat gegen das Volk“ (nur ein Bündnis mit der Bauernschaft hätte der Bourgeoisie die volle Verwirklichung ihrer Ziele verschaffen können) „und zum Kompromiss mit dem gekrönten Vertreter der alten Gesellschaft geneigt“. Das ist die von Marx gegebene abschließende Analyse der Klassenlage der deutschen Bourgeoisie in der Epoche der bürgerlich-demokratischen Revolution, – übrigens ein Musterbeispiel des Materialismus, der die Gesellschaft in ihrer Bewegung betrachtet, und zwar nicht nur von der Seite der Bewegung, die nach rückwärts gerichtet ist … „ohne Glauben an sich selbst, ohne Glauben an das Volk, knurrend gegen oben, zitternd gegen unten … eingeschüchtert vom Weltsturm … Energie nach keiner Richtung, Plagiat nach allen Richtungen… ohne Initiative … – ein vermaledeiter Greis, der sich dazu verdammt sah, die ersten Jugendströmungen eines robusten Volks in seinem eigenen altersschwachen Interesse zu leiten…“ („Neue Rheinische Zeitung“ 1848; „Literarischer Nachlass“, Bd. III, S. 213). Ungefähr zwanzig Jahre später bezeichnete Marx in einem Brief an Engels („Briefwechsel“, Bd. III, S. 224) als die Ursache für das Misslingen der Revolution von 1848, dass die Bourgeoisie die Ruhe mit der Knechtschaft der bloßen Aussicht des Kampfes mit der Freiheit vorgezogen habe. Als die Epoche der Revolution von 1848/49 zu Ende war, trat Marx gegen jede Revolutionsspielerei auf (Kampf mit Schapper und Willich) und verlangte, dass man in der neuen Epoche zu arbeiten verstehe, die quasi „friedlich“ die neuen Revolutionen vorbereite. In welchem Geiste Marx die Durchführung dieser Arbeit forderte, wird ersichtlich aus folgender Einschätzung der Lage in Deutschland zur Zeit der schwärzesten Reaktion, im Jahre 1856: „The whole thing in Germany (die ganze Sache in Deutschland) wird abhängen von der Möglichkeit to back the Proletarian revolution by some second edition of the Peasant’s war“ (die proletarische Revolution durch eine Art zweiter Auflage des Bauernkriegs zu unterstützen). („Briefwechsel“, Bd. II, S. 108.) Solange die demokratische (die bürgerliche) Revolution in Deutschland nicht vollendet war, richtete Marx in der Taktik des sozialistischen Proletariats seine ganze Aufmerksamkeit auf die Entfaltung der demokratischen Energie der Bauernschaft. Er war der Ansicht, dass die Haltung Lassalles „objektiv ein Verrat der ganzen Arbeiterbewegung an die Preußen“ war („Briefwechsel“, Bd. III, S. 210), unter anderem gerade weil er „den Junkern und dem preußischen Nationalismus Vorschub leistete.“ „In einem vorwiegenden Ackerbauland“ – schrieb Engels 1865 in einem Gedankenaustausch mit Marx anlässlich einer geplanten gemeinsamen Erklärung in der Presse – ist es „eine Gemeinheit, im Namen des industriellen Proletariats über die Bourgeoisie ausschließlich herzufallen, daneben aber der patriarchalischen Prügelexploitation des Landproletariats durch den großen Feudaladel mit keinem Wort zu gedenken.“ („Briefwechsel“, Bd. III, S. 217.) In der Periode von 1864-1870, als die Epoche der Vollendung der bürgerlich-demokratischen Revolution in Deutschland, des Kampfes der Ausbeuterklassen in Preußen und Österreich für diese oder jene Methode der Vollendung dieser Revolution von oben zu Ende ging, verurteilte Marx nicht nur Lassalle, der mit Bismarck geliebäugelt hatte, sondern wies auch Liebknecht zurecht, der in „Austrophilie“ verfallen war und den Partikularismus verteidigte; Marx forderte eine revolutionäre Taktik, die mit gleicher Schonungslosigkeit den Kampf gegen Bismarck wie gegen die Austrophilen führe, – eine Taktik, die sich dem „Sieger“, dem preußischen Junker, nicht anpasse, sondern unverzüglich den revolutionären Kampf mit ihm von neuem aufnehme, und zwar auf der Grundlage, die durch die militärischen Siege der Preußen hergestellt war. („Briefwechsel“, Bd. III, S. 134, 136, 147, 179, 204, 210, 215, 418, 437, 440 und 441). In der berühmten Adresse der Internationale vom 9. September 1870 warnte Marx das französische Proletariat vor einem vorzeitigen Aufstand; als der Aufstand aber dennoch ausbrach (1871), da begrüßte Marx mit Begeisterung die „himmelstürmende“ revolutionäre Initiative der Massen (Brief Marxens an Kugelmann). Eine Niederlage der revolutionären Aktion in dieser Situation, wie in vielen anderen, war vom Marxschen Standpunkt des dialektischen Materialismus im allgemeinen Gang