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Duhem, Pierre

Duhem, Pierre (1861–1916) Hervorragender französischer Physiker, Professor der theoretischen Physik an der Faculté des sciences in Bordeaux, strenger Katholik. D. gehört zu den fruchtbarsten und vielseitigsten französischen Physikern der Neuzeit. Neben einer Unmenge von alle Hauptdisziplinen der Physik umfassenden Spezialabhandlungen schrieb D. noch zahlreiche zusammenfassende Werke. Seine bedeutendsten Leistungen liegen jedoch auf dem Gebiete der kritischen Geschichte der Physik. In der Erkenntnistheorie schwankt D. von Pol zu Pol, ist bald nüchterner Materialist, bald wieder subjektiver Idealist. Dass die hier von Lenin erwähnte Reysche Bezeichnung der Gedankengänge D.s als „Physik eines Gläubigen" vollauf berechtigt war, bewies D. selbst in einer Replik auf Abel Reys Kritik. D. weist die Beschuldigung, „gläubiger Physiker" zu sein, zurück, insofern damit gesagt sein sollte, dass ihm die Wissenschaft Dienerin des Glaubens sei; gleichzeitig aber rühmt er sich seiner katholischen Kirchenfrömmigkeit mit den Worten: „Gewiss, ich glaube von ganzer Seele an die Wahrheiten, die Gott uns offenbart hat und durch seine Kirche lehrt; ich habe meinen Glauben nie verhehlt, und der, der mir den Glauben gegeben, wird mich, ich hoffe es von ganzem Herzen, davor bewahren, mich dessen jemals zu schämen. In diesem Sinne darf man sagen, dass die von mir vertretene Physik die Physik eines Gläubigen ist." (1905.) Und am Schlusse einer Entgegnung auf Abel Reys Buch „La théorie de la physique chez les phvsiciens contemporains" wird die Berechtigung physikalischer Forschung unmittelbar aus dem Glauben an eine höhere, metaphysische Ordnung hergeleitet. Da heißt es, noch dazu in Sperrdruck: „Der Glaube an eine über der Physik stehende Ordnung bildet den einzigen Daseinsgrund der physikalischen Theorie." (1908.) Aus der Fülle hervorragender, zusammenfassender Werke D.s seien als bedeutendste erwähnt: „Traité élémentaire de mécanique chimique, fondée sur la thermodynamique" (4 Bände, 1897/99), „Leçons sur l'éléctricité et le magnétisme" (3 Bände, 1891/92), „Traité d'énergétique ou de thermodynamique générale" (2 Bände, 1911). Unter seinen verdienstvollen historischen Schriften ragen hervor: „La Théorie physique, son objet et sa structure" (1906, 2. Aufl. 1914, der die obenerwähnten Repliken gegen Rey beigegeben sind), deutsch unter dem Titel „Ziel und Struktur der physikalischen Theorien" (1908), „Les sources des théories physiques. Les origines de la statique" (1905/07), „Etudes sur Léonardo da Vinci" (2 Bände, 1906/09), „Le mouvement absolu et le mouvement relatif" (1909), „Die Wandlungen der Mechanik und der mechanischen Naturerklärung" (1911) und „Le Systeme du monde" (1913).

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