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Poincaré, Henri

Poincaré, Henri (1857–1912) – Der größte französische Mathematiker, Astronom und Physiker der letzten 50 Jahre; Professor der Mathematik und mathematischen Physik an der Pariser Universität, Mitglied der Académie Française, Vetter des jetzigen Ministerpräsidenten Raymond P. Einer der fruchtbarsten und erfolgreichsten Forscher der Neuzeit. P.s Hauptforschungen liegen auf dem Gebiete der Mathematik, der mathematischen Physik und der theoretischen Astronomie. Zu seinen größten Leistungen gehören die Arbeiten über Gleichgewichtsfiguren einer rotierenden Flüssigkeitsmasse und über das sog. Dreikörperproblem. P.s Erkenntnistheorie schließt sich in vielfacher Hinsicht den Anschauungen der empiriokritischen Positivisten, vor allem aber dem Pragmatismus an. Allein als glänzender Physiker gerät P. doch immer wieder ins materialistische Fahrwasser. Die Widersprüche bei P. erklären sich zum Teil aus seiner fragmentarisch-essayistischen Behandlungsweise fundamentaler Probleme der Erkenntnistheorie, zum anderen aus dem Umstände, dass P. äußerst schlecht in der Geschichte der Philosophie Bescheid wusste. Ein geschlossenes System der Naturphilosophie hat P. nie entwickelt. Das seine philosophischen Gedankengänge beherrschende Leitmotiv ist der „Konventionalismus", die pragmatistische Lehre, dass nur das wahr sei, was „zweckmäßig", „praktisch", „bequem" sei. Die Entscheidung darüber, was nun aber „bequem", „praktisch" oder „zweckmäßig" sei, bleibe der „Konvention", der Vereinbarung, überlassen. Alle Naturgesetze seien solche Übereinkommen, nicht minder die geometrischen Axiome. Von diesem Standpunkte aus, der, folgerichtig durchdacht, zum Agnostizismus führt, beurteilt P. auch das Problem der Objektivität, der Realität und der Anzahl der Dimensionen des Raumes. P.s Standpunkt deckt sich hierin völlig mit Machs „Denkökonomie", „biologischem Vorteil" und dessen Theorie der „Anpassung der Gedanken an die Tatsachen", nicht minder mit der neuesten deutschen Modetorheit, dem Fiktionalismus Vaihingers, so z. B., wenn es bei P. heißt: „Es kümmert uns wenig, ob der Äther wirklich existiert; wesentlich ist nur, dass alles sich abspielt, als wenn er existierte, und dass die Hypothese für die Erklärung der Erscheinungen bequem ist." („Wiss. u. Hypoth.", S. 212.) Hauptwerke: a) Physikalische: „Vorlesungen über Elektrizität und Optik" (1891/92), „Thermodynamique" (1908), „Mathematische Theorie des Lichtes" (1905), „Sechs Vorträge über ausgewählte Gegenstände aus der reinen Mathematik und mathematischen Physik" (1910) und „Die neue Mechanik" (1911); b) Astronomische: „Méthodes nouvelles de la mécanique céleste" (1892/99), „Leçons de mécanique céleste" (1905/10) und „Leçons sur les hypothèses cosmogoniques" (1913); c) Philosophische: „Wissenschaft und Hypothese" (1906), „Der Wert der Wissenschaft" (1906), „Savants et écrivains" (1910), „Letzte Gedanken" (1913) und „Wissenschaft und Methode" (1914).

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