und Ausgang des proletarischen Kampfes das kleinere Übel, verglichen mit einem Abtreten von der einmal eingenommenen Position, mit einer Kapitulation ohne Kampf: eine solche Kapitulation hätte das Proletariat demoralisiert und seine Kampffähigkeit untergraben. Marx, der die Ausnutzung der legalen Kampfmittel in Perioden der politischen Stagnation und der Herrschaft der bürgerlichen Legalität voll und ganz zu würdigen wusste, verurteilte in den Jahren 1877 und 1878, nach Erlass des Sozialistengesetzes, sehr scharf die „revolutionäre Phrase“ eines Most, aber nicht minder heftig, wenn nicht noch heftiger, wandte er sich gegen den Opportunismus, der sich damals vorübergehend der offiziellen sozialdemokratischen Partei bemächtigte, als diese nicht sofort genügende Festigkeit an den Tag legte, genügende Standhaftigkeit, revolutionäre Haltung und Bereitschaft, in Erwiderung auf das Ausnahmegesetz zum illegalen Kampf überzugehen. („Briefwechsel“, Bd. IV, S. 397, 404, 418, 422, 424; vgl. auch die Briefe an Sorge.) Bibliographie des Marxismus9 Literaturverzeichnis Eine vollständige Ausgabe der Werke und Briefe von Marx fehlt bis auf den heutigen Tag. Ins Russische ist ein größerer Teil seiner Schriften übersetzt, als in irgendeine andere Sprache. Die nachfolgende Aufzählung dieser Schriften ist in chronologischer Ordnung zusammengestellt. In das Jahr 1841 fällt Marxens Doktordissertation über die Philosophie Epikurs (in den nach dem Tode von Marx herausgegebenen „Literarischen Nachlass" aufgenommen; über den letzteren weiter unten). In dieser Dissertation steht Marx noch ganz auf idealistisch-hegelianischem Standpunkt. In das Jahr 1842 fallen Marxens Artikel in der „Rheinischen Zeitung“ (Köln), insbesondere seine Kritik an den Debatten über Pressefreiheit auf dem 6. rheinischen Landtag, weiter über das Holzdiebstahlgesetz, sodann Artikel zur Verteidigung der Emanzipation der Politik von der Theologie u. a. (z. T. in den „Literarischen Nachlass" aufgenommen). Hier finden sich schon Anzeichen für Marxens Übergang vom Idealismus zum Materialismus und vom revolutionären Demokratismus zum Kommunismus. Im Jahre 1844 erscheinen in Paris unter der Redaktion von Marx und Arnold Ruge die „Deutsch-Französischen Jahrbücher“, in denen sich dieser Übergang endgültig vollzieht. Besonders bemerkenswert sind die Marxschen Aufsätze „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung" (außer im „Literarischen Nachlass" auch als Broschüre erschienen) und „Zur Judenfrage" (ebenso; als Broschüre im Verlag „Snanije", „Deschowaja Biblioteka" Nr. 210). Im Jahre 1845 geben Marx und Engels (in Frankfurt a. M.) gemeinsam die Schrift „Die Heilige Familie, Gegen Bruno Bauer und Konsorten" heraus (außer dem „Literarischen Nachlass" gibt es im Russischen zwei Sonderausgaben in Broschürenform, im Verlag „Nowy Golos", St. Petersburg 1906, und „Wjestnik Snanija", St. Petersburg 1907). Ins Frühjahr 1845 fallen Marxens Thesen über Feuerbach (abgedruckt als Beilage zu Engels' Broschüre „Ludwig Feuerbach"; auch ins Russische übersetzt). In den Jahren 1845-1847 schrieb Marx eine Reihe von Artikeln (die zum größten Teil nicht gesammelt, nicht neu herausgegeben und nicht ins Russische übersetzt sind) in folgenden Zeitungen: Pariser „Vorwärts!“; „Deutsche Brüsseler Zeitung" 1847; „Westfälisches Dampfboot", Bielefeld 1845-1848; „Gesellschaftsspiegel", Elberfeld 1846; „La Réforme", Paris; u. a. In das Jahr 1847 fällt das in Brüssel und Paris herausgegebene Marxsche Hauptwerk gegen Proudhon: „Das Elend der Philosophie. Antwort auf Herrn Proudhons ,Philosophie des Elends'." (Im Russischen drei Ausgaben im Verlag „Nowy Mir“, eine von G. Lwowitsch, eine von Alexejewa, eine im Verlag „Proswjeschtschenije“; sämtliche 1905 und 1906). 