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Graßmann, Hermann Günther

Graßmann, Hermann Günther (1809–1877) Berühmter deutscher Mathematiker, hervorragender Physiker und Sprachforscher; Professor für Mathematik und Physik am städtischen Gymnasium in Stettin. G. studierte Theologie und Philologie, während er sich seine mathematischen und physikalischen Kenntnisse durch Selbststudium erwarb. G.s größte Leistung bilden seine bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiete der Mathematik. Er war der erste, der über eine mehrdimensionale Geometrie geschrieben und den n-dimensionalen Raum definierte. In seinem Hauptwerk: „Die Wissenschaft der extensiven Größen oder die Ausdehnungslehre" (1844; zweite, gänzlich umgearbeitete Auflage 1862, der 1878 als Ergänzung ein Anhang, betitelt „Verhältnis der nicht-euklidischen Geometrie zur Ausdehnungslehre", nachfolgte) legte G. den Grund zu der gegenwärtig zu besonderer Bedeutung gelangten Vektor- und Tensorrechnung. Eine wissenschaftliche Begründung der Arithmetik gab G. in seinem „Lehrbuch der Arithmetik" (1861). In der Philosophie ging G. von Leibniz aus, entwickelte sich jedoch selbständig weiter. Seine mathematischen Schriften enthalten zahlreiche, vom Standpunkt der Dialektik wertvolle und originelle Gedanken. Der materialistische Standpunkt G.s in der Erkenntnistheorie erhellt am besten aus der ungekürzten Wiedergabe der hier von Lenin erwähnten, Machs „Erkenntnis und Irrtum" entnommenen Stelle aus der „Ausdehnungslehre". Sie lautet: „Die oberste Teilung aller Wissenschaften ist die in reale und formale, von denen die ersteren das Sein, als das dem Denken selbständig Gegenübertretende, im Denken abbilden und ihre Wahrheit haben in der Übereinstimmung des Denkens mit jenem Sein; die letzteren hingegen das durch das Denken selbst Gesetzte zum Gegenstand haben, und ihre Wahrheit haben in der Übereinstimmung der Denkprozesse unter sich. Denken ist nur in Bezug auf ein Sein, was ihm gegenübertritt und durch das Denken abgebildet wird; aber dies Sein ist bei den realen Wissenschaften ein selbständiges, außerhalb des Denkens für sich bestehendes, bei den formalen hingegen ein durch das Denken selbst gesetztes, was nun wieder einem zweiten Denkakte als Sein sich gegenüberstellt." („Ausdehnungslehre", 1844, S. XIX.) Die Objektivität und Realität der Außenwelt wird hier mit einer Klarheit und Schärfe verfochten, die nichts zu wünschen übrig lässt. Diese Stelle zeigt gleichzeitig, wie wenig Recht Mach hatte, sich auf G. als einen Vorläufer des Empiriokritizismus zu berufen und wie wohlbegründet Lenins Mach erteilter Ordnungsruf ist. Außer den bereits erwähnten Werken veröffentlichte G. noch zahlreiche wichtige Abhandlungen in wissenschaftlichen Zeitschriften über die verschiedensten Disziplinen der Mathematik und Physik.

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