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6 Leitsätze über die kommunistischen Parteien und den Parlamentarismus

Leitsätze über die kommunistischen Parteien und den Parlamentarismus

1. Die neue Epoche und der neue Parlamentarismus.

Die Stellung der sozialistischen Parteien zum Parlamentarismus war anfänglich, in der Zeit der 1. Internationale, die der Ausnützung der bürgerlichen Parlamente zum Zwecke der Agitation. Die Teilnahme am Parlament wurde vom Gesichtspunkt der Entwicklung des Klassenbewusstseins, d. h. des Erwachens der Klassenfeindschaft des Proletariats gegen die herrschende Klasse betrachtet. Dieses Verhältnis wandelte sich, nicht unter dem Einfluss der Theorie, sondern unter dem Einfluss der politischen Entwicklung. Durch die ununterbrochene Steigerung der Produktivkräfte und die Erweiterung des kapitalistischen Ausbeutungsgebietes gewann der Kapitalismus und gewannen mit ihm die parlamentarischen Staaten dauernd an Festigkeit.

Hieraus entstanden: die Anpassung der parlamentarischen Taktik der sozialistischen Parteien an die “organische” gesetzgeberische Arbeit des bürgerlichen Parlaments und die immer größere Bedeutung des Kampfes um Reformen im Rahmen des Kapitalismus, die Herrschaft des so genannten Mindestprogramms der Sozialdemokratie, die Wandlung des Maximalprogramms in eine Debattierformel für ein überaus entferntes “Endziel”. Auf dieser Grundlage entwickelten sich dann die Erscheinungen des parlamentarischen Strebertums, der Korruption, des offenen oder versteckten Verrates an den elementarsten Interessen der Arbeiterklasse.

Das Verhältnis der Kommunistischen Internationale zum Parlamentarismus wird nicht durch eine neue Doktrin, sondern durch die Veränderung der Rolle des Parlaments selbst bestimmt. In der vorhergehenden Epoche hat das Parlament als Werkzeug des sich entwickelnden Kapitalismus eine in gewissem Masse historisch fortschrittliche Arbeit geleistet. Unter den gegenwärtigen Bedingungen des zügellosen Imperialismus aber hat sich das Parlament in ein Werkzeug der Lüge, des Betruges, der Gewalttat und des entnervenden Geschwätzes verwandelt. Angesichts der imperialistischen Verheerungen, Plünderungen, Vergewaltigungen, Räubereien und Zerstörungen verlieren parlamentarische Reformen, des Systems, der Stetigkeit und der Planmäßigkeit beraubt, für die werktätigen Massen jede praktische Bedeutung.

Wie die ganze bürgerliche Gesellschaft verliert auch der Parlamentarismus seine Festigkeit. Der plötzliche Übergang von der organischen zur kritischen Epoche schafft die Grundlage für eine neue Taktik des Proletariats auf dem Gebiete des Parlamentarismus. So hat die russische Arbeiterpartei (die Bolschewiki) das Wesen des revolutionären Parlamentarismus schon in der vorhergegangenen Periode ausgearbeitet, weil Russland seit 1905 aus dem politischen und sozialen Gleichgewicht gebracht und in die Periode der Stürme und Erschütterungen eingetreten war.

Soweit einige Sozialisten, die zum Kommunismus neigen, darauf hinweisen, dass der Augenblick für die Revolution in ihren Ländern noch nicht gekommen sei, und es ablehnen, sich von den parlamentaristischen Opportunisten abzuspalten, gehen sie, dem Wesen der Sache nach, von der bewussten Schätzung der bevorstehenden Epoche als einer Epoche der relativen Festigkeit der imperialistischen Gesellschaft aus und nehmen an, dass auf dieser Grundlage, im Kampf um Reformen, eine Koalition mit den Turati und Longuet praktische Resultate ergeben könne. Der theoretisch klare Kommunismus wird dagegen den Charakter der gegenwärtigen Epoche richtig einschätzen (Höhepunkt des Kapitalismus; imperialistische Selbstverneinung und Selbstvernichtung; ununterbrochenes Anwachsen des Bürgerkrieges, etc.). In den verschiedenen Ländern können die Formen der politischen Beziehungen und Gruppierungen verschieden sein. Das Wesen bleibt aber überall ein und dasselbe. Es handelt sich für uns um die unmittelbare politische und technische Vorbereitung des Aufstandes des Proletariats zur Zerstörung der bürgerlichen und für die Aufrichtung der neuen proletarischen Macht.

