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Karl Marx 18421108 Die „liberale Opposition" in Hannover

Karl Marx: [Die „liberale Opposition" in Hannover1]

[„Rheinische Zeitung", Nr. 312 vom 8. November 1842, Beiblatt. Nach Marx Engels Werke, Band 40, Berlin 1985 {bzw. Ergänzungsband. Erster Teil, Berlin 1968}, S. 387 f.]

*) Da der Ausdruck „liberale Opposition" in der Überschrift nicht von dem Verfasser des quästionierten Artikels, sondern von der Redaktion herrührt, so findet diese sich veranlasst, einiges zur Erläuterung dieser Benennung beizubringen.

Man führt zwei Gründe gegen den fraglichen Ausdruck an. Was die Form betreffe, sei die Opposition nicht liberal, weil sie konservativ sei, weil sie die Fortdauer eines bestehenden Rechtszustandes bezwecke, eine Dialektik, nach welcher die Julirevolution eine konservative, also illiberale Revolution war, denn sie bezweckte zunächst die Konservation der Charte. Nichtsdestoweniger hat sich der Liberalismus die Julirevolution vindiziert. Der Liberalismus ist allerdings konservativ, er konserviert die Freiheit und den Angriffen roher, materieller Gewalt gegenüber selbst die verkümmerten Status-quo-Gestalten der Freiheit. Es kommt hinzu, dass, wenn solche Abstraktion konsequent sein will, ihr eigener Standpunkt die Opposition eines Rechtszustandes, der vom Jahr 1833 datiert, progressiv und liberal finden muss gegen eine Reaktion, welche das Jahr 33 gewaltsam in das Jahr 19 zurückdrängt.

Was den Inhalt betreffe, wird ferner angeführt, sei der Inhalt der Opposition, das Staatsgrundgesetz von 1833, kein Inhalt der Freiheit. Zugegeben! Sowenig das Staatsgrundgesetz von 1833 eine Gestalt der Freiheit ist, wenn es an der Idee der Freiheit, so sehr ist es eine Gestalt der Freiheit, wenn es an der Existenz des Staatsgrundgesetzes von 1819 gemessen wird. Überhaupt handelte es sich zunächst nicht um den bestimmten Inhalt dieses Gesetzes: es handelte sich darum, für gesetzlichen Inhalt gegen ungesetzliche Usurpation zu opponieren.

Die Redaktion war um so mehr befugt, die hannoversche Opposition liberal zu nennen, als beinahe alle deutschen Kammern ihr als liberaler Opposition, als einer Opposition der gesetzlichen Freiheit akklamierten. Ob ihr nun vor dem Richterstuhl der Kritik, dies Prädikat gebühre, ob sie über die bloße Meinung und Prätension des Liberalismus zu wirklichem Liberalismus fortgegangen sei, das eben zu untersuchen, war die Aufgabe des quästionierten Artikels.

Wir bemerken beiläufig, dass nach unserer Ansicht der wahre Liberalismus in Hannover künftig weder das Staatsgrundgesetz von 1833 zu verfechten noch zu dem Gesetz von 1819 zurückzukehren, sondern eine völlig neue, einem tieferen, durchgebildeteren und freieren Volksbewusstsein entsprechende Staatsform zu erstreben hat.

Die Red. der „Rh. Ztg."

1 Die redaktionelle Note „Die ,liberale Opposition' in Hannover" bezieht sich auf die im Beiblatt der „Rheinischen Zeitung" vom 8. November 1842 gebrachte Erwiderung („Vom Rhein") auf den Artikel „Fehlgriffe der liberalen Opposition in Hannover" (in den Beiblättern der „Rheinischen Zeitung" vom 22. und 25. September sowie vom4. Oktober 1842).

Beide Artikel beschäftigen sich mit der inkonsequenten Haltung der Opposition zu der im Jahre 1837 vom König von Hannover vorgenommenen Aufhebung des Staatsgrundgesetzes von 1833, mit ihrer Tätigkeit in dem (nach dem Staatsgrundgesetz von 1819) neu einberufenen Landtag und überhaupt mit ihrem Verhalten in dem mit der Aufhebung der hannoverschen Verfassung von 1833 hervorgerufenen Verfassungsstreit, der erst 1840 beigelegt wurde.

In der Erwiderung auf den Artikel „Fehlgriffe der liberalen Opposition in Hannover" vom 8. November 1842 heißt es: „Der Verfasser nennt die Opposition in Hannover eine ,liberale Opposition', … Soweit wir die hannoversche Opposition kennen, können wir diese Bezeichnung nicht für richtig halten. Die Opposition … ist… rein konservativ."

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