Karl Liebknecht: Krieg und Schule Rede und persönliche Bemerkung im preußischen Abgeordnetenhaus zum Kultusetat [Nach Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, 22. Legislaturperiode, III. Session 1916/17, 2. Bd., Berlin 1917, Sp. 1794-1809, 1855f. und nach Gesammelte Reden und Schriften, Band 8, S. 521-546] I Meine Herren, der Klassencharakter der kapitalistischen Gesellschaftsordnung offenbart sich im Bildungswesen in dem Klassencharakter, in der Ungleichheit der Erziehung, und die besondere Art des preußischen Staates mit seinem Dreiklassenwahlrecht findet ihren Ausdruck in der Dreiklassenerziehung, die die Grundlage des preußischen Erziehungswesens ist, („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) in der Dreiteilung: Volksschule, höhere Schulen, Universitäten. Meine Herren, es ist schon richtig, dass das Erziehungswesen sich nicht von dem gesamten sozialen Wesen loslösen lässt, denn jede Art der Ausbildung setzt nicht nur voraus, dass man irgend etwas lernt, sondern auch eine besondere Zeit, innerhalb der es gelernt werden kann und in der man wirtschaftlich frei ist, wirtschaftliche Bedingungen, die es allein ermöglichen, auszuhalten, bis das Ziel der Ausbildung erreicht ist. Schließlich ist die Bildung ja am wenigsten in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung Selbstzweck. Sie ist vielmehr Mittel zum Zweck. Nackter Utilitarismus, Nützlichkeit beherrscht unser Erziehungswesen. Man wird erzogen, um eine bestimmte Funktion im heutigen Staat auszuüben, und die höheren Schulen dienen nach einer echt preußischen Tradition zur Vorbildung, zur Vorbereitung auf eine höhere Beamtenlaufbahn. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, die höheren Schulen bilden das Mittelglied zwischen dem Allerheiligsten der Wissenschaft, der Universität, und der Volksschule, auf der gerade nur das Notdürftigste beigebracht wird, um als Werkzeug der kapitalistischen Gesellschaftsordnung geeignet zu werden. Die höheren Schulen sind die Treppen zum Tempel des Heiligtums, zu dem herrlichsten, was Menschengeist empfangen hat. Meine Herren, je krasser sich heute die Gegensätze in der Gesellschaft herausbilden, in wirtschaftlicher Beziehung, in Bezug auf die politischen Rechte, je krasser diese Gegensätze gerade im Kriege hervortreten – auch die Volksschule in ihrer heutigen Lage zeigt die Tatsache der Ungleichheit in der Erziehung drastischer als je vorher. Die sozialen Missstände im Volksschulwesen treten heute schärfer als je hervor. All das, was man selbst von bürgerlicher Seite als schwere Schäden im Volksschulwesen betrachtete, die Überfüllung der Klassen, die unzureichenden Räume, die unzureichende ärztliche Versorgung, der Lehrermangel, der häufige Wechsel der Lehrer, die Unterernährung der Schüler, die Kinderarbeit und die Übermüdung der Kinder, die es verhindert, dass die Kinder auch nur dem Wenigen, was ihnen in der Volksschule geboten wird, folgen können, sind heute im Kriege hoch gesteigert und potenzieren die Tatsache der Erziehungsungleichheit. Gewiss, meine Herren, auf dem Hintergrund von Blut und Brand verblasst heute viel Tragik und Verbrechen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Aber der Krieg wirft seinen grellen, flackernden Feuerschein in die Volksschule, in die Kinderheime. Wenn man in der Staatshaushalts-Kommission die Bemerkungen des Herrn Abgeordneten von Campe über die Unterernährung der Volksschüler hörte und die Fragen, die er darüber an den Herrn Kultusminister richtete, und wenn man bedenkt, dass keine Antwort, wenigstens in der Staatshaushalts-Kommission nicht, auf diese Frage des Herrn von Campe erfolgte – (Ausdrücklicher Widerspruch des Kultusministers.) Ich habe diese Antwort nicht gehört. Jedenfalls, wie sie auch aus gefallen sein mag, die Tatsache der Unterernährung ist nicht wegzudiskutieren. Sie trifft in schwerem Maße die Jugend des Proletariats, zerrüttet und schwächt ihre Gesundheit und hemmt damit in der bösartigsten Form die Bildungsarbeit, selbst in dem begrenzten Maße, das sonst in der Volksschule geleistet werden könnte. Meine Herren, und wenn man bedenkt, wie heute mehr als je die Tendenz hervortritt, die Volksschule zu benutzen, um die Positionen der herrschenden Klassen zu verstärken, um die Seelen der jungen Proletarier mit allen Mitteln der Demagogie einzufangen für die herrschenden Klassen, für den Kapitalismus, für den Militarismus, wenn man die Hyänen des Schlachtfeldes, die sich auf dem Gebiete des Bildungswesens gerade gegenwärtig in stärkerem Maße hervorwagen als jemals zuvor, wenn man die Piraterie an den Seelen der Proletarier sieht, die jetzt in großem Stile geübt wird im Volksschulwesen, im gesamten Schulwesen, dann ergibt sich, wie außerordentlich dringend gerade heute vom Proletariat die Notwendigkeit einer grundstürzenden Reform des gesamten Erziehungswesens empfunden wird. Wenn man weiter die erschreckende Verwahrlosung der Jugend der Ärmsten unter den Verhältnissen des Krieges bedenkt und wie jetzt versucht wird, diese Verwahrlosung, über die von allen kundigen Seiten geklagt wird, zu beschönigen und zu vertuschen, dann bestätigt das nur in doppeltem Maße die Dringlichkeit der Forderung, die die Sozialdemokratie an unser Bildungswesen, unser Erziehungswesen stellt. Meine Herren, es gibt nicht Regen genug im milden Himmel, um die Sünde der Jugendverwahrlosung von der bürgerlichen Gesellschaftsordnung abzuwaschen, und alle Beschönigungsversuche, alle Versuche, durch Hervorhebung der „Lichtseiten" vorzuspiegeln, es sei mit der Verwahrlosung der Jugend gar nicht so schlimm, alle diese Versuche, die wir jetzt erleben müssen, nachdem Sie gesehen haben, wie aufregend die Aufdeckung der Tatsachen vor der Öffentlichkeit gewirkt hat, bedeuten nur, dass Sie die Missstände aufrechterhalten wollen. Der Anfang jeder Besserung ist die ätzende, scharfe Kritik, die Feststellung dessen, was ist, nicht aber die Vertuschung dessen, was ist. Und wenn man erleben muss, dass jungen Mädchen, Proletarierinnen von 16, 17 Jahren, weil sie sich politisch missliebig gemacht haben, auf dem Berliner Polizeipräsidium gesagt wird – wie das vor wenigen Tagen geschehen ist –: Euch sollte man an die Wand stellen und niederknallen – dann erkennt man, dass wir wahrlich nicht in einer Zeit leben, wo es keine Klassen gibt, wo alle früheren Gegensätze