I. Vom Ende des 15. Jahrhunderts bis 1519

[l.] Vom Ende des 15. Jahrhunderts bis 1519 (Maximilians Tod) (16. Jahrhundert)

1. Deutsches bis 1504

[Im] August 1493 starb Friedrich III. Was Maximilian vor und nach [dem] Tod des Friedrich auszeichnet, ist Geldmangel. Das Kaisertum und alle von ihm beherrschten Landschaften bringen ihm in drei Jahren nicht so viel Geld als die Mitgift seiner zweiten Frau, Blanca Maria von Mailand, [der] Enkelin des Bauern Attendolo Sforza. Die Knauserei der deutschen Städte einerseits, die Schamlosigkeit der Reichsritterschaft andrerseits, die ihre „uralte Freiheit von Reichsabgaben“ behaupten, finden wenigstens [einen] juste pretexte darin, dass der „Ritterliche" das deutsche Reich für seine Privatinteressen als Landesherr von Östreich etc. und [die] dynastischen Interessen seiner Familie in [den] Niederlanden, Burgund und Spanien etc. zu exploitieren und in Kriege zu verwickeln etc. sucht; der Habsburger Schuft versteckt sich unter dem „Ritter".

März 1495: Reichstag in Worms: Max spricht nur von Türkenzügen, Römerzügen1, Kriegen in Italien und andren Abenteuern. [Die] Stände verlangen Schaffung von Ordnung im Reich; [sie] wollen auch nichts zahlen für Maxens Abenteuer. [Die] Reichsritterschaft <wie im folgenden Reichstag von 1496) besteht auf „ihrer uralten Freiheit von Reichsabgaben".

August bis Oktober. Auf [dem] Wormser Reichstag [wurde] durch [die] Bemühung des Erzkanzlers, [des] Erzbischofs von Mainz ([eines] geborenen Grafen von Henneberg), [eine] allgemeine Reichsordnung [angenommen], wodurch [das] kaiserliche Ansehen sehr geschmälert [wurde].

Schon [im] August 1495 [wurde ein] allgemeiner beständiger königlicher Landfrieden [verkündet] und [das] Reichsgericht [geschaffen]. (Friedrich III. hatte bereits ein kaiserliches Kammergericht (kein Reichsgerict) eingesetzt.) Max selbst saß 1494 als Präsident eines von ihm bestellten Kollegiums in Köln; [er] ernannte, als er in den Niederlanden Gericht halten ließ, den Grafen Eitel Friedrich von Zollern zum Kammerrichter, zog dann die neun Richter nach Worms, wo er unter den Augen der Reichsversammlung, unter [dem] Vorsitz des Grafen von Zollern, Gericht halten ließ. [Die] Stände wollten ihm, dem Zahlungsunfähigen, [den] Unterhalt desselben aufbürden.

1. Oktober 1495: Der Erzbischof Berthold von Mainz bewirkt auf dem Wormser Reichstag [die] Einsetzung eines „Reichskammergerichts"; [es wurde] eröffnet im Oktober zu Frankfurt. [Es bestand aus] 16 Richtern, zu ernennen vom Kaiser nach [dem] Vorschlag der Stände <ausdrücklich auch „der Städte">; [die] Besoldung selber [sollte] teils aus Sporteln, teils aus „dem gemeinen Pfennig", später „Zieler" benamst (Beiträge der Reichsglieder), [genommen werden]. Jedes Jahr [gab es] Streit nicht nur über [die] Ordnung des Gerichts, sondern namentlich auch über den „gemeinen Pfennig" und dessen Entrichtung. Wegen mangelnder Zahlung stockt das Gericht oft ganz. Es ward abwechselnd an verschiedenen Orten gehalten, endlich mit festem Sitz in Speyer. Neben diesem Reichsgericht sucht Max Geltung im Reich zu verschaffen dem von ihm für Östreich bestellten „Reichshofrat". [Die] Parteien konnten sich gleichmäßig entweder an [das] „Reichskammergericht" oder an den östreichischen „Reichshofrat" wenden. Dieser „Reichshofrat" existiert bis [zum] Ende des Heiligen Römischen Deutschen Reichs.

<Auf [dem] selben Wormser Reichstag [wurden] für [den] Grafen Eberhard den Älteren von Württemberg die sämtlichen württembergischen Stammlande zu einem Herzogtum vereinigt.) Dieser ältere Eberhard hat keine Kinder; ebenso wenig [sein Nachfolger,] der jüngere Eberhard; und der Bruder dieses [Eberhard des Jüngeren], Heinrich, [war] blödsinnig.

1498: Eberhard der Jüngere [wird] aus [dem] Land gejagt von den württembergischen Ständen, dem Schwäbischen Bund in Worms (wegen schlechten Betragens); die vereinigten württembergischen Besitzungen kommen daher an Ulrich (Heinrichs achtjährigen Sohn) (in fact an die für ihn ernannte vormundschaftliche Regierung).

Schon 1496 [wurde der] Schwäbische Bund zur Aufrechterhaltung des Landfriedens auf Bertholds [von Mainz] und Maxens Betrieb auf drei Jahre verlängert und

1498 (als Ulrich in ihn eintreten muss) auf weitere zwölf Jahre; damals [wurden] auch Anordnungen für [die] Wahl eines Oberhauptes des Schwäbischen Bundes gemacht.