Das Parlament kann gegenwärtig für die Kommunisten auf keinen Fall der Schauplatz des Kampfes um Reformen, um Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse sein, wie dies in gewissen Augenblicken der vorhergegangenen Periode der Fall war. Der Schwerpunkt des politischen Lebens ist gegenwärtig ganz und endgültig über die Grenzen des Parlaments hinaus verlegt. Andererseits ist die Bourgeoisie nicht nur kraft ihrer Beziehung zu den werktätigen Massen, sondern auch kraft ihrer verwickelten Wechselbeziehungen innerhalb der bürgerlichen Klassen gezwungen, einen Teil ihrer Maßnahmen auf die eine oder andere Weise im Parlament durchzuführen, wo die verschiedenen Cliquen um die Macht handeln, ihre starken Seiten offenbaren, ihre schwachen Seiten verraten, sich bloßstellen usw.

Deshalb ist es die unmittelbare historische Aufgabe der Arbeiterklasse, diese Apparate den Händen der herrschenden Klassen zu entreißen, sie zu zerbrechen, zu vernichten, und an ihre Stelle neue proletarische Machtorgane zu setzen. Gleichzeitig aber ist der revolutionäre Stab der Arbeiterklasse stark daran interessiert, seine Kundschafter in den parlamentarischen Einrichtungen der Bourgeoisie zu haben, um diese Aufgabe der Zerstörung zu erleichtern. Hieraus ergibt sich ganz klar der Grundunterschied zwischen der Taktik des Kommunisten, der mit revolutionären Zielen in das Parlament eintritt, und der Taktik des sozialistischen Parlamentariers. Der letztere geht von der Voraussetzung der relativen Festigkeit, der unbestimmten Dauer der bestehenden Herrschaft aus. Er macht es sich zur Aufgabe, mit allen Mitteln Reformen zu erreichen, und ist daran interessiert, dass jede Errungenschaft von der Masse in gebührender Weise als Verdienst des sozialistischen Parlamentarismus geschätzt wird. (Turati, Longuet und Co.).

An die Stelle des alten Anpassungsparlamentarismus tritt der neue Parlamentarismus als eines der Werkzeuge zur Vernichtung des Parlamentarismus überhaupt. Die widerwärtigen Überlieferungen der alten parlamentaristischen Taktik jedoch stoßen einige revolutionäre Elemente in das Lager der grundsätzlichen Gegner des Parlamentarismus (IWW), der revolutionären Syndikalisten (KAPD). Der zweite Kongress erhebt daher folgende Thesen zum Beschluss.

2. Der Kommunismus, der Kampf um die Diktatur des Proletariats und die Ausnützung der bürgerlichen Parlamente.

I.

1. Der Parlamentarismus als Staatssystem ist eine “demokratische” Herrschaftsform der Bourgeoisie geworden, die auf einer bestimmten Entwicklungsstufe der Fiktion einer Volksvertretung bedarf, die äußerlich als eine Organisation eines außerhalb der Klassen stehenden “Volkswillens” erscheint, im wesentlichen aber eine Maschine zur Unterdrückung und Unterjochung in den Händen des herrschenden Kapitals ist.

2. Der Parlamentarismus ist eine bestimmte Form der Staatsordnung; daher kann er durchaus nicht die Form der kommunistischen Gesellschaft sein, die weder Klassen noch Klassenkampf, noch irgend eine Staatsmacht kennt.

