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Karl Marx 18680108 Brief I an Friedrich Engels

Karl Marx: Brief an Friedrich Engels

in Manchester

[Nach Marx Engels Werke, Band 32, Berlin 1965, S. 9 f.]

[London] 8. Jan. 1868

Dear Fred,

Den „Staats-Anzeiger" und „Beobachter" habe ich ditto von Kugelmann erhalten. Deinen „St" schicke ich Dir heute zurück. Ebenso die mir von K zugesandte Copy des Briefes des Obersten, der die ganze Sache vermittelt hat. Württemberg ist nun hinreichend versehn. Nach meiner Ansicht – mit spezieller Rücksicht auf den Verkauf – ist Östreich nun am wichtigsten. Notabene, wenn Du die Geduld hast, noch mehr Rezepte zu schreiben. Jennychen, ein Kenner im Fach, behauptet, dass Du großes dramatisches Talent entwickeltest, resp. komisches, in dieser Aktion von „verschiedenen" Standpunkten und mit verschiednen Charaktermasken.

Dem Wilhelmchen werde ich dieser Tage – ich bin immer noch etwas matt und wenig zum Schreiben passend –, sobald ich mich wieder ganz auf dem Strumpf fühle, einige Rutenstreiche zukommen lassen. Namentlich wegen seiner Identifikation meiner Ansicht mit der spezifisch Wilhelmschen.

Die Sache von Dühring (er ist Privatdozent an der Berliner Universität) ist sehr anständig, so mehr, als ich seinen Meister „Carey" so hart angelassen habe. Verschiednes hat D offenbar missverstanden. Das drolligste aber, dass er mich mit Stein zusammenstellt, weil ich Dialektik treibe und Stein in hölzernen Trichotomien1, mit einigen hegelschen Kategorieumschlägen, das Allertrivialste gedankenlos zusammenreiht.

Hast Du Borkheims „Perle" schon erhalten?

Es scheint, dass professionelle Poesie bloß eine Maske für den aller-trockensten Prosaismus ist. Z.B. unsre Freiligrathfamilie. Kate reist (zur Hochzeitsreise) mit dem jungen Kornwuchrer Kröker nach Paris. Da dieser Edle aber zugleich „Geschäfte" abzumachen, lässt er Besagte 2-3 Tage allein in einem der großen Pariser Hotels. Kate und die ganze family finden das in der Ordnung. Ja, K schreibt entzückt, dass man sie in dem Hotel „Mademoiselle" nennt (nachdem sie daselbst mit Kröker gemeinschaftlich genachtlagert) und dass alle Kellner und sogar der Portier ihr freundlich „zunicken". Noch mehr: Kröker kehrt von Paris (nachdem er den Geschäftsausflug in die Provinz gemacht) direkt mit K nach London zurück, und die ganze Familie ist entzückt darüber, dass der „honeymoon"2 nun 6 Monate vertagt ist, da das Geschäft „vor alles" geht. Für einen Poeten ist ja der honeymoon auch nur eine Redeblume und kann vor oder nach der Entbindung ge„feuert" werden (die Tatsachen sind von den Freiligraths Jungen3 bei mir im Hause erzählt worden), vorn oder hinten. Das Kate scheint sogar den Clauren gelesen zu haben, denn sie beschreibt sich – von Paris aus – als „Strohwitwe".

Die Yankees werden dem John Bull was Angenehmes vorpfeifen. Was sagst Du von den letzten Rodomontaden4 der Russen?

Der Zwerg Alberich war sehr entzückt von Deinem Brief. Er ist eben in die Turnschule, wo er Großes leistet.

Salut.

Dein

K.M.

1 Haarspaltereien

2 „Flitterwochen"

3 Wolfgang und Otto

4 Prahlereien

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