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Karl Marx 18420825 Brief an Dagobert Oppenheim

Karl Marx: Brief an Dagobert Oppenheim

in Köln

[Nach Marx Engels Werke, Band 27, Berlin 1963, S. 409 f.]

[Bonn, um den 25. August 1842]

Lieber Oppenheim!

Einliegend ein Manuskript von Ruge. Nr. 1 wird unbrauchbar sein; Nr. 2 über die sächsischen Zustände werden Sie wohl brauchen können1.

Schicken Sie mir den Aufsatz von Mayer in der „Rheinischen Zeit[ung] * über das Kommunalwesen und, wo möglich, sämtliche Aufsätze von Hermes gegen das Judentum2. Ich will Ihnen dann sobald als möglich einen Aufsatz schicken, der letztere Frage, wenn auch nicht abschließen, doch in eine andere Bahn bringen wird.

Geht der Aufsatz über Hannover3 durch? Versuchen Sie wenigstens bald mit einem kleinen Anfang. Es ist nicht so sehr um diesen Aufsatz selbst zu tun, als um eine Reihe tüchtiger Arbeiten, die ich Ihnen dann von jener Seite her versprechen kann. Der Verfasser desselben schrieb mir gestern:

Ich glaube nicht, dass dem Absätze der Zeitung in Hannover aus meinem Angriffe auf die Opposition Schaden erwachsen wird; im Gegenteil ist man dort ziemlich allgemein so weit gekommen, dass meine ausgesprochenen Ansichten als wahr angenommen werden."

Wenn es mit Ihrer Ansicht von der Sache übereinstimmt, so schicken Sie mir auch den Juste-milieu-Artikel4 zur Kritik. Man muss die Sache leidenschaftslos besprechen. Erstens sind ganz allgemeine theoretische Erörterungen über Staatsverfassung eher passend für rein wissenschaftliche Organe als für Zeitungen. Die wahre Theorie muss innerhalb konkreter Zustände und an bestehenden Verhältnissen klargemacht und entwickelt werden.

Allein, da es nun einmal geschehen ist, so ist ein Doppeltes zu berücksichtigen. Bei jeder Gelegenheit, wo wir in Streit mit andern Tagesblättern geraten, kann man uns, geschehe es früher oder später, die Sache aufmutzen. Eine so deutliche Demonstration gegen die Grundpfeiler der jetzigen Staatszustände kann Schärfung der Zensur, selbst Unterdrückung des Blatts zur Folge haben. Auf diese Weise ging die süddeutsche „Tribüne" unter. Jedenfalls aber verstimmen wir eine große, und zwar die größte Menge freigesinnter praktischer Männer, welche die mühsame Rolle übernommen haben, Stufe vor Stufe, innerhalb der konstitutionellen Schranken, die Freiheit zu erkämpfen, während wir von dem bequemen Sessel der Abstraktion ihre Widersprüche ihnen vor demonstrieren. Es ist zwar wahr: Der Verfasser des Juste-milieu-Artikels fordert zur Kritik auf; aber 1. wissen wir doch alle, wie die Regierungen auf solche Herausforderungen antworten; 2. ist es nicht genug, dass jemand sich der Kritik unterwirft, die ihn ohnehin nicht um Erlaubnis fragen wird; es fragt sich, ob er das gehörige Terrain auswählt. Zeitungen fangen erst dann an, das passende Terrain für solche Fragen zu sein, wenn diese Fragen, Fragen des wirklichen Staats, praktische Fragen geworden sind.

Ich halte es für unumgänglich, dass die „Rh[einische] Zeitung" nicht sowohl von ihren Mitarbeitern geleitet wird, als dass sie vielmehr umgekehrt ihre Mitarbeiter leitet. Aufsätze wie der berührte geben die beste Gelegenheit, einen bestimmten Operationsplan den Mitarbeitern anzudeuten. Der einzelne Schriftsteller kann nicht in der Weise das Ganze vor Augen haben, als die Zeitung.

Sollten meine Ansichten nicht mit den Ihrigen übereinstimmen, so würde ich, falls Sie es nicht für unpassend halten, in den „Anecdotis" als Anhang zu meinem Aufsatz gegen Hegels Lehre von der konstitutionellen Monarchie diese Kritik liefern. Ich halte es aber für besser, wenn die Zeitung selbst ihr eigener Arzt ist.

Indem ich bald Ihre Antwort erwarte

Ihr

Marx


1 Der Artikel von Arnold Ruge wurde in der Beilage der „Rheinischen Zeitung" Nr.268 vom 25.September 1842 unter der Überschrift „Sächsische Zustände" veröffentlicht.

2 Gemeint ist der in der Beilage der „Rheinischen Zeitung" Nr.226 vom 14.August 1842 anonym erschienene Artikel „Ein Wort als Einleitung zur Frage: entspricht die Rheinische Kommunal-Verfassung den Anforderungen der Gegenwart?"

Die Aufsätze von Carl Heinrich Hermes gegen das Judentum erschienen in der „Kölnischen Zeitung" (Nr. 187, 211 und in der Beilage zu Nr.235) vom 6., 30. Juli und 23. August 1842.

3 Offensichtlich handelt es sich um den Aufsatz „Aus dem Hannoverschen", der in der „Rheinischen Zeitung" Nr. 241 vom 29. August 1842 anonym erschienen war.

4 Der Artikel „Das Juste-Milieu" erschien anonym in den Beiblättern der „Rheinischen Zeitung" (Nr. 156,228, 230, 233 und 235) vom 5.Juni, 16., 18., 21. und 23. August 1842. Der Verfasser derselben war der Junghegelianer Edgar Bauer.

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