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Leo Trotzki 19320818 Konjunkturperspektiven und die Aufgaben der Komintern

Leo Trotzki: Konjunkturperspektiven und die Aufgaben der Komintern

(Kurze Einführung in die Diskussion.)

[Nach Mitteilungsblatt der Reichsleitung der Linken Opposition der KPD, Nr. 6 (Oktober 1932) S. 1-3]

Die Konjunkturzyklen haben in der Nachkriegsperiode aufgehört, den normalen Mechanismus der kapitalistischen Entwicklung zu bilden, inwieweit der Kapitalismus als Ganzes sich in der Verfallsperiode befindet. Das bedeutet aber nicht, dass die Konjunkturschwankungen der Vergangenheit angehören. Zwar haben sie unmittelbar nach dem Kriege ihren zyklischen und – wenigstens in Bezuge auf die Wiederbelebung –, ihren Charakter eingebüßt. Dieser wie jener erlebt aber – zumindest bis zu einem gewissen Grade – vor unseren Augen seine Wiederherstellung.

Die gegenwärtige Krise ist von weltumspannendem Charakter. Dies bedeutet,dass die Weltwirtschaft, deren Bestand in den Kriegsjahren unterbrochen war, sich über alle Zollmauern hinweg die Bahn geebnet und in äußerst schmerzhafter Form ihre machtvolle Realität bewiesen hat. Es ist aller Grund zur Annahme vorhanden, dass der künftige Umschwung der Konjunktur in die Richtung einer Belebung – nicht gleichzeitig und nicht mit gleicher Stärke – ebenfalls Weltcharakter annehmen wird. Mit andern Worten, die zyklische Bewegung des Kapitalismus wird durch die gegenwärtige Krise wiederhergestellt.

Selbstverständlich kann man künftig keine vollblütigen Zyklen erwarten. Hatten in den letzten zwei Jahrzehnten vor dem Kriege die Krisen den Charakter kurzer, nicht tiefgehender Stockungen, während jeder neue Aufschwung die Höchstpunkte des ihm vorangegangenen tief hinter sich ließ, so muss man jetzt das Umgekehrte erwarten: tiefe, langwierige schmerzhafte Krisen'bei schwachen und kurzlebigen Aufschwungsbewegungen. Waren die alten Zyklen Mechanismus der Aufwärtsbewegung, so können die neuen nur Mechanismus des kapitalistischen Verfalls sein.

Allein, der Einfluss der Konjunkturveränderungen auf das Leben der Volksmassen bleibt ein gewaltiger. In gewissem Sinne ist er jetzt schärfer als je zuvor.

Der ganze gegenwärtige Zustand des Kapitalismus stellt eine vollendete, nicht nur reife sondern überreife ökonomische Voraussetzung für die proletarische 'Revolution dar. Was im Rückstand bleibt, ist das Bewusstsein des Proletariats, seiner Organisation, seiner Führung. Dank der allgemeinen Unbeständigkeit des gesellschaftlichen Gleichgewichts führen die Konjunkturvoränderungen zu gewaltigen politischen Verschiebungen, zu revolutionären und konterrevolutionären Erschütterungen.

Die bürgerliche Welt und mit ihr die Sozialdemokratie erwartet den neuen Handels- und Industrieaufschwung wie einen Retter. Die Komintertheoretiker fürchten sich vor solch einer Perspektive und verneinen selbst die Möglichkeit einer Wendung der Konjunkturkurve. nach oben. Uns Marxisten ist es vollkommen klar, dass eine neue wirtschaftliche Belebung keinen breiten Ausweg erschließen, sondern in eine neue, noch schärfere und schmerzhaftere Krise ausmünden würde. Andererseits ist die Unvermeidlichkeit einer mehr oder minder nahen Konjunkturwende für uns vollkommen augenscheinlich. Man muss sich im Voraus für die nächste Periode „nach der Krise" theoretisch rüsten und richtige Ausgangspositionen beziehen.

Die Krisenjahre warfen und werfen das internationale Proletariat für eine ganze historische Periode zurück. Unzufriedenheit, Wunsch, dem Elend zu entgehen, Hass gegen die Ausbeuter und ihr Regime, alle diese Gefühle, die jetzt durch furchtbare Arbeitslosigkeit und staatliche Repression unterdrückt und nach innen getrieben sind, werden bei den ersten realen Anzeichen einer Industriebelebung mit verdoppelter Kraft Bahn brechen.

