Vorschlag der Resolution der Zimmerwalder Linken über Weltkrieg und die Aufgaben der Sozialdemokratie. [nach Vorbote, Heft 1 (Januar 916), S. 5 f.] «Der Weltkrieg, der seit einem Jahre Europa verwüstet, ist ein imperialistischer Krieg, der um die politische und ökonomische Ausbeutung der Welt, um Absatzmärkte, Rohstoffquellen, Kapitalanlagegebiete usw. geführt wird. Er ist ein Produkt der kapitalistischen Entwicklung, die gleichzeitig die ganze Welt zur Weltwirtschaft verknüpft und selbständige, national-staatliche Kapitalistengruppen mit gegensätzlichen Interessen bestehen lässt. Wenn die Bourgeoisie und die Regierungen diesen Charakter des Weltkrieges zu verhüllen suchen, indem sie behaupten, es handle sich um einen aufgedrungenen Kampf um die nationale Unabhängigkeit, so ist das eine Irreführung des Proletariats, da der Krieg eben um die Unterdrückung fremder Völker und Länder geführt wird. Ebenso lügnerisch sind die Legenden über die Verteidigung der Demokratie in diesem Kriege, da der Imperialismus die rücksichtsloseste Herrschaft des Großkapitals und die politische Reaktion bedeutet. Die Überwindung des Imperialismus ist nur durch die Auflösung der Gegensätze möglich, die ihn erzeugt haben, das heißt durch die sozialistische Organisation des kapitalistischen Kulturkreises, wozu die objektiven Verhältnisse schon reif sind. Beim Ausbruch des Krieges hatte die Mehrheit der Arbeiterführer diese einzig mögliche Losung dem Imperialismus nicht gegenübergestellt. Vom Nationalismus befangen, vom Opportunismus zerfressen, hat sie im Moment des Weltkrieges das Proletariat dem Imperialismus ausgeliefert, die Grundsätze des Sozialismus und damit den wirklichen Kampf um die Interessen des. Proletariats preisgegeben. Der Sozialpatriotismus und Sozialimperialismus, auf deren Standpunkt in Deutschland sowohl die offen patriotische Mehrheit der früheren sozialdemokratischen Führer, wie auch das sich oppositionell gebärdende Zentrum der Partei um Kautsky, stehen, zu dem in Frankreich und Österreich die Mehrheit, in England und Russland ein Teil der Führer (Hyndman, die Fabier, die Trade-Unionisten, Plechanow, Rubanowicz, die Gruppe Nasche Djelo) sich bekennen, ist für das Proletariat ein gefährlicherer Feind als die bürgerlichen Apostel des Imperialismus, da er, die Flagge des Sozialismus missbrauchend, die unaufgeklärte Arbeiterschaft irreführen kann. Der rücksichtslose Kampf gegen den Sozialimperialismus bildet die erste Vorbedingung zur revolutionären Mobilisation des Proletariats und der Wiederaufrichtung der Internationalen. Es ist die Aufgabe der sozialistischen Parteien wie der sozialistischen Oppositionen in den nunmehr sozialimperialistischen Parteien, die Arbeitermassen zum revolutionären Kampfe gegen die kapitalistischen Regierungen um die Eroberung der politischen Macht, zwecks sozialistischer Organisation der Gesellschaft, zu rufen und zu führen. Ohne den Kampf um jeden Fuß Boden im Rahmen des Kapitalismus, um jede das Proletariat stärkende Reform aufzugeben, ohne auf irgendwelche Mittel der Organisation und Aufrüttelung zu verzichten, haben umgekehrt die revolutionären Sozialdemokraten alle die Kämpfe, alle von unserm Minimalprogramm geforderten Reformen auszunützen, um diese Kriegskrise wie jede soziale und politische Krise des Kapitalismus zu verschärfen, zu einer Attacke auf seine Grundlagen zu erweitern. Indem dieser Kampf unter der Losung des Sozialismus geführt wird, wird er die Arbeitermassen unzugänglich machen für die Losungen der Unterdrückung eines Volkes durch das andere, wie sie in der Aufrechterhaltung der Herrschaft einer Nation über die andere, in dem Schrei nach neuen Annexionen zum Ausdruck kommen, wird er sie taub machen für die Lockungen der nationalen Solidarität, die die Proletarier auf die Schlachtfelder geführt hat. Den Auftakt zu diesem Kampf bildet der Kampf gegen den Weltkrieg, für die schleunige Beendigung des Völkergemetzels. Dieser Kampf erfordert die Ablehnung der Kriegskredite, den Austritt aus den Ministerien, die Denunzierung des kapitalistisch-antisozialistischen Charakters des Krieges von den Tribünen der Parlamente, in den Spalten der legalen und, wo nötig, illegalen Presse, die schroffste Bekämpfung des Sozialpatriotismus und die Ausnutzung jeder durch die Kriegsfolgen (Not, große Verluste usw.) verursachten Bewegungen des Volkes zur Organisation von Straßendemonstrationen gegen die Regierungen, die Propaganda der internationalen Solidarität in den Schützengräben, die Förderung der ökonomischen Streiks, das Bestreben, sie bei günstigen Bedingungen in politische zu verwandeln. «Burgkrieg, nicht Burgfriede ist die Losung!»* Gegenüber allen Illusionen, dass es möglich wäre, durch irgendwelche Beschlüsse der Diplomatie und der Regierungen die Grundlagen eines dauernden Friedens, den Beginn der Abrüstung herbeizuführen, haben die revolutionären Sozialdemokraten den Volksmassen immer wieder zu sagen, dass nur die soziale Revolution den dauernden Frieden wie die Befreiung der Menschheit verwirklichen kann.» Diese Resolution wurde auf der Zimmerwalder Internationalen Konferenz von den Vertretern des Zentralkomitees der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands, des Landesvorstandes der Sozialdemokratie Russisch-Polens, des Zentralkomitees der sozialdemokratischen Partei Lettlands, des schwedisch-norwegischen Ungdomverbandes, einem deutschen und einem schweizerischen Delegierten eingebracht, Nach der Konferenz erklärten die «Internationalen Sozialisten Deutschlands» (ISD) und die Sozialdemokratische Partei Hollands (SDP – «Tribunisten»), dass sie auf dem Boden der Resolution stehen. Der Soz. Rev. Verband in Holland bat sich auf Anregung der Genossin Roland Holst der Resolution angeschlossen. * Diese Worte sind dem Briefe eines hervorragenden Führers der deutschen Opposition an dir Zimmerwalder Konferenz entnommen. |
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