3. Der Parlamentarismus kann auch keine Form der proletarischen Staatsverwaltung in der Übergangsperiode von der Diktatur der Bourgeoisie zur Diktatur des Proletariats sein. Im Augenblick des zugespitzten Klassenkampfes, im Bürgerkrieg, muss das Proletariat seine staatliche Organisation unvermeidlich als Kampfesorganisation aufbauen, in welche die Vertreter der früher herrschenden Klassen nicht zugelassen werden. Dem Proletariat ist in diesem Stadium jede Fiktion des “Volkswillens” direkt schädlich. Das Proletariat bedarf keiner parlamentarischen Teilung der Macht, sie ist ihm schädlich. Die Form der proletarischen Diktatur ist die Sowjetrepublik.

4. Die bürgerlichen Parlamente, einer der wichtigsten Apparate der bürgerlichen Staatsmaschine, können als solche nicht auf die Dauer erobert werden, wie das Proletariat überhaupt nicht den bürgerlichen Staat erobern kann. Die Aufgabe des Proletariats besteht darin, die Staatsmaschine der Bourgeoisie zu sprengen, sie zu zerstören, und zugleich mit ihr die Parlamentsinstitutionen, mögen es republikanische oder konstitutionell-monarchistische sein.

5. Nicht anders ist es mit den Kommunaleinrichtungen der Bourgeoisie, die den Staatsorganen gegenüber zu stellen theoretisch unrichtig ist. In Wirklichkeit sind sie ähnliche Apparate des Staatsmechanismus der Bourgeoisie, die von dem revolutionären Proletariat vernichtet und durch örtliche Sowjets der Arbeiterdeputierten ersetzt werden müssen.

6. Folglich verneint der Kommunismus den Parlamentarismus als Form der Zukunftsgesellschaft. Er verneint ihn als Form der Klassendiktatur des Proletariats. Er verneint die Möglichkeit, die Parlamente dauernd zu erobern; er setzt sich die Zerstörung des Parlamentarismus zum Ziel. Daher kann nur von der Ausnutzung der bürgerlichen Staatseinrichtungen zum Zweck ihrer Zerstörung die Rede sein. In diesem und nur in diesem Sinne kann die Frage gestellt werden.

II.

7. Jeder Klassenkampf ist ein politischer Kampf, denn er ist letzten Endes ein Kampf um die Macht. Jeder beliebige Aus stand, der sich über das ganze Land verbreitet, wird dem bürgerlichen Staat bedrohlich und nimmt dadurch einen politischen Charakter an. Jeder Versuch, die Bourgeoisie zu stürzen und ihren Staat zu zerstören, heißt einen politischen Kampf führen. Einen proletarischen Klassenapparat zur Verwaltung und zur Unterdrückung der sich widersetzenden Bourgeoisie schaffen, welcher Art dieser Apparat auch sein wird, heißt die politische Macht erobern.

8. Folglich ist die Frage des politischen Kampfes durchaus nicht identisch mit der Frage des Verhaltens zum Parlamentarismus. Jene ist eine allgemeine Frage des proletarischen Klassenkampfes, der charakterisiert wird durch die Steigerung von kleinen und Teilkämpfen zum allgemeinen Kampf für den Sturz der kapitalistischen Ordnung überhaupt.

9. Die wichtigste Kampfmethode des Proletariats gegen die Bourgeoisie, d. h. gegen ihre Staatsmacht, ist vor allen Dingen die Massenaktion. Die Massenaktionen werden von den revolutionären Massenorganisationen (Gewerkschaften, Parteien, Räten) des Proletariats unter der allgemeinen Führung einer einheitlichen, disziplinierten, zentralisierten kommunistischen Partei organisiert und geleitet. Der Bürgerkrieg ist ein Krieg; in diesem Krieg muss das Proletariat sein tapferes politisches Offizierskorps, seinen starken politischen Generalstab haben, die alle Operationen auf allen Gebieten des Kampfes leiten.

