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Leo Trotzki 19291115 Erster Brief an Liu Renjing

Leo Trotzki: Erster Brief an Liu Renjing

[Nach Schriften 2.2, Hamburg 1990, S. 606-609, dort mit umfangreichen Fußnoten]

Lieber Freund!

Ich habe von Ihnen drei Briefe erhalten, über die ich mich sehr gefreut habe; nur habe ich bedauert, dass die Briefe zu kurz waren. Im zweiten Brief versprachen Sie, einen ausführlichen Bericht über die Situation im Lande zu schicken. Auf diesen Bericht warte ich mit Ungeduld.

Uns interessiert und beunruhigt sehr, was Sie über die Opposition berichten. Wir brauchten unbedingt eine genaue Übersetzung der Resolutionen des zweiten Kongresses und Ihre kritischen Anmerkungen dazu. Besonders schmerzlich ist der Umstand, dass man Sie an der Teilnahme am Kongress gehindert hat. Wie ist es dazu gekommen?

Sie schreiben, dass die Opposition Einwände gegen die Einbeziehung von Ch. in ihre Reihen erhebt. Das kann uns in keinem Fall entzweien. Es wäre geradezu kriminell, sich mit Ch. vorschnell zu verbünden, um dann doch wieder mit ihm zu brechen. Unsere früheren Meinungsverschiedenheiten mit ihm (1924-1927) waren zu tief gehend, als dass man sich jetzt ohne ernsthafte vorherige wechselseitige Erprobung und Prüfung zusammenschließen könnte. Auf jeden Fall wäre es unvorsichtig, diese Vereinigung den Linken jetzt schon aufzudrängen und wegen dieser Frage mit ihnen zu brechen.

Übrigens schreiben Sie ja selbst, dass Ch. in der Frage des Charakters der chinesischen Revolution auf der Position von R. steht und nicht auf der unsrigen. Dabei ist diese Frage grundlegend. Sich jetzt mit jemandem zusammenzuschließen, der Kurs auf eine »demokratische Diktatur« hält, wäre unverzeihlicher Leichtsinn.

Sie schreiben weiter, dass die Opposition ihre meiste Kraft der Arbeit im Inneren [der KPCh] widmet. Auch dies ist in keinem Fall ein Grund für eine Spaltung. Die Arbeit im Inneren hat ungeheure Bedeutung. Ein Genosse, der alle Fehler der Jahre 1924-1929 mitgemacht und sich danach uns angeschlossen hat, ist ein äußerst wertvoller Gewinn, denn er bringt reiche Erfahrungen mit. Deshalb ist auch die Arbeit in den Reihen der offiziellen Partei äußerst wichtig. Dies schließt keineswegs einen engen Zusammenschluss der Reihen der Opposition aus, im Gegenteil, das eine ist ohne das andere völlig unmöglich.

Natürlich müsste man, um die Bedeutung der Arbeit im Inneren genauer einschätzen zu können, die Stärke der offiziellen Partei kennen. Schicken Sie uns doch dazu möglichst genaue und ausführliche Informationen.

Wie stellt sich die Opposition zu den demokratischen Übergangslosungen für China? Welche Losungen hat die offizielle Partei ausgegeben? Welche Position vertritt Ch. in dieser Frage?

Die Prawda hat wiederholt über eine »kommunistische Abteilung« unter dem Kommando von Zhu De berichtet. Was ist das für eine Abteilung? Und wer ist Zhu De? Ich sende Ihnen hierzu eine Notiz, die sich mit dieser Frage befasst. Ich warte darauf, dass Sie mir eine Erläuterung schicken.

Ich hoffe, Sie haben die Broschüre Die Verteidigung der UdSSR und die Opposition erhalten. In dieser Broschüre geht es auch um chinesische Fragen. Es wäre viel dringlicher, diesen Text herauszugeben, als frühere Arbeiten.

Die Autobiographie wird Ihnen aus Amerika unmittelbar nach Erscheinen zugeschickt. Ich schicke Ihnen auch die russische Ausgabe, die dieser Tage herauskommt.

Zur Zeit schreibe ich eine Broschüre über die »dritte Periode«. Ich würde sehr gern einen Teil der Lage in China widmen. Aber das wird wohl kaum gelingen, denn meine Informationen über China sind augenblicklich äußerst unzureichend. Ein Teil der Schuld dafür liegt bei Ihnen.

Erhalten Sie La Vérité und unser Bulletin? Wir hoffen, in nächster Zeit eine gute Wochenzeitung in deutscher Sprache herauszugeben. Das wird ein großer Schritt nach vorn sein, da die Linie von Urbahns unsere Position nur kompromittiert.

Ich drücke Ihnen fest die Hand und wünsche viel Erfolg.

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