1848 erschien in Brüssel die „Rede über den Freihandel" (eine russische Übersetzung ist vorhanden), dann in London, in Zusammenarbeit mit Friedrich Engels verfasst, das berühmte, fast in alle europäischen und in eine Anzahl weiterer Sprachen übersetzte „Manifest der Kommunistischen Partei" (in russischer Übersetzung etwa acht Ausgaben 1905 und 1906 in den Verlagen „Molot", „Kolokol“, von Alexejewa, usw.; diese größtenteils beschlagnahmten Ausgaben erschienen unter verschiedenen Titeln: „Kommunistisches Manifest", „Über den Kommunismus", „Die gesellschaftlichen Klassen und der Kommunismus", „Kapitalismus und Kommunismus", „Philosophie der Geschichte"; eine vollständige und zugleich die genaueste russische Übersetzung dieses, wie auch anderer Werke Marx findet man in den – größtenteils von der Gruppe „Oswoboschdenije Truda" herrührenden – im Auslande veranstalteten Ausgaben). Vom 1. Juni 1848 bis zum 19. Mai 1849 kam in Köln die „Neue Rheinische Zeitung“ heraus, deren faktischer Chefredakteur Marx war. Seine zahlreichen Artikel in dieser Zeitung, die bis auf den heutigen Tag das beste, unübertroffene Organ revolutionären Proletariats bleibt, sind noch nicht gesammelt nicht in vollständiger Publikation neu herausgegeben. Die wichtigsten sind in den „Literarischen Nachlass" aufgenommen, Als besondere Broschüre wurde mehrfach der aus dieser Zeitung stammende Aufsatz „Lohnarbeit und Kapital" herausgegeben (vier russische Ausgaben: von Kosman, im Verlag „Molot", von Mjagkow und von Lwowitsch, 1905 und 1906). Aus derselben Zeitung: „Die Liberalen am Ruder" (Verlag „Snanije", „Deschowaja Biblioteka" Nr. 272, St. Petersburg 1906). Im Jahre 1849 gab Marx in Köln die Broschüre „Zwei politische Prozesse" heraus (zwei Verteidigungsreden von Marx, der von den Geschworenen von der Anklage wegen Pressevergehen und Aufforderung bewaffneten Widerstand gegen die Regierung freigesprochen wurde; russische Übersetzung in fünf Ausgaben 1905 und 1906: bei Alexejewa, im Verlag „Molot", bei Mjagkow, in den Verlagen „Snanije" und „Nowy Mir"). Im Jahre 1850 gab Marx in Hamburg sechs Nummern der Zeitschrift („Revue") „Neue Rheinische Zeitung" heraus. Die bedeutendsten Aufsätze daraus sind in den „Literarischen Nachlass" aufgenommen. Besonders bemerkenswert sind die von Engels 1895 als Broschüre neu herausgegebenen Marxschen Aufsätze: „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850" (russische Übersetzung, herausgegeben von M. Malych, Biblioteka" Nr. 59 und 60; auch in dem Sammelwerk „Sammlung historischer Aufsätze", übersetzt von Basarow und Stepanow, Ausgabe Skirmunt, St. Petersburg 1906; desgleichen: „Gedanken und Ansichten über das Leben des 20. Jahrhunderts, St. Petersburg 1912). Im Jahre 1852 erschien in New York Marxsche Broschüre: „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte" (russische Übersetzung in den eben genannten Sammelwerken). Im selben Jahre in London die „Enthüllungen über den Kommunistenprozess in Köln" (russische Übersetzung: „Der Kölner Prozess der Kommunisten", Nr. 43 der „Populjarno-Nautschnaja Biblioteka", St. Petersburg 28. Oktober 1906). Von August 1851 bis 1862* war Marx ständiger Mitarbeiter der Zeitung „The New-York Tribune“, in der viele seiner Aufsätze ohne Unterschrift, als Redaktionsartikel, erschienen, Besonders bemerkenswert sind die Artikel „Revolution und Konterrevolution in Deutschland", die nach dem Tode von Marx und Engels in deutscher Übersetzung herausgegeben wurden (russische Übersetzung von Basarow und Stepanow in zwei Sammelwerken sowie als besondere Broschüre in fünf Ausgaben 1905 und 1906, bei Alexejewa, bei „Obschtschestwennaja Polsa", „Nowy Mir", in der „Wseobschtschaja Biblioteka" und bei „Molot"). Einige von den Marxschen Artikeln aus der „Tribune" wurden in London als besondere Broschüre herausgegeben, so z. B. der über Palmerston 1856, „Enthüllungen über die diplomatische Geschichte des 18. Jahrhunderts" (über die ständige materielle Abhängigkeit der englischen liberalen Minister von Russland) u. a. m. Nach dem Tode von Marx veröffentlichte seine Tochter Eleanor Aveling eine Reihe der in der „Tribune" erschienenen Aufsätze über die Orientfrage unter dem Titel: „The Eastern Question", London 1897 („Die Orientfrage" – z. T. ins Russische übersetzt unter dem Titel: „Krieg und Revolution", erste Lieferung: Marx und Engels, „Unveröffentlichte Artikel (aus den Jahren 1852, 1853, 1854)", Charkow 1919, Bibliothek des Verlags „Nascha Mysl"). Ende 1854 und im Laufe des folgenden Jahres war Marx auch Mitarbeiter der „Neuen Oder-Zeitung“, 1861/62 Mitarbeiter der Wiener „Presse“. Diese Artikel sind nicht gesammelt und nur z. T. in der „Neuen Zeit“ erschienen, ebenso auch zahlreiche Briefe von Marx. Das Gleiche gilt auch von den Marxschen Artikeln aus der Zeitung „Das Volk" (London 1859) über die diplomatische Geschichte des italienischen Kriegs von 1859. Im Jahre 1859 erschien in Berlin Marxens Werk: „Zur Kritik