10. Der Massenkampf ist ein ganzes System sich entwickelnder Aktionen, die sich in ihrer Form verschärfen und logisch zum Aufstand gegen den kapitalistischen Staat führen. In diesem Massenkampf, der sich zum Bürgerkrieg entwickelt, muss die führende Partei des Proletariats in der Regel alle legalen Stellungen festigen, indem sie sie zu Hilfsstützpunkten ihrer revolutionären Tätigkeit macht und diese Stellungen dem Plan des Hauptfeldzuges, der Kampagne des Massenkampfes, unterordnet.

11. Ein solcher Hilfsstützpunkt ist die Tribüne des bürgerlichen Parlaments. Gegen die Teilnahme am parlamentarischen Kampf kann durchaus nicht die Begründung angeführt werden, dass das Parlament eine bürgerliche Staatsinstitution sei. Die kommunistische Partei geht in diese Institution nicht hinein, um dort organische Arbeit zu leisten, sondern um vom Parlament aus den Massen zu helfen, die Staatsmaschine und das Parlament selbst durch die Aktion zu sprengen (z. B. die Tätigkeit Liebknechts in Deutschland, der Bolschewiki in der zaristischen Duma, in der “demokratischen Beratung, in dem “Vorparlament” Kerenskis, in der “Konstituierenden Versammlung und in den Stadtdumas, schließlich die Tätigkeit der bulgarischen Kommunisten).

12. Diese Tätigkeit in dem Parlament, die hauptsächlich in revolutionärer Agitation von der Parlamentstribüne, in der Entlarvung der Gegner, im geistigen Zusammenschluss der Massen, die noch immer, namentlich in den rückständigen Gebieten befangen von demokratischen Illusionen, nach der Parlamentstribüne schauen, usw. besteht, soll ganz und gar den Zielen und Aufgaben des Massenkampfes außerhalb des Parlaments untergeordnet sein. Die Teilnahme am Wahlkampf und die revolutionäre Propaganda von der Parlamentstribüne herab ist von besonderer Wichtigkeit für die politische Erfassung derjenigen Schichten der Arbeiterschaft, die bisher, etwa wie die ländlichen werktätigen Massen, dem politischen Leben fern standen.

13. Falls die Kommunisten die Mehrheit in Kommunaleinrichtungen haben, so sollen sie a) revolutionäre Opposition gegen die bürgerliche Zentralgewalt treiben; b) alles tun, um der ärmeren Bevölkerung Dienste zu leisten (wirtschaftliche Maßnahmen, Durchführung oder Versuche zur Durchführung der bewaffneten Arbeitermiliz etc.); c) bei jeder Gelegenheit die Schranken zeigen, die die bürgerliche Staatsgewalt wirklich großen Veränderungen entgegensetzt; d) auf dieser Grundlage schärfste revolutionäre Propaganda entwickeln, ohne den Konflikt mit der Staatsgewalt zu fürchten; e) unter gewissen Bedingungen die Gemeindeverwaltungen etc., durch lokale Arbeiterräte ersetzen. — Die ganze Tätigkeit der Kommunisten in der Kommunalverwaltung muss also ein Bestandteil der allgemeinen Zersetzungsarbeit des kapitalistischen Systems sein.

14. Die Wahlkampagne selbst soll nicht im Geiste der Jagd auf eine Höchstzahl von Parlamentsmandaten geführt werden, sondern im Geiste revolutionärer Mobilisierung der Massen für die Losungen der proletarischen Revolution. Die Wahlkampagne soll von der gesamten Masse der Parteimitglieder geführt werden und nicht nur von der Elite der Partei. Es ist notwendig, dabei alle Massenaktionen (Ausstände, Demonstrationen, Gärungen unter den Soldaten und Matrosen usw.), die gerade stattfinden, auszunutzen und mit ihnen in enge Fühlung zu kommen. Das Heranziehen aller proletarischen Massenorganisationen zur aktiven Tätigkeit ist notwendig.

15. Bei Wahrnehmung aller dieser wie auch der in einer besonderen Instruktion angeführten Vorbedingungen ist die parlamentarische Tätigkeit das direkte Gegenteil jenes gemeinen Politikasterns, das die sozialdemokratischen Parteien aller Länder anwenden, die ins Parlament gehen, um diese “demokratische” Institution zu unterstützen oder sie bestenfalls zu “erobern”. Die Kommunistische Partei kann ausschließlich nur für die revolutionäre Ausnutzung des Parlamentarismus im Geiste Karl Liebknechts und der Bolschewiki sein.

