Friedrich Engels‎ > ‎1845‎ > ‎

Friedrich Engels 18450531 Brief an Marie Engels

Friedrich Engels: Brief an Marie Engels

in Barmen

[Nach Marx Engels Werke, Band 27, Berlin 1963, S. 437 f.]

Liebe Marie

Ich muss Dir heute zu meinem Bedauern mitteilen, dass es mir nicht möglich ist, bei Deiner Hochzeit gegenwärtig zu sein, und zwar wegen Schwierigkeiten, die man mir wegen eines Passes gemacht hat. Vorigen Mittwoch ging ich auf die Administration de la sûrete publique1 und forderte einen Pass nach Preußen. Nach einigem Warten und langen Verhandlungen wegen meiner Auswanderung und darüber, dass ich vom preußischen Gesandten keinen Pass bekommen könne, erhielt ich endlich den Bescheid, dass ich ja erst eben angekommen sei und deshalb von ihm keinen Pass erhalten könne. Wenn ich einige Zeit länger hier gewohnt hätte, so sei er bevollmächtigt – nämlich Herr Hody, der Directeur der sûrete publique -, mir Pässe zu geben, so aber könne er es nicht. Ohnehin kämen die Fremden, die sich hier etablierten, gewöhnlich mit Pässen an, die auf ein Jahr oder ein halbes Jahr noch gültig seien, und so sei er instruiert, zwar zu visieren, aber nicht, eben angekommenen Fremden Pässe auszustellen. Übrigens, wenn ich einige Konnexionen hätte, so würde ich ohne Zweifel einen Pass im Ministerium des Auswärtigen bekommen. Diese Konnexionen habe ich allerdings, und zwar in der Person eines deutschen Arztes, der mir auch versprochen hatte, falls man mir Schwierigkeiten mache, mir einen Pass zu verschaffen. Aber dieser Doktor hat selbst erst vor 14 Tagen geheiratet und war zu seiner Hochzeitsreise in die wallonischen Bäder gereist. Er kam Donnerstag wieder, und es gelang mir erst gestern Abend, ihn zu treffen; er war auch sehr bereitwillig, sagte mir aber gleich, da er erst heute morgen aufs Ministerium gehen könne, so werde ich meinen Pass keinesfalls vor übermorgen – Montag – bekommen können und müsse also meine Reise bis Montag Abend oder Dienstag morgen aufschieben. Ich sagte ihm, ich könne so lange nicht warten, aber er erklärte nochmals, früher sei es nicht möglich, mir dazu zu verhelfen; er wolle übrigens doch nochmals sich bemühen. Heute morgen schickte er mir nun ein Billett, dass er sich selbst erkundigt hat und mir den Pass nicht vor Montag, vielleicht erst Montag Abend verschaffen kann. Ich hab' ihm gleich geantwortet, er möge sich dann nicht weiter bemühen, da ich dann meine ganze Reise aufgeben müsse.

Da ich nun bei meinen sonstigen Verhältnissen, wie Du und die andern – auch leicht begreifen wirst, mich nur Unannehmlichkeiten aussetzen würde, wenn ich ohne Pass über die Grenze zu kommen versuchte – was mir auch Herr Hody abriet, weil mein Auswanderungsschein gut sei pour sortir de la Prusse, mais pas pour y rentrer2 -, so bin ich wohl genötigt, hierzubleiben und Deine Hochzeit hier allein und in Gedanken zu feiern – so leid es mir tut. Du kannst Dich übrigens darauf verlassen, dass ich den ganzen Tag an Dich und Emil denken werde und dass meine besten Wünsche Euch in die Ehe und auf die Reise begleiten, wenn es mir auch nicht vergönnt ist, sie Euch mündlich auszusprechen. Was ich Euch vor allem wünsche, ist, dass die Liebe, die Euch zusammengeführt und die Euer Verhältnis zu einem so schönen, menschlichen und sittlichen gemacht hat, wie ich nicht viele kenne, Euch durch Euer ganzes Leben begleiten, Euch über alle Widerwärtigkeiten leicht hinweghelfen, Euer Glück ausmachen möge. Ich kann mich Eurer Hochzeit von ganzem Herzen freuen, weil ich weiß, dass Ihr nur glücklich zusammenleben könnt, und dass – nachdem Ihr verbunden seid – keiner von Euch beiden sich enttäuscht finden wird. Verlass Dich drauf, von den vielen Glückwünschen, die man Euch darbringen wird, ist keiner treuer gemeint, keiner herzlicher und wärmer als der meinige! Du weißt, dass ich Dich immer am liebsten gehabt habe von allen meinen Geschwistern, dass ich immer zu Dir am meisten Vertrauen hatte – Du wirst mir also glauben, ohne dass ich Dir hoch und teuer versichre, ohne dass ich Dir viele Worte mache. Ich wünsche Euch nochmals, dass Eure Liebe stets dieselbe bleibe, ich wünsche Euch auch noch manches, was – Du erraten wirst. Seid glücklich!

Ich hoffe, nun bald einmal einen Brief von Mrs. Blank zu erhalten, denn ich erwarte, dass Mrs. Blank sich ebenso sehr für mich interessieren wird wie Fräulein Engels. Jedenfalls hoffe ich, Euch beide nach glücklicher Hochzeit und glücklicher Reise diesen Sommer in Ostende oder in England zu sehen, und bis dahin lebt also nochmals wohl!

Herzliche Grüße an Alle

Dein treuer

Friedrich

Brüssel, Samstag, 31. Mai 1845

1 Polizeiverwaltung

2 um aus Preußen hinauszukommen, jedoch nicht, um dorthin zurückzukehren

Kommentare