der politischen Ökonomie", russische Übersetzung, Moskau 1896, redigiert von Manuilow, eine weitere von Rumjanzew, St. Petersburg 1907). Im Jahre 1860 erschien in London die Marxsche Broschüre „Herr Vogt". Im Jahre 1864 erschien in London die von Marx verfasste „Adresse der Internationalen Arbeiter-Assoziation" (russische Übersetzung vorhanden). Marx war Verfasser zahlreicher Manifeste, Aufrufe und Resolutionen des Generalrats der Internationale. Dieses ganze Material ist noch bei weitem nicht bearbeitet und nicht einmal gesammelt. Ein erstes Herantreten an diese Arbeit ist das Buch von G. Jaeck: „Die Internationale" [Leipzig 1904]; (russische Übersetzung im Verlag „Snanije", St. Petersburg 1906), in dem u. a. einige Briefe von Marx und einige von ihm verfasste Resolutionsentwürfe abgedruckt sind. Zu den von Marx verfassten Dokumenten der Internationale gehört die Adresse des Generalrats über die Pariser Kommune, die 1871 in London als besondere Broschüre unter dem Titel „Der Bürgerkrieg in Frankreich" erschien (russische Übersetzung, redigiert von Lenin, im Verlag „Molot", und noch andere Ausgaben). In die Epoche von 1862 bis 1874 fällt der Briefwechsel Marxens mit Kugelmann, Mitglied der Internationale (zwei russische Ausgaben – die eine in der Übersetzung von A. Goichbarg, die andere redigiert von Lenin). Im Jahre 1867 kam in Hamburg Marxens Hauptwerk heraus: „Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie", Bd. I. Der zweite und der dritte Band wurden nach Marxens Tode 1885 und 1894 von Engels herausgegeben. Russische Übersetzung: Bd. I in fünf Ausgaben (zwei in der Übersetzung von Danielson, 1872 und 1898, zwei in der Übersetzung von J. A. Hurwitsch und L. M. Sak unter Redaktion von Struve – 1. Ausgabe 1899, 2. Ausgabe 1905, eine Ausgabe unter Redaktion von Basarow und Stepanow). Die Bände II und III liegen in zwei Ausgaben vor (die Danielsonsche Übersetzung ist minder zufriedenstellend). Übersetzung unter Redaktion von Basarow und Stepanow (die bessere). Im Jahre 1876 nahm Marx an der Verfassung von Engels' „Anti-Dühring" teil („Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft"), indem er das ganze Werk im Manuskript durchlas und das ganze Kapitel über die Geschichte der politischen Ökonomie beisteuerte. Später, nach Marxens Tod, wurden die folgenden Marxschen Schriften herausgegeben: „Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei" („Neue Zeit" 1890/91, Nr. 18; russisch: St. Petersburg 1906). „Lohn, Preis und Profit" (Vortrag, gehalten am 26. Juni 1865, „Neue Zeit", XVI/2, 1897/98; russische Übersetzung bei „Molot", 1906, und von Lwowitsch, 1905). Der „Literarische Nachlass von K. Marx, F. Engels und F. Lassalle", drei Bände, Stuttgart 1902 (russische Übersetzung redigiert von Axelrod u. a., zwei Bände, St. Petersburg 1908; der erste Band noch unter der Redaktion von J. Hurwitsch, Moskau 1907; die besonders herausgegebenen Briefe Lassalles an Marx sind aus dem „Literarischen Nachlass"). „Briefe und Auszüge aus Briefen von J. Ph. Becker, J. Dietzgen, F. Engels, K. Marx u. a. an F. A. Sorge und andere" (zwei russische Ausgaben, die eine redigiert von Axelrod, die andere erschienen bei Dauge, mit einem Vorwort von Lenin). „Theorien über den Mehrwert", drei Bände in vier Teilen, Stuttgart 1905-1910, von Kautsky herausgegeben, das Manuskript des IV. Bandes des „Kapital" darstellend (ins Russische übersetzt nur der I. Band, der in drei Ausgaben vorliegt: St. Petersburg 1906, redigiert von Plechanow; Kiew 1906, redigiert von Schelesnow; Kiew 1907, redigiert von Tutschapski). Im Jahre 1913 erschienen in Stuttgart vier große Bände „Briefwechsel zwischen Friedrich Engels und Karl Marx", enthaltend 1386 Briefe aus der Zeit vom September 1844 bis zum 10. Januar 1883, die überaus reiches und wertvolles Material zum Studium des Lebenslaufs und der Anschauungen von Karl Marx darbieten. Im Jahre 1917 erschienen in zwei Bänden „Gesammelte Schriften von K. Marx und Engels, 1852 bis 1862" [deutsch herausgeg. von N. Rjasanow]. – Zum Schluss dieser Aufzählung der Marxschen Werke muss noch bemerkt werden, dass manche kleinere Artikel und einzelne Briefe, meist in der „Neuen Zeit", im „Vorwärts" und in anderen sozialdemokratischen periodischen Publikationen in deutscher Sprache erschienen, hier nicht angegeben sind; auch die Liste der in russischer