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Revolution 1848 ff. in Frankreich

Die Revolution von 1848 in Frankreich legte die Macht in die Hände des Liberalen, republikanischen Teils der Bourgeoisie. Es war jedoch für diese Revolution kennzeichnend, dass die Arbeiterklasse damals zum ersten Mal eigene Klassenforderungen aufstellte. Das war ein Zeichen des außerordentlichen Wachstums der Arbeiterklasse und diente der Bourgeoisie als ein Anzeichen der unmittelbaren Gefahr, die ihrer Herrschaft drohte. Deshalb sah die Regierung der liberalen Bourgeoisie ihre unmittelbare Hauptaufgabe in einer Abrechnung mit der revolutionären Arbeiterklasse. Ihre Absicht führte sie in dem Junigemetzel in Paris durch, als der Aufstand der Arbeiterklasse gegen die bürgerliche Regierung, der die Ergreifung der Macht bezweckte, niedergeschlagen wurde. Die anschwellende Empörung der Arbeiter nach dem Junigemetzel zeigte jedoch der Bourgeoisie, dass die unmittelbare Gefahr für die bürgerliche Ordnung keineswegs beseitigt war. Deshalb war es leicht, sämtliche bürgerlichen Parteien in eine „Ordnungspartei“, in einen Einheitsblock um der gemeinsamen Interessen willen, um der Niederwerfung der Arbeiterbewegung und der Festigung der bürgerlichen Ordnung willen zu vereinigen. Aus Angst vor einem Aufstand der Arbeiterklasse strebte die Bourgeoisie aller Schattierungen nach der Schaffung einer Regierung der starken Hand – eines Organisatoren der „Ordnung“. Eine starke Stütze hatte sie dabei in dem großbäuerlichen Teil des Dorfes, der an einer stabilen kapitalistischen Ordnung interessiert war. Die Bourgeoisie zog durch Demagogie auch einen beträchtlichen Teil des städtischen Kleinbürgertums auf ihre Seite, das vor der drohenden Abschaffung des Privateigentums durch die Arbeiterrevolution Angst hatte. Unter solchen Verhältnissen konnte die Bourgeoisie zuerst ihre konterrevolutionären Maßnahmen durch eine allgemeine Abstimmung bemänteln und somit den Anschein erwecken, als bringe sie den „Willen des gesamten Volkes“ zum Ausdruck. Auf kurze Zeit bildete die parlamentarische Republik mit einem Präsidenten an der Spitze die neue Form der Staatsmacht, wobei der Neffe Napoleons I., Louis Bonaparte, zum Präsidenten gewählt wurde. Für Bonaparte stimmte übrigens zusammen mit der Großbourgeoisie in den Städten und den Großbauern in den Dörfern auch die Mehrheit der Kleinbauernschaft, die sich der trügerischen Hoffnung hingab, an der Regierung Bonapartes Schutz und Stütze eben gegen die Bourgeoisie und gegen die bürgerliche Republik zu finden: „Napoleon“ – schreibt Marx –, „das war für die Bauern keine Person, sondern ein Programm. Mit Fahnen, mit klingendem Spiel zogen sie auf die Wahlstätte unter dem Rufe: Plus d'impôts, à bas les riches, à bas le République, vive l'Empereur Keine Steuern mehr, nieder mit den Reichen, nieder mit der Republik, es lebe der Kaiser! Hinter dem Kaiser verbarg sich der Bauernkrieg. Die Republik, die sie nieder votiert, es war die Republik der Reichen.“ (Karl Marx, Ausgewählte Schriften, Bd. II, S. 242).

Das war jener damals die Mehrheit bildende Teil der Bauernschaft, die „nicht den revolutionären, sondern den konservativen Bauer“ repräsentierte, nicht den Bauer, der „über seine soziale Existenzbedingung, die Parzelle, hinausdrängt, sondern der sie vielmehr befestigen will, nicht das Landvolk, das durch eigene Energie im Anschluss an die Städte die alte Ordnung umstürzen, sondern umgekehrt dumpf verschlossen in dieser alten Ordnung, sich mitsamt seiner Parzelle von dem Gespenst des Kaisertums gerettet und bevorzugt sehen will“ (Karl Marx, ebenda, S. 427). Die Wahl Louis Bonapartes zum Präsidenten bildete lediglich den ersten Schritt zur Errichtung der Monarchie: Im Interesse der Großbourgeoisie, im Interesse einer Zerschmetterung der Arbeiterklasse, der Ausübung des Klassenterrors gegen die Arbeiterklasse und den revolutionären Teil der Bauernschaft, der sich an Revolten beteiligte, lag eine immer größere Befestigung der Macht der „starken Hand“. Louis Bonaparte, der Mann der Bourgeoisie bei der Präsidentschaftswahl, inszenierte am 2. Dezember 1851, gestützt auf die Armee, mit Genehmigung der Bourgeoisie selbst einen Umsturz, jagte die Nationalversammlung auseinander und sicherte sich die Präsidentschaft für zehn Jahre. Nach dem Umsturz ließ Napoleon sich unter der Herrschaft eines gegen die Arbeiterklasse gerichteten unverhüllten Klassenterrors zum Kaiser Napoleon III. ausrufen. So entstand in Frankreich das Zweite Kaiserreich, das bis September 1870 fortdauerle. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 7]