III.

16. Der prinzipielle “Antiparlamentarismus” in dem Sinne absoluter und kategorischer Ablehnung der Teilnahme an den Wahlen und der revolutionären parlamentarischen Tätigkeit ist also eine naive kindische Doktrin unter jeder Kritik, eine Doktrin, die bisweilen einen gesunden Ekel vor den politikasternden Parlamentariern zur Grundlage hat, die aber nicht zugleich die Möglichkeit eines revolutionären Parlamentarismus sieht. Außerdem ist diese Doktrin oft mit einer ganz unrichtigen Vorstellung von der Rolle der Partei verbunden, die in der Kommunistischen Partei nicht den zentralisierten Stoßtrupp der Arbeiter, sondern ein dezentralisiertes System lose miteinander verbundener Gruppen sieht.

17. Andererseits folgt aus der prinzipiellen Anerkennung der parlamentarischen Tätigkeit durchaus nicht die absolute Anerkennung der Notwendigkeit konkreter Wahlen und konkreter Teilnahme an den Parlamentssitzungen unter allen Umständen. Das ist von einer ganzen Reihe spezifischer Bedingungen abhängig. Bei einer bestimmten Kombination dieser Bedingungen kann der Austritt aus dem Parlament notwendig sein. Das taten die Bolschewiki, als sie aus dem Vorparlament austraten, um es zu sprengen, ihm jede Kraft zu nehmen und es dem am Vorabend des Aufstandes stehenden Petersburger Sowjet schroff gegenüberzustellen. Ein Gleiches taten sie in der Konstituierenden Versammlung am Tage der Auflösung, indem sie den III. Kongress der Sowjets zum Mittelpunkt der politischen Geschehnisse erhoben. Je nach den Umständen kann Boykott der Wahlen und unmittelbare gewaltsame Beseitigung, wie des ganzen bürgerlichen Staatsapparats, so auch der bürgerlichen Parlamentsclique, oder aber Teilnahme an den Wahlen, während das Parlament selbst boykottiert wird, usw. notwendig sein.

18. Auf diese Weise soll die kommunistische Partei, die die Notwendigkeit der Teilnahme an den Wahlen sowohl in die zentralen Parlamente als auch in die Organe der lokalen Selbstverwaltung, sowie die Arbeit in diesen Institutionen als allgemeine Regel anerkennt, von der Wertung der spezifischen Besonderheiten des jeweiligen Augenblicks ausgehend, die Frage konkret lösen. Boykott der Wahlen oder der Parlamente, sowie Austritt aus den letzteren ist hauptsächlich dann zulässig, wenn die Vorbedingungen unmittelbaren Überganges zum bewaffneten Kampf und zur Machtergreifung schon vorhanden sind.

19. Dabei soll man beständig die relative Unwichtigkeit dieser Frage im Auge behalten. Da der Schwerpunkt im außerhalb des Parlaments geführten Kampf um die Staatsmacht liegt, so versteht es sich von selbst, dass die Frage der proletarischen Diktatur und des Massenkampfes dafür mit der besonderen Frage der Ausnutzung des Parlamentarismus nicht gleichzustellen ist.

20. Daher betont die Kommunistische Internationale mit aller Entschiedenheit, dass sie jede Spaltung oder jeden-. Spaltungsversuch innerhalb der kommunistischen Parteien in dieser Richtung und nur aus diesem Grunde für einen schweren Fehler hält. Der Kongress ruft alle Elemente, die auf dem Boden der Anerkennung des Massenkampfes um die proletarische Diktatur unter der Führung der zentralisierten Partei des revolutionären Proletariats stehen, die ihren Einfluss auf alle Massenorganisationen der Arbeiter ausübt, auf, die völlige Einheit der kommunistischen Elemente anzustreben trotz der möglichen Meinungsverschiedenheiten über die Frage der Ausnutzung der bürgerlichen Parlamente.

3. Der revolutionäre Parlamentarismus.

Um die tatsächliche Durchführung der revolutionären parlamentarischen Taktik sicherzustellen, ist es notwendig, dass

1. die Kommunistische Partei in ihrer Gesamtheit und ihr Zentralkomitee bereits im Vorbereitungsstadium, d. h. vor den Parlamentswahlen, für die hohe Qualität des persönlichen Bestandes der Parlamentsfraktionen sorgen müssen. Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei muss für die gesamte Arbeit der kommunistischen Parlamentsfraktion verantwortlich sein. Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei muss das unbestreitbare Recht haben, gegen einen beliebigen Kandidaten einer beliebigen Organisation Einspruch zu erheben, wenn keine Gewähr besteht, dass dieser Kandidat, wenn er ins Parlament gelangt, eine wirklich kommunistische Politik verfolgen wird.

Die Kommunistische Partei muss mit der alten sozialdemokratischen Gewohnheit brechen, ausschließlich so genannte “erfahrene” Parlamentarier, vorwiegend Anwälte und dergleichen, als Abgeordnete aufzustellen, In der Regel ist es notwendig, Arbeiter als Kandidaten aufzustellen, ohne sich daran zu stoßen, dass diese meist einfache Parteimitglieder ohne große parlamentarische Erfahrung sind. Diejenigen Streberelemente, die sich an die kommunistischen Parteien heranmachen, um ins Parlament zu gelangen, muss die Kommunistische Partei rücksichtslos brandmarken. Die Zentralkomitees der kommunistischen Parteien müssen nur die Kandidaturen derjenigen Genossen bestätigen, die durch langjährige Arbeit ihre unbedingte Ergebenheit gegenüber der Arbeiterklasse gezeigt haben.

2. Wenn die Wahlen beendet sind, muss die Organisierung der Parlamentsfraktion sich vollständig in den Händen des Zentralkomitees der kommunistischen Parteien befinden, ganz abgesehen davon, ob die Gesamtpartei zu dem betreffenden Zeitpunkt legal oder illegal ist. Der Vorsitzende und der Vorstand der kommunistischen Parlamentsfraktion müssen von dem Zentralkomitee der Partei bestätigt werden. Das Zentralkomitee muss in der Parlamentsfraktion einen ständigen Vertreter mit Einspruchsrecht haben, und in allen wichtigen politischen Fragen muss sich die Parlamentsfraktion vorher Verhaltensmaßregeln vom Zentralkomitee der Partei erbitten. Das Zentralkomitee hat das Recht und die Pflicht, bei einer bevorstehenden großen Aktion der Kommunisten im Parlament den Redner der Fraktion aufzustellen bzw. zu beanstanden und von ihm die vorherige Vorlegung der Leitsätze seiner Rede bzw. der Rede selbst zwecks Genehmigung durch das Zentralkomitee usw. zu fordern. Jedem Kandidaten, der auf der Wahlvorschlagsliste der Kommunisten steht, muss ganz offiziell die schriftliche Verpflichtung abgenommen werden, dass er auf die erste Aufforderung des Zentralkomitees der Partei hin, das Mandat niederzulegen, bereit ist, um in einer gegebenen Situation die Aktion des Austritts aus dem Parlament geschlossen durchzuführen.

3. In denjenigen Ländern, in denen es reformistischen, halbreformistischen und einfachen Streberelementen gelungen ist, in die kommunistische Fraktion einzudringen (das ist bereits in einigen Ländern geschehen), sind die Zentralkomitees der kommunistischen Parteien verpflichtet, eine gründliche Säuberung des persönlichen Bestandes der Fraktion vorzunehmen, von dem Prinzip ausgehend, dass es für die Sache der Arbeiterklasse viel nützlicher ist, eine kleine, aber wirklich kommunistische Fraktion zu haben als eine zahlreiche Fraktion ohne konsequente kommunistische Politik.

