Sitzung der erweiterten Kommission Februar 1916

Sitzung der erweiterten Kommission Februar 1916

[Nach: Horst Lademacher (Hg.): Die Zimmerwalder Bewegung. I. Protokolle. Den Haag - Paris 1967, S. 195-153]

Erste Sitzung

den 5. Februar abends 8 Uhr

Anwesende: Das Internationale Komitee (Grimm, Naine, Balabanowa, Morgari)

Vertretung

Italien: Musatti, Serrati, Modigliani (Rigola für den italienischen Gewerkschaftsbund)

Russie:SR Bobrow ZK Sinowjew OK Martow

Pologne: Lv Radek Hv Warski ZK Lapinski

Allemagne:Thalheimer (für Württemberg) Laukant (für Berlin und Nrhein)

Bulgarien: Kolarow

Rumänien: Rakowski

Norwegen:Olaussen

Portugal: Peluso

Jugendl: Münzenberg, Schweiz.

Suisse: Platten

Grimm eröffnet die Sitzung und gibt einen Überblick über den Zweck der Zusammenkunft. Im Einverständnis mit dem Zirkular, das die Internationale Sozialistische Kommission am 25. September an die affilierten Organisationen und Gruppen versandt hat, wurde die Sitzung einer erweiterten Kommission einberufen.

Leider haben die französischen und englischen Mitglieder der erweiterten Kommission nicht kommen können. Auf den Vorschlag der französischen Genossen, die Sitzung auf den 15. Februar zu verschieben, war es leider unmöglich einzugehen, da einige Delegierte bereits in der Schweiz waren und unmöglich solange bleiben konnten. Wegen der Abwesenheit der französischen und englischen Delegation kann die Zusammenkunft selbstverständlich nicht als Zusammenkunft der erweiterten Kommission gelten. Es handelt sich demgemäß um eine Sitzung der Internationalen Sozialistischen Kommission, unter Zuziehung von Genossen, die verschiedene Länder in der erweiterten Kommission vertreten. Somit können keine Beschlüsse gefasst werden und die Zusammenkunft hat nur einen beratenden Charakter. Da das Internationale Büro der Jugendorganisation sich an die Internationale Sozialistische Kommission wandte mit der Anfrage, ob eine Besprechung möglich sei, wurde es von der Internationalen Sozialistischen Kommission aufgefordert, an der heutigen Sitzung teilzunehmen.

Münzenberg führt aus: Zu Ostern 1915 wurde in Bern von den Vertretern einer Anzahl sozialistischer Jugendorganisationen die Wiederaufnahme der inter[nationalen] Verbindungen beschlossen.

Ein 5 Mitglieder zählendes Büro wurde provisorisch mit der Führung der Geschäfte betraut; dieses Büro hat in den letzten Tagen Sitzung gehabt, um die Beziehungen unter den Organisationen recht innig zu gestalten. Von den Beschlüssen, die zu diesem Zweck gefasst wurden, seien hier erwähnt: Erweiterung des Büros um zwei Mitglieder, je einen Genossen aus Schweden und Österreich. Die Abordnung einer Delegation nach Frankreich, um auch dieses Land für die Jugendinternationale zu gewinnen, Absendung eines Schreibens an die beiden sozialistischen Minister Frankreichs, um gegen die Schikanen durch die Zensur zu protestieren. Den deutschen Jugendgenossen wurden 150 Frank für internationale Propaganda in Deutschland bewilligt. Publikation eines Aufrufes in alle erreichbare Presse zur finanziellen Unterstützung der Jugendinternationale, Kindergruppen sollen geschaffen werden mit Hilfe der Arbeiterinnenvereine in allen Ländern. Am Sonntag, dem 3. September, findet wieder wie am 3. Oktober 1915 ein internationaler Jugendtag statt. Die Büromitglieder gelangen nun heute mit der Bitte an die Berner Kommission um gegenseitige Unterstützung. Über die Stellung der Jugendlichen zu Zimmerwald und seiner Konferenz ist jede Erklärung nutzlos. Das wissen alle Genossen, dass speziell und zwar in allen Ländern die Jugendlichen, mit und gegen die Alten, mit Begeisterung und Elan für Zimmerwald eingetreten sind. Alle die heute noch zersplitterten Kräfte zu sammeln und für Zimmerwald gegen die Vertuschungspolitiker zu organisieren, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Jugendbewegung gegenwärtig mit. Umgekehrt kann man dann auch verlangen, dass die Anhänger und Mitglieder der Zimmerwalder Richtung ihren Einfluss in den einzelnen Ländern zur Förderung der Jugendbewegung geltend machen. Ebenfalls kann in administrativen Fragen ein Zusammenarbeiten beider Instanzen die Sache vereinfachen und verbilligen. Nach der erweiterten Kommission wird ebenfalls der Delegation der Jugendlichen zu den Sitzungen des erweiterten Komitees nichts im Wege stehen.

