Thesen über die Kommunistische Internationale und die Rote Gewerkschaftsinternationale (Kampf gegen die gelbe Gewerkschaftsinternationale von Amsterdam) (angenommen in der 24. Sitzung des III. Weltkongresses vom 12. Juli 1921)
[nach Thesen und Resolutionen des III. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale. Hamburg 1921, S. 69-86] I. Die Bourgeoisie hält die Arbeiterklasse in Sklaverei nicht nur mit Hilfe der nackten Gewalt, sondern auch durch einen Betrug äußerst kunstvoller Art. Die Schule, die Kirche, das Parlament, die Kunst, die Literatur, die Tagespresse – all dies wird in den Händen der Bourgeoisie zu einem mächtigen Mittel zur Betörung der Arbeitermassen, zur Hinüberleitung der Ideen der Bourgeoisie in das Proletariat. Zu jenen bourgeoisen Ideen, deren Einimpfung in die Arbeitermassen den herrschenden Klassen gelungen ist, gehört auch die Idee der Neutralität der Gewerkschaften, die Idee des Apolitizismus (Politiklosigkeit), die Idee der Parteilosigkeit. In den letzten Jahrzehnten der neueren Geschichte, und insbesondere nach Beendigung des imperialistischen Krieges, sind die Gewerkschaften in ganz Europa und Amerika die ausgedehntesten Organisationen des Proletariats, die sich in einigen Ländern durchweg auf die gesamte Arbeiterklasse erstrecken. Die Bourgeoisie ist sich darüber völlig klar, dass die nächste Zukunft des kapitalistischen Systems davon abhängt, in welchem Maße die Gewerkschaften imstande sein werden, sich von den bourgeoisen Einflüssen zu befreien. Daher die krampfhaften Anstrengungen der ganzen Weltbourgeoisie und ihrer Mithelfer, der Sozialdemokraten, die Gewerkschaften um jeden Preis im Banne der bürgerlich-sozialdemokratischen Ideen zu behalten. Die Bourgeoisie kann die Arbeitergewerkschaften nicht offen zur Unterstützung der bürgerlichen Parteien auffordern. Sie fordert sie daher auf, keine Partei zu unterstützen, aber meint damit in Wirklichkeit, dass die Gewerkschaften die Partei des Kommunismus nicht unterstützen dürfen. Die Verkündung der Neutralität oder des Apolitizismus der Gewerkschaften hat schon eine lange Vergangenheit hinter sich. Im Laufe von Jahrzehnten wurde diese bourgeoise Idee den Gewerkschaften Englands, Deutschlands, Amerikas und anderer Länder eingetrichtert durch Vertreter der pfäffisch-christlichen Gewerkschaften wie durch Führer der bürgerlichen Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften, durch die Führer der friedlichen alten englischen Trade-Unions, ebenso wie durch die Vertreter der deutschen so genannten freien Gewerkschaften und auch durch viele Vertreter des Syndikalismus. Legien, Gompers, Jouhaux, Sidney Webb verkündeten den Gewerkschaften jahrzehntelang die „Neutralität“. In Wirklichkeit aber waren die Gewerkschaften nie neutral und konnten es auch beim besten Willen nicht sein. Die Neutralität der Gewerkschaften ist nicht nur schädlich für die Arbeiterklasse, sondern ist auch nicht verwirklichbar. Im Kampfe zwischen der Arbeit und dem Kapital kann keine Massenorganisation der Arbeiter neutral bleiben. Folglich können auch die Gewerkschaften in ihrem Verhältnis zu den bürgerlichen Parteien und der Partei des Proletariats nicht neutral bleiben. Die Führer der Bourgeoisie sind sich völlig klar darüber. Ebenso aber, wie es der Bourgeoisie unumgänglich notwendig ist, dass die Massen an das jenseitige Leben glauben, ist es ihr notwendig, dass sie auch daran glauben, dass die Gewerkschaften apolitisch und der Arbeiterpartei der Kommunisten gegenüber neutral bleiben können, Die Bourgeoisie benötigt zu ihrem Herrschen und zum Auspressen des Mehrwertes aus den Arbeitern nicht nur den Pfaffen, den Polizisten, den General, den Polizeispitzel, sondern auch die Gewerkschaftsbürokraten, die „Arbeiterführer“, die den Gewerkschaften Neutralität und Vermeidung der Teilnahme am politischen Kampfe predigen. Die Falschheit der Idee der Neutralität wurde den fortgeschrittensten Proletariern Europas und Amerikas schon vor dem imperialistischen Kriege immer mehr klar. Im Maße der Verschärfung der Klassengegensätze wurde diese Falschheit noch augenscheinlicher. Als das imperialistische Morden anfing, waren die alten Führer der Gewerkschaften gezwungen, die Maske der Neutralität fallen zu lassen und offen auf der Seite der „eigenen“ Bourgeoisie aufzutreten. Während des imperialistischen Krieges stießen jene Sozialdemokraten und Syndikalisten, die den Gewerkschaften jahrelang die Vermeidung der Teilnahme an der Politik predigten, in Wirklichkeit die Gewerkschaften in den Dienst der niederträchtigsten Blutpolitik der bürgerlichen Parteien; die gestrigen Verkünder der Gewerkschafts-,,Neutralität“ traten heute auf in der Rolle unverhüllter Agenten bestimmter politischer Parteien; aber nicht Parteien der Arbeiterklasse, sondern der Bourgeoisie. Nach Beendigung des imperialistischen Krieges versuchen dieselben sozialdemokratischen und syndikalistischen Führer der Gewerkschaften, neuerdings die Maske des Apolitizismus und der Neutralität der Gewerkschaften anzulegen. Nun, da die Zwangslage des Krieges vorüber ist, wollen sich diese Agenten der Bourgeoisie den neuen Umständen anpassen und wollen die Arbeiter vom Wege der Revolution wieder auf jenen Weg ablenken, der