Übersetzung vorliegenden Werke von Marx, insbesondere der in den Jahren 1905 und 1906 erschienenen Broschüren, ist zweifellos nicht vollständig. Die Literatur über Marx und den Marxismus ist außerordentlich groß. Wir vermerken hier das Wesentlichste und teilen die Verfasser in drei Hauptgruppen: Marxisten, die im wesentlichen auf dem Marxschen Standpunkt stehen; bürgerliche Autoren, die dem Marxismus im wesentlichen feindlich gegenüberstehen, und Revisionisten, die angeblich die einen oder die andern Grundlagen des Marxismus anerkennen, ihn aber in der Tat durch bürgerliche Anschauungen ersetzen. Als speziell russische Spielart des Revisionismus ist die Stellungnahme der Narodniki zu Marx zu betrachten. Werner Sombart führt in seinem „Beitrag zur Bibliographie des Marxismus“ (Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, XX, Heft 2, 1905, S. 413-430) eine bei weitem nicht vollständige Liste von 300 Titeln an. Als Ergänzung dazu nehme man die Inhaltsverzeichnisse der „Neuen Zeit“ für 1883-1907 und die darauffolgenden Jahre. Weiter Joseph Stammhammer, „Bibliographie des Sozialismus und Kommunismus“, Bd. I-III, Jena 1893-1909. Für die detaillierte Bibliographie des Marxismus kann noch verwiesen werden auf die „Bibliographie der Sozialwissenschaften“, Berlin, Jahrgang I, 1905 u. ff. Siehe auch N. A. Rubakin, „Unter Büchern“ [russisch], Bd. II, 2. Aufl. Wir führen hier nur das Wesentlichste an. Zur Biographie von Marx ist in erster Linie zu verweisen auf die von Bracke 1878 in Braunschweig herausgegebenen Artikel F. Engels’ aus dem „Volkskalender“ und auf Engels’ Aufsatz im „Handwörterbuch der Staatswissenschaften“ [3. Aufl.], Bd. VI, S. 600-603. Ferner: W. Liebknecht, „Karl Marx zum Gedächtnis“, Nürnberg 1896. P. Lafargue, „K. Marx. Persönliche Erinnerungen“. W. Liebknecht, „Karl Marx“ [russisch], St. Petersburg 1906, 2. Aufl. P. Lafargue, „Meine Erinnerungen an Karl Marx“ [russisch], Odessa 1905 (Original siehe „Neue Zeit“ [1890/91], IX, 1. „Karl Marx zum Gedächtnis“ [russisch], St. Petersburg 1908, 410 Seiten, – eine Sammlung von Aufsätzen von J. Newsorow, N. Roschkow, W. Basarow, J. Steklow, A. Finn-Jenotajewski, P. Rumjanzew, K. Renner, G. Roland-Holst, W. Iljin, R. Luxemburg, G. Sinowjew, J. Kamenew, P. Orlowski und M. Taganski. Franz Mehring, „Karl Marx“ [4. Aufl., Leipzig 1925]. Eine umfangreiche Marx-Biographie in englischer Sprache, verfasst von dem amerikanischen Sozialisten Spargo (Spargo , „K. Marx, his life and work“, London 1911), ist unbefriedigend. Eine allgemeine Übersicht über die Tätigkeit von Marx findet man bei Karl Kautsky : „Die historische Leistung von Karl Marx. Zum 25. Todestage des Meisters“, Berlin 1908 (in russischer Übersetzung: „K. Marx und seine historische Bedeutung“, St. Petersburg10 1908). Siehe auch die populäre Broschüre von Clara Zetkin: „Karl Marx und sein Lebenswerk“, erschienen 1913. Erinnerungen an Marx: die von Annenkow in der Zeitschrift „Wjestnik Jewropy“, 1880, Nr. 4 (und „Erinnerungen“ Bd. III, „Ein bedeutsames Jahrzehnt“, St. Petersburg 1882), ferner von Karl Schurz in der Zeitschrift „Russkoje Bogatstwo“, 1906, Nr. 12, und von M. Kowalewski im „Wjestnik Jewropy“, 1909, Heft 6 u. ff. Die beste Darstellung der Philosophie des Marxismus und des historischen Materialismus bei G. V. Plechanow, „Zwanzig Jahre“, St. Petersburg 1909, 3. Aufl.; „Von der Verteidigung zum Angriff“, St. Petersburg 1910; „Die Grundprobleme des Marxismus“, St. Petersburg 1908 [Stuttgart 1910]; „Kritik unserer Kritiker“, St. Petersburg 1906; „Zur Frage der Entwicklung der monistischen Geschichtsauffassung“, St. Petersburg 1908, u. a. m. [In russischer Sprache]: Antonio Labriola, „Zur Frage der materialistischen Geschichtsauffassung“, St. Petersburg 1898; vom selben Autor, „Der historische Materialismus und die Philosophie“, St. Petersburg 1906. Franz Mehring, „Über historischen Materialismus“, St. Petersburg 1906 (zwei Ausgaben: in den Verlagen „Prosweschtschenije“ und „Molot“); derselbe, „Die Lessinglegende“, St. Petersburg 1908 („Snanije“). Siehe auch Ch. Andler (Nichtmarxist), „Das Kommunistische Manifest. Geschichte, Einführung, Kommentar“, St. Petersburg 1906. Ferner: „Der historische Materialismus“, ein Sammelbuch mit Aufsätzen von Engels, Kautsky, Lafargue und vielen anderen, St. Petersburg 1908. L. Axelrod, „Philosophische Skizzen. Eine Antwort an die philosophischen Kritiker des historischen Materialismus“, St. Petersburg 1906. Spezielle Verteidigung des verunglückten Dietzgenschen Abrückens vom Marxismus bei E. Untermann, „Die logischen Mängel des engeren Marxismus“, München 1910 (753 Seiten – eine umfangreiche, aber gar nicht ernst zu nehmende Arbeit). Hugo Riekes, „Die philosophische Wurzel des Marxismus“, in der „Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft“, Jahrg. 