Über die Teilnahme eines Vertreters des IB der Jugend an den Sitzungen der erweiterten Kommission wird die Diskussion eröffnet.

Grimm stimmt den Vorschlägen des IB der Jug betreffend gegenseitige Unterstützung in gegebenen Fällen zu und befürwortet die Zulassung zu der Sitzung des EK der Jugendl.

Thalheimer wirft die Frage auf, ob dem Jugendlichen beratende oder beschließende Stimme zu erteilen ist.

Radek tritt dafür ein, dass dem gewählten Vertreter der Jugendlichen eine beschließende Stimme gewährt werde.

Lapinski macht darauf aufmerksam, dass diese Sitzung nur konsultativen Charakter hat, und die Frage nicht entschieden werden kann. Die Anwesenden schließen sich der Meinung Lapinskis an: Die nächste erweiterte Kommissions-Sitzung soll die Frage lösen.

Grimm gibt die Tagesordnung der Sitzung bekannt. Sie lautet:

1. Wahl des Büros

2. Besprechung mit dem Internationalen Büro der Jugendlichen

3. Bericht der Internationalen Sozialistischen Kommission

4. Bericht der Delegierten

5. Manifest

6. Agitation und Propaganda (Einberufung einer erweiterten Konferenz)

7. a. Organisation der Gruppen

b. Parlamentarische Aktion

c. Bulletin

d. Finanzen – Verschiedenes

Sodann wird die Wahl des Büros vorgenommen: Vorsitzende Grimm, Bern und Musatti, Italien.

Sekretäre: Balabanow, Italien und Thalheimer, Deutschland.

Sonntag, den 6. Februar Vormittagssitzung (Beg[inn] 10 Uhr)

Bericht der Internationalen Sozialistischen Kommission.

Grimm teilt den Anschluss von verschiedenen Parteien, Gruppen und Organisationen mit, der seit Zimmerwald erfolgt ist. Der Anschluss erfolgte von:

1. Sozialdemokratische Partei Italiens.

2. Sozialdemokratische Partei der Schweiz.

3. British Socialist Party.

4. Independent Labour Party.

5. Sozialdemokratische Partei Rumäniens.

6. Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands, Zentralkomitee.

7. Sozialdemokratische Partei Russlands, Organisationskomitee.

8. Partei der Sozialisten-Revolutionäre Russlands.

9. Allgemeiner Jüdischer Arbeiterbund in Litauen, Polen und Russland.

10. Die drei polnischen sozialistischen Parteien, Hauptvorstand und Landesvorstand der polnischen Sozialdemokratie und Zentralkomitee der Polnischen Sozialistischen Partei.

11. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Bulgariens.

12. Die Sozialdemokratische Partei Portugals.

13. Die Sozialistische Föderation von Saloniki.

14. Der Sozialistische Jugendverband Schwedens und Norwegens.

15. Die Socialist Labor Party Amerikas.

16. Die Socialist Party Amerikas.

17. Die deutsche Sprachgruppe der Socialist Party Amerikas.

18. Die Sozialdemokratische Partei Lettlands.

19. Der Sozialistische Jugendverband Dänemarks.

20. Die Sozialistische Jugendorganisation Madrids.

21. Internationale Sozialisten-Liga Südafrika.

Über die Notwendigkeit einer erweiterten Kommission teilt Grimm folgendes mit. In Zimmerwald sei die Beschickung eine mehr oder weniger persönliche gewesen. Es müsse nun dahin gestrebt werden, unserer Arbeit eine breitere und festere Basis zu geben. Die erweiterte Kommission sollte die ständige Verbindung zwischen den einzelnen Ländern herstellen. Was die Delegation betrifft, so seien für jedes Land drei Delegierte bestimmt. Über die Bestimmung der Delegation haben die einzelnen Länder selbst zu entscheiden. Gehe man von diesem Modus ab, so könne man nicht arbeiten.