einzig der Bourgeoisie vorteilhaft ist. Die Ökonomie und die Politik sind immer mit unzerreißbaren Fäden miteinander verbunden. Dieser Zusammenhang ist besonders stark in Epochen gleich der jetzigen. Es gibt keine einzige wichtige Frage des politischen Lebens, die nicht nur die Arbeiterpartei, sondern auch die proletarischen Gewerkschaften nicht interessieren müsste; und umgekehrt, es gibt keine einzige wichtige ökonomische Frage, die nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch die Arbeiterpartei nicht interessieren müsste. Wenn in Frankreich die imperialistische Regierung die Mobilisierung gewisser Jahrgänge zur Besetzung des Ruhrbeckens und überhaupt zur Erdrosselung Deutschlands verfügt, kann da eine wirklich proletarische französische Gewerkschaft erklären, dass diese rein politische Frage die Gewerkschaften nicht interessieren muss? Kann ein wirklich revolutionäres französisches Syndikat sich in dieser Frage neutral oder apolitisch erklären? Oder andererseits, wenn in England eine so rein ökonomische Bewegung im Gange ist, wie der jetzige Kohlenarbeiterstreik, kann da die Kommunistische Partei sagen, dass diese Frage sie nichts angeht und ausschließlich in den Wirkungskreis der Gewerkschaften gehört? Zu einer Zeit, da der Kampf mit der Not und dem Bettlertum vieler Millionen Arbeitslosen auf der Tagesordnung steht, da die Frage der Requirierung von Wohnungen der Bourgeoisie zwecks Linderung der Wohnungsnot des Proletariats praktisch gestellt werden muss, da immer breitere und breitere Massen der Arbeiter durch das praktische Leben selbst gezwungen werden, sich mit der Frage der Bewaffnung des Proletariats zu befassen, da die Arbeiter bald in diesem, bald in jenem Lande die Besetzung von Fabriken. und Industrieanlagen organisieren, – in einer solchen Zeit bedeutet die Behauptung, dass die Gewerkschaften sich in den politischen Kampf nicht einzumengen haben und allen Parteien gegenüber neutral sein müssen, praktisch den Übergang in den Dienst der Bourgeoisie. Bei allem Reichtum der Nomenklatur der politischen Parteien in Europa und Amerika sind diese Parteien ihrem Grundwesen nach in drei Gruppen zu teilen: 1. Parteien der Bourgeoisie, 2. Parteien des Kleinbürgertums (hauptsächlich die Sozialdemokraten) und 3. die Partei des Proletariats. Jene Gewerkschaften, die sich apolitisch und den erwähnten drei Parteigruppen gegenüber neutral erklären, unterstützen in Wirklichkeit die Parteien des Kleinbürgertums und der Bourgeoisie. II. Der internationale Gewerkschaftsbund von Amsterdam ist jene Organisation, in der die II. Internationale und die Internationale 2½ sich trafen und einander die Hand reichten. Die ganze internationale Bourgeoisie blickt mit Vertrauen und Zuversicht auf diese Organisation. Die Hauptidee des internationalen Gewerkschaftsbundes von Amsterdam ist die Idee der Neutralität der Gewerkschaften. Es ist kein Zufall, dass die Bourgeoisie und ihre Diener, die Sozialdemokraten und die rechten Syndikalisten, die Sammlung breiter Massen der westeuropäischen und amerikanischen Arbeiter mit dieser Losung unternehmen wollen. Während die politische II. Internationale, die offen zur Bourgeoisie hinüberging, vollständig zusammenbrach, hat der Internationale Gewerkschaftsbund von Amsterdam, der sich wieder mit der Idee der Neutralität decken will, noch einen gewissen Erfolg. Unter der Flagge der Neutralität übernimmt der Amsterdamer Internationale Gewerkschaftsbund die schwersten und schmutzigsten Aufträge von der Bourgeoisie: die Abwürgung des Kohlenarbeiterstreiks in England (diese Aufgabe vollführte der bekannte H. Thomas, der gleichzeitig Vorsitzender der II. Internationale und einer der bekanntesten Führer des Amsterdamer gelben Gewerkschaftsbundes ist), die Herabdrückung des Arbeitslohnes, die organisierte Ausplünderung der deutschen Arbeiter für die Sünden der imperialistischen deutschen Bourgeoisie. Leipart und Graßmann, Wissel und Bauer, Robert Schmidt und I. H. Thomas, Albert Thomas und Jouhaux, Daszynski und Zulawski, sie alle haben ihre Rollen untereinander verteilt: die einen, die früher Gewerkschaftsführer waren, stehen jetzt im Dienste der bürgerlichen Regierungen als ihre Minister, Kommissare oder sonstigen Helfershelfer, die anderen aber, die mit ihnen ein Leib und eine Seele sind, stehen an der Spitze der Amsterdamer Gewerkschafts-Internationale und predigen den gewerkschaftlich organisierten Arbeitern die Neutralität im politischen Kampfe. Der Amsterdamer Internationale Gewerkschaftsbund ist zurzeit die Hauptstütze des internationalen Kapitals. Wer die Notwendigkeit des Kampfes mit der falschen Idee des Apolitizismus und der Neutralität der Gewerkschaften nicht voll verstanden hat, kann gegen diese kapitalistische Hochburg nicht mit Erfolg kämpfen. Zur Ausarbeitung zweckmäßiger Kampfesmethoden gegen die gelbe Amsterdamer Internationale ist vor allem die scharf umgrenzte und klare Feststellung der gegenseitigen Beziehungen zwischen der Partei und den Gewerkschaften eines jeden Landes notwendig. III. Die Kommunistische Partei ist der Vortrupp des Proletariats, jene Avantgarde, die die Wege und Mittel zur Befreiung des Proletariats vom kapitalistischen Joch voll erkannte und die daher bewusst das