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Friedrich Engels 18420726 Brief an Arnold Ruge

Friedrich Engels: Brief an Arnold Ruge

in Dresden

[Nach Marx Engels Werke, Band 27, Berlin 1963, S. 408]

Hochgeehrter Herr!

Diesmal schreibe ich Ihnen, um Ihnen anzuzeigen, dass ich Ihnen nichts senden werde.

Ich habe den Entschluss gefasst, für einige Zeit aller literarischen Tätigkeit zu entsagen und dafür desto mehr zu studieren. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Ich bin jung und Autodidakt in der Philosophie. Ich habe genug gelernt, um mir eine Überzeugung zu bilden und sie nötigenfalls zu vertreten. Aber nicht genug, um mit Erfolg und gehörig für sie wirken zu können. Man wird um so mehr Anforderungen an mich machen, als ich „philosophischer Musterreiter" bin und mir nicht durch ein Doktordiplom das Recht zu philosophieren erkauft habe. Ich denke, wenn ich wieder einmal, und dann unter eigenem Namen1, etwas schreibe, diesen Anforderungen zu genügen. Und zudem darf ich meine Zeit jetzt nicht zu sehr zersplittern, da sie in kurzem wohl wieder durch kaufmännische Arbeiten mehr in Anspruch genommen werden wird. Meine bisherige literarische Tätigkeit, subjektiv genommen, bestand aus lauter Versuchen, deren Erfolg mich lehren sollte, ob meine natürlichen Anlagen mir eine fruchtbare Wirksamkeit für den Fortschritt, eine lebendige Teilnahme an der Bewegung des Jahrhunderts gestatteten. Ich kann mit dem Erfolg zufrieden sein und halte es nun für meine Pflicht, durch ein Studium, das ich mit doppelter Lust fortsetze, mir auch das immer mehr anzueignen, was einem nicht angeboren wird.

Wenn ich im Oktober nach meiner rheinischen Heimat zurückkehre2, denk' ich in Dresden Sie zu treffen und Ihnen mehr davon zu erzählen. Einstweilen leben Sie wohl und gedenken Sie meiner dann und wann.

Der Ihrige

F. Engels

Berlin, 26. 7.42

Haben Sie Jungs Erwiderung3 gelesen? Ich behaupte, sie ist das Beste, was er bis jetzt geschrieben hat. Übrigens ist jetzt der andere Jung von der „Rhein[ischen] Ztg." aus Köln hier und wird Sie auf seiner Rückreise in einigen Wochen besuchen.

1 Bis zu dieser Zeit unterschrieb Engels seine Arbeiten mit dem Pseudonym „Oswald"

2 Von September 1841 bis Oktober 1842 hielt sich Engels in Berlin auf, wo er seiner Militärdienstpflicht als Artillerist genügte. In der dienstfreien Zeit besuchte Engels als Gasthörer Vorlesungen an der Berliner Universität. Aus dieser Zeit datiert seine Bekanntschaft mit den Linkshegelianern.

Im Oktober 1842 kehrte Engels aus Berlin nach Barmen zurück und ging im November von dort nach England, wo er bis zum August 1844 blieb.

3 Engels bezieht sich auf die im „Königsberger Literatur-Blatt" Nr.42 vom 20.Juli 1842 gedruckte Antwort Alexander Jungs („Ein Bonbon für den kleinen Oswald, meinen Gegner in den deutschen Jahrbüchern") auf Friedrich Engels' Aufsatz „Alexander Jung, Vorlesungen über die moderne Literatur der Deutschen".

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