Berner Tagwacht 19150403 Die Konferenz.

Berner Tagwacht: Die Konferenz.

[Berner Tagwacht Nr. 77, 3. April 1915, S. 1 f.]

Die Konferenz, über die wir aus naheliegenden Gründen erst nachträglich und nur in gedrängter Form, unter Weglassung der Namen, berichten können, tagte während dreier Tage im Volkshaus in Bern. Wo die Verhältnisse es zu. ließen, war die Vertretung eine offizielle der Gesamtpartei des betreffenden Landes, aus andern Ländern musste die Beschickung der privaten Initiative überlassen werden, da beispielsweise die französische wie die deutsche sozialdemokratische Partei es ablehnten, offizielle Delegierte zu entsenden. Die Parteileitungen in diesen beiden Ländern halten den Burgfrieden hoch und die sozialistischen Frauen an einer internationalen Konferenz über die Notwendigkeit einer Friedensaktion sprechen und beraten zu lassen, schien ihnen unzweckmäßig. Dieser Umstand hat indes der Bedeutung der Konferenz keinerlei Abbruch getan. Kamen da die Delegierten zum Teil aus persönlicher Initiative, so stehen Hunderttausende von Frauen in den kriegführenden Ländern hinter ihnen, die einig sind mit ihnen in dem Rufe und in dem Kampfe für die Herbeiführung des Friedens. Und gerade die Tatsache, dass sich die Vertreterinnen der proletarischen Frauen durch kein Machtgebot der vom Kriegstaumel übernommenen Parteien hindern ließen zu tun, was ihre Pflicht ist, zeigt die Entschlossenheit, von der sie erfüllt sind und ist eine Bürgschaft dafür, dass die Arbeiten der Konferenz nicht ergebnislos bleiben werden.

Neben einem Manifest an die Frauen des werktätigen Volkes, dessen Wortlaut hier wieder gegeben ist, hat die Konferenz einer längern Resolution zugestimmt, die eine scharfe Kennzeichnung des Charakters des gegenwärtigen Krieges enthält und den Arbeitern und Arbeiterinnen in den kriegführenden Ländern als willkommene Orientierung dienen mag. Dies ist um so notwendiger, weil in den kriegführenden Ländern nicht nur jede Erörterung über die Kriegsfrage, soweit es sich um eine objektive Feststellung der Ursachen handelt, verboten ist, die Parteipresse selbst gibt dem Krieg eine Deutung, die er nicht besitzt. Aus diesem Grunde ist die prinzipielle Erklärung der Konferenz um so wertvoller und ihre Bedeutung als Wegweiser erhöht sich durch den Umstand, dass sie, ausgehend von den Sozialistinnen der kriegführenden Länder, die einstimmige Annahme durch die Konferenz fand. Erleichtert wurde dieses Resultat, weil die arbeitenden Frauen und ihre Vertreterinnen keine Kriegskredite bewilligt hatten, keiner Hurrastimmung verfielen, keine Durchhaltepolitik als die des Sozialismus kennen und darum konnte man auch den Zusammentritt der Frauenkonferenz aufs Freudigste begrüßen, so skeptisch man sonst im gegenwärtigen Augenblick einer internationalen Konferenz der offiziellen sozialistischen Parteien gegenübersteht.

Außer dem Manifest und der prinzipiellen Erklärung zum Kriege und der darauf folgenden Aktion der Arbciterklasse wurde dem Protest der englischen Delegation gegen die wucherische Ausnutzung der wirtschaftlichen Krise durch das Spekulantentum zugestimmt, ebenso einem Protest gegen die Verhaftung der Genossin Rosa Luxemburg und der russischen Dumaabgeordneten. Mit besonderer Genugtuung sind ferner die Verhandlungen über den Kampf gegen den Chauvinismus zu registrieren, die den Willen kundgaben, gegen die Verhetzung der Völker mit allem Nachdruck anzukämpfen.

So hat die Konferenz in allen Teilen fruchtbare Arbeit verrichtet. Möge nun dem Rat die Tat folgen, aus dass aus den Völkern heraus der Friedenswille emporwachse als einzige Bürgschaft für die Beendigung des blutigen Ringens!

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Verhandlungsbericht und Resolution in der heutigen Beilage.

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