Bis jetzt habe von Deutschland nur die Gruppe der ISD offiziell ihren Anschluss an das Internationale Komitee vollzogen und eine Vertretung ernannt. Auch seien noch keine Korrespondenten von Deutschland aus ernannt, obgleich die Aufforderung dazu erfolgte. Korrespondenten seien bis jetzt nur von Russland, von Italien und der BSP Englands ernannt.

Es seien verschiedene Rundschreiben verschickt worden, um ganze Organisationen, Körperschaften und Gruppen zur Delegation in die erweiterte Kommission zu veranlassen. Delegierte in die erweiterte Kommission wurden bis jetzt von folgenden Ländern und Gruppen bestimmt: Die BSP Englands lege eben die Frage der Beschickung der erweiterten Kommission den einzelnen Sektionen vor.

Mit Frankreich konnte seit 15. September keine Verbindung hergestellt werden. Aber nun sei es möglich gewesen, eine Einladung zu dieser Sitzung zu übermitteln. Die Franzosen haben gefordert, die Sitzung auf den 10. Februar zu verschieben. Es müsse die Frage entschieden werden, ob eine weitere Sitzung notwendig sei.

Die Vertreter der Organisationen in der erweiterten Kommission sollten die Kompetenz haben, selbständig für ihre Organisation zu handeln. Die Zimmerwalder Konferenz habe die Opposition in Frankreich gefestigt.

Zustimmungserklärungen seien von Limoges und von der Haute-Vienne erfolgt. Sie haben auch Geld gesandt, aber eine Delegation zur erweiterten Kommission abgelehnt, da sie sich von der offiziellen Partei nicht trennen wollen in der Erwartung, die Mehrheit der Partei für die Opposition zu gewinnen.

Die französische Opposition habe sich an die Internationale Sozialistische Kommission gewandt mit der Anfrage, ob die deutsche Partei geneigt sei, die Einberufung des Internationalen Büros oder eine internationale Konferenz zu unterstützen, falls es der französischen Opposition gelingen würde, diese Forderungen auf dem Parteitag durchzusetzen. Grimm hat sich diesbezüglich an Haase gewandt und um Antwort gebeten. Die Antwort, die ja! lautete, überbrachte ein norwegischer Professor. Am 18. Dezember sei ferner an Haase ein Telegramm gesandt worden, nach der Schweiz zu kommen. Auf dieses sei keine Antwort erfolgt.

Das Internationale Kommission habe versucht, überall feste Fäden zu knüpfen.

In Holland haben die Tribunisten verlangt zur Mitarbeit zugezogen zu werden. Sie haben sich geweigert, das Zimmerwalder Manifest zu unterzeichnen, deshalb habe die Internationale Sozialistische Kommission abgelehnt, sie zur Mitarbeit in die erweiterte Kommission zuzuziehen.

Die Labour Party von England ersuchte um Mitteilung der Bedingungen zum Beitritt zur Internationalen Sozialistischen Kommission.

Von der ILP und der BSP ist bis heute keine Nachricht über die Teilnahme an dieser Sitzung eingetroffen.

Was Österreich betrifft, so sei behauptet worden, dass keine Einladung zu Zimmerwald erfolgt sei. Bis jetzt sei es sehr schwer gewesen in Verbindung mit den Österreichern zu treten. Versuche sind aber von der Internationalen Sozialistischen Kommission gemacht worden.

Die schweizerische Partei habe sich auf ihrem Parteitag zu Aarau auf den Boden des Zimmerwalder Manifestes gestellt. Am 3. Oktober sei eine imposante Kundgebung für den Frieden erfolgt. Doch dürfe die Bedeutung des Aarauer Parteitages nicht überschätzt werden.

In Norwegen habe die Partei sich angeschlossen. Rumänien ebenfalls.

Von Spanien habe die Jugendorganisation von Madrid ihren Anschluss vollzogen, doch die andern Sektionen haben abgelehnt. Von Kanada sei ein Situationsbericht eingetroffen. Schließlich werde es nötig sein, ein ständiges Büro zu errichten mit einer ständigen Arbeitskraft als Hilfe für die Internationale Sozialistische Kommission.

Sitzung Sonntag, den 6. Februar, vormittags 9 Uhr

Es wird die Präsenzliste vorgelesen, Danach ist Radek ein Mandat von der Genossin Roland und Lenin ein Mandat von den ISD übertragen. Über diesen Punkt entspinnt sich eine lebhafte Debatte

Modigliani – Italien: Es sei nicht gutzuheißen, dass Mandate eines Landes auf ein anderes übertragen werden. Die Delegierten sollten womöglich von dem Lande selbst sein, das sie vertreten. Die Sitzung solle sich über diese Angelegenheit schlüssig werden.

