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Karl Marx 18421108 Die Kommunalreform und die „Kölnische Zeitung”

Karl Marx: Die Kommunalreform und die „Kölnische Zeitung”

[Nach Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA). Erste Abteilung. Werke – Artikel - Entwürfe, Band 1. Berlin 1975, S. 251-259][Rheinische Zeitung Nr. 312, 8. November 1842]

X Köln, 7. November. Wir haben es nicht für angemessen erachtet, bei der Erörterung der Kommunal-Reformfrage dasjenige zu berücksichtigen, was darüber in Provinzial-Blättern und namentlich in der „Kölnischen Zeitung” erschienen ist. Wir werden uns leicht rechtfertigen, wenn wir an einem Beispiel die ungefähre Stärke des Raisonnements, welches die Trennung der Stadt- und Landgemeinden unter seine Protektion hat nehmen wollen, aufzeigen.

In der Beilage 309 der „Kölnischen Zeitung” werden unter der Firma: „Rekapitulation” die Autoritäten für die Affirmative und Negative der quästionierten Trennung beigebracht. Unter andern Kuriositäten finden sich als Gründe gegen die Trennung „einige Zeitungsartikel”, für die Trennung „gleichfalls Zeitungsartikel”, wie denn auch für die Zensur gleichfalls Zeitungsartikel erschienen sind. Jedenfalls müssen wir eine Devotion, welche einen Artikel schon deswegen für einen Grund hält, weil er ein Zeitungsartikel ist, als eine zwar sehr unkritische, aber trotz ihres komischen Behabens immerhin seltene Anerkennung der Zeitungspresse rühmlichst erwähnen. Die Zierde einer gleich rühmlichen Unbefangenheit schmückt keineswegs die Zusammenstellung zweier anderer Autoritäten für und wider die Trennung der Stadt- und Landgemeinden. Gegen diese Trennung sei der Landtag von 1833, der noch dazu durch eine einzelne energische Persönlichkeit vermocht worden sei, hienach also nur diese einzelne Persönlichkeit, für die Trennung der gesamte Landtag vom Jahre 1827 mit Ausnahme einer Stimme; aber, beste Rekapitulation, wenn der Landtag von 1833 nur so viel gilt, als die einzelne Persönlichkeit, der er folgte, wo liegt die Unmöglichkeit, dass der Landtag von 1827 nicht so viel gilt, als die eine Stimme, der er opponierte, und bleibt dann überhaupt der so schwankende, so unselbstständige Landtag noch eine Autorität! Werden ferner die Petitionen von Köln, Aachen und Koblenz als Petitionen für die Trennung der Stadt- und Landgemeinden angeführt, weil sich diese Petita auf Köln, Aachen und Koblenz beschränken, so wäre damit im besten Falle nur die Beschränktheit dieser Petita, aber keineswegs ihre Vernünftigkeit nachgewiesen; allein so wenig diese Städte in der ersten Hast die Allgemeinheit der Frage begriffen und das Interesse der ganzen Provinz ins Auge gefasst haben, so wenig haben sie ihre besondere Reform in irgend einen Gegensatz zur allgemeinen Reform gefasst. Sie haben nur 5 für sich, aber sie haben keineswegs gegen das Land petitioniert. Wir bewunderten gleich im Beginn die komische Unbefangenheit der „Rekapitulation”, und wenn sie solcher auch nicht durchgehend treu bleibt, sondern, wie wir eben gehört, nebenbei nicht umhin konnte, in kleine absichtliche Schlauheiten zu verfallen, so stellt sich diese Komik und diese Unbefangenheit am Schlusse wieder siegreich her. Für die Trennung von Stadt und Land seien auch „die übrigen Städte der Rheinprovinz, deren Petitionen ihrem Inhalte nach nicht bekannt sind, die aber das, was sie begehrt, wohl nur für sich begehren konnten, da kein einzelner Ort das Organ eines ganzen Landes sein kann”. Also nicht nur ein Zeitungsartikel in abstracto ist eine Autorität, sogar die entschiedene Mittelmäßigkeit eines „wohl nur” enträtselt den unbekannten Inhalt der übrigen städtischen Petitionen.

