Wundt,
Wilhelm (1832–1920) –
Einer
der bekanntesten und vielseitigsten deutschen Philosophen und
Psychologen um die Jahrhundertwende; Professor der Philosophie und
Direktor des Instituts für experimentelle Psychologie an der
Universität Leipzig; Herausgeber der „Philosophischen Studien"
und der „Psychologischen Studien". W. studierte Medizin und
begann seine akademische Laufbahn als Physiologe in Heidelberg, wo er
Assistent von Helmholtz und Dozent war. In der Folge widmete er sich
vorwiegend der Psychologie und dem Aufbau eines eigenen
philosophischen Universalsystems. Durch die Begründung der ersten
Schule für experimentelle Psychologie in Deutschland trug W.
erheblich zur Verbreitung naturwissenschaftlichen Denkens in der
Psychologie bei, die bis zur Einführung des bewussten, exakten
Experiments ein Spielball spekulativer idealistischer Philosophen
gewesen war. Ursprünglich Vulgärmaterialist wurde W. nach und nach
ausgesprochener Idealist. Sein Idealismus bildet ein umfassendes und
detailliertes philosophisches System, das man als das Paradepferd
bürgerlichen Eklektizismus bezeichnen darf. Weiteren Kreisen bekannt
wurde W. durch seinen „psychophysischen Parallelismus", die
Lehre, wonach Psychisches und Physisches, Geist und Körper einander
zugeordnet seien, parallel liefen, aber in keinem Kausalzusammenhange
stünden, im Gegensatze zum Materialismus, der das Psychische als
eine Funktion des Physischen betrachtet. Der W.sche psychophysische
Parallelismus läuft auf die Leugnung der Allgemeingültigkeit der
Kausalität, des Gesetzes von der Erhaltung der Energie, der
Entwicklungslehre u. a. Grunderkenntnisse der Erfahrung hinaus und
bedeutet lediglich eine Umschreibung jenes psychophysischen
Dualismus, den seit Jahrhunderten die Theologie predigt. W. vereinigt
materialistische Elemente, die er vor allem der Physiologie des
Nervensystems und der Sinnesphysiologie entnimmt, mit
metaphysisch-subjektivistischen und theologischen Spekulationen zu
einer künstlichen Einheit, deren Weisheit im folgenden
idealistischen Satz gipfelt: „Es gibt schlechterdings nichts außer
dem Menschen, noch in ihm, was er voll und ganz sein eigen nennen
könnte, ausgenommen seinen Willen." Dieser „reine Wille"
ist das Alpha und Omega der W.schen Philosophie. Er manifestiert sich
einmal als Einzelwille, sodann als Gesamtwille der Menschheit,
endlich als die Welt, die die Gesamtheit aller Willenstätigkeiten
sei. Der „absolute Weltgrund" sei in der „Gottesidee"
gegeben. Da nun aber W. selbst seine eigene Metaphysik für
außerstande erklärt, dieser „Gottesidee" einen konkreten
Inhalt zu verleihen, ruft er den religiösen Glauben zu Hilfe. Damit
wird der „Weltwille" zur göttlichen Allmacht und die
Weltentwicklung ein Spiel göttlicher Launen. Und um einer so
abgedroschenen und dürftigen reaktionären „Errungenschaft"
willen, musste sich W. mit der Kritik der verschiedensten
philosophischen Richtungen abplagen und eine ganze Bibliothek von
dickleibigen Wälzern zusammenschreiben. Welch' beredtes Beispiel für
die Tragikomik bürgerlichen philosophischen Denkens im Beginn des
20. Jahrhunderts! Hauptwerke: „Vorlesungen über die Menschen- und
Tierseele" (erste, materialistische Auflage 1863, in den
späteren Auflagen idealistische Grundeinstellung), „Die
physikalischen Axiome und ihre Beziehung zum Kausalprinzip"
(1866), „Über naiven und kritischen Realismus"
(„Philosophische Studien", 1896–1897), „Völkerpsychologie"
(1900), „Ethik" (1903), „Einleitung in die Philosophie"
(1904), „Essays" (1906), „Logik" (1906–1908), „System
der Philosophie" (1907), „Grundzüge der physiologischen
Psychologie" (1908–1911), Grundriss der Psychologie"
(1909), „Prinzipien der mechanischen Naturlehre" (1910) und
„Metaphysik" (in „Kultur der Gegenwart", Bd.
„Systematische Philosophie", 1907). Wundt, Wilhelm (1832-1920), deutscher Psychologe, Philosoph, Physiologe und Sprachwissenschaftler. Gründete 1879 in Leipzig ein Laboratorium für experimentelle Psychologie. [N. K. Krupskaja, Pädagogische Schriften, Anm. II, 19] |
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