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Joseph Weydemeyer 18460430 Brief an Karl Marx

Joseph Weydemeyer: Brief an Karl Marx

in Brüssel

Schildesche, 30. April 1846

[Nach Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA). Dritte Abteilung. Briefwechsel, Band 1. Berlin 1975, S. 532 f.]

Schildesche den 30/4 46.

Lieber Marx!

Bis jetzt laure ich noch vergeblich auf den Brief von Dir, der schon vor mir hier eintreffen sollte. Es tut mir leid, ich hätte ihn gern gehabt, ehe ich mit Meyer zusammenkomme. Wie scheußlich die Sachen hier stehen, siehst Du schon aus dem offiziellen Briefe; ich hoffe aber, dass sich Alles noch ordentlich machen wird. Schickt mir daher die fehlenden Manuskripte so bald als möglich; jedenfalls können sie von hier am besten an ihren Bestimmungsort gefördert werden. Ich will Meyer den Vorschlag machen, im Limburgschen einen Verlag zu errichten; die Anlagekosten können keineswegs bedeutend sein. Habe ich einen im Buchhandel erfahrenen Kommis zur Seite, so werde ich die Sache mit dem Wochenblatt zusammen zu leiten, wohl im Stande sein. Mit der kaufmännischen Buchführung p.p. u. dgl. kann ich mich in einigen Monaten bei Meyer doch hinlänglich vertraut machen, so etwas Großes wird das doch wohl nicht sein. Was meinst Du, sollten sich für ein derartiges Unternehmen nicht vielleicht noch einige andere Kapitalisten gewinnen lassen, falls es für's Meyers Kräfte zu groß wäre? Ich glaube, ein Aktienverlag tut uns gewiss ebenso Not, wie eine Aktienzeitung. Gegen die einzelnen Buchhändler können zu leicht Zwangsmaßregeln angewendet werden, hier könnte höchstens der ganze Verlag verboten werden, was bei den guten Verbindungen eben sich viel sagen will, und die Verbindung mit einem Bundesstaate kann nicht abgeschnitten werden. Sobald ich das holländische Bürgerrecht nachsuche, wird man mir auch wohl die Konzession zu einem solchen Unternehmen nicht verweigern. Suche jedenfalls über die limburgischen Verhältnisse auch in dieser Beziehung Erkundigungen einzuziehen, und teile mir recht bald Deine Ansicht über diese Angelegenheit mit. Die Herausgabe von Broschüren scheint mir fast nur auf diesem Wege möglich. – Ich glaube, ich habe Daniels in meinem vorigen Briefe etwas Unrecht getan, er hat mit den Leuten doch schon über das Einzahlen von Beiträgen gesprochen; dass er im Übrigen die Sache sehr eifrig betreiben wird, bezweifle ich einigermaßen, die Lauheit der Leute widert ihn an, und die sonstigen kleinlichen polizeilichen und mittelalterlichen Verhältnisse machen ihn missvergnügt. Auf die Behauptung, von der Du sprachst, dass es überflüssig sei, den „Stirner" zu kritisieren, bin ich schon bei Einigen gestoßen, habe mich besonders mit Bürgers lange deshalb herum gestritten. Mir ist dagegen die Notwendigkeit dieser Kritik noch einleuchtender geworden wie früher. Die Herrschaft der Idee steckt den Leuten, besonders den Kommunisten selbst noch gewaltig in den Köpfen, wenn der Unsinn auch nicht mit Stirnerscher Klarheit hervortritt, das Kategorien- und Konstruktionswesen findet sich auch in Schriften realeren Inhaltes, in denen das Baugerüst besser bekleidet und versteckt ist. Einen großen Teil des Einzigen, d.h. Deines Einzigen habe ich hier mit Luise durchgelesen, der es sehr gefällt. Übrigens sind die ganz umgeschriebenen Teile bei weitem die best geschriebenen. – Die Beiträge von Weitling für das Dampfboot waren recht herzlich schlecht; außer dem über Irland, wovon allein die Zeitungsnachrichten brauchbar, hatte er mir auch noch einen Auszug aus einem alten englischen Schmöker, den er wahrscheinlich bei irgend einem Antiquar aufgetrieben, mitgegeben worin auf eine höchst allgemeine, humoristisch sein sollende Weise gegen unsere Zustände losgezogen wurde, wie es weit besser schon an hundert andern Stellen geschehen. Ich habe Lüning gleich meine Ansicht darüber mitgeteilt,- und weiß schon, dass er das Meiste nicht aufnehmen wird. Mit ihm zu sprechen habe ich bis jetzt noch keine Gelegenheit gehabt; das Dampfboot wird aber jetzt wohl die einzige Monatsschrift sein, welche uns bleibt, wir müssen es jedenfalls ganz in unsere Hände zu bringen suchen. Sollte es aber nicht möglich sein, so wird auch später wohl die Gründung einer neuen Monatsschrift nötig werden. – Lass mich doch recht bald wissen, wie es mit Deinen Geldverhältnissen aussieht, oder besser, wie viel Du haben willst. Ist die Verlagsgeschichte auch noch nicht in Ordnung, so wird Dir Meyer doch gern die nötigen Vorschüsse machen. Mach nur, dass Deine Nationalökonomie recht bald fertig wird; man weiß in der Tat den Leuten, die gern über den Kommunismus etwas Ordentliches lesen wollen, weil sie sich durch die allgemeinen Phrasen nicht befriedigt finden und an die Einführung des Kommunismus durch die allgemeine Bildung nicht glauben wollen, nichts anzugeben. In den deutsch-franz. Jahrb. – wenn sie noch zu haben sind – und in der Heiligen Familie ist die Entwicklung zu sehr angedeutet. – Getan habe ich, wie Du denken kannst, hier einstweilen noch nichts; auch wird, ehe ich noch einige Abstecher gemacht habe, wohl noch nicht viel daraus werden. Außer der Übersetzung habe ich große Lust, über die jetzige Lage Preußens, besonders in finanzieller Hinsicht, eine Bourgeois-Broschüre zu schreiben. Verschaffe mir daher möglichst bald das englische Buch über diesen Gegenstand, und gib mir die Quellen an, die Dir außerdem noch bekannt sind. – Luise verlangt von mir das Weitlingsche Einlegeband, was Du mir heimlicher Weise entwendet hast, sie schickt Dir dafür einliegendes (für etwaige Druckfehler will sie nicht einstehen.), und setzt in Deine Galanterie so großes Vertrauen, dass sie sich mit der Hoffnung schmeichelt, Du würdest das andere jetzt freiwillig ausliefern. Sie lässt zugleich Dich und Deine Frau grüßen. Auch von mir herzliche Grüße an Deine Frau, Eck, Jennichen, Lenchen.

Lebe wohl und antworte recht bald Deinem

J.W.

Behalte die alte Adresse bei, oder nimm für den Notfall auch folgende

Madém. Bella Tegeler

Schildesche

près de Bielefeld

dann aber mit besonderem Kuvert für mich.

Schreib mir doch, wie groß mein Vorschuss an Bernays ist; ich habe es vergessen aufzuschreiben und weiß es nicht auswendig.

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