Dass dieser Prophet, der „wohl nur” heißt, ein falscher Prophet ist, beweist die Petition der Stadt Trier. Am Schluss der „Rekapitulation” tritt der innere Grund hervor, welcher der eigentliche Lebensgrund einer Trennung von Stadt und Land ist. Man will nicht nur die Stadt vom Lande, man will die einzelnen Städte von einander und von der Provinz, man will die Provinz von ihrer eigenen Vernunft trennen. Ein einzelner Ort könne nicht das Organ eines ganzen Landes sein? Richtig, der einzelne Ort soll nicht das ganze Organ, aber er soll ein Teil dieses Organs, also für seinen Teil das Organ des ganzen und allgemeinen Interesses sein. Oder hebt etwa solche Ansicht nicht alle Möglichkeit selbst einer einzelnen städtischen Kommunalordnung auf? Wenn ein einzelner Ort nicht das Organ des ganzen Landes, kann ein einzelner Bürger das Organ einer ganzen Stadt sein? Dieser Bürger, wie aus dem obigen Raisonnement folgt, kann daher was er begehrt nur für sich, aber nicht für die ganze Stadt begehren, und da die ganze Stadt nur aus einzelnen Bürgern besteht, so kann überhaupt nichts Städtisches begehrt werden. Die Rekapitulation endet damit, womit die Trennung von Stadt und Land, will sie konsequent sein, überhaupt enden muss, nicht nur die Stadt, nicht nur die Provinz, sondern sogar den Staat selbst unmöglich zu machen. Will man einmal das Partikulare im feindlichen Gegensatz gegen das Allgemeine geltend machen, so muss man damit schließen, alle politischen und sozialen Gestaltungen vor der letzten unteilbaren Partikularität, dem einzelnen Individuum in seinen physischen Gelüsten und Zwecken verschwinden zu lassen. Die Truppen, welche die Rekapitulation für sich aufmarschieren lässt, gleichen mit wenigen Ausnahmen den Rekruten des Falstaff. Sie taugen nur dazu, die Bresche mit Gedankenleichen zu füllen. Genug des Totengräbergeschäfts!

Schließlich eine wohlgemeinte Erinnerung an die „Kölnische Zeitung”. Zum ersten Mal hat den leitenden Artikel ein Gefühl der Bescheidenheit und des Misstrauens in seine Kräfte beschlichen, obschon er sonst de omnibus rebus et de quibusdam aliis sich maßgebend zu ergehen pflegt. Nicht zum ersten Mal, wohl aber für allemal kann sich die „Kölnische Zeitung” bei dieser Gelegenheit von der Unhaltbarkeit ihres Redaktionsprinzips überzeugen. Da alle Gratis-Mitarbeiter willkommen sind, so reichen einige schreiblustige Finger, von einem mittelmäßigen Kopfe in Bewegung gesetzt, hin, den Ausdruck der öffentlichen Meinung zu verfälschen. Wirft man einen Blick auf die Spalten der „Kölnischen Zeitung”, so sollte man glauben, die Ansicht für die Trennung von Stadt und Land herrsche in der Rheinprovinz vor. Wirft man einen Blick auf die Rheinprovinz, so sollte man glauben, die Rheinprovinz herrsche nicht in der „Kölnischen Zeitung” vor.

[Rheinische Zeitung Nr. 316, 12. November 1842]