in unserer Bevölkerung ausgelöscht sind. Im Gegenteil, diese Gegensätze sind schroffer geworden, sind vom Kriege herausgearbeitet worden in brutal aufreizender Weise. Meine Herren, wo bleibt angesichts dieser Dinge das „empfindsame deutsche Gemüt", von dem Herr von der Osten so viele Worte gemacht hat? Ihre Parole ist in Wirklichkeit auch hier „Fort mit der Sentimentalität!" Es wäre wahrlich Zeit zur Erlösung der unerlösten Seelen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Eine ganze Anzahl von Anträgen sind von den bürgerlichen Parteien zum höheren Schulwesen gestellt, Anträge, die nicht aus eigenem Antriebe gestellt worden sind, sondern nur in Erwiderung auf unseren Einheitsschulantrag, Anträge, die Unbemittelten das Aufrücken zur höheren Bildung ermöglichen sollen. Meine Herren, die Worte der Sympathie für eine solche „Neuorientierung" – denn mehr als Worte sind diese Anträge ja nicht – bedürfen genauer Durchleuchtung. Es wäre sehr erwünscht, eine Statistik zu haben, wie viele Kinder des Proletariats gegenwärtig durch die bisher bestehenden Einrichtungen ähnlichen Charakters eine höhere Bildung erlangt haben. Die Bedeutung oder Bedeutungslosigkeit der Anträge aber würde sich erst zeigen, wenn man diesen Zahlen entgegenhalten würde die Millionen und Millionen derer, die ein Recht darauf haben, den Weg zum Lichte zu gehen. Eine solche Statistik würde die Lächerlichkeit dieser kleinen Experimentchen zeigen, dieser Flickversuche, die von Ihnen unternommen werden. Meine Herren, was von Ihnen über das bisherige hinaus angestrebt wird, das ist ja nichts. Es soll zu einem kleinen Pflästerchen noch ein kleines Pflästerchen gelegt werden. Was wird angestrebt? Besonders Begabte sollen aufrücken. Bei den Reichen und Wohlhabenden spielt die besondere Begabung keine Rolle. Einige besonders Begabte sollen aufrücken. Wer wird prüfen? Welche Rücksichten werden maßgebend sein? Ein paar neue Freistellen, ein paar neue Stipendien sollen für besonders Begabte eingerichtet werden, Dinge, von denen es schon jetzt klar ist, dass sie zu einem sehr großen Teile gerade verarmten bürgerlichen Kreisen zugute kommen und nicht Proletariern. Ich habe selbst Gelegenheit gehabt, in einer Stipendienkommission der Berliner Universität mitzuwirken. Es ist ein seltener Fall, dass jemand, der dem Proletariat entsprossen ist, bis dahinauf gelangt; gewöhnlich sind es Verarmte aus bürgerlichen Kreisen, die auf diese Weise gestützt werden. Viele soziale Gründe, die ich vorhin kurz andeutete, bilden ein Hindernis dagegen, dass Proletarierkindern auch nur diese spärlichen Brocken zufallen. In der Tat, statt so großer Worte, wie sie von bürgerlicher Seite bei diesen Anträgen gemacht sind, die dem Proletariat nichts weiter als Bettelpfennige geben sollen, sollten die Herren sagen: Wir kochen breite Bettelsuppen. Und haben Sie denn kein Gefühl dafür, was es bedeutet, wenn man den Aufstieg zur höheren Bildung abhängig macht von solchen Bedingungen, wie Sie sie setzen, wenn man ihn zu einem Akt der Gnade macht, während dieser Aufstieg ein ursprünglichstes Menschenrecht ist, das durch die kapitalistische Gesellschaftsordnung nur der breiten Masse des Volkes verschränkt ist, durch die kapitalistische Gesellschaftsordnung, die gerade hier ihre ganze Gemeinschädlichkeit offenbart? Glauben Sie, dass die Masse des Volkes nicht die Empfindung hätte für jenes Wort aus dem Faust: „Es ist so elend, betteln zu müssen" – von den herrschenden Klassen. Statt des Rechts geben Sie Almosen, die mit Notwendigkeit dazu führen, dass denen, die sie erhalten sollen, das Rückgrat gebrochen wird. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Nur in ihrem innersten seelischen Wesen Gebrochene, unselbständig gemachte, ihres Klassenbewusstseins beraubte Proletarier können so bestenfalls als Helfershelfer der kapitalistischen Gesellschaftsordnung von Ihnen auferzogen werden. Und das Unerfreulichste, ja Widerwärtigste an alledem ist die Selbstgefälligkeit, mit der solche wertlosen Ansätze – man darf nicht einmal davon reden –, sondern solche Vorspiegelungen einer Neuorientierung der Öffentlichkeit dargeboten werden. Dieses Linsengericht, das noch dazu das herrschende Dreiklassenerziehungssystem stützt und stützen soll, wird in der Masse des Volkes wahrlich nicht den Eindruck erwecken, als ob es die herrschenden Klassen auch nur mit dem Maß sozialer Gesinnung ernst meinten, das an sich mit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung verträglich wäre. Nichts ist aufreizender in der Klassengesellschaft als die brutale, wahllose Verschwendung menschlicher Geisteskräfte, schlummernder und erwachter Geisteskräfte, als diese Verschwendung von wertvoller Menschenkraft in der Tretmühle der mechanischen Arbeit; dieses Gegenteil von Menschenökonomie, das die Charakteristik der heutigen Gesellschaftsordnung bildet. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Die tiefste Tragik vielleicht im Schicksal des Proletariats ist das eherne Gesetz, das die Kinder des Proletariats in die Dunkelheit des Geistes schmiedet, dieses hoffnungslose Händeausstrecken unerlöster Seelen, die zum Höchsten geboren sind, dieses hoffnungslose Händeausstrecken aus dem Abgrunde nach dem Lichte der Höhe. Ach, aus dieses Tales Gründen, Die der kalte Nebel drückt, Könnt ich doch den Ausweg finden, Ach, wie fühlt ich mich beglückt! Aber den Ausweg zeigen diese Anträge nicht. Das ist in Wahrheit ein Wald von dichtgedrängten Geistern, gleich dem von Virgil mit Dante durchwandelten, ein Wald von Geistern derer, die nicht gesündigt haben und doch unerlöst geblieben sind. Hier gibt's kein Jammern, sondern nur ein Seufzen, Davon die ew'gen Lüft' erzittern müssten. Und dies kommt hier von Leiden ohne Marter, So Scharen groß und zahlreich hier erleiden, Von Kindern und von Weibern und von Männern – nicht, wie jene vom Dichter geschilderten, verdammt, weil sie der Taufe entbehrten, sondern weil sie des Geldes entbehren. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) „Durch diesen Mangel, nicht durch inneres Böses sind sie verloren", und leben leidend und hoffnungslos im Sehnen, in jener tiefen Qual, die der Dichter erschüttert sieht. Und Sie sehen diese Tragik der heutigen Volksmasse, und die Furchtbarkeit dieses Weltkrieges legt das Nackteste des Menschlichen bis auf die Knochen bloß; aber Sie, auch die christlichsten Parteien, denken nicht daran, und der christliche Staat denkt nicht daran, diese Verschmachteten und Verdammten des Kapitalismus zu erlösen. Statt der Einheitsschule geben Sie Bettelsuppen. