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Rosa Luxemburg 19130829 Der Riesenkampf in Łódź

Rosa Luxemburg: Der Riesenkampf in Łódź1

[Der Textil-Arbeiter (Berlin), Nr. 35 vom 29. August 1913, S. 277. Nach Gesammelte Schriften, Band 3, 1973, S. 298 f.]

Die Mehrzahl der Ausgesperrten und Streikenden in Łódź hat bereits die Arbeit wieder aufgenommen. Immerhin stehen noch in diesem Augenblick über 20.000 Arbeiter im Streik. Von den großen, nach Tausenden Beschäftigten zählenden Fabriken wird nur noch bei der Firma Ender u. Krusche der Kampf fortgesetzt, während bei Scheibler, Poznański und Geyer die Arbeit unter den alten Bedingungen wieder aufgenommen worden ist. Trotzdem ist der Kampf durchaus nicht ergebnislos gewesen. In einer ganzen Reihe kleinerer Fabriken sind Lohnerhöhungen errungen worden. Und zwar sind die Löhne um 10 bis 15 Prozent erhöht worden bei den folgenden Firmen: Goldberg u. Co., Rothenberg u. Chodoroff, Oskar Preessak, Kross u. Co., Gebrüder Seibert, B. Etkin, H. Wislizki, Kaiserbrecht, Weidelmann u. Habergrütz, Margulies, Engl und Letny, Kres, Asterblum, Diamant u. Co., J. Rapaport, Moniz, Bermann u. Silber, Tykoziner, Rosenblatt, Bauer, Steigert, Weicht, Leonhardt, Wachs, Weiß, Girbart u. Woelker, Warchinker, Schpiro, Albert, Rousseau u. Co., Martin u. Semek, Lubowski, Jakobowiz, Lebdiner u. Levin, J. Kindermann, Alfred Psich, Michel, Swatek, Winzberg, Selmann, Gofran, Lichtenstein, Wyseranski, Ramisch, Gebrüder Dobranizki, Wiener, Großmann, Chwat, Jarozinski, Muehle, Kanel, Motte u. Co., Finkelkraut und Katz, Heinzel, Eisenbraun, Silberstein, Glaeser, Schochet, Teitelbaum, Danziger, Reichmann und Halpern. Um 18 Prozent sind die Löhne bei Peiß erhöht worden, um 20 Prozent bei Rotschild, um 20 bis 30 Prozent bei A. Prussak. In allen Plüschfabriken hat man Lohnerhöhungen um 20 bis 40 Prozent erreicht. Außerdem sind den Streikenden namhafte Konzessionen gemacht worden in dem Nachbarort Zgierz, wo gleichfalls die Textilindustrie ihren Sitz hat und wo der Kampf mitgemacht wurde, ebenso in Konstantynów und Neurokit. Auch die aus Sympathie mit den Textilarbeitern in die Bewegung getretenen Łódźer Arbeiter der Gasanstalten, die jüdischen und deutschen Zeitungssetzer, die Trambahnangestellten haben teilweise Konzessionen zu verzeichnen.

Im Allgemeinen ist die Stimmung unter den Arbeitern sehr frisch und kampflustig. Die meisten sind zur Arbeit zurückgekehrt mit der festen Entschlossenheit, bei der nächsten günstigen Gelegenheit den Kampf wieder aufzunehmen; ihn jetzt gleich fortzusetzen war für die Zehntausende einfach physische Unmöglichkeit angesichts der kargen Unterstützung. Die meisten Streikenden konnten ohnehin nur in der Weise durchhalten, dass sie auf die umliegenden Dörfer gingen und bei Verwandten Unterkunft suchten oder bei der Ernte einigen Verdienst fanden. Wenn man bedenkt, dass unter diesen Umständen, nach Jahren größten Elends, ohne jede Aussicht auf feste Unterstützung, Zehntausende wochenlang im Kampf aushielten – die offiziell registrierte Höchstzahl der Ausgesperrten und Streikenden betrug 69.000, wovon mehrere 7 Wochen in Bewegung stehen – und dass jetzt immer noch 20.000, also mit Familien zirka 80.000 Menschen nackten Hunger leiden, ohne sich dem Machtwort des Unternehmertums zu fügen, so kann man dem Mut und der Zähigkeit der Łódźer Arbeiterschaft die Bewunderung nicht versagen. Wenn selbst die teilweise errungenen Lohnerhöhungen nicht wären, so würde der Riesenkampf doch wieder beweisen, dass man es hier nicht mit einem Strohfeuer, nicht mit einem kopflosen Verzweiflungsausbruch zu tun hat, sondern mit zäher Energie und entschlossenem Kampfesmute, mit einer Opferfreudigkeit, die keine Grenzen kennt und die Freund wie Feind Respekt einflößen muss.

1 Dieser Artikel ist nicht gezeichnet. Aus Briefen Rosa Luxemburgs vom Juni/Juli 1913 an Leo Jogiches geht hervor, dass sie die Verfasserin ist. (Siehe Róźa Luksemburg: Listy do Leona Jogichesa-Tyszki, Bd. 3, Warschau 1971, S. 336-345.)

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