X Köln, 11. Nov. Unser Zuruf an die Rheinischen „Provinzialblätter” in Betreff der Kommunalreformfrage ist nicht ohne Resultate geblieben. Die „Kölnische Zeitung” hat sich bewogen gefunden, ihr Blatt vom 11. November statt in gewohntes Helldunkel, in Scheinhell einzutunken, und obschon mit unverkennbarer Missstimmung, mit zögernden Klauseln, mit verdächtigenden Seitenblicken, mit absichtlicher Zweideutigkeit die gleiche Berechtigung von Stadt und Land anzuerkennen. Wir ergreifen heute noch einmal die Gelegenheit, der „Kölnischen Zeitung” ihren Geisteszustand zum Bewusstsein zu bringen, und wollen nicht ablassen von der angenehmen, obgleich phantastischen Hoffnung, dass sie ihren Standpunkt verlieren wird, sobald sie ein Bewusstsein über ihren Standpunkt gewonnen hat. – „Was übrigens”, schließt die „Kölnische Zeitung” ihren heutigen Artikel, „die das allgemeine Interesse in so hohem Grade ansprechende Frage des Kommunalwesens betrifft, so findet die Redaktion der ,Kölnischen Zeitung’ angemessen, zu erklären, dass sie auch in dieser Beziehung dem Grundsatze der Rechtsgleichheit huldigt, dass sie es aber als ihre Pflicht erachtet, der Diskussion über die Formen, in denen eine Verbesserung der gegenwärtig durchaus unfreien und von allen Parteien als nicht länger haltbar anerkannten Zustände zu bewirken ist, den möglichst freien Spielraum zu lassen.” – Die „Kölnische Zeitung” hat bisher keinen einzigen Artikel über die Formen gebracht, in denen die Kommunalreform, das Prinzip der Rechtsgleichheit festgehalten, zu bewirken ist. Wir konnten daher unmöglich einen Gegner bekämpfen, der nicht existiert. Oder hält die „Kölnische Zeitung” die „Trennung von Stadt und Land”, eine Trennung, welche mehrere ihrer Artikel durch eine getrennte Kommunalordnung gesetzlich zu fingieren vorschlugen, ebenfalls für eine der Formen, in denen sich das Prinzip der Rechtsgleichheit kristallisiert? Hält sie die fixierte Rechtsungleichheit für eine Form der Rechtsgleichheit? Der Kampf in der „Kölnischen Zeitung” bewegte sich nicht um die verschiedenen Formen eines und desselben Prinzips, sondern vielmehr um die Verschiedenheit des Prinzips selbst, und zwar zählte dieser Kampf, wenn wir die Artikel der „Kölnischen Zeitung” nach dem Vorschlag der „Kölnischen Zeitung” als bloße Artikel, d.h. nach ihrer numerischen Masse betrachten, die meisten Truppen unter den Gegnern der Gleichheit. – Wir sagten der „Kölnischen Zeitung”: Seid ehrlich, verfälscht nicht den Ausdruck der öffentlichen Meinung, erfüllt den Beruf eines rheinischen Blattes, den rheinischen Geist darzustellen, abstrahiert von persönlichen Rücksichten, verschließt eure Spalten in einer Lebensfrage der Provinz allen individuellen Meinungen, welche die Schwäche besitzen, eine aparte Stellung dem Volkswillen gegenüber behaupten zu wollen, und wie antwortet die „Kölnische Zeitung”!

Sie findet es „angemessen”, dem Prinzip der Rechtsgleichheit in Bezug auf die Kommunalreform zu huldigen, ein „Angemessenfinden”, das man der Rheinprovinz gegenüber sehr klug finden und nicht gerade als einen Beweis von der Erfindungskraft der Kölnischen Zeitung betrachten wird. Neben dieser gemessenen Huldigung vor dem Geist der Provinz hält es aber die Kölnische Zeitung für ihre „Pflicht”, der Diskussion über die „Formen” der Kommunalreform den möglichst freien Spielraum zu überlassen, unter welchen Formen sie auch die Formen der „Ungleichheit” versteht. Man wird diese „Pflichtbeflissenheit” vom Standpunkt ihrer Privatinteressen und Privatrücksichten aus angemessen finden, so unangemessen dieser Standpunkt selbst ist. Um der Kölnischen Zeitung, die sich hinter den Unterschied von Form und Inhalt verkriecht, jeden Schlupfwinkel abzuschneiden, stellen wir die kategorische Frage, ob sie die durch eine getrennte Kommunalordnung gesetzlich fixierte Ungleichheit von Stadt und Land für eine „Form” der Rechtsgleichheit erklärt und der Prätension derselben als bloßer Formfrage fernerhin ihre Spalten öffnen zu dürfen glaubt? Wir werden morgen auf den quästionierten Artikel der „Kölnischen Zeitung” zurückkommen.

Rheinische Zeitung Nr. 317, 13. November 1842]