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Und weshalb geben Sie auch nur diese Bettelsuppen? Der Grund ist zweifach. Sie wollen demagogisch wirken. Sie möchten den Anschein erwecken: Was sind wir doch für tüchtige Kerle, wie liebevoll haben wir die Masse der Bevölkerung im Auge! „Kommet zu uns, die ihr mühselig und beladen seid, wir werden euch helfen" – mit Stipendien und Freistellen für ein paar besonders Begabte. Aber, meine Herren, der Zweck dieser Anträge ist noch ein Zweites, Es ist eine von einsichtiger Seite hervorgehobene Wirkung, die der Krieg mit seinen ungeheuren Menschenverlusten auch für die kapitalistischen Kreise hervorrufen muss und schon hervorgerufen hat, dass eine große Masse von im kapitalistischen Sinne bestqualifizierten Kräften, von Menschen, die Sie als Unteroffiziere, als Offiziere des Kapitalismus brauchen, hingeschlachtet sind. Und es ist von unterrichteter Seite darauf hingewiesen, wie unsere ganze materielle Kultur, wie die kapitalistische Kultur auch infolge der Zerstörung dieser Kräfte einen Rückfall wird erleiden müssen. Meine Herren, eine Parallelerscheinung zu der Erscheinung in der Feldarmee, wo durch die starken Offiziersverluste es unmöglich ist, alle Stellungen, die sonst Offizieren vorbehalten waren, durch Offiziere auszufüllen. So hat man sich in der Armee durch das Mittel der Feldwebelleutnants geholfen, denen freilich das Brandmal der niederen Herkunft aufgeprägt geblieben ist. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Aber immerhin, man schafft so für den Militarismus Funktionäre für den Krieg aus den unteren Schichten. Meine Herren, so steht es auch mit der Industrie, mit dem gesamten Wirtschaftsleben. Und wenn die Herren ernstlich daran denken, in höherem Maß als bisher geistige Kräfte des Proletariats, der unteren Schichten, denen erst das Rückgrat gebrochen, denen erst das Klassenempfinden, das sie etwa besitzen, herausgerissen werden soll, heranzuholen – wenn Sie ernstlich daran denken, so um deswillen, weil Sie Offiziere oder Feldwebelleutnants für den Kapitalismus brauchen, („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Führer, Unterführer aus den unteren Schichten, die Renegaten ihrer eigenen Klasse sind. Meine Herren, auch dieses Ziel Ihrer Anträge berechtigt uns, die Versuche der Demagogie, der Vorspiegelung falscher Tatsachen, die mit den Anträgen getrieben werden, von vornherein zu durchkreuzen. („Bravo!" bei den Sozialdemokraten. – Glocke des Präsidenten.) Präsident Dr. Graf von Schwerin-Läwitz: Herr Abgeordneter Liebknecht, Sie dürfen den Antragstellern nicht Vorspiegelung falscher Tatsachen vorwerfen. Ich rufe Sie wegen dieser Äußerung zur Ordnung. Liebknecht: Es darf auch wohl mit daran gedacht werden, dass Sie nach den Erfahrungen der Kriegszeit ein erhöhtes Vertrauen dazu haben, das Proletariat durch solche Mittel korrumpieren zu können. Nun, meine Herren, aber selbst das, was von diesen Anträgen noch übrig bleibt, sind ja vorläufig nur Worte und längst nicht Taten, und was daraus werden wird, wird die Zukunft lehren. Jedenfalls bin ich überzeugt: Es werden nicht mehr Kräfte aus den unteren Schichten herangezogen werden, als Sie eben für Ihre kapitalistischen Zwecke brauchen. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Und, meine Herren, so ist denn das Schicksal gerade dieser Anträge, die Sie zu einem ganz anderen Zwecke gestellt haben, der diesem Zwecke entgegengesetzten Wirkung zu dienen: das eherne Erziehungsgesetz der kapitalistischen Gesellschaftsordnung aufzudecken; die eherne Mauer zu zeigen, an der derartige Flickreformversuche notwendig scheitern müssen. Die einzige Möglichkeit, hier Wandel zu schaffen, ist Ihnen in unserem Einheitsschulantrag gezeigt. Von diesem Ziel werden Sie durch solche Anträge nicht ablenken. Herr von der Osten hat gegen unseren Antrag gesagt, er führe zur Uniformierung, während Differenzierung das Wesen der Kulturentwicklung sei. Ja, meine Herren, es ist schon richtig, dass sich, um mit Herbert Spencer zu reden, die beiden Tendenzen der Differenzierung und Integration in der menschlichen Entwicklung immer wieder ergänzen und ablösen; es ist schon richtig, dass eine andauernde Differenzierungstendenz in der gesellschaftlichen Entwicklung liegt. Aber was zum Vorteil der Menschheit dienen kann, das ist die individuelle Differenzierung, das ist die Nutzbarmachung der jeweils Besten für jeden einzelnen Zweck. Und gerade diese Differenzierung, diese Auswahl der Tüchtigsten für jeden gesellschaftlichen Zweck verhindert ja die kapitalistische Gesellschaftsordnung. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Die kapitalistische Gesellschaftsordnung differenziert zwar sehr, aber nur – und das ist Differenzierung nach dem Herzen des Herrn von der Osten – zwischen den Klassen. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Innerhalb der Klasse des Proletariats hindert sie die Differenzierung; sie uniformiert die große Masse des Volkes in der grobschlächtigsten Weise; die kapitalistische Walze zerwalzt das Proletariat zu einer gleichförmigen Masse. Eine Differenzierung im Sinne des Herrn von der Osten ist das Grab der Differenzierung, die zum Fortschritt der Kultur dienen kann. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, der Herr Minister hat am 14. d. M. gemeint, es habe kaum eine Zeit gegeben, wo so viel über Pädagogik geschrieben worden sei wie in dieser Kriegszeit. Herr Abgeordneter Oelze hat gestern in sehr hohen Tönen von Bildung, Wissenschaft, Freiheit, Ideal, und ich weiß nicht, von was all für schönen Dingen geredet. Ist der Panegyrikus des Herrn Abgeordneten Oelze berechtigt? Keine Täuschung! Was und wie wird heute in den Schulen gelehrt? Wie kommt es, dass besonders der Reform des Geschichts- und Religionsunterrichtes von den verschiedenen Seiten dieses Hauses solche Loblieder gesungen worden sind? Gerade der Geschichts- und auch der Geographieunterricht ist schon seit langem systematisch ausgenutzt worden, bestimmte politische Gesinnungen in die Schüler hinein zu tragen, und gerade die höheren Schulen waren ein Tummelplatz dieser Erziehungsmethoden. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, schon seit Jahren ist in den höheren Schulen systematisch jene Hatz besonders gegen England getrieben worden, die jetzt so herrliche Früchte trägt; die Saat ist herrlich aufgegangen. Die Art, wie man die Flottenvereine in den Schulen, gerade in den höheren Schulen propagierte, bildet einen schlagenden Beleg für den ganzen Geist, mit dem der Unterricht schon vor dem Kriege auch in den höheren Schulen durchtränkt war. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Und, meine Herren, wie steht es jetzt? Sie brauchen sich nicht nur an den Geschichtsunterricht, an den Geographieunterricht zu halten, in dem systematisch das Wirkliche und Wahre nicht gelehrt wird, sondern ganz etwas anderes, in dem die Weltgeschichte ad usum Delphini zu einer patriotischen Legende umgestaltet wird, um einen vorsichtigen Ausdruck zu gebrauchen. So steht im Mittelpunkt des Erziehungswesens in den höheren Schulen nicht das Ziel der Wahrheit, nicht das Ziel, objektives Wissen zu verbreiten, sondern das Gegenteil davon. Meine Herren, betrachten Sie den deutschen Unterricht. Im deutschen Unterricht soll sich die jugendliche Seele am ersten frei entfalten, ihre Flügel ausspannen, um zu versuchen, eigene Gedanken, eigene Empfindungen frei zu entwickeln und zu gestalten. Und wie wird heute der deutsche Unterricht getrieben, welche Aufsatzthemata werden den Kindern gestellt? Krieg, Krieg und noch einmal Krieg ist die Losung in der Schule! ("Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Den Kindern wird zur Pflicht gemacht, patriotische Leitartikel zu schreiben, statt Aufsätze. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Es wird ihnen vorgeschrieben, mit welcherlei Gesinnung und Empfindung sie das Aufsatzthema behandeln müssen; gewisse Phrasen der Kriegsbegeisterung werden ihnen vorgeschrieben. Das lernt jeder Vater an sich selbst kennen, wenn er die Aufsätze seiner Kinder sieht und plötzlich darin Wendungen findet, vor denen ihm graut, und dann hört: ja, das müssen wir schreiben, das geht ja gar nicht anders. Dann sieht man, wie durch diese Art des Unterrichts der Keim der Unwahrhaftigkeit in die Jugend hineingetragen wird („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.), statt des Geistes der Wahrhaftigkeit, aus dem allein alle Kraft und alle echte Kultur erwachsen kann. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Die hurrapatriotischen Aufsatzthemata, die hurrapatriotische Gesinnung, von der der ganze Unterricht heute auf höhere Anweisung getragen wird, sind geradezu ein Krebsschaden. Meine Herren, natürlich, wenn Sie derartige Ansinnen an die Schüler der höheren Schulen stellen, richten Sie nicht soviel Schaden an wie in den Elementarschulen. Denn die Schüler der höheren Schulen sind ja doch in der großen Menge Ihre Jugend, und der gebührt – so mögen Sie mit einigem Recht denken – nach ihrer Klassenstellung eben diese Gesinnung. Aber glauben Sie nur nicht, dass Sie durch eine solche gewalttätige Einzwingung, Eintrichterung von Gesinnung auch nur in Ihrem Sinne wirkliche Vorteile ziehen. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Das schlägt auch gegen Sie aus; es ist eine der plumpsten Methoden, um Ihre Klassenherrschaft zu stärken. Aber das ist Ihre Sache. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, und nun die Religion in der Schule, auch in der höheren Schule! Glauben Sie mir, der Gegensatz lässt sich nicht überbrücken, durch die geschickteste Dialektik nicht und durch die stärksten, zartesten und gröbsten Mittel der Pädagogik nicht, der Gegensatz zwischen Religion und Christentum und dem heutigen Völkermord. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Der Riss klafft unüberbrückbar. Der Vorhang des Tempels ist zerrissen. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, soll ich davon sprechen, in welche seelischen Schwierigkeiten auch die Kinder Ihrer eigenen Klasse kommen, wenn sie hören von dem Gott, der der Gott aller Menschen, also ein internationaler Gott ist, und dann wiederum hören, wie dieser Gott reklamiert wird von jeder Nation für sich. Und wozu? Zum Krieg! Der Gott der Nächstenliebe, der Friedensfürst, zum Krieg! Meine Herren, das sind Dinge, die einfach in ein kindliches Gemüt nicht hineingehen. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Ich habe es an meinem eigenen Kinde erlebt. Es musste in dieser Kriegszeit den Katechismus lernen; es musste lernen: Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst. Und ich frage das Kind: „Ja, hör einmal, sagt denn dein Lehrer immer dasselbe: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst?" Dann sagt das Kind: „Nein, natürlich nicht." Ja, wenn die Kinder hören, sie sollen die Russen und die Franzosen und die Engländer nicht lieben, die sollen sie hassen – („Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.) meine Herren, wie verträgt sich das? Meine Herren, die Lehre der Pädagogik ist die fundamentalste, dass nicht durch Worte am wirksamsten gelehrt wird, sondern durch Anschauung und durch Beispiel. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Was sollen die Kinder denken, wenn sie heute die Lehren der Religion mit Worten hören und wenn sie die Taten des christlichen Staats, der kapitalistischen Gesellschaft sehen? Was wird das Ergebnis sein? Dass sie sich sagen: Diese Worte der Religion, die uns hier gelehrt werden, sind Worte, die nicht befolgt werden, die sind etwas ganz anderes, als man tun muss. So wird die Religion irgendwo im Hintergrund der Seele eingeschlossen als etwas, woran man dann und wann denkt, was man an Feiertagen einmal herausholt; so ist sie ganz etwas anderes, als was sie nach der Forderung gerade des Christentums sein sollte, nämlich ein das ganze Leben und Handeln durchdringendes und bis ins einzelne bestimmendes Element. Meine Herren, über diese Gegensätze kommen Sie nicht hinaus, am wenigsten in einer Zeit, in der so offenkundig wie heute nicht die Religion der Nächstenliebe, sondern die Religion des Baal, die Religion des Moloch und des Vitzliputzli gilt, in einer Zeit, wo wirklich – denken Sie an die Hyänen des Wirtschaftslebens, die heute in dem christlichen Gesellschaftsleben eine große Rolle spielen –, wo wirklich der Tanz um das Goldene Kalb getanzt wird, in einer Zeit, wo schließlich doch