1499: Maximilians Krieg mit den Schweizern; [er] dringt bis ins Engadin vor, richtet [aber] nichts aus; es handelt sich dabei um seine Interessen als Erzherzog von Östreich wegen des Münstertals (im Süden von Unter-Engadin), aber auch wegen [der] Verpflichtung der Schweizer (als zum deutschen Reich gehörig), auf [dem] Reichstag zu erscheinen und [den] gemeinen Pfennig zu zahlen, außerdem wegen [des] Streits des Schwäbischen Bundes mit den Schweizern (diese [wurden] von ihnen als „Schwaben" in Anspruch genommen). Dennoch unterstützen ihn die deutschen Reichsstände nicht.

Nach Charles VIII. Tod (April 1498) macht Max für seinen Sohn Philipp von Burgund [einen] Einfall in Frankreich. Nischts [wurde erreicht]. Dito richtet er nichts aus bei [dem] Zug gegen Karl von Geldern, der sein väterliches Erbe wieder an sich riss.

[Im] Juli 1500 (nachdem das Reichsgericht wieder eingeschlummert [war] für some years, teils aus Geldmangel, teils weil die Feudalherrn [das] Faustrecht2 vorziehen, teils weil Max darin [eine] Verletzung seiner gottesgnadlichen Rechte findet) verlangen die Landesfürsten [die] Einsetzung [eines] vom Kaiser unabhängigen Reichsregiments3, das zu wachen [habe] über [den] Landfrieden und [das] Kammergericht; [es wurde] zuerst nur auf sechs Jahre eingeführt; [es] sollte aus zwanzig Personen bestehen mit dem Kaiser oder [dem] von ihm ernannten Stellvertreter als Vorsitzer; Max bestimmt zuerst – mit 6000 Gulden Gehalt – als seinen Stellvertreter den Kurfürsten von Sachsen, Friedrich den Weisen; unter die Aufsicht des Reichsregiments [wurde] zunächst auch das Reichskammergericht gestellt; [dies] missfiel [aber] den deutschen Reichsständen und [auch] dem Max.

1502: Max sucht seinen östreichischen Hofrat durch Zufügung kaiserlicher Räte auch im übrigen Deutschland immer mehr in Ansehn zu bringen.

Juli 1500: Bei [der] Errichtung des Reichsregiments [wurde] erneut der schon unter Albrecht II. gemachte Vorschlag von [der] Einteilung Deutschlands <excluso der Niederlande und Östreichs; also hier: [der] Keim von Kleindeutschland!> in sechs Kreise; in jedem [war die] Exekution der Reichsurteile und Befehle den durch die Stände der Kreise zu erwählenden zwei mächtigsten Herrn in denselben zu übertragen, deren Hauptgeschäft [sein sollte]: Aufrechterhaltung der Anordnung wegen des Landfriedens. Viel [wurde] geschwatzt darüber, aber wenig ausgeführt nach „teutscher Sitte". Endlich gab man die Einteilung wieder auf und bildete zehn Kreise, wovon [die] Niederlande und Östreich zwei bildeten. Erst 1522, nach Maxens Tod (1519), [wurde] diese zur Herstellung der neuen bürgerlichen Ordnung und [zur] Ausrottung des Faustrechts necessaire Einrichtung ausgeführt und fest begründet. (Sie schuf zugleich dies deutsche Monstrum, die Zentralisation der landesherrlichen Gewalt und [die] dezentralisierten Stücke von Deutschland; mit dieser lausigen Landeshoheit [entstand] die spezielle deutsche „Untertanenschaft", welche Bauer und Bürger gleichzeitig zum „Leibeignen" des Landesherrn macht und nach außen hin – denn [die] deutsche Geschichte [war] fortan nur [die] Entwicklung [der] Landesherrschaft durch [den] Raub am Reich – Deutschland dem Ausland gegenüber zu einer lächerlichen Figur macht.)

Venedig [war] während [einer] geraumen Zeit hindurch als „qua europäischer Markt" bedeutender als Deutschland, was den Max ebenso fuchste wie die Könige von Aragonien und von Frankreich und den Papst Julius II. Hence [entstand] die Ligue von Cambray4 gegen Venedig; [das war ein] Kampf der kontinentalen Monarchien gegen die oligarchischen Handelsrepubliken. (Dieser Kampf des Königtums gegen das in persona Venedigs übermächtige Kapital fällt gerade in die Zeit, wo ganz andre wesentliche [Kräfte] (Amerika etc., Gold- und Silberentdeckungen, Kolonien etc., [im] Innern Finanznot für stehendes Heer etc.) am Werke [sind], um das nach seiner Herkunft von dem Feudalstaat feudal befleckte Königtum unter die Knute der Kapitalswirtschaft, hence der Bourgeoisie zu bringen, was sich dann religiös auch in dem Kampf von Papsttum und Reformation ausführt.)

Von 1504 bis 1519 hat Deutschland nur Nebenbedeutung für die allgemeine europäische Geschichte.

1 Unter Römerzügen sind die Heereszüge zu verstehen, die bis 1530 von den deutschen Königen unternommen wurden, um vom Papst die Kaiserkrone in Empfang zu nehmen.

2 Im Manuskript: Faustkampf. Die Red.

3 Reichsregiment – eine Art Behörde, bestehend aus Vertretern der Kurfürsten, Fürsten, Prälaten, Kreise und Städte, die im Jahre 1500 dem Kaiser Maximilian I. von den Ständen aufgezwungen wurde und die Aufgabe erhielt, über den Landfrieden zu wachen und während der Abwesenheit des Kaisers das Reich zu regieren.

4 Ligue von Cambray – der Vertrag vom 10. Dezember 1508 über die Teilung des venetianischen Gebietes, geschlossen zwischen dem Kaiser Maximilian I., Ludwig XII. von Frankreich, Ferdinand von Aragonien und dem Papst Julius II.

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