kommunistische Programm annahm. Die Gewerkschaften sind mehr eine Massenorganisation des Proletariats, die sich in der Richtung einer alle Arbeiter des betreffenden Produktionszweiges umfassenden Organisation entwickelt, und nicht nur die bewussten Kommunisten, sondern auch die mittleren und sogar die ganz zurückgebliebenen Schichten des Proletariats umfasst, die nur stufenweise aus den Lehren des Lebens sich den Kommunismus aneignen. Die Rolle der Gewerkschaften in der Periode, die den Kämpfen des Proletariats um die Eroberung der Macht vorausgeht, in der Periode der Kämpfe um die Macht und die Periode nach der Machtergreifung, ist in vielen Beziehungen verschieden; aber sowohl vor Eroberung der Macht als während ihr und nach ihr sind die Gewerkschaften eine weitere, sich auf größere Massen erstreckende allgemeinere Organisation als die Partei und müssen im Verhältnis zur Partei in gewissem Maße die Rolle der Peripherie im Verhältnis zum Zentrum spielen. Vor Eroberung der Macht organisieren die wirklich proletarischen revolutionären Gewerkschaften die Arbeiter auf hauptsächlich ökonomischer Grundlage zur Erkämpfung jener Verbesserungen, die vor der völligen Niederwerfung des Kapitalismus möglich sind; ihr Hauptaugenmerk richten sie aber auf die Organisation des proletarischen Massenkampfes gegen den Kapitalismus und für die proletarische Revolution. Während des proletarischen Umsturzes organisieren die wirklich revolutionären Gewerkschaften gemeinschaftlich mit der Partei die Massen zum unmittelbaren Sturm auf die Festen des Kapitals und übernehmen die grundlegende Arbeit in der Organisierung der sozialistischen Revolution. Nach Eroberung und Sicherung der proletarischen Macht wird die Arbeit der Gewerkschaften hauptsächlich auf das organisatorisch-wirtschaftliche Gebiet verlegt und die Gewerkschaften widmen ihre Kräfte fast völlig der Organisation der Wirtschaft auf sozialistischer Grundlage und werden dadurch wirklich zur praktischen Schule des Kommunismus. Im Laufe aller dieser drei Phasen des Kampfes müssen die Gewerkschaften die proletarische Avantgarde, die Kommunistische Partei, die den Kampf des Proletariats in allen seinen Etappen leitet, unterstützen. Zur Erreichung dieses Zieles müssen die Kommunisten und die mit den Kommunisten sympathisierenden Elemente im Rahmen der Gewerkschaften ihre kommunistischen Zellen organisieren, die völlig der kommunistischen Gesamtpartei untergeordnet sind. Die Taktik der Bildung kommunistischer Zellen in einer jeden Gewerkschaft, die durch den II. Weltkongress der Kommunistischen Internationale formuliert wurde, hat sich im Laufe des vergangenen Jahres entschieden bewährt und ergab in Deutschland, in England, in Frankreich, in Italien und in einer Reihe anderer Länder bedeutende Resultate. Der Umstand, dass z. B. in Deutschland bedeutende Kreise wenig erprobter und politisch ungenügend erfahrener Arbeiter, die von der Teilnahme an den freien Gewerkschaften keinen unmittelbaren Vorteil mehr erwarten, in letzter Zeit die freien sozialdemokratischen Gewerkschaften verlassen, darf keinesfalls den prinzipiellen Standpunkt der Kommunistischen Internationale, betreffend Teilnahme der Kommunisten an der Gewerkschaftsbewegung, ändern. Es ist Aufgabe der Kommunisten, den Proletariern zu erklären, dass die Rettung nicht darin besteht, dass man die alten Gewerkschaften verlässt und unorganisiert bleibt, sondern darin, dass man die Gewerkschaften revolutioniert, aus ihnen den Geist des Reformismus und die verräterischen reformistischen Führer vertreibt und so die Gewerkschaften in eine wirkliche Stütze des revolutionären Proletariats umwandelt. IV. Die Hauptaufgabe der nächsten Epoche für alle Kommunisten besteht darin – ausdauernd, energisch, hartnäckig daran zu arbeiten, die Mehrheit der Arbeiter in allen Gewerkschaften zu gewinnen, sich keinesfalls durch die gegenwärtigen reaktionären Stimmungen in den Gewerkschaften entmutigen zu lassen, sondern darauf hinzuarbeiten suchen, durch die regste Teilnahme an allen Alltagskämpfen die Gewerkschaften trotz allen Widerstandes für den Kommunismus doch zu gewinnen. Der beste Maßstab der Stärke jeder Kommunistischen Partei ist der wirkliche Einfluss, den sie auf die Massen der Arbeiterschaft in den Gewerkschaften ausübt. Die Partei muss verstehen, ihren entscheidenden Einfluss auf die Gewerkschaften ausüben zu können, ohne die Gewerkschaften kleinlich bevormunden zu wollen. Der Partei untersteht nur die betreffende kommunistische Zelle in der Gewerkschaft, nicht aber die Gewerkschaft als solche. Nur durch die dauernde, aufopfernde und einsichtsvolle Arbeit der kommunistischen Zellen in den Gewerkschaften kann und soll die Partei einen solchen Stand der Dinge erreichen, wo die Gewerkschaften als Ganzes mit Freude und Bereitschaft den Ratschlägen der Partei folgen. In Frankreich vollzieht sich gegenwärtig in den Gewerkschaften ein gesunder Gärungsprozess. Die Arbeiterschaft erholt sich endlich aus der Krisis der Arbeiterbewegung und lernt jetzt den Verrat zu geißeln, dessen sich die reformistischen Sozialisten und Syndikalisten schuldig gemacht haben. Die revolutionären Syndikalisten in Frankreich sind jetzt teilweise noch voll von Vorurteilen gegenüber