62, 1906, Heft 3, S. 407-432 – die interessante Arbeit eines Gegners der Marxschen Anschauungen, worin ihre philosophische Geschlossenheit vom materialistischen Standpunkt aufgezeigt wird. Benno Erdmann, „Die philosophischen Voraussetzungen der materialistischen Geschichtsauffassung“, im „Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft“ (Schmollers Jahrbuch), 1907, Heft 3, S. 1-56 – Zusammenfassung der philosophischen Einwände gegen den Marxismus, sehr nützliche Formulierung einiger Grundsätze des philosophischen Materialismus von Marx und Zusammenfassung der Entgegnungen von dem landläufigen Standpunkt des Kantianismus und des Agnostizismus überhaupt. R. Stammler (Kantianer), „Wirtschaft und Recht nach der materialistischen Geschichtsauffassung“, 2. Aufl., Leipzig 1906. Woltmann (ebenfalls Kantianer), „Der historische Materialismus“ (russische Übersetzung 1901). Vorländer (gleichfalls Kantianer), „Kant und Marx“ [russisch], St. Petersburg 1909. Siehe auch die Polemik zwischen A. Bogdanow, W. Basarow u. a. („Skizzen zur Philosophie des Marxismus“, Petersburg 1908. A. Bogdanow, „Der Sturz eines großen Fetischs“, Moskau 1909, und andere Schriften) und W. Iljin („Materialismus und Empiriokritizismus“, St. Petersburg 1909). Über historischen Materialismus und Ethik: K. Kautsky, „Ethik und materialistische Geschichtsauffassung“, St. Petersburg 1906, sowie zahlreiche andere Werke Kautskys. Ferner L. B. Boudin , „Das theoretische System von Karl Marx“ [aus dem Englischen], Stuttgart 1909 (dasselbe russisch: „Das theoretische System von Karl Marx im Lichte der neuesten Kritik“, aus dem Englischen, redigiert von V. Sassulitsch, St. Petersburg 1908). Hermann Gorter, „Der historische Materialismus“, aus dem Holländischen, Stuttgart 1909. Unter den von Gegnern des Marxismus verfassten Werken heben wir hervor: Tugan-Baranowski, „Die theoretischen Grundlagen des Marxismus“ [russisch], St. Petersburg 1907. S. Prokopowitsch, „Zur Marx-Kritik“ [russisch], St. Petersburg 1901. Hammacher, „Das philosophisch-ökonomische System des Marxismus“ (Leipzig 1910, 730 Seiten – eine Zitatensammlung). W. Sombart, „Sozialismus und soziale Bewegung im 19. Jahrhundert [russisch], St. Petersburg. Max Adler (Kantianer), „Kausalität und Teleologie“ (Wien 1909, in den „Marx-Studien“) und „Marx als Denker“ (Berlin 1908). Aufmerksamkeit verdient ein Buch des Idealisten und Hegelianers Giovanni Gentile, „La filosofia di Marx“ (Pisa 1899) – der Verfasser vermerkt einige wichtige Seiten der materialistischen Dialektik von Marx, die der Aufmerksamkeit der Kantianer, Positivisten usw. gewöhnlich entgehen; desgleichen die Schrift Levys, „Feuerbach“ – handelt von einem der bedeutsamsten philosophischen Vorläufer von Marx. Eine nützliche Zitatensammlung aus einer Reihe Marxscher Werke gibt Tschernyschow, „Merkbüchlein des Marxisten“, St. Petersburg, Verlag „Djelo“, 1908. Über die ökonomische Lehre von Marx: K. Kautsky, „Karl Marx’ ökonomische Lehren“ (zahlreiche russische Ausgaben), gleichfalls von Kautsky, „Die Agrarfrage“, „Das Erfurter Programm“ und zahlreiche Broschüren. Vergleiche noch Bernstein, „Die ökonomischen Lehren von Karl Marx. Der III. Band des ,Kapital'“, russische Übersetzung 1905. Gabriel Deville, „Das Kapital“ (Darstellung des I. Bandes des „Kapital“, russische Übersetzung 1907). Vertreter des sogenannten Revisionismus in der Agrarfrage in den Reihen der Marxisten ist E. David, „Sozialismus und Landwirtschaft“ (russische Übersetzung St. Petersburg 1906). Kritik des Revisionismus siehe bei W. Iljin , „Die Agrarfrage“, Teil I [russisch], St. Petersburg 1908. Gleichfalls von W. Iljin, „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“, 2. Aufl. [russisch], St. Petersburg 1908; von demselben, „Ökonomische Studien und Artikel“ [russisch], St. Petersburg 1899. W. Iljin, „Neue Tatsachen zu den Entwicklungsgesetzen des Kapitalismus in der