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Leo Trotzki 19371023 Brief an Harold Isaacs

Leo Trotzki: Brief an Harold Isaacs

[Nach Schriften 2.2, Hamburg 1990, S. 880-882, dort mit umfangreichen Fußnoten.]

Lieber Genosse Isaacs!

Ich habe Ihr Manuskript erhalten und das erste Kapitel (31 Seiten) gelesen. Die neue Einleitung fand ich inhaltlich wie formal ausgezeichnet. Es ist sehr schwierig, die jahrtausendelange, komplizierte Geschichte eines großen Landes auf einunddreißig Seiten darzustellen. Aber es ist Ihnen gelungen, ein sehr klares und lehrreiches Bild zu entwerfen. Ihr Stil ist sehr gut: klar, präzise und ohne journalistische Schnörkel.

An Ihrer Bibliographie sieht man, dass Sie eine gewaltige Anzahl an Büchern in verschiedenen Sprachen durchgearbeitet haben. Damit steht Ihre Arbeit auf einer soliden Grundlage. Bravo! Die Tatsache, dass unsere Strömung inzwischen nicht nur Broschüren und Artikel, sondern auch ernst zu nehmende Bücher hervorbringt, ist ein sehr erfreuliches Zeichen ihres Selbstvertrauens, das allein schon eine Garantie für den Erfolg ist. Innerhalb kurzer Zeit hatten wir ein Buch von James, ein Buch von Walker, das unserer Strömung sehr nahekommt, und jetzt Ihre gründlich fundierte Untersuchung über die chinesische Revolution. Die Zweite und Dritte Internationale sind heute nicht mehr fähig, ernsthafte Werke hervorzubringen. Sie haben ihr Selbstvertrauen verloren und leben von der Hand in den Mund. Die Vierte Internationale schickt sich an, in jeder Hinsicht die große marxistische Tradition fortzusetzen.

Nur eine Bemerkung: Was Sie oben auf der dritten Seite des ersten Kapitels über die alten chinesischen Städte und über die »asiatische Produktionsweise« im allgemeinen sagen, scheint mir nicht klar genug. Es stimmt zwar, dass auch die Sache selbst nicht sehr klar ist, doch halte ich es aufgrund der späteren Geschichte Chinas für zulässig, in etwa das folgende Schema herauszuarbeiten: Die europäische Stadt des Mittelalters war ein Zentrum der Produktion; die asiatische Stadt war ein Zentrum der Konsumtion. Das europäische Dorf war selbst im Mittelalter stark genug, um die Scheidung des Handwerks vom Bauern und seine Konzentration in den Städten möglich zu machen, wobei der Handel die Verbindung zwischen der vom Handwerk geprägten Stadt und ihrer landwirtschaftlichen Peripherie herstellte. In Asien blieben die wichtigsten Zweige des Handwerks an die Bauernschaft gebunden und über die Dörfer zerstreut. Die Stadtbevölkerung bestand aus Adligen, Bürokraten, Geldverleihern und Soldaten. Die Handwerker in den Städten dienten diesen Parasiten und hatten selbst »aristokratischen« Charakter. Der Handel hatte einen sehr weiten Wirkungskreis und war mit dem Geldverleih verbunden. Diese unterschiedliche Beschaffenheit der Städte und ihrer Beziehungen zum Dorf erklären, warum die Geschichte des europäischen Mittelalters eine langsame Vorwärtsbewegung darstellte, die asiatische dagegen eine zyklische Wiederholung.

Auf Seite 14 sollte es in der letzten Zeile besser heißen: »Partisanenkrieg und Banditentum«.

Meine besten Grüße

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