dem politischen Kampf, gegenüber der Idee der politischen proletarischen Partei. Sie huldigen der Idee des Neutralismus, wie sie in der bekannten Charte d‘Amiens von 1906 Ausdruck gefunden hat. Die hilflose und unrichtige Haltung dieses Teil der revolutionären Syndikalisten birgt in sich die größten Gefahren für die Bewegung. Sollte diese Richtung die Mehrheit gewinnen, so wird sie nicht wissen, was sie mit dieser Mehrheit anfangen soll und somit wird sie hilflos gegenüber den Agenten des Kapitals, den Jouhaux und Dumoulins dastehen. Die revolutionären Syndikalisten in Frankreich werden solange ohne feste Linie dastehen, solange die Kommunistische Partei selbst auch keine solche Linie hat. Die Kommunistische Partei Frankreichs muss auf eine freundschaftliche Kooperation mit den besten Elementen des revolutionären Syndikalismus hinarbeiten. Die Partei muss sich aber in erster Linie nur auf ihre eigenen Mitglieder verlassen, muss überall, wo es auch nur drei Kommunisten gibt, eine Zelle bilden. Die Partei muss sofort eine Aufklärungskampagne gegen den Neutralismus eröffnen. Sie muss auf das freundschaftlichste, aber auch auf das entschiedenste auf das Fehlerhafte in der Position des revolutionären Syndikalismus hinweisen. Nur auf diesem Wege kann in Frankreich die Gewerkschaftsbewegung revolutionisiert werden und die enge Kooperation der Partei und der Gewerkschaftsbewegung hergestellt werden. In Italien haben wir eine eigenartige Lage: hier ist die Masse der Gewerkschaftsmitglieder revolutionär gestimmt, aber die Führung der Conf. del Lavoro liegt in den Händen ausgesprochener Reformisten und Zentristen, die sich mit dem Herzen bei Amsterdam befinden. Die erste Aufgabe der italienischen Kommunisten besteht darin, einen zähen und ausdauernden Alltagskampf in den Gewerkschaften von unten bis nach oben zu organisieren, systematisch und mit Geduld darauf hinzuarbeiten, den verräterischen und unentschiedenen Charakter der eben genannten Führung bloßzustellen und ihr alle Gewerkschaften zu entreißen. Gegenüber den revolutionär-syndikalistischen Elementen Italiens haben die italienischen Kommunisten im Allgemeinen dieselben Aufgaben zu erfüllen, wie die Kommunisten in Frankreich. In Spanien haben wir eine starke, revolutionäre, aber noch nicht ganz zielbewusste Gewerkschaftsbewegung und gleichzeitig eine noch junge und verhältnismäßig schwache Kommunistische Partei. Bei gegebener Lage muss die Partei alles mögliche versuchen, um in den Gewerkschaften festen Fuß zu fassen, muss die Partei den Gewerkschaften mit Rat und Tat helfen, muss sie in der Gewerkschaftsbewegung klärend wirken, freundschaftliche Beziehungen mit ihr anknüpfen und den ganzen Kampf gemeinsam organisieren. In England vollziehen sich in der Gewerkschaftsbewegung Entwicklungsprozesse von größter Wichtigkeit. Die Gewerkschaftsbewegung revolutioniert sich rasch. Die Massenbewegung entwickelt sich. Das Abwirtschaften der alten Gewerkschaftsführer vollzieht sich schnell. Die Partei muss alle Kräfte anstrengen, um in diesen großen Gewerkschaften (Kohlengrubenarbeiter usw.) festen Fuß zu fassen. Jedes Mitglied der Partei muss in einer Gewerkschaft tätig sein und durch rege, ausdauernde, organische Arbeit Einfluss für den Kommunismus gewinnen. Nichts soll unterlassen werden, um sich mit den Massen enger zu verbinden. In Amerika vollzieht sich etwas langsamer dieselbe Entwicklung. Keinesfalls dürfen die Kommunisten die Reihen der reaktionären Federation of Labour einfach verlassen. Umgekehrt, sie müssen auf allen Wegen in die alten Gewerkschaften eindringen, um sie zu revolutionieren. Mit dem besten Teil der IWW ist eine Kooperation notwendig, die aber nicht einen aufklärenden Kampf gegen die Vorurteile der IWW ausschließen soll. In Japan entwickelt sich spontan eine große Gewerkschaftsbewegung, die noch ohne klare Führung ist. Die Hauptaufgabe der kommunistischen Elemente in Japan besteht darin, diese Bewegung zu unterstützen und sie im marxistischen Sinne zu beeinflussen. In der Tschechoslowakei hat unsere Partei die Mehrheit der Arbeiterklasse hinter sich, die Gewerkschaftsbewegung bleibt aber zum großen Teil noch in den Händen der Sozialpatrioten und Zentristen und ist überdies noch national gespalten. Das ist das Resultat der mangelhaften Organisation und der Unklarheit der revolutionär gesinnten Gewerkschaftsmitglieder. Die Partei muss alles tun, um diesem Stand der Dinge ein Ende zu machen und die ganze Gewerkschaftsbewegung für die Leitung durch Kommunisten zu gewinnen. Dazu ist die Bildung der Zellen und einer für alle Nationen gemeinsamen kommunistischen Gewerkschaftszentrale unumgänglich notwendig. Auf die Vereinigung der verschiedenen national gespaltenen Verbände ist energisch hinzuarbeiten. In Österreich und in Belgien haben es die Sozialpatrioten verstanden, die Gewerkschaftsbewegung fest und schlau in die Hand zu bekommen. Das Hauptterrain des Kampfes in diesen Ländern ist die Gewerkschaftsbewegung. Dieser Aufgabe müssen darum die Kommunisten ihre Hauptaufmerksamkeit schenken. In Norwegen muss die Partei, die die Mehrheit der Arbeiter hinter sich hat, die Gewerkschaftsbewegung fester in die Hand bekommen und die zentristischen Elemente von der Führung