Dank dem allgemeinen Zustand des heutigen Kapitalismus werden die Unternehmer selbst im Falle einer beträchtlichen Belebung nicht imstande sein, den Arbeitern in solchem Grade entgegenzukommen,um den Kampf in den Rahmen des Trade-Unionismus zu zwängen. Man kann mit Gewissheit voraussagen, dass die industrielle Belebung keinen Platz einräumen wird auch nur für eine Rückkehr zu jenen Arbeitsbedingungen, die vor der jetzigen Krise bestanden. Die ökonomischen Konflikte werden nicht nur breite Ausmaße einnehmen, sondern auch unvermeidlich zu politischen Bewegungen revolutionären Charakters annehmen.

Die Komintern muss die letzten Überbleibsel der Theorie der „3.Periode" abstreifen, muss beginnen, den ökonomischen und sozialen Boden des Kamufes konkret zu erforschen, die proletarische Avantgarde nicht mehr nach Gutdünken kommandieren, sondern durch ihre Vermittlung die reale Entwicklung des Klassenkampfes leiten.

An erste Stelle tritt die Arbeit in den Gewerkschaften. Losowskis „dritte Periode" muss ebenso beiseite geworfen werden we die dritte Periode Manuilskis. Schluss mit der Politik der Selbstisolierung. Auf des Messers Schneide stellen muss man die Frage der Wiederherstellung der Einheit der deutschen Gewerkschaftsbewegung durch Einbeziehung der RGO-Mitglleder in den Bestand der „Freien Gewerkschaften“. Jedes Parteimitglied, das die Möglichkeit dazu hat, verpflichten, Gewerkschaftsmitglied zu werden.

Die Entfaltung des wirtschaftlichen Kampfes wird die reformistische Bürokratie vor die schwierigstes Aufgaben stellen. Eine Ausnutzung der Schwierigkeiten der Reformisten lässt sich am allerbesten durch eine biegsame und unternehmende Politik der Einheitsfront bewerkstelligen.

Dass die linke Opposition trotz ihrer geringen Zahlenstärke imstande sein kann, einen ehrenvollen Platz im Massenkampfe einzunehmen, beweist die Erfahrung der belgischen Genossen. Jedenfalls ist es Aufgabe der Linken Opposition, die Fragen klar vor der Partei aufzurollen, die allgemeine Perspektive zu umreißen, Kampflosungen zu formulieren. Weniger als je zuvor darf die Linke Opposition jetzt eine abgeschlossene Propagandagruppe bleiben, die abseits von der realen Entwicklung des Klassenkampfes steht.

Jeder Bolschewik-Leninist muss Mitglied der einen oder anderen Massenorganisation sein, vor allem der Gewerkschaften. Nur unter dieser Bedingung werden unsere Organisationen die Hand am Puls des Proletariats halten und ihre Rolle erfüllen kennen: die einer Avantgarde der Avantgarde.

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Der amerikanische Genosse Field, der mit den Problemen der Weltwirtschaft des näheren vertraut ist, hat auf meine Bitte die erste Skizze einer Bewertung der Konjunkturtendenzen des Weltmarktes entworfen. Die Schlussfolgerungen des Gen. Field sind vorsichtig gehalten. Jeder der sich Rechenschaft ablegt über die Mannigfaltigkeit der Faktoren, die die Konjunkturvoränderungen bestimmen, wird die Vorsicht der Prognose begreifen und billigen. Die Aufgabe besteht nicht im Erraten, sondern darin, die Frage richtig zu stellen, die Tatsachen zu verfolgen und rechtzeitig die Schlussfolgerungen zu ziehen.*

Ich ersuche das Internat. Sekretariat, die vorliegenden Zeilen sowie das Schreiben des Gen. Field allen Sektionen als Diskussionsmaterial zuzusenden. Es ist vollkommen klar, dass unsere Internat. Konferenz sich zu dieser höchst wichtigen Frage äußern müssen wird.

Prinkipo, den 18. August 1932.

L.Trotzki.

*G. Field hatte einen Konflikt mit der amerikanischen League, der zu seiner Entfernung aus unserer amerikanischen Sektion führte. Meine Zusammenarbeit mit G. Field ist vollkommen persönlichen Charakters und steht in keinerlei Verbindung mit dem inneren Leben der amerikanischen League.

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