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Bethmann-Hollweg, Theobald

Bethmann-Hollweg, Theobald (1856-1921): 1905-1909 deutscher Staatssekretär des Innern unter Reichskanzler Bülow, 1909-1917 sein Nachfolger. Während Bülow sich im Reichstag auf Liberale und Konservative stützte („Bülow-Block“), stützte sich Bethmann-Hollweg nach dem Platzen dieses Bündnisses an der Reichsfinanzreform von 1909 auf Konservative und das katholische Zentrum („schwarzblauer Block“, „Schnapsblock“)

Bethmann-Hollweg, Theobald (1856-1921) – 1905-1909 deutscher Staatssekretär des Innern; 1909-1917 Reichskanzler. Er übernahm als Kanzler das üble Erbe Bülows, war aber den Schwierigkeiten in keiner Weise gewachsen. Im Innern ist seine Kanzlerschaft vor dem Kriege gekennzeichnet durch ein verpfuschtes Reichsvereinsgesetz, das hinter den bestehenden Zustand ebenso weit zurück, wie es über ihn hinausging; durch einen schmählichen Versuch einer „Reform" des preußischen Dreiklassenwahlrechts; schließlich durch ein neues Aufwuchern des persönlichen Regiments Wilhelms II. Außenpolitisch hatte sich bei Bethmanns Übernahme der Kanzlerschaft gerade in der bosnischen Krise die Gefahr des Bündnisses mit Österreich gezeigt, Italien wandte sich in seiner Zeit zwar nicht förmlich aber tatsächlich vom Dreibund ab. B. hatte nicht die Kraft, die Konsequenzen aus der Lage zu ziehen. Versuche, mit England zu einer Flottenverständigung zu kommen, scheiterten, weil Deutschland auf seine offensiv-imperialistische Politik nicht verzichten wollte. Der „Panthersprung" nach Agadir, den Bethmann 1911 durch Kiderlen-Wächter unternehmen ließ, brachte zwar einen Fetzen Kongogebiet ein, dafür aber eine Steigerung der Spannung zu den anderen Mächten. Die Eingriffe in die Balkanverhältnisse während der Balkankriege wirkten in derselben Richtung. Die natürliche Folge dieser Entwicklung der außenpolitischen Dinge waren zunächst fortgesetzt gesteigerte Rüstungen, dann der Weltkrieg. In dieser Periode seiner Regierungszeit hat Bethmann wiederholt Versuche unternommen, die Reaktion im Innern sowohl wie die Imperialistische Außenpolitik zu reformieren. Er scheiterte, weil er weder mit der Reaktion noch mit dem Imperialismus brechen konnte und wollte. Halbe Einsichten, halbe Maßregeln, vollkommenes Versagen! In der Krise vor Ausbruch des Weltkrieges hat er offenbar vollkommen an die Militärs, an den Außenminister Jagow und an Wilhelm II. abgedankt. Während des Krieges setzte er seine Politik der Halbheit und Unentschiedenheit fort: halbe Einsicht in die wirtschaftlichen Machtverhältnisse und Gefahren, feiges Hoffen, keine Kraft, einen Willen zu fassen. Er duldete Eroberungspläne, ohne Überzeugung, sie verwirklichen zu können; widersetzte sich dem U-Bootkrieg und unterwarf sich ihm; sah die Gefahr, die in der wachsenden politischen Macht der Obersten Heeresleitung lag, und ließ sich von ihr verschlingen. Er stolperte über die sogenannte Friedensresolution, die von ihm wie von der Reichstagsmehrheit als halbe Lüge gemeint war. Er war der Kanzler eines zusammenbrechenden Systems. [Band ?]

Bethmann-Hollweg ist eine der bürokratischen Gestalten des bürgerlich-junkerlichen Deutschland, Reichskanzler während des Krieges und einer der unmittelbar Schuldigen an seiner Entstehung. [Trotzki, Sotschinenija Band 3.2]

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