X Köln, 12. Nov. Der die das (um in einer eleganten, der „Kölnischen Zeitung" geläufigen Redefügung zu beginnen) allgemeine Interesse in so hohem Grade ansprechende Frage des Kommunalwesens anbetreffende Artikel in Nro. 314 der „Rheinischen Zeitung" ist nichts als ein avantpropos zu der ausführlichen, durch unser Beiblatt fortlaufenden Erörterung über Gleichheit der Kommunal-Ordnung für Stadt und Land. Ihre Bezugnahme hierauf, d.h. auf die Sache selbst, leitet die „Kölnische Zeitung" mit „Übrigens" ein, wie der ouvrier im Handwerkerfest seinen Vortrag mit „Überhaupt" beginnt, was aber der „Kölnischen Zeitung" keineswegs das Verdienst der Originalität schmälern soll, da wir es vielmehr als eine eben so eigentümliche, wie lobenswerte Gewohnheit derselben anerkennen, bei der Behandlung einer Frage von allgemeinem Interesse „Übrigens" auch die „Sache selbst" zu berühren. Diese Methode der Behandlung, von einiger Absichtlichkeit getragen, besitzt eine wunderbare Geschmeidigkeit, die seltsamsten Missverständnisse möglich, und für Dritte sogar als den eigentlichen Verstand der Sache wahrscheinlich zu machen.

So beginnt die „Kölnische Zeitung" ihren quästionierten Artikel vom 11. November mit der Anekdote, dass ein „benachbartes Blatt", die „Rheinische Zeitung" nämlich, „alle rheinischen Provinzialblätter" aufrufe, gegen „die angeblich von Berlin aus bedrohte Rechtsgleichheit der Stadt- und Landgemeinden mit Kraft zusammenzuhalten" und die gemeinsame Losung austeile: „Gleichheit für Alle, für Bürger und Bauer." Die „Kölnische Zeitung" erklärt sich bereit, diese Losung zu teilen, „sofern unter Gleichheit nicht der törichte Traum der Kommunisten, sondern wie wir voraussetzen, die einzig mögliche Gleichheit, Gleichheit der Rechte verstanden wird". Dieser schalkhafte Seitenblick auf die kommunistischen Träumereien wäre eben so unmöglich, als die großmütige Voraussetzung unserer akommunistischen Tendenz unnötig gewesen, hätte die „Kölnische Zeitung" ihren Bericht mit der Sache selbst, mit dem Faktum begonnen: die „Rheinische Zeitung" begehre eine gleiche Kommunalordnung für Stadt und Land, und bezeichne diese Gleichheit sogar ausdrücklich in dem angezogenen Artikel als „Rechtsgleichheit der Stadt- und Landgemeinde". Gälte aber der „Kölnischen Zeitung" diese Gleichheit selbst für kommunistische Torheit, so wäre sie einfach auf ihr eigenes Bekenntnis, eingeleitet durch das katonische: „Caeterum", zu verweisen.

Der lächerliche kommunistische Seitenhieb genügt noch nicht. Die „Kölnische Zeitung" hält es für nötig, mit der Konfession der Rechtsgleichheit eine andere Konfession zu verbinden. „Aber", sagt sie, „wir müssen gestehen, dass wir die Besorgnis auf keine Weise zu teilen vermögen, als gehe die weise Regierung Friedrich Wilhelms IV. damit um, die rheinische Rechtsgleichheit anzutasten. Ehe wir davon überzeugt werden, müssen uns Tatsachen und nicht Behauptungen vorliegen, von denen wir hoffen, dass sie alles Grundes entbehren."

Mit dieser ungeschickten und perfiden Insinuation, welche uns eine absichtliche Verletzung der rheinischen Rechtsgleichheit von der weisen Regierung Friedrich Wilhelm’s IV. besorgen und verbreiten lässt, flüchtet die „Kölnische Zeitung” von dem Gebiete der Argumente in das Gebiet des Verdachtes und der Denunziation, überzeugt sie uns von Neuem, dass die Ohnmacht des Verstandes sich in letzter Instanz durch die Ohnmacht des Charakters, durch die gehaltlose Verwegenheit der Demoralisation zu behaupten sucht. Worauf gründet sich die Insinuation der „Kölnischen Zeitung”? Wir haben nach Berliner Nachrichten mitgeteilt, dass den rheinischen Deputierten der Zentralausschüsse der Entwurf einer Kommunalordnung vorliegt, welcher die Gleichheit von Stadt und Land nicht anerkennt: wir haben der rheinischen Presse für diesen Fall die Haltung und die Energie der Wahrheit empfohlen.