Das Jahr 1848. – in Frankreich standen in dieser Periode zwei Klassen einander gegenüber – Proletariat und Bourgeoisie, aber im Kampf mit dem gemeinsamen Feind, der herrschenden Finanzclique, treten sie in zeitweilige Vereinbarungen für die Liquidierung der Julimonarchie ein. Zwei weltwirtschaftliche Ereignisse beschleunigten die revolutionäre Explosion im Jahre 1848 – die Kartoffelkrankheit und Missernte in den Jahren 1845 und 1846 und die allgemeine Handels- und Industriekrise in England. Im Winter des Jahres 1847 musste in Paris mehr als ein Drittel der Bevölkerung der Stadt Hilfe erhalten. Eine Reihe Bankette dienten als Beginn der Bewegung, in der anfangs dieselbe gemäßigte Gruppierung der Bourgeoisie teilnahm. Sie forderten eine Verringerung des Wahlzensus. Der gemäßigten Bourgeoisie, der sogenannten dynastischen Linken, schlossen sich die Republikaner an. Nach dem Verbot eines Banketts im XII. Arrondissement durch die Regierung floss die Bewegung auf die Straße heraus. Die von der Bourgeoisie begonnene Sache wurde von der revolutionären Bewegung der werktätigen Massen vollendet. Am 24. Februar, nach dreitägigem Kampf auf den Barrikaden, war die Julimonarchie gestürzt. Es wurde eine provisorische Regierung gebildet, in die zwei Vertreter der Arbeiter eintraten: Louis Blanc und Albert. Unter dem Druck des Pariser Proletariat rief die provisorische Regierung die Republik aus, in deren Regierung die Arbeitervertreter die Forderungen vorbrachten: „Organisation der Arbeit, Schaffung eines Sonderministeriums der Arbeit". Das proletarische Arbeitsministerium existierte neben den bürgerlichen Ministerien für Finanzen, Handel, öffentliche Arbeiten und ist nichts weniger als ein bürgerliches Ministerium der Arbeit und musste sich unausbleiblich in „ein Ministerium der Ohnmacht, ein Ministerium der frommen Wünsche“, „eine sozialistische Synagoge" verwandeln. Das Pariser Proletariat zwang die Republik, ihm dieses Zugeständnis zu machen. Es wurden nationale Werkstätten organisiert, in welchen Ende Mai die Zahl der Arbeiter Hunderttausend erreichte, mit täglichen Ausgaben bis zu siebzigtausend Livre für sie.

Jedoch das „Recht auf Arbeit" konnte nicht die grundlegenden Fragen lösen, die vor dem Land standen. Die Finanzfrage wurde von der Regierung auf dem Wege der Einführung einer neuen Steuer von 45 Centimes für die bäuerliche Wirtschaft gelöst, – das erbitterte die Bauern gegen die Revolution.

Die zweite Frage betrifft die Frist der Einberufung einer Konstituierenden Versammlung. Die Bourgeoisie versuchte die Einberufung der Versammlung zu beschleunigen. Die Republikaner und Sozialisten versuchten, die Wahl der Versammlung hinauszuzögern, damit sie die Möglichkeit haben, die Revolution zu organisieren, die Massen im Vertrauen zur zu revolutionären Macht zu erziehen. Sie strebten nach einem Aufschub vom 9. auf den 23. April.

Die Mehrheit der Mitglieder der einberufenen Konstituierenden Versammlung bestand aus aus gemäßigten Republikanern, von den Arbeitervertretern kamen nur Louis Blanc und Albert durch. Die Wahlen bedeuteten einen Sieg der Bourgeoisie über das Proletariat, der Stadt über das Dorf. Die Regierung der Bourgeoisie fühlte ihre Kräfte und erließ am 24 Mai den Befehl über die Schließung der Nationalwerkstätten und die Entfernung der in ihnen beschäftigten Arbeiter aus Paris. Am 21. Juni begann die Durchführung des Befehls im Leben. Die Antwort war der Juniaufstand, der im Blut der Pariser Arbeiter ertränkt wurde. Die Menge der Getöteten zählt bis zu fünfzigtausend, der Arretierten bis zu fünfunfzwanzigtausend. Am 28. Juni war der Aufstand niedergeschlagen, am 30. Juni wurde die Aufhebung des Dekret erklärt, das die Dauer des Arbeitstages beschränkte. Die Reaktion triumphierte.

Die ferneren Etappen der Entwicklung der Revolution waren folgende: für den 10. Dezember des Jahr 1848 wurde die Wahl des Präsidenten der Republik festgelegt. Gewählt wurde Louis-Napoleon Bonaparte, der 5½ Millionen Stimmen von 7½ [Millionen] erhielt. „Der 10. Dezember 1848“, – sagt Marx, – „war der Tag der Bauerninsurrektion. […] Die Republik hatte sich bei ihr angekündigt mit dem Steuerexekutor, sie kündigte sich bei der Republik an mit dem Kaiser.". Am 2. Dezember des Jahres 1851 treibt der Präsident der Republik die gesetzgebende Nationalversammlung auseinander und ruft sich zum Imperator aus. Louis-Napoleon regierte bis zum Jahre 1871 [1870].[Trotzki, Sotschinenija, Band 8, Anm. 11]

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