auch die Kinder verstehen: Es geht bei diesem Kriege um kapitalistische Geschäftsinteressen. (Lebhafter Widerspruch – Lebhafte Zustimmung.) Ja, meine Herren: Schreibtafel her, ich muss es schreiben, Dass einer beten kann und immer beten Und doch ein Kriegshetzer sein. Wenn man da lehrt: Lasset die Kindlein zu mir kommen – es ist nicht zu vermeiden, dass die Kinder fragen und die Eltern auch: Wozu rufen sie heute die Kinder in die Schule: Lasset die Kindlein zu mir kommen? Die Kinder des Proletariats, man sucht sie zu beeinflussen, zu gewinnen für die Weltanschauung der herrschenden Klassen. Und was ist die Weltanschauung des Kapitalismus? Das ist die Weltanschauung der Unterdrückung, das ist die Weltanschauung dieses Weltkrieges, dieses Massenmordes. Meine Herren, seit je ist die Schule als ein politisches Machtinstrument gebraucht worden, („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) nicht nur in Preußen. Auch das ist eine Erscheinung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, der Klassenordnung, auch in demokratischen Ländern, und in verschiedener Schärfe, in Preußen-Deutschland natürlich besonders ausgeprägt. Meine Herren, ich denke daran, wie man jetzt höhere Bildung hinausträgt in die okkupierten Gebiete. Ich will darauf nicht weiter eingehen; aber wie merkwürdig mutet es an, wenn man z. B. in den „Belgrader Nachrichten", die von der österreichischen Regierung herausgegeben werden – (Abgeordneter von Pappenheim: „Höhere Schulen!") ja, meine Herren, das betrifft die Gründung höherer Schulen und Volksschulen in den besetzten Gebieten –, wenn da in einem Artikel zur Eröffnung der ersten Schule in Belgrad geschrieben wird, welche Sünde es gewesen sei, dass die serbische – – (Glocke des Präsidenten.) Präsident: Herr Abgeordneter Liebknecht, die Belgrader Schule gehört nicht zu dem Etat des Kultusministeriums. Ich rufe Sie zur Sache und bitte Sie, nunmehr zu den Angelegenheiten der höheren Schulen zu kommen. Liebknecht: Meine Herren, die Missstände an den höheren Schulen, die ich zu rügen habe, haben die höheren Schulen im Wesentlichen mit den anderen Teilen des Unterrichtswesens gemeinsam. Es ist in der Budgetkommission viel von den Schulen als praktischen Helferinnen im Dienste des gegenwärtigen Krieges gesprochen worden. Das ist von Ihnen, von Ihrem Klassenstandpunkt aus natürlich mit Freude begrüßt worden. Es ist darauf hingewiesen worden, wie man Schüler für die Kriegswirtschaft zur Verfügung stellt, zum Sammeln des Kriegsgoldes und zur Propaganda für die Kriegsanleihen systematisch ausnutzt. („Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten. – Zurufe rechts.) – Das gehört zu den höheren Schulen! Meine eigenen Kinder haben das Material mit nach Hause bringen müssen. Darüber muss hier gesprochen werden. Meine Herren, da man die Kinder nicht aufs Schlachtfeld hinaus schicken kann, macht man sie so zu Propagandisten für den Krieg, zu Kriegsinstrumenten. So ist die Schule nach ihrem Gesamtcharakter ein politisches Propagandamittel für den Krieg, ein Hilfsmittel für die Kriegswirtschaft, ein Werkzeug für die Kriegsfinanzen. Sie ist ein besonderes Mittel zur Erziehung für den Krieg! Die Militarisierung der Schule, auch der höheren Schule, wird auch von mancher bürgerlichen Seite mit einiger Bedenklichkeit betrachtet. Die heutige Erziehung geht darauf hinaus, schon in der Schule zu beginnen, die Menschen zu Kriegsmaschinen zu erziehen; sie macht die Schulen zu Dressuranstalten für den Krieg, körperlich und seelisch. Das Ziel der körperlichen Ertüchtigung der Jugend – natürlich an und für sich durchaus zu billigen –, weshalb wird es jetzt lebhafter verfolgt? Wegen der Erkenntnis, dass man die so gekräftigten jugendlichen Körper künftig brauchen wird für den Moloch Militarismus. Also auch diese „Ertüchtigung" steht unter dem Gesichtswinkel des Krieges; die Hebung der menschlichen Gesundheit unter dem Gesichtswinkel eines Ziels, das Vernichtung von Menschenleben ist! Meine Herren, der obrigkeitliche Beeinflussungsapparat, in dem Kirche, Kunst und Wissenschaft, Volksschule, Universität und natürlich auch die höhere Schule, neben Polizei und Gerichten, Zensur und dem ganzen Verwaltungsapparat des Belagerungszustandes zusammenwirken, war noch nie so aufgedeckt wie heute, wo er dem Kriege dient. Aber die Zensur hindert die öffentliche Kennzeichnung. So muss, man hier darüber reden. Meine Herren, wie sich die Kriegspsychologie mit den Grundlagen unserer Bildung verträgt, will ich nicht untersuchen. Man käme zu jämmerlichen Ergebnissen. Ich darf jetzt nicht von Kunst und Wissenschaft im Allgemeinen sprechen, sondern nur von höheren Schulen. Meine Herren, der Herr Abgeordnete Oelze hat gestern gefordert, dass der Militarismus in immer stärkerem Maße in die höheren Schulen eingeführt werde, dass er gewissermaßen der alles durchdringende Geist des höheren Schulwesens werde, („Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.) der Militarismus, den er definiert hat als freie Unterwerfung unter die Disziplin. Diese Definition macht dem Herrn Abgeordneten Oelze alle Ehre. Wir sind der Ansicht, dass der Militarismus genau das Gegenteil von freiwilliger Disziplin ist, dass eben gerade die Gewaltdisziplin das Wesen des Militarismus ausmacht. Aber der Wunsch, dass der militaristische Geist in den höheren Schulen alles durchdringe, ist bereits in so hohem Maße erfüllt, dass ich fragen möchte, was dem Herrn Abgeordneten Oelze noch zu wünschen übrig bleibt. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, wenn ein bürgerlicher Abgeordneter in der Kommission die Sorge äußerte, dass die einseitige militärische Ausbildung zur Verrohung der Jugend führe, so werden Sie doch durch diese Sorge nicht abgeschreckt, weil eben Ihr wirklich Allerheiligstes dabei auf dem Spiele steht, eben der Militarismus, und der lässt sich nun einmal, sowenig sich Religion mit Krieg und Militarismus verträgt, ebenso wenig von der Verrohung trennen. Die hohen Worte, von denen gestern der Mund des Herrn Abgeordneten Oelze überfloss, sind wahrlich nur hohe Worte gewesen, und sie werden nichts anderes sein als hohe Worte, und zwar Worte, die nicht einmal, wenn sie ausgesprochen werden, in ihrem Wortsinn ehrlich gemeint sein können. Er sprach von der Freiheit als einem Ideal der Erziehung. Ja, meine Herren, Freiheit für die herrschenden Klassen, aber Unterdrückung für die unteren Klassen, für die breite Masse: das ist doch das Ideal Ihrer Erziehung. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Seien Sie doch ganz offen: Sie wollen keine Freiheit der Gesinnung in der großen Masse des Volkes: Sie wissen, dass das die Götzendämmerung der herrschenden Gesellschaftsordnung bedeuten würde. Die Ideale, die Sie hegen, haben für die breite Masse eine Kehrseite, die gar nicht ideal ist, und diese Kehrseite aufzudecken ist unsere Aufgabe. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, ist Idealismus denn wirklich einer der Erziehungszwecke der höheren Schulen? Die klassische Bildung, die in der heutigen Schule gelehrt wird, noch dazu heute, im Kriege, ist nur eine Parodie der klassischen Bildung. Das Wesen der klassischen Bildung, so wie sie von denen verstanden wurde, die ihre Einführung als Grundlage des Bildungswesens in langen Kämpfen durchsetzten, ist nicht das Lernen, das Einpauken von Wissen, von Sprachen, von Kenntnistatsachen, sondern der Geist des Humanismus, der Humanität, der Unabhängigkeit und Selbständigkeit, der Geist der ungehemmten Kritik, die wirkliche Freiheit des Geistes. Das Gegenteil ist es, was Ihr Erziehungsideal bildet: das Ideal der Pickelhaube, des Bajonetts, der Granaten, der Länderverwüstung, der Giftgase und der Bomben, die auf die Bevölkerung friedlicher Städte herunter geworfen werden, das Ideal des U-Boot-Krieges, der „Lusitania"-Torpedierung1. Meine Herren, das ist etwas ganz anderes als das Ideal der klassischen Bildung. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten. – Zurufe rechts.) Ja, meine Herren, das ist die Wahrheit, (Große Heiterkeit.) die ich den Verhüllungsversuchen entgegensetze, die Sie treiben. Ich spreche aus, was die Wirklichkeit Ihres Erziehungsideals ist, und zerfetze die Redewendungen, mit denen man die Wirklichkeit zu verdecken sucht. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten. – Lachen rechts.) Von dem Herrn Regierungspräsidenten von Schwerin in Frankfurt/Oder ist der Ihnen allen bekannte Erlass herausgegeben worden, dessen Übertragung auf die höheren Schulen in der Staatshaushaltskommission gefordert worden ist, obwohl das kaum mehr nötig war, und auch bestätigt wurde, obwohl auch das kaum mehr nötig war, Der Geist, von dem auch der Unterricht in den höheren Schulen durchtränkt sein soll, ist in diesem Erlass in klassischer Weise in Worte gefügt. Wenn es heißt, dass in den Schulen die Gefühle der allgemeinen Völkerverbrüderung und der internationalen Friedensschwärmerei ausgerottet, dass alle Neigungen, solchen Gefühlen Raum zu geben, in schroffer Form beseitigt werden müssen, wenn die Propaganda für gegenwärtige und künftige Militärvorlagen, für die Verstärkung der Armee zur Aufgabe des Schulunterrichts gestempelt wird, wenn es weiter zur Aufgabe der Schule gemacht wird, die „Schandtaten, die unsere Feinde an den Deutschen der ganzen Erde begangen haben", nicht zu entschuldigen oder zu beschönigen, sondern vielmehr die Empfindungen des Hasses und der Empörung darüber zu erwecken und zu pflegen, dann spricht das mit aller wünschenswerten Deutlichkeit das aus, was wir für verderblich halten, („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) was wir als einen schlimmsten Missbrauch der Schule erklären. (Lachen rechts. – „Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Und diese Gesinnung begrüßte der Herr Abgeordnete von Campe mit den Worten: „Ich halte diesen Erlass für einen der verständigsten, die je erlassen sind." („Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten. – „Sehr richtig!" rechts.) Das „Sehr richtig!", das Sie mir zurufen, soll festgehalten werden. Es ist nicht nur der Herr Abgeordnete von Campe, der so denkt, sondern Sie allesamt sind es. (Zuruf: „Alle vernünftigen Leute!") Das ergab bereits die Sitzung der Kommission; nicht nur Sie allesamt sind es, sondern auch die Regierung dazu. Geist der klassischen Bildung, Geist des Humanismus! Der Herr Abgeordnete von Campe sprach von einer Knochenerweichung in der Gesinnung, gegen die durch solche Kriegshetzpropaganda in der Schule gearbeitet werden müsse, und begrüßte es, dass in Hannover ein ähnlicher Erlass herausgekommen ist. Wenn aber die Pflicht, die Wahrheit zu sagen, die erste Pflicht aller Erziehung ist und wenn die Wahrheit in den Schulen gelehrt werden sollte, dann müsste ganz etwas anderes gelehrt werden, als was nach dem Herrn Abgeordneten von Campe und nach jenem Erlass und nach dem Willen der Regierung jetzt in der Schule gelehrt wird. Dann müsste die Wahrheit des Belagerungszustandes gelehrt werden, dann müsste gelehrt werden, wie es mit der „Neuorientierung" steht, dann müsste gelehrt werden, welchen Interessen dieser Krieg dient und wie dieser Krieg entstanden ist, dann müsste gelehrt werden nicht nur die Scheußlichkeit des Mordes von Sarajevo, wie Herr von Campe will, dann müsste hinzugesetzt werden, dass gewisse Kreise in Deutschland und in Österreich diesen Mord als Gottesgeschenk begrüßt haben, („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) weil er ihnen den Kriegsvorwand gegeben hat – – (Stürmische Pfuirufe. – Glocke des Präsidenten.) Das ist die Wahrheit! (Andauernde stürmische Unruhe und Pfuirufe. – Glocke des Präsidenten.) Das ist die Wahrheit! Ein Vorwand war es. Die Maske vom Gesicht – (Fortgesetzte stürmische Pfuirufe. – Glocke des Präsidenten.) Präsident: Herr Abgeordneter Liebknecht, ich bitte Sie zunächst, zu schweigen. Liebknecht: Das ist die Wahrheit! (Andauernde stürmische Unruhe und Rufe: „Raus!") Sie wollen sie nicht hören. Das Gericht wird über Sie kommen – – (Fortgesetzte stürmische Unterbrechungen. – Die Konservativen, Freikonservativen, das Zentrum und die Nationalliberalen verlassen den Saal.) Flüchten Sie vor der Wahrheit! Gehen Sie hinaus! Sie können sie nicht hören. (Glocke des Präsidenten.) Präsident: Herr Abgeordneter Dr. Liebknecht, ich rufe Sie wegen dieser unerhörten Verletzung der nationalen Empfindungen dieses Hauses und des ganzen Landes zur Ordnung und mache Sie auf die geschäftsordnungsmäßigen Folgen aufmerksam. Ich werde, wenn Sie zu einem weiteren Ordnungsruf herausfordern, das Haus fragen, ob es Sie noch weiter hören will. Ich bitte Sie, fortzufahren. (Große Unruhe. – Rufe: „Raus!" – Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Liebknecht: Meine Herren, ich habe nur das mitgeteilt, was ich selbst mit tiefster Empörung empfinde, aber mit eigenen Ohren gehört habe und was die Wahrheit ist. Das Ziel der humanistischen Bildung ist universal und natürlich, ist Freiheit der Kritik, Protest gegen alle knechtischen Vorurteile, um einen Ruf des Neuhumanismus zu wiederholen. Johann Arnos Comenius hat in seinem System der Pädagogik jene Forderung des Einheitsschulwesens aufgestellt mit den hohen humanistischen Idealen, von denen ich eben sprach, und Pestalozzi war es, der gleichfalls den inneren Zusammenhang aller Schulgattungen in einem System und jene großen humanistischen Erziehungsgedanken lehrte, von denen die heutige Schule himmelweit entfernt ist, die heutige Schule, deren Zweck die materielle Nützlichkeit geworden ist. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Das gilt auch von den höheren Schulen, das gilt selbst von den Universitäten. Der Utilitarismus zerfrisst die Grundlagen unseres ganzen Erziehungssystems. Wissen – jawohl, soweit dieses Wissen dem Zwecke dient, für die kapitalistische Gesellschaftsordnung Nützlichkeitsdienste zu leisten. Wissen – jawohl, soweit es vorteilhaft ist für die Technik des Kapitalismus, für den Profit des Kapitalismus, soweit es erforderlich ist für die Kriege des Kapitalismus. Und es ist eine der unmenschlichsten Erscheinungen in der heutigen Menschheit, dass die Wissenschaft sich zu einem sehr großen Teil, zu einem überwiegenden Teil orientiert gerade am Kriege, an der Frage: Wie diene ich am besten den kriegerischen Interessen der herrschenden Klassen, des Imperialismus? Wenn wir weiter sehen, wie die Vertreter der Kunst und Wissenschaft beim Trommelwirbel eingeschwenkt sind wie Rekruten – – (Glocke des Präsidenten.) Präsident: Herr Abgeordneter, hier handelt es sich nicht um Kunst und Wissenschaft, sondern um die höheren Lehranstalten. Ich bitte, dazu zu kommen. Liebknecht: Ich wollte zeigen, dass diese selbe Erscheinung sich zeigt auf dem Gebiete des höheren Schulwesens in der Art, wie dort Kunst und Wissenschaft gepflegt werden. Natürlich ist ein großer Unterschied im Unterricht der Elementarschulen und der höheren Schulen. Denn während es die Aufgabe der Volksschule ist, die Jugend des Proletariats brauchbar zu machen zum Werkzeug für die kapitalistische Gesellschaftsordnung, für die herrschenden Klassen, ist es in erster Linie die Aufgabe der höheren Schulen, die Jugend der herrschenden Klassen für die Herrenaufgabe, die sie in der heutigen Gesellschaftsordnung zu erfüllen hat, stark und fähig zu machen. Aber es ergibt sich dabei eine gar eigentümliche Synthese aus der Phraseologie der sozusagen amtlich abgestempelten Moral und der kapitalistischen Wirklichkeit, die im krassen Gegensatz dazu steht. Das Erziehungsideal des Kapitalismus ist nicht Humanität und Idealismus, sondern ihr Gegenteil. Der Fall Joel zum Beispiel, den ich nicht weiter berühren darf, das ist ein Stück der Wahrheit vom Idealismus des heutigen Bildungswesens. Ein anderes Stück dieser Wahrheit ist die Behandlung der Ausländer in den Schulen. Denn auch aus den höheren Schulen, nicht nur von den Universitäten, sind die Angehörigen der feindlichen Staaten vertrieben worden („Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.) mit dem Ausbruch des Krieges. Das allgemeine dazu hat gestern mein Freund Hoffmann gesagt. Unser Standpunkt bedarf keiner neuen Darlegung. Dass wir dieses Austoben des Völkerhasses auf dem Gebiete der Bildung grundsätzlich und schroff verwerfen, bedarf keines Wortes. Der Herr Abgeordnete von Savigny hat in der Budgetkommission ausgesprochen, welchen Zweck die frühere Zulassung von Ausländern zu den deutschen Schulen, welchen Zweck die Gastlichkeit, die früher gegen sie geübt worden sei, gehabt hat: Man habe durch diese Gastlichkeit im Auslande Sympathien erwerben wollen, um sich dadurch indirekt politische und wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. („Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.) Das ist allerdings echter deutscher Idealismus! Wir können nur danken für diese Aufdeckung der wirklichen Wurzeln der früheren Zulassung von Ausländern. Auf demselben Gebiete liegt die Forderung der bürgerlichen Parteien, dass im gesamten Schulwesen, auch im höheren Schulwesen, jetzt die Teile des Orients, mit denen Deutschland und das deutsche Kapital in besonders engen Beziehungen steht, stärker berücksichtigt werden sollen. Man denkt auch so die Schulen zu Propagandainstrumenten zu machen für die wirtschaftlichen Zwecke, die mit diesem Kriege verfolgt werden. Diese ganze Erziehungsmethode gipfelt in der militärischen Jugenderziehung, die auf den höheren Schulen wie in den Elementarschulen immer systematischer betrieben wird. Auch diese militärische Jugenderziehung, diese Jugendwehrerziehung, ist ein Stück der Wahrheit über das heutige Erziehungsideal. So hat der Krieg, der so vieles umgestürzt und so vieles entblößt hat, was bis dahin seine Blößen schamvoll zudeckte – so hat der Krieg, der so vieles vernichtet hat, auch den Rest jener Erziehungsideologie zerstört, die noch an den hochfliegenden humanistischen Erziehungsgedanken des aufstrebenden Bürgertums festhielt. Der nackte Utilitarismus hat auf der ganzen Linie gesiegt. Man könnte noch darlegen, wie der Krieg auch die technische Qualität des Unterrichts, den äußeren Bestand der Schule in den verschiedensten Richtungen aufs schwerste getroffen hat. Wenn der Dreißigjährige Krieg geradezu verheerend und vernichtend auf das Erziehungswesen gewirkt hat, so müssen wir schon heute sagen, dass das gleiche von dem jetzigen Krieg gilt. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Die Wirkung wird um so dauernder sein und um so stärker und entscheidender gerade das Edle treffen, was sich aus der Zeit des aufstrebenden Bürgertums herübergerettet hatte in die heutige Zeit des Hochkapitalismus, („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) je länger der Krieg dauert, je weniger während des Kriegs und nach dem Kriege die sozialen und politischen Pflichten von den herrschenden Klassen erfüllt werden. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) So ist der Krieg, dieser Zerstörer der Familie, auch der Zerstörer des Schulwesens. