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Verworn, Max

Verworn, Max (1863–1921) Hervorragender Physiologe, Professor in Göttingen, zuletzt in Bonn; Herausgeber der „Zeitschrift für allgemeine Physiologie". Schüler Haeckels. Hauptarbeitsgebiet: Zellenphysiologie, Nervenphysiologie, Narkose. Außerdem lieferte V. wertvolle Beiträge zur Erforschung der primitiven Kunst. In der Naturwissenschaft ist V. Gegner des Vitalismus, Anhänger einer ausschließlich physikalisch-chemischen Erklärung aller Lebensvorgänge, der Lehre von der Urzeugung und der Darwinschen Selektionstheorie und insoweit Materialist. In philosophischer Beziehung dagegen ist V. ein typischer Eklektiker und subjektiver Idealist, der sich einen eigenen „Psychomonismus" zusammen gepflückt hat. Er selbst weist darauf hin, dass sich seine Anschauungen „am nächsten berühren" mit den Anschauungen Machs, Avenarius', Petzoldts, Ziehens u. a. „Positivisten". Im Materialismus sieht V. lediglich einen „fruchtbaren Irrtum in der Geschichte des menschlichen Denkens". Der Hauptsatz seines „Psychomonismus" lautet: „Die gesamte Körperwelt ist nur Inhalt der Psyche. Es gibt überhaupt nur eins, d. i. der reiche Inhalt der Psyche." Später überraschte V. die Welt durch die ebenso „originelle" wie luftige Erfindung eines „Konditionismus", dessen Losung lautet: „Nicht Kausalismus, sondern Konditionismus!" Dieses erkenntnistheoretische Monstrum gipfelt in der erhabenen Weisheit folgender Grundthesen: „1. Ein Zustand oder Vorgang ist eindeutig bestimmt durch die Gesamtheit seiner Bedingungen; 2. ein Zustand oder Vorgang ist identisch mit der Gesamtheit seiner Bedingungen." V. wirft den Kausalitätsbegriff über Bord. Die ganze Periode kausalen Denkens vom Eiszeitjäger bis zur Gegenwart gehört laut V. einer Zeit der Mystik an, während die wahre Wissenschaft erst mit seiner Erleuchtung beginne. V.s verworrene Ideen fanden weder bei den Naturforschern noch bei den Philosophen irgendwelchen Widerhall. Sein einziger Apostel ist der russische Menschewik und Physiologe Alexander Lipschütz, der in der „Neuen Zeit" nach Art der russischen Machisten den Marxismus durch den „Konditionismus" ergänzen zu müssen glaubte. V.s bekanntestes und bedeutendstes Werk ist seine „Allgemeine Physiologie" (1895, letzte Auflage 1922). Unter seinen naturwissenschaftlichen Schriften ragen hervor: „Psycho-physiologische Protistenstudien" (1889), „Die Biogenhypothese" (1903) und „Erregung und. Lähmung" (1914). Seine philosophischen Ideen entwickelte V. vor allem in „Naturwissenschaft und Weltanschauung" (1904), „Prinzipienfragen in der Naturwissenschaft" (1905), „Die Erforschung des Lebens" (1907), „Die Frage nach den Grenzen der Erkenntnis" (1908), „Die Mechanik des Geisteslebens" (1910), „Kausale und konditionale Weltanschauung" (1912) und „Die biologischen Grundlagen der Kulturpolitik" (1915).

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