Wenn die Regierung den rheinischen Deputierten eine Kommunalordnung, die Stadt und Land trennt, zur Begutachtung vorlegt, so folgt schon aus dieser einfachen Tatsache, dass die Regierung, von jeder versteckten Absichtlichkeit entfernt, vielmehr die volle Überzeugung hegt, durch eine solche Trennung die rheinische Rechtsgleichheit nicht anzutasten. Wenn die rheinische Presse, das Organ der Rheinprovinz, von der entgegengesetzten Ansicht der Provinz überzeugt ist, so folgt eben so einfach, dass sie eine gemeinsame Kommunalordnung für Stadt und Land als eine notwendige Konsequenz der rheinischen Rechtsgleichheit nachzuweisen hat, oder ist es nicht selbst eine Verpflichtung der Presse gegen die Regierung, die Volksüberzeugung ohne Rücksicht auf die exklusive Meinung einzelner Individuen, nicht nur auszusprechen, sondern auch den vernünftigen Gehalt dieser Überzeugung zu beweisen?

Endlich ist es mehr als Indezenz von der „Kölnischen Zeitung”, die Allerhöchste Person Seiner Majestät in dergleichen Kontroversen hereinzuziehen. Es gehört wahrlich ein Minimum von Verstand und ein Maximum von Gesinnungslosigkeit dazu, jede politische Diskussion in einem rein monarchischen Staate durch das einfache und leichte Manöver unmöglich zu machen, dass man vom wirklichen Gehalt der Diskussion abstrahiert, eine persönliche Beziehung zum Monarchen abgewinnt und damit jede sachliche Debatte in eine Vertrauensdebatte verwandelt. Wir haben die Hoffnung ausgesprochen, dass alle rheinischen Blätter die Ansicht der Rheinprovinz repräsentieren werden, weil und sofern wir die unerschütterliche Überzeugung hegen, dass Seine Majestät der allgemeinen rheinischen Ansicht die Anerkennung ihrer großen Bedeutsamkeit nicht versagen werden, selbst wenn unsere Berliner Nachrichten gegründet sind, was wir zu bezweifeln keinen Anlass haben, selbst wenn die rheinischen Deputierten eine Trennung von Stadt und Land billigen, was um so weniger über allen Zweifel erhaben scheinen kann, als eben erst die Artikel der „Kölnischen Zeitung” bewiesen haben, dass nicht alle Rheinländer die Überzeugung der unverhältnismäßig überwiegenden Majorität zu verstehen und zu teilen wissen.

Die „Rheinische Zeitung” stellte Rechtsgleichheit für Stadt und Land als Losung auf und die „Kölnische Zeitung” akzeptierte diese Losung mit der vorsichtigen Bedingung, dass wir unter „Rechtsgleichheit” Rechtsgleichheit und keine kommunistische Träumerei verstehen. Die „Rheinische Zeitung” begleitete die Berliner Nachrichten mit einem Aufruf an die Gesinnung der Rheinischen Blätter und die „Kölnische Zeitung” denunciert sie der Besorgnisse gegen die Absichten Seiner Majestät. Die „Rheinische Zeitung” forderte die verschiedenen Redaktionen unserer Provinzialblätter auf, individuelle Rücksichten und vorgefasste Meinungen dem Vaterlande zu opfern und die „Kölnische Zeitung” bringt eine trockene, von aller Begründung entblößte Anerkennung der Rechtsgleichheit von Stadt und Land, eine Anerkennung, deren formelles Verdienst sie selbst wieder aufhebt, indem sie die „Trennung” von Stadt und Land für eine „Form” der Rechtsgleichheit erklärt. Ist es möglich, unlogischer, charakterloser und elender zu schreiben? Ist es möglich, deutlicher mit dem Mund die Freiheit und mit dem Herzen die Unfreiheit zu proklamieren? Aber die „Kölnische Zeitung” kennt den Shakespearschen Spruch: „Ehrlich sein, bester Herr, ist, wie die Welt heute läuft, Einer unter Hunderten sein” und die „Kölnische Zeitung” unterlag nicht der Versuchung, Einer unter Hunderten zu sein.

Schließlich noch ein Wort über die „Trennung von Stadt und Land”. Selbst von den allgemeinen Gründen abgesehen, so kann das Gesetz nur das ideelle, selbstbewusste Abbild der Wirklichkeit sein, der theoretische verselbstständigte Ausdruck der praktischen Lebensmächte. In der Rheinprovinz sind Stadt und Land nicht wirklich getrennt. Also kann das Gesetz diese Trennung nicht dekretieren, ohne seine eigene Nichtigkeit zu dekretieren.

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