Radek tritt der Ansicht entgegen, dass es nicht Sitte sei, die Mandate eines Landes auf ein anderes zu übertragen. In der alten Internationale sei das auch zulässig gewesen. Z.B. sei Kautsky ein Mandat von Polen übertragen worden. Wegen der späten Einladungen sei es den Betreffenden, die sie vertreten, nicht möglich gewesen, selbst zu kommen. Weder statutarische noch politische Rücksichten sprächen gegen die Zulassung der betreffenden Vertreter.

Grimm erinnert Lenin daran, dass es in Deutschland einen schlechten Eindruck mache, wenn es bekannt wird, dass eine deutsche Gruppe durch einen Nichtdeutschen vertreten sei. Im Grunde sei es eine Taktfrage.

Laukant – Berlin spricht sich gegen die Vertretung der Gruppe der ISD überhaupt aus. Ob es genüge, einfach 30 M an die Internationale Sozialistische Kommission zu schicken und sich als eine besondere Gruppe zu konstituieren. Die Gruppe Borchardt habe keine Organisationen hinter sich. Sie beruhe auf einem Arbeiterbildungsverein in Berlin.

Die deutsche Opposition hat bei dieser Gruppenteilung den Schaden davon. In Deutschland gäbe es nur eine einzige Opposition.

Grimm erklärt, dass die Sitzung nur konsultativen Charakter habe. Die Gruppe der ISD haben sich am 15. Sept 1915 angemeldet und einen Beitrag bezahlt.

Lenin: Wie in der alten Internationale so sei auch jetzt die Übertragung eines Mandates zulässig. Dass die Gruppe Borchardt existiert, gehe auch aus einem Artikel der Gleichheit hervor. Es sei eine Tatsache, dass in Deutschland die Opposition in verschiedene Gruppen zerfällt.

Grimm verliest den Brief, in dem die Gruppe der ISD ihren Anschluss an die Internationale Sozialistische Kommission erklärt. Radek protestiert, dass die Unterschriften verlesen [werden], Grimm besteht darauf.

Naine: (Zur Geschäftsordnung)

Da die Sitzung nur einen beratenden Charakter trage, solle man mit dieser Frage keine weitere Zeit verlieren.

Modigliani: In der gegenwärtigen Situation sei die Frage eine prinzipielle, die gelöst werden muss. Es sei keine Gruppierung nach den Schattierungen zulässig. Bestreitet der Gruppe Borchardt das Recht, hier vertreten zu sein. Der Brief Borchardts wende sich gegen die Zimmerwalder Konferenz. Man könne sich mit dem darin gegebenen Urteil der offiziellen Opposition nicht solidarisieren. Wenn diese Gruppe anerkannt wird, dann würde die Opposition Deutschlands um ihr Recht verkürzt werden, die die Massen hinter sich hat. Er bittet Lenin, von seinem Mandat Abstand zu nehmen.

Naine stellt einen Antrag auf Übergang zur Tagesordnung und Offenlassen der Frage.

Modigliani beantragt Schluss der Rednerliste und Beschränkung der Redezeit auf fünf Minuten. Der Antrag wird angenommen.

Radek bestreitet der Internationalen Sozialistischen Kommission das Recht, einen Modus der Wahl vorzuschlagen, ehe eine Konferenz darüber bestimmt habe. Die Versammelten wollten gegen links Maßnahmen ergreifen und nicht gegen rechts.

Thalheimer legt den Standpunkt der Gruppe der „Internationale" zu dem Fall Borchardt dar. Diese bestreitet der Gruppe ISD eine erweiterte Kommission.

Sie hält an dem Prinzip aufrecht, dass nur Gruppen vertreten sein können, die sich auf Organisationen stützen. Gäbe man dem Prinzip nach, dass Gruppen von einzelnen Personen eine Vertretung beanspruchen können, dann würde das in der Praxis dahin führen können, dass Dutzende von Gruppen eine Vertretung beanspruchen und dadurch das Recht der Vertretungen beschneiden, die sich auf größere Organisationen stützen. Dadurch werde das wirkliche Bild der Opposition entstellt.