beseitigen. In Schweden hat die Partei nicht nur gegen Reformismus, sondern auch gegen die kleinbürgerliche Strömung im Sozialismus anzukämpfen und muss dazu ihre ganze Energie anstrengen. In Deutschland ist die Partei auf bestem Wege, allmählich die Gewerkschaften zu gewinnen. Auf keinen Fall sollen den Anhängern der Parole „Heraus aus den Gewerkschaften“ Konzessionen gemacht werden. Das hieße, die Sozialpatrioten stützen. Gegen die Versuche, die Kommunisten auszuschließen – zäher, ausdauernder Kampf und Anstrengung aller Kräfte, um die Mehrheit in den Gewerkschaften zu gewinnen. V. Durch diese Erwägungen werden jene gegenseitigen Beziehungen bestimmt, die zwischen der Kommunistischen Internationale einerseits und der Roten Gewerkschafts-Internationale andererseits zu schaffen sind. Die Kommunistische Internationale hat die Aufgabe, nicht nur den politischen Kampf des Proletariats im engen Sinne des Wortes zu leiten, sondern seinen ganzen Befreiungskampf, welche Formen er auch annehmen möge. Die Kommunistische Internationale kann nicht bloß die arithmetische Summe der Zentralen der Kommunistischen Parteien verschiedener Länder sein. Die Kommunistische Internationale muss die Arbeit in dem Kampf aller proletarischen Organisationen, sowohl der rein politischen als auch der gewerkschaftlichen, genossenschaftlichen, der Sowjet- und Kulturorganisationen inspirieren und zusammenfassen. Der Internationale Gewerkschaftsrat kann zum Unterschied von der gelben Internationale keinesfalls auf dem Standpunkt des Apolitizismus oder der Neutralität stehen. Eine Organisation, die der II., II½ und der III. Internationale gegenüber neutral zu bleiben wünschte, würde unvermeidlich zur Schachfigur in den Händen der Bourgeoisie. Das Aktionsprogramm der roten Gewerkschaftsinternationale, das des Weiteren dargelegt und das die Kommunistische Internationale dem 1. Kongress der roten Gewerkschaften vorlegen wird, wird in Wirklichkeit nur von den kommunistischen Parteien, nur durch die Kommunistische Internationale verteidigt werden. Schon einzig aus diesem Grunde, zur wirksamen Revolutionierung der Gewerkschaftsbewegungen in einem jeden Lande, zur ehrlichen, entschiedenen Durchführung der neuen revolutionären Aufgaben der Gewerkschaften werden die Roten Gewerkschaften genötigt sein, Hand in Hand und in engem Kontakte mit der Kommunistischen Partei des betreffenden Landes zu arbeiten und die Rote Gewerkschafts-Internationale bei jedem Schritt mit der Arbeit der Kommunistischen Internationale in Einklang zu bringen. Die Vorurteile der Neutralität, der „Unabhängigkeit“, des Apolitizismus und der Parteilosigkeit, mit denen auch gewisse ehrliche revolutionäre Syndikalisten Frankreichs, Spaniens, Italiens und anderer Länder behaftet sind, sind objektiv nichts anderes als ein den bourgeoisen Ideen gezollter Tribut. Die roten Gewerkschaften können das gelbe Amsterdam und folglich auch den Kapitalismus nicht besiegen, ohne der bourgeoisen Idee der Unabhängigkeit und der Neutralität ein für allemal zu entsagen. Vom Standpunkt der Kräfteersparnis und der besten Konzentrierung der Schläge ist als ideale Lage die Schaffung einer einheitlichen Internationale zu betrachten, die in ihren Reihen sowohl die politischen Parteien als auch die anderen Formen der Arbeiterorganisationen vereinigen wird. Zweifelsohne gehört die Zukunft diesem Organisationstypus. In der jetzigen Übergangsperiode jedoch, bei der jetzigen Vielfältigkeit und Buntwürfigkeit der Gewerkschaften in den verschiedenen Ländern ist es unumgänglich notwendig, eine selbständige internationale Vereinigung der roten Gewerkschaften zu schaffen, die im Großen und Ganzen auf der Plattform der Kommunistischen Internationale stehen, aber Mitglieder mit größerer Freiheit aufnehmen als dies in der Kommunistischen Internationale der Fall ist. Der auf dieser Grundlage zu organisierenden Roten Gewerkschafts-Internationale verspricht der III. Kongress der Kommunistischen Internationale seine Unterstützung zwecks engerer Verbindung zwischen der Kommunistischen Internationale und Roten Gewerkschafts-Internationale, schlägt der III. Kongress der Kommunistischen Internationale vor, dass sich die Kommunistische Internationale durch drei Mitglieder in der Exekutive der Roten Gewerkschafts-Internationale vertreten lasse und vice versa. Das Aktionsprogramm der Roten Gewerkschaften ist nach der Meinung der Kommunistischen Internationale annähernd folgendes: Aktionsprogramm. 1. Die scharfe ökonomische Krisis, die sich über die ganze Welt erstreckt, das katastrophale Sinken der Engrospreise, die Überproduktion bei tatsächlichem Warenhunger, die aggressive Politik der Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse, die hartnäckigen Versuche zur Herabsetzung des Arbeitslohnes und die Versuche, die Arbeiter in ihrer Entwicklung um Jahrzehnte zurückzuwerfen, die infolgedessen anwachsende Verbitterung der Massen einerseits und die Hilflosigkeit der Gewerkschaften mit ihren alten Methoden andererseits, stellen die revolutionären Gewerkschaften aller Länder vor neue Aufgaben. Nötig sind neue, durch die Zersetzung des Kapitalismus hervorgerufene ökonomische Kampfesmethoden, notwendig ist eine aggressive ökonomische Politik seitens der Gewerkschaften, um den Angriff des Kapitals zurückzuschlagen und, nach Festigung der alten Position, selbst zum Angriff überzugehen. 2. Die Grundlage der Gewerkschaftstaktik bildet die direkte Aktion revolutionärer Massen und ihrer Organisationen gegen das Kapital. Alle Errungenschaften der Arbeiter stehen im direkten Verhältnis zu direkter Aktion und revolutionärer Druckausübung seitens der Massen. Unter direkter Aktion sind alle Arten der uns mittelbaren Druckausübung auf die Unternehmer und den Staat seitens der Arbeiter zu verstehen; und zwar: Boykott, Streiks, Straßenaktionen, Demonstrationen, Besitzergreifung der Unternehmungen, gewaltsame Widersetzung gegen die Ausfuhr von Artikeln aus den Unternehmungen, bewaffneter Aufstand und andere revolutionäre Aktionen, die dazu geeignet sind, die Arbeiterklasse zum Kampf für den Sozialismus zu vereinigen. Die Aufgabe der revolutionären Gewerkschaften besteht infolgedessen darin, die direkte Aktion in ein Werkzeug der Erziehung und Vorbereitung der Arbeitermassen zum Kampf für die soziale Revolution und die Diktatur des Proletariats zu machen. 3. Die letzten Jahre des Kampfes zeigten mit besonderer Anschaulichkeit die ganze Schwäche der gewerkschaftlichen Organisationen. Die Zugehörigkeit der Arbeiter eines Unternehmens zu mehreren Gewerkschaften schwächt sie im Kampfe. Zum Ausgangspunkt des ungeschwächten Kampfes muss der Übergang vom rein gewerkschaftlichen Aufbau zur Organisation der Gewerkschaften nach den Produktionszweigen werden. „In einem Unternehmen – ein Verband“, muss die Losung auf dem Gebiete des Organisationsaufbaues sein. Die Verschmelzung der verwandten Gewerkschaften in einem Verband muss auf dem revolutionären Wege geschehen, indem diese Frage unmittelbar den Verbandsmitgliedern in den Fabriken und Betrieben, weiterhin den Bezirks- und Länderkonferenzen und den Nationalkongressen vorgelegt wird. 4. Jede Fabrik und jeder Betrieb müssen ein Bollwerk, eine Festung der Revolution werden. Die alte Form der Beziehungen zwischen den einfachen Verbandsmitgliedern (Kassierer, Vorsitzender, Vertrauensleute und andere) müssen durch die Fabrikkomitees ersetzt werden. Die Fabrikkomitees müssen von allen Arbeitern des betreffenden Unternehmens gewählt werden, unabhängig davon, welcher politischen Überzeugung sie angehören. Die Aufgabe der Anhänger der Roten Gewerkschafts-Internationale liegt darin, alle Arbeiter des betreffenden Unternehmens an den Wahlen ihres sie vertretenden Organs heranzuziehen. Alle Versuche, die Wahlen der Fabriks- und Betriebskomitees ausschließlich auf Versammlungen von Gesinnungsgenossen zu beschränken, nur eine Parteirichtung durchzuführen und die breite Masse der Unparteiischen von den Wahlen auszuschließen, müssen ganz kategorisch verurteilt werden. Das wäre eine Zelle, aber nicht ein Fabriks- und Betriebskomitee. Der revolutionäre Teil der Arbeiter muss durch seine Zellen, durch seine Aktionsausschüsse und schließlich durch jedes einzelne Mitglied auf die allgemeine Versammlung, auf das von ihr gewählte Fabriks- und Betriebskomitee seinen Einfluss ausüben. 5. Die erste Forderung, welche den Fabriks- und Betriebskomitees gestellt werden muss, ist die Fürsorge der infolge Arbeitslosigkeit entlassenen Arbeiter auf Kosten des Unternehmens. Es darf unter keinen Umständen zugelassen werden, dass die Arbeiter auf die Straße geworfen werden und dass das Unternehmen daraus keinerlei Folgen tragen soll. Der Unternehmer muss zur Zahlung des vollen Arbeitslohnes des Arbeitslosen verpflichtet werden. Auf dieser Plattform muss man nicht die Arbeitslosen, sondern hauptsächlich die Arbeiter in den verschiedenen Unternehmungen organisieren, indem man sie darüber aufklärt, dass die Frage der Arbeitslosigkeit im Rahmen der kapitalistischen Ordnung nicht gelöst werden kann, und dass das beste Mittel gegen die Arbeitslosigkeit – die soziale Revolution und die Diktatur des Proletariats ist. 6. Die Schließung der Unternehmungen und die Kürzung der Anzahl der Arbeitstage bilden gegenwärtig eins der wichtigsten Werkzeuge in den Händen der Bourgeoisie, mit dessen Hilfe sie die Arbeiter zur Kürzung des Arbeitslohnes, zur Verlängerung der Arbeitszeit und zur Abschaffung des Kollektivvertrages zwingt. Die Aussperrung nimmt immer deutlichere Formen der „direkten Aktion“ seitens der vereinigten Unternehmer gegen organisierte Arbeitermassen an. Deshalb muss der Kampf gegen die Schließung der Unternehmen geführt und die Untersuchung der Gründe, die zur Schließung einer Fabrik führen, seitens der Arbeiter verlangt werden. Zu diesem Zweck müssen besondere Kontrollkommissionen gebildet werden, denen die Kontrolle über die Rohstoffe, das Heizmaterial, die Aufträge zusteht; die ferner eine Revision der tatsächlichen, zur Produktion notwendigen Rohstoffbestände vornehmen und die in den Banken deponierten Geldreserven kontrollieren. Die besonders gewählten Kontrollkommissionen müssen mit der größten Sorgfalt die finanziellen Beziehungen zwischen den betreffenden Unternehmen und anderen Unternehmungen prüfen, wobei den Arbeitern die Beseitigung der Geschäftsgeheimnisse als eine der nächstliegenden praktischen Aufgaben aufgestellt werden muss. 7. Als eins der Kampfesmittel gegen eine Massenschließung der Unternehmungen, die Herabsetzung des Arbeitslohnes und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen erzielen wollen gilt die Besitzergreifung der Fabrik oder des Betriebes durch die Arbeiter und die Fortsetzung der Produktion gegen den Willen des Unternehmers. Bei dem herrschenden Warenhunger ist die Fortsetzung der Produktion notwendig und daher dürfen die Arbeiter eine absichtliche Schließung der Fabriken und Werkstätten nicht zulassen. Je nach den lokalen Verhältnissen, den Produktionsbedingungen, der politischen Lage, der Anspannung des sozialen Kampfes, kann und muss die Besitzergreifung auch durch andere Methoden der Druckausübung auf das Kapital unterstützt werden. Bei der Besitzergreifung des Unternehmens muss sich die Verwaltung in den Händen des Fabriks- oder Betriebskomitees, sowie eines besonders dazu gewählten Vertreters des Verbandes befinden. 8. Der ökonomische Kampf wird unter der Losung der Erhöhung des Arbeitslohnes und Verbesserung der Arbeitsbedingungen gegen die der Vorkriegszeit geführt. Alle Versuche, Arbeitsbedingungen auf das Niveau der Vorkriegszeit zurückzuführen, müssen eine entschiedene und revolutionäre Zurückweisung erfahren. Der Krieg hatte die Entkräftung der Arbeiterklasse zur Folge; um dieser entgegenzuwirken, sind verbesserte Arbeitsbedingungen Voraussetzung. Die Hinweise der Kapitalisten auf eine Konkurrenz des Auslandes dürfen auf keinen Fall berücksichtigt werden; die revolutionären Gewerkschaften müssen die Fragen des Arbeitslohnes und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen nicht vom Gesichtspunkt der Konkurrenz zwischen den raublustigen Elementen der verschiedenen Nationen betrachten, sondern vom Gesichtspunkt der Erhaltung und des Schutzes der Arbeitskraft. 9. Im Falle einer Taktik des Lohndruckes seitens der Kapitalisten und einer ökonomischen Krisis im Lande besteht die Aufgabe der revolutionären Gewerkschaften darin, die Herabsetzung des Arbeitslohnes nacheinander in den verschiedenen Produktionszweigen zu verhindern, d. h. sich nicht in mehrere Gruppen spalten zu lassen. Es müssen von vornherein Arbeiter der allgemeinnützlichen Unternehmungen (Kohlenarbeiter, Eisenbahner, Elektrotechniker, Gasarbeiter u. a.) zur Teilnahme am Kampf herangezogen werden, damit der Kampf gegen den Angriff des Kapitals die wichtigsten Nervenzentren, den wirtschaftlich-ökonomischen Organismus, umfasst. Hier wird notwendig und zweckmäßig sein, alle Arten des Widerstandes anzuwenden, angefangen von einzelnen Teilstreiks bis zum Generalstreik irgendeines bedeutenden Produktionszweiges im nationalen Maßstabe. 10. Die Gewerkschaften müssen sich zu praktischen Aufgaben die Vorbereitung und Organisation internationaler Ausstände stellen, die einen bestimmten Produktionszweig umfassen. Die Einstellung der Kohlengewinnung oder die Unterbrechung des Verkehrs im internationalen Maßstabe sind wichtige Kampfmittel gegen die reaktionären Anschläge der Bourgeoisie aller Länder. Die Gewerkschaften müssen aufmerksam die Weltkonjunktur verfolgen, um den geeigneten Moment für ihren Angriff zu wählen, dabei nicht einen Augenblick außer Achtung lassen, dass ein internationaler Angriff, welcher Art er auch sei, nur dann möglich sein wird, wenn wahre revolutionäre internationale Gewerkschaften gebildet werden, die nichts Gemeinsames mit der gelben Amsterdamer Internationale haben. 11. Der von den Opportunisten aller Länder verbreitete Glaube an einen absoluten Wert der Kollektivverträge muss eine scharfe und entschiedene Zurückweisung seitens der revolutionären Bewegung erfahren. Der Kollektivvertrag ist nichts weiter als ein Waffenstillstand. Die Unternehmer verletzen stets den Kollektivvertrag, sobald sich dazu die kleinste Möglichkeit bietet. Die religiösen Beziehungen zu den Kollektivverträgen beweisen, dass die Führer der Arbeiterklasse tief von der Ideologie der Bourgeoisie durchdrungen sind. Die revolutionären Gewerkschaften sollen den Kollektivvertrag nicht ablehnen, jedoch seinen relativen Wert erkennen und die Fragen der Methoden des Bruches dieser Verträge, wenn es der Arbeiterklasse Vorteil dienen sollte, immer klar vor Augen haben. 12. Der Kampf der Arbeiterorganisationen gegen den individuellen und kollektiven Unternehmer soll unter Berücksichtigung der nationalen und örtlichen Verhältnisse für die ganze Erfahrung des Befreiungskampfes der, Arbeiterklasse verwertet werden. Daher muss jeder bedeutende Streik nicht nur von den Arbeitern gut vorbereitet sein, sondern gleichzeitig mit dem Streikausbruch müssen auch besondere Kader zum Kampf gegen die Streikbrecher und zum Widerstand gegen die verschiedenen Provokationen der von den bourgeoisen Regierungen unterstützten weißgardistischen Organisationen gegenüber gebildet werden. Die Faschisten Italiens, die technische Nothilfe Deutschlands, die aus ehemaligen Offizieren und Unteroffizieren bestehenden weißgardistischen Organisationen Frankreichs und Englands – alle diese Organisationen haben sich zum Ziel gesetzt, jede Arbeiteraktion zu desorganisieren, zu vernichten, nicht nur durch Ersatz der Streikenden, sondern auch durch materiellen Ruin und Tötung der Leiter der Arbeiterbewegung. Unter diesen Bedingungen wird die Organisation besonderer Streik- und Selbstschutztruppen zur Lebensfrage. 