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Was Ihnen eine Neugeburt erscheint, was Sie am Geschichtsunterricht usw. preisen, das sind in der Tat Zeichen der Verwilderung („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) das sind Erscheinungen des Todeskampfes, den das frühere Erziehungsideal des Bürgertums heute kämpft. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, wenn es in jenem Schillerschen Gedichte der Sehnsucht heißt: „Nur ein Wunder kann dich tragen in das schöne Wunderland", und wenn ich an das Proletariat denke, an die Millionen der ins Dunkel Verdammten, so sage ich allerdings: Hier gilt das Wort des Dichters nicht; nur die eigene Kraft, kein Wunder und keine Segnung von oben kann das Proletariat in das schöne Wunderland tragen, in dem die Schätze und Herrlichkeiten des menschlichen Geistes zu finden sind. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten. – Lebhafte Rufe rechts: „Zur Sache!") Davon handeln Ihre Anträge, die bei diesem Punkte zur Abstimmung stehen, Herr von Pappenheim! – Und wenn jene unerlösten Seelen des Danteschen Weltepos leidend, doch ohne Hoffnung im Sehnen, leben, so gilt auch das nicht von dem Proletariat: Es lebt nicht ohne Hoffnung, sondern voll Zuversicht. Aber die Errettung der Arbeiterklassen aus dem Abgrund kann nicht kommen von Ihren Anträgen – (Glocke des Präsidenten.) Präsident: Herr Abgeordneter Dr. Liebknecht, das gehört nicht mehr zum höheren Schulwesen. Ich rufe Sie zum zweiten Male zur Sache und mache Sie auch in dieser Hinsicht auf die Folgen der Geschäftsordnung aufmerksam. Sie haben sich streng an die höheren Schulen zu halten. Liebknecht: Ich spreche von den Anträgen über den Aufstieg von Angehörigen der unteren Stände zu den höheren Schulen. Ich spreche genau von demselben, wovon ich vorhin sprach und was der Herr Präsident vorhin als durchaus zur Sache gehörig betrachtete. Ich sage: Auch die geistige Befreiung der Arbeiterklasse, ihre Befreiung aus den Fesseln der geistigen Unterdrückung kann nur das Werk der Arbeiterklasse selbst sein. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Und es ist unsere Aufgabe, der Arbeiterklasse aller Länder auch bei dieser Gelegenheit zuzurufen: Ans Werk! Sowohl die in den Schützengräben wie die im Lande – sie sollen die Waffen senken und sich gegen den gemeinsamen Feind kehren, der ihnen Licht und Luft nimmt. (Große Unruhe rechts. Glocke des Präsidenten.) Präsident: Herr Abgeordneter Dr. Liebknecht, das gehört nicht zur Sache. Ich rufe Sie zum dritten Mal zur Sache und werde jetzt das Haus fragen, ob es Ihre Ausführungen weiter hören will. (Stürmischer Beifall rechts und im Zentrum. – Große Unruhe. Lebhafte Zurufe bei den Sozialdemokraten. Abgeordneter Dr. Liebknecht versucht vergeblich, weiterzusprechen. – Die Mitglieder der Konservativen Partei, der Freikonservativen Partei, des Zentrums und der Nationalliberalen Partei treten wieder in den Saal ein.) Ich bitte die Herren, Platz zu nehmen. Ich bitte, dass diejenigen Herren, welche die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Liebknecht, nachdem ich ihn zum dritten Mal zur Sache und außerdem zweimal zur Ordnung gerufen habe, noch weiter hören wollen, sich von ihren Plätzen zu erheben. (Geschieht.) Das ist die Minderheit; Herr Abgeordneter Dr. Liebknecht, ich entziehe Ihnen das Wort und bitte Sie, die Tribüne zu verlassen. (Stürmischer Beifall. – Lebhafte Zurufe bei den Sozialdemokraten. – Große Unruhe.) II Persönliche Bemerkung Meine Herren, Sie machen es mir durch den Schluss der Debatte unmöglich, mich mit einigen Ausführungen zu beschäftigen, die die Herren Vorredner gegen mich gemacht haben. Im Rahmen einer persönlichen Bemerkung wird es mir immerhin gestattet sein, zurückzuweisen, was Herr Abgeordneter Wildermann und Herr Abgeordneter Blankenburg gegen meine Ausführungen über die Kriegsaufsätze gesagt haben. Sie haben bezweifelt, dass meine Behauptungen in dieser Beziehung richtig sind. Ich kann nur wiederholen, dass meine Erfahrung, meine genaue Kenntnis dem schroff widerspricht, was der Herr Abgeordnete Blankenburg vorgetragen hat. Aufsatzthemata über die Bedeutung von Verdun – – (Glocke des Präsidenten.) Präsident: Herr Abgeordneter, das ist nicht mehr persönlich. Ich bitte, sich streng auf die persönlichen Bemerkungen zu beschränken. Liebknecht: Es wurde behauptet, meine Behauptung sei unrichtig. Aber meine Behauptung ist in der Tat richtig. Ich könnte eine Fülle von Aufsatzthemata nennen, aus denen sich ergibt, dass die Kinder Aufsätze über Kriegstechnik, Waffen, Schlachten und allerhand Einzelheiten des gegenwärtigen Krieges machen müssen und zur Lobpreisung der 42-cm-Mörser erzogen werden. (Zuruf.) „Das ist gut!" sagen Sie. Ich brauche auch nur an das Auswendiglernen des Lissauerschen Hassgesangs zu erinnern! Ich habe dabei nicht von meinen persönlichen Erfahrungen gesprochen, wenn ich sie auch erwähnt habe, sondern ich habe allgemeine Darlegungen gemacht, die der allgemeinen Erfahrung entsprechen. Dass muss auch Ihre Erfahrung sein, und Sie bestreiten durchaus zu Unrecht. Wenn der Abgeordnete Blankenburg weiter gemeint hat, meine Behauptung, dass es sich bei den Anträgen um Popularitätshascherei handle und dass diese Anträge den Zweck verfolgten, Funktionäre für den Kapitalismus zu schaffen, sei unrichtig, und er dann selbst sofort sagte: Fabrikarbeiter sollten Fabrikdirektoren werden und Landarbeiter Gutsinspektoren – Illusionen natürlich –, dann hat er damit genau das bestätigt, was ich behauptet habe. Wenn im Übrigen der Abgeordnete von Zedlitz einige Bemerkungen gegen mich gerichtet hat, (Widerspruch bei den Freikonservativen.) so glaube ich, dass diese Bemerkungen falsch adressiert waren. Der Abgeordnete von Zedlitz hätte sprechen sollen von der schweren Pathologie der heutigen Gesellschaftsordnung, die bis in die Wurzeln krank ist und deren Krankheit ich bloßzulegen versucht habe. Der Abgeordnete Freiherr von Zedlitz hat diese Angriffe gegen mich offenbar in demselben Geiste gerichtet, in dem er einst insgeheim seine berühmten „Unterrocks"- und „Frauenzimmer"-Artikel geschrieben hat – gegen die von ihm öffentlich gebenedeite monarchische Spitze des Staates. 1 Am 7. Mai 1915 wurde das englische Passagierschiff „Lusitania" von einem deutschen U-Boot ohne Warnung torpediert und versenkt. Dabei ertranken mehr als 1000 Menschen. |
Karl Liebknecht > 1916 >