Es sei eigentümlich im Falle Borchardt, dass es zu einer selbständigen Gruppenbildung kam, erkläre doch Borchardt ständig sein sachliches Einverständnis mit der Gruppe Internationale in Deutschland selbst. Das was der Gruppe Lenin eigentümlich ist, der er sich international angeschlossen habe, vertrete er in Deutschland selbst nicht. Lenin wolle vor allem bedenken, dass bei den deutschen Arbeitern kein Boden vorhanden ist für dessen Spezialitäten. Die Bildung und Vertretung von Personengruppen widerspreche doch vor allem unserer revolutionären prinzipiellen Auffassung, dass der Schwerpunkt des Kampfes in die Massen verlegt werde. Da wir vor allem darnach streben, müssen wir um so eher diesen widersprechenden Bestrebungen entgegensetzen. Macht darauf aufmerksam, dass den Württembergern 2-erlei Schriftstücke über den Anschluss der ISD an die Internationale Sozialistische Kommission zugesandt wurden. Und zwar lautete das Schreiben, das von Borchardt direkt an die Württemberger gesandt wurde, anders, was die Bezeichnung der Vertrauensleute und die Unterschriften betrifft, als in dem von der Internationalen Sozialistischen Kommission zur Information zugesandten Zirkular, das von Borchardt in derselben Angelegenheit in die Schweiz gesandt wurde. Wir fragten bei der Internationalen Sozialistischen Kommission nach den Ursachen, wie zweierlei Zirkulare in derselben Sache versandt wurden, haben aber bis heute darüber von der Internationalen Sozialistischen Kommission keine Antwort erhalten. Dagegen teilte uns Borchardt mit, dass er nach der Schweiz dasselbe Zirkular sandte wie an uns und erstaunt darüber ist, ein abgeändertes Zirkular in die Hände zu bekommen. Wir bitten die*Internationale Sozialistische Kommission die Sache zu untersuchen.

Sinowjew bestreitet, dass es keine Gegensätze zwischen der Gruppe „Internationale" und den ISD gebe. In den Lichtstrahlen sei wohl ausgeführt, dass Borchardt sachlich mit der Gruppe „Internationale" einverstanden sei, aber die Parole „keine Annexionen" sei ihr nicht weitgehend genug, ebenso sei sie nicht damit einverstanden, dass der Trennungsstrich gegen Ledebour nicht scharf gezogen werde.

Die Partei-Opposition in Deutschland sei noch im Werden begriffen, deshalb könne sie noch nicht in feste Formen gepresst werden. Die Frage habe wohl eine politische Bedeutung. Man wolle die Linke ausschließen.

Grimm legt dar, warum die Einladung so spät erfolgte. Er protestierte dagegen, dass es sich um Ausschluss der Gruppe Borchardt handelt. Es handle sich um die Übertragung des Mandates an einen ausländischen Genossen.

Warski: Es handle sich hier nicht um eine prinzipielle Frage, sondern um eine Methode. Bis jetzt habe sich die neue Internationale auf einen Personenkreis gestützt. Es muss ihr nun ein festerer Boden gegeben werden, der Aufbau auf Organisationen. Die Art und Weise der Methoden, welche die Internationale Sozialistische Kommission anwendet, entscheidet, ob sie eine gute Geburtshelferin der neuen Internationalen werden kann.

Die Methode im Falle Borchardt ist eine russische Methode, die die Internationale Sozialistische Kommission nicht unterstützen sollte. Diese Methode sei eine Stimmenfängerei und eine kleinliche antirevolutionäre Methode. Diese dürfe nicht zur Grundlage der neuen Internationale werden, die sich auf die breiten Massen zu stützen habe.

Martow: Es sei zu bedauern, dass diese Frage hier behandelt werden müsse. Es handle sich um keinen Anschluss bestimmter Gruppen, aber die Methode sei ein für alle Mal festzustellen. Es soll sich nicht um Vertretungen von Personen handeln, sondern um Organisationen.

Rakowski macht darauf aufmerksam, dass es sich erstens um die prinzipielle Frage handelt, dann um den Fall Borchardt. Die zweite Internationale habe sich auf das Prinzip der Organisation gestützt. Es handle sich um eine permanente Kommission, deren Verantwortlichkeit größer sei als in der Vergangenheit die des Büros.

Wir können international einer Gruppe nicht eine Autorität geben, die sie im Lande selbst nicht habe und müssen auch die Lösung der Frage den deutschen Genossen selbst überlassen. Beauftragt das Mandat abzuerkennen.

Grimm legt folgenden Antrag vor, um die Angelegenheit zu erledigen:

Da die heutigen Verhandlungen nur informativen Charakter haben, Beschlüsse also nicht gefasst werden können, lehnt es die Sