Übersicht‎ > ‎Personenverzeichnis‎ > ‎

Haeckel, Ernst

Haeckel, Ernst (1834–1919) Deutschlands berühmtester Vertreter eines streitbaren Materialismus, bedeutsamster Reformator der Biologie auf darwinistischer, deszendenztheoretischer Grundlage und größter Zoologe der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts; Professor der Zoologie an der Universität Jena; Begründer und Ehrenvorsitzender des „Deutschen Monistenbundes". H.s unerschrockener Kampf für den Materialismus stand Jahrzehnte hindurch im Mittelpunkt einer internationalen philosophischen Diskussion und rief einen Sturm der Entrüstung bei allen Reaktionären, Pfaffen, akademischen Byzantinern und Spießbürgern hervor. Dank H.s zahlreichen populären Kampfschriften, vor allem seinen weit verbreiteten „Welträtseln" und „Lebenswundern" erschien die Philosophie plötzlich in den Volksversammlungen, in der Schule, auf der Kirchenkanzel und im Parlament. Im Norden Deutschlands trat der preußische Junkerstaat, im Süden traten die katholischen Heiligen auf den Plan. Die Losung lautete: für die heiligen Güter der Menschheit, gegen Sittenverderbnis und Pöbelherrschaft! H. nennt seine Weltanschauung „Monismus", worunter er die einheitliche Zusammenfassung aller Naturerscheinungen, einschließlich der psychischen, in dem obersten Begriffe der „Substanz" versteht. Die Hauptattribute der „Substanz" sind Materie und Energie; das sie beherrschende Universalgesetz, das Gesetz von der Erhaltung der Energie und der Materie. Die „Einheit" aller Naturkräfte und „Allmacht des Substanzgesetzes" führen laut H. unweigerlich zum „definitiven Sturz der drei Zentraldogmen der Metaphysik: Gott, Freiheit und Unsterblichkeit", die nichts anderes als „drei Dichtungsgebilde" seien. Später schrieb H. der Substanz drei Attribute zu: Kraft, Stoff und Empfindung und nannte seine Weltanschauung einen hylozoistischen Monismus. Das Schwergewicht des Verdienstes Haeckels liegt in dessen scharfer Verteidigung eines ausnahmslos geltenden Determinismus und der Erfahrung als einziger Quelle wirklicher Erkenntnis. In der Biologie wirkte Haeckel bahnbrechend durch 1. rücksichtsloses Eintreten für Darwins Selektionstheorie und konsequente Umstellung der Zoologie und Botanik auf die Entwicklungslehre; 2. entschiedene Verteidigung der Lehre von der Urzeugung, der Entstehung der ersten Organismen aus anorganischer Materie; 3. die bestimmte Fassung und deszendenztheoretische Begründung des Gesetzes, wonach die Organismen in ihrer individuellen Entwicklung (Ontogenie) im Wesentlichen die Entwicklungsstadien ihrer Vorfahren, ihre Stammesentwicklung (Phylogenie) durchlaufen (von H. „biogenetisches Grundgesetz" genannt); 4. die erste umfassende Darstellung der Stammesentwicklung des gesamten Tier- und Pflanzenreiches; 5. die Begründung und glänzende Popularisierung der Lehre von der Affenabstammung des Menschen. Auf seinem Spezialgebiete der Anatomie und Phylogenie der Wirbellosen lieferte H. eine Reihe fundamentaler Monographien. Über H.s starke und schwache Seiten vergleiche auch F. Engels' „Naturdialektik" (Moskau, 1925). Hauptwerke: Aus der Fülle für weite Kreise bestimmter Schriften H.s greifen wir heraus: „Über die Entwicklungslehre Darwins" (1863), „Generelle Morphologie der Organismen" (1866, verkürzte Ausgabe 1906), „Natürliche Schöpfungsgeschichte" (1868, 12. Auflage 1920), „Anthropogenie oder Entwicklungsgeschichte des Menschen" (1874, 6. Auflage 1910), „Gesammelte populäre Vorträge" (1902), „Der Monismus als Band zwischen Religion und Wissenschaft" (1892), „Über unsere gegenwärtige Kenntnis vom Ursprung des Menschen" (1898), „Die Welträtsel" (1899, 13. Auflage 1922), „Kunstformen der Natur" (1904), „Die Lebenswunder" (1904), „Der Kampf um den Entwicklungsgedanken" (1905', „Monismus und Naturgesetz" (1906), „Unsere Ahnenreihe" (1908), „Monistische Bausteine" (1913), „Gottnatur" (1914) und „Die Entwicklungsgeschichte einer Jugend" (1921).

Kommentare