13. Diese neu gebildeten Kampforganisationen sollen sich nicht nur gegen die Angriffe der Unternehmer und Streikbrecherorganisationen wehren, sondern auch die Initiative der Zurückhaltung aller Güter und Waren, welche für die betreffende Fabrik bestimmt sind, auf sich nehmen und die Ausfuhr der Fabrikate nach anderen Fabriken und Unternehmungen hindern. In dieser Beziehung muss den Transportarbeitern eine ganz besonders hervorragende Rolle zufallen, sie sollen die Ein- und Ausfuhr der Waren einstellen, was bei einmütiger Unterstützung aller örtlichen Arbeiter ausführbar ist. 14. Der ganze ökonomische Kampf der Arbeiterklasse in der nächsten Zukunft soll sich um die Losung der Partei „Arbeiterkontrolle der Produktion“ konzentrieren, wobei diese Kontrolle verwirklicht werden muss, bevor die Regierung und die herrschenden Klassen Kontrollsurrogate geschaffen haben. Es muss ein erbitterter Kampf gegen alle Versuche zur Gründung von Paritätsarbeitsgemeinschaften und Paritätskontrollkommissionen seitens der herrschenden Klassen und Reformisten begonnen werden, wobei die Kontrolle der Betriebe streng durchgeführt werden muss, um bestimmte Resultate zu erzielen. Die revolutionären Gewerkschaften müssen mit aller Entschlossenheit gegen das sozialistische Blendwerk und die Spitzbüberei, mit denen sich die Führer der alten Gewerkschaften mit Hilfe der herrschenden Klassen befasst haben, auftreten. All das Gerede dieser Herren über eine friedliche Sozialisierung verfolgt nur das Ziel, die Arbeiter von einer revolutionären Aktion und sozialer Revolution abzulenken. 15. Um die Aufmerksamkeit der Arbeiter von ihren unmittelbaren Aufgaben abzulenken und in ihnen kleinbürgerliche Tendenzen wachzurufen, wird die Idee der Teilnahme der Arbeiter am Gewinn, d. h. der Rückerstattung eines unbedeutenden Teiles des von ihnen geschaffenen Mehrwertes propagiert. Diese Losung der Demoralisierung der Arbeiter muss einer schroffen und unbarmherzigen Kritik unterworfen werden. (Nicht Teilnahme am Gewinn, sondern „Vernichtung des Kapitalistengewinns“ – ist die Losung der revolutionären Klassengewerkschaften.) 16. Zur Lähmung oder Brechung der Kampfkraft der Arbeiterklasse haben die Bourgeoisstaaten unter der Vorgabe des Schutzes lebenswichtiger Industrien zur zeitweiligen Militarisierung einzelner Betriebe oder ganzer Industriezweige gegriffen. Um angeblich ökonomische Erschütterungen nach Möglichkeit zu verhüten, führten sie zum Schutze des Kapitals obligatorische Schiedsgerichte oder Schlichtungsausschüsse ein. Im Interesse des Kapitals wurde auch, um die Lasten des Krieges gänzlich auf die Schultern der Arbeitenden abzuwälzen, der direkte Steuerabzug vom Arbeitslohn eingeführt, bei dem der Unternehmer die Rolle des Steuereintreibers hat. Gegen diese staatlichen, nur der kapitalistischen Klasse dienenden, Maßnahmen muss der erbittertste Kampf seitens der Gewerkschaften aufgenommen werden. 17. Indem man den Kampf für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die Hebung des Lebensniveaus und der Einsetzung der Arbeitskontrolle führt, muss man immer vor Augen haben, dass diese Probleme auf dem Gebiete kapitalistischer Beziehungen unmöglich zu lösen sind, und daher müssen die revolutionären Gewerkschaftsverbände den herrschenden Klassen Schritt für Schritt Konzessionen entreißen, indem sie sie zwingen, sozialistische Gesetzgebung durchzuführen, es den Arbeitermassen völlig klarlegen, dass die soziale Frage nur durch Vernichtung des Kapitalismus und durch die Einsetzung der Diktatur des Proletariats gelöst werden kann. Von diesem Standpunkt betrachtet, darf keine Teilaktion der Arbeiter, kein Teilstreik, kein noch so unbedeutender Konflikt spurlos vorübergehen. Die revolutionären Gewerkschaften sollen diese Konflikte verallgemeinern und ihre Arbeitermassen bis zur Erkenntnis der Notwendigkeit und Unvermeidlichkeit der sozialen Revolution und der Diktatur des Proletariats bringen. 18. Der ökonomische Kampf ist zugleich auch ein politischer, d. h. ein allgemeiner Klassenkampf. Der Kampf selbst, wenn er auch noch so weite Arbeiterschichten im Lande umfasst, kann nur dann wirklich revolutionär und mit größtmöglichstem Nutzen für die Arbeiterklasse als Gesamtheit durchgeführt werden, wenn die revolutionären Gewerkschaftsverbände Hand in Hand, in engster Arbeitsgemeinschaft und im engsten Bündnis mit der Kommunistischen Partei des Landes gehen werden. Die Theorie und Praxis der Spaltung des Klassenkampfes der Arbeiter in zwei unabhängige Teile ist im gegenwärtigen Revolutionsmoment äußerst schädlich. Dieses Vorgehen erfordert maximale Kraftkonzentration, die nur bei größter Anstrengung der RevoIutionsenergie der Arbeiterklasse, d. h. aller seiner kommunistischen und revolutionären Elemente denkbar ist. Teilaktionen der Kommunistischen Partei und der roten revolutionären Klassenverbände sind von vorneherein dem Misslingen und der Vernichtung geweiht. Daher sind Einheitlichkeit der Aktion und organisches Bündnis der Kommunistischen Partei mit den Gewerkschaften die Vorbedingungen des Erfolges im Kampf gegen. den Kapitalismus. |
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