4. Der kommunistische Abgeordnete ist auf Beschluss des Zentralkomitees verpflichtet, die legale Arbeit mit der illegalen zu vereinigen. In denjenigen Ländern, wo sich der kommunistische Abgeordnete der Immunität vor den bürgerlichen Gesetzen erfreut, muss diese Immunität dazu ausgenützt werden, die Partei in ihrer illegalen Tätigkeit der Organisation und Propaganda zu unterstützen.

5. Alle ihre parlamentarischen Aktionen müssen die kommunistischen Abgeordneten der Tätigkeit ihrer Partei außerhalb des Parlaments unterordnen. Die regelmäßige Einbringung von demonstrativen Gesetzentwürfen, die nicht dazu bestimmt sind, von der bürgerlichen Mehrheit angenommen zu werden, sondern für die Zwecke der Propaganda, Agitation und Organisation, muss auf Anweisung der Partei und ihres Zentralkomitees geschehen.

6. Bei Straßendemonstrationen der Arbeiter und sonstigen revolutionären Aktionen hat der kommunistische Abgeordnete die Pflicht, an der Spitze der Arbeitermassen an erster leitender Stelle zu stehen.

7. Die kommunistischen Abgeordneten müssen auf allen ihnen zur Verfügung stehenden Wegen (unter der Kontrolle der Partei) schriftliche und jedwede andere Verbindung mit den revolutionären Arbeitern, Bauern und anderen Werktätigen anzuknüpfen suchen; sie dürfen unter keinen Umständen gleich den sozialdemokratischen Abgeordneten handeln, die Geschäftsverbindungen mit ihren Wählern nachlaufen. Sie müssen sich jederzeit zur Verfügung der kommunistischen Organisation für jede Propagandaarbeit im Lande halten.

8. Jeder kommunistische Abgeordnete des Parlaments muss dessen eingedenk sein, dass er kein Gesetzgeber ist, der mit anderen Gesetzgebern eine Verständigung sucht, sondern ein Agitator der Partei, der ins feindliche Lager entsandt ist, um dort Parteibeschlüssen nachzukommen. Der kommunistische Abgeordnete ist nicht der losen Wählermasse, sondern seiner legalen oder illegalen kommunistischen Partei gegenüber verantwortlich.

9. Die kommunistischen Abgeordneten müssen im Parlament eine Sprache reden, die jedem einfachen Arbeiter, jedem Bauern, jeder Waschfrau jedem Hirten verständlich ist, so dass die Partei die Möglichkeit hat, die Reden als Flugblätter herauszugeben und sie in den entlegensten Winkeln des Landes zu verbreiten.

10. Einfache kommunistische Arbeiter müssen in den bürgerlichen Parlamenten auftreten, ohne den so genannten erfahrenen Parlamentariern den Vorrang zu überlassen — auch in den Fällen wenn die Arbeiter erst Anfänger auf parlamentarischem Gebiet sind. Im Notfall können die Abgeordneten aus der Mitte der Arbeiter ihre Reden direkt ablesen, damit die Reden in der Presse und als Flugblätter abgedruckt werden können.

11. Die kommunistischen Abgeordneten müssen die Parlamentstribüne zur Entlarvung nicht nur der Bourgeoisie und ihrer offenen Handlanger, sondern auch zur Entlarvung der Sozialpatrioten, Reformisten, der Halbheit der Politiker des “Zentrums” und anderer Gegner des Kommunismus und zur breiten Propaganda der Ideen der Kommunistischen Internationale ausnützen.

12. Die kommunistischen Abgeordneten haben sogar in den Fällen, wenn es ihrer nur einige im ganzen Parlament gibt, durch ihr ganzes Betragen dem Kapitalismus gegenüber eine herausfordernde Haltung zu zeigen. Sie dürfen nie vergessen, dass nur derjenige des Namens eines Kommunisten würdig ist, der nicht nur in Worten, sondern auch in seinen Taten ein Erzfeind der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer sozialpatriotischen Handlanger ist.

(Die Leitsätze von Bucharin werden angenommen. Alle Amendements werden der Kommission überwiesen.)

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