Landwirtschaft“, 1. Lieferung [russisch], 1917. Anwendung der Marxschen Anschauungen (mit einigen Abweichungen) auf die neuesten Tatsachen in den französischen Agrarverhältnissen bei Compère-Morel, „La question agraire et le socialisme en France“, Paris 1912, 455 Seiten. Eine Weiterentwicklung der ökonomischen Anschauungen von Marx in Anwendung auf die neuesten Erscheinungen des Wirtschaftslebens bei Hilferding, „Das Finanzkapital“ [russisch], St. Petersburg 1911 (eine Richtigstellung der wesentlichen Fehler des Autors in seinen Anschauungen von der Werttheorie findet man bei Kautsky in der „Neuen Zeit“: „Gold, Papier und Ware“, XXX/1; S. 837 u. 886). W. Iljin , „Der Imperialismus als jüngste Etappe des Kapitalismus“, 1917. In wesentlichen Punkten vom Marxismus abweichend P. Maslow in seiner „Agrarfrage“ (2 Bände [russisch]) und in seiner „Theorie der Entwicklung der Volkswirtschaft“ [russisch], St. Petersburg 1910. Die Kritik einiger von diesen Abweichungen siehe bei Kautsky in der „Neuen Zeit“, XXIX/l, 1911: „Malthusianismus und Sozialismus“. Kritik der ökonomischen Lehre von Marx vom Standpunkt der unter den bürgerlichen Professoren weitverbreiteten „Grenznutzentheorie“: Böhm-Bawerk, „Zum Abschluss des Marxschen Systems“ (Berlin 1896, in den „Staatswissenschaftlichen Arbeiten. Festgabe für K. Knies“); russische Übersetzung: „Die Theorie Marxens und ihre Kritik“, St. Petersburg 1897; von demselben Verfasser, „Kapital und Kapitalzins“, 2. Aufl., Innsbruck 1900-1902, 2 Bände [russisch], St. Petersburg 1909. Des weiteren siehe Riekes, „Wert und Tauschwert“, 1899; v. Bortkiewicz, „Wertrechnung und Preisrechnung im Marxschen System“ („Archiv für Sozialwissenschaft“, 1906/07); Leo v. Buch, „Über die Elemente der politischen Ökonomie. Die Intensität der Arbeit, Wert und Preis“ (auch ins Russische übersetzt). Eine Analyse der Böhm-Bawerkschen Kritik vom marxistischen Standpunkt gibt Hilferding , „Böhm-Bawerks Marx-Kritik“ („Marx-Studien“, Bd. I, Wien 1909), und kleinere Artikel in der „Neuen Zeit“. Zu dem Thema von den zwei Hauptrichtungen in der Auslegung und Entwicklung des Marxismus – der „revisionistischen“ und der radikalen („orthodoxen“), siehe Eduard Bernstein, „Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie“ (Stuttgart 1899; russisch unter dem Titel: „Der historische Materialismus“, St. Petersburg 1901, und unter dem Titel: „Soziale Probleme“, Moskau 1901); von demselben Verfasser, „Aus Geschichte und Theorie des Sozialismus“ [russisch], St. Petersburg 1902. Ihm entgegnet Kautsky, „Bernstein und das sozialdemokratische Programm“ (Stuttgart 1899; russisch in 4 Ausgaben 1905/06). Aus der französischen marxistischen Literatur erwähnen wir: Jules Guesde, „Quatre ans de lutte de classes“, „En garde“, „Questions d’hier et d’aujourd’hui“ (Paris 1911); P. Lafargue, „Le déterminisme économique. La méthode historique de Karl Marx“ (Paris 1909). – Ant. Pannekoek, „Zwei Tendenzen in der Arbeiterbewegung“. Zur Marxschen Akkumulationstheorie eine neue Arbeit von Rosa Luxemburg, „Die Akkumulation des Kapitals“ (Berlin 1913); Analyse ihrer falschen Auslegung der Marxschen Theorie bei Otto Bauer, „Die Akkumulation des Kapitals“ („Neue Zeit“, 1913, XXXI/l, S. 831 und 862); G. Eckstein im „Vorwärts“ und Pannekoek in der „Bremer Bürger-Zeitung“, 1913. Aus der alten russischen Literatur über Marx: B. Tschitscherin, „Die deutschen Sozialisten“, im „Sammelbuch der Staatswissenschaften“ von Besobrasow, St. Petersburg 1888, und „Geschichte der politischen Lehren“, Teil 5, S. 156, Moskau 1902. Entgegnung bei Sieber, „Die deutschen Ökonomisten, gesehen durch die Brille des Herrn Tschitscherin“, in den „Gesammelten Werken“, Bd. II, St. Petersburg 1900. Ferner G. Slonimski, „Die ökonomische Lehre von Karl Marx“, St. Petersburg 1898; N. Sieber, „David Ricardo und Karl Marx in ihren sozialökonomischen Forschungen“, St. Petersburg 1885, und „Gesammelte Werke“, Bd. II, St. Petersburg 1900. Eine Rezension von I. Kaufmann (I. K-n) über das „Kapital“ im „Wjestnik Jewropy“, 1872, Nr. 5 – dadurch bemerkenswert, dass Marx im Nachwort zur zweiten Auflage des „Kapital“ die Ausführungen von I. K-n zitierte und die dort gegebene Darstellung seiner materialistisch-dialektischen Methode als richtig bezeichnete. Russische Narodniki über den Marxismus: N. K. Michailowski im „Russkoje Bogatstwo“, 1894, Nr. 10; 1895, Nr. 1 und 2 – aufgenommen in die „Gesammelten Werke“ – über die ,Kritischen Notizen' von P. Struve (St. Petersburg 1894) –, vom marxistischen Standpunkt analysiert diese A. Tulin (W. Iljin) in den „Materialien zur Charakteristik unserer wirtschaftlichen Entwicklung“ (St. Petersburg 1895, von der Zensur vernichtet; neu abgedruckt bei W. Iljin, „12 Jahre“, St. Petersburg 1908). Des weiteren aus der Literatur der Narodniki: W. W., „Unsere Richtungen“, St. Petersburg 1892; vom selben Verfasser, „Von den siebziger Jahren bis 1900“, St. Petersburg 1907. Nikolai—on, „Studien über unsere gesellschaftliche Wirtschaft nach der Reform“, St. Petersburg 1893. W. Tschernow, „Marxismus und Agrarfrage“, St. Petersburg 1906; vom selben Verfasser, „Philosophische und soziologische Studien“, St. Petersburg 1907. Außer den Narodniki vermerken wir noch: N. Karejew , „Alte und neue Studien über den historischen11 Materialismus“, St. Petersburg 1896; 2. Aufl., 1913, unter dem Titel: „Kritik des ökonomischen Materialismus“. Masaryk, „Philosophische und soziologische Grundlagen des Marxismus“ [russisch], Moskau 1900. Croce, „Der historische Materialismus und die marxistische Ökonomie“ [russisch], St. Petersburg 1902. Für die richtige Beurteilung der Marxschen Anschauungen ist die Bekanntschaft mit den Werken seines nächsten Gesinnungsgenossen und Mitarbeiters Friedrich Engels unerlässlich. Man kann den Marxismus nicht begreifen und nicht in seiner Geschlossenheit darstellen, ohne mit sämtlichen Werken von Engels vertraut zu sein. Marx-Kritik vom Standpunkt des Anarchismus: W. Tscherkesow, „Die Doktrinen des Marxismus“, St. Petersburg 1905, 2 Teile; W. Tucker, „Statt eines Buches“ [russisch], Moskau 1907. Sorel (Syndikalist), „Soziale Studien über die moderne Ökonomie [russisch], Moskau 1908. 1 Der Artikel „Karl Marx“ wurde von Lenin im Juli 1914 (vor Kriegsausbruch) begonnen und im November (17. November) in der Schweiz beendet. Er ist für das russische Enzyklopädische Wörterbuch Granat verfasst. Bei Einsendung des Artikels an den Verlag fügte Lenin einen Begleitbrief bei, der vom Lenin-Institut 1925 publiziert worden ist. Der Leninsche Artikel (mit der Unterschrift W. Iljin) wurde in gekürzter Form im Band XVIII der Enzyklopädie Granat (7. Aufl.) unter dem Stichwort „Marx“ (S. 219-243) veröffentlicht, mit Beifügung der Bibliographie des Marxismus auf besonderem Blatt. Ein Vergleich des Manuskripts mit dem in der Enzyklopädie abgedruckten Text zeigt, dass in dieser nicht nur das Kapitel über die „Taktik des Klassenkampfes des Proletariats“, sondern auch das Kapitel über „Sozialismus“ in Wegfall kam (das letztere Kapitel wurde 1926 in Band XL der Enzyklopädie abgedruckt), ungerechnet eine Reihe von weiteren Kürzungen und Abänderungen, die aus redaktionellen und Zensurgründen vorgenommen wurden. In der vorliegenden Ausgabe ist der volle Text des Leninschen Manuskripts ungekürzt wiedergegeben. Wir berichtigten lediglich offensichtliche Fehler. 2 Bei Engels wörtlich: „dieses Buches“. D. h. Engels spricht (in seiner Schrift „Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie“, Marxistische Bibliothek, Bd. III, S. 24) eigentlich nur vom „Wesen des Christentums“. Die Red. 3 Im russischen Original irrtümlich „1. Januar“. Der Erlass der Zensurminister erging Ende Januar 1843 und sprach das Verbot zum 31. März aus. Marx legte die Redaktion am 17. bzw. 18. März nieder. Die Red. 4 Die in Klammern gegebene Erläuterung ist Zusatz Lenins. Die Red. 5 Zusatz von Lenin. Die Red. 6Das 2. Zitat ist tatsächlich aus dem „Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte“ 7 In der Klammer Zusatz von Lenin. Die Red. 8 Lenin verweist hier auf die von Alexejewa veranstaltete russische Ausgabe dieser Schrift, mit dem Vermerk: „Russische Übersetzung mit Fehlern“. Die Red. 9 Die in der Bibliographie in eckige Klammern gesetzten Worte sind Zusätze von uns. Die Red. * Engels in seinem Artikel über Marx im „Handwörterbuch der Staatswissenschaften“, Bd. VI, S. 603, und Bernstein in seinem Artikel über Marx in der 11. Ausgabe der „Encyclopaedia Britannica“ von 1911 geben irrtümlich die Jahre 1853-1860 an. Siehe den 1913 herausgegebenen Briefwechsel zwischen Marx und Engels. 10 Im Literaturverzeichnis: Moskau. Die Red. 11 Im Literaturverzeichnis des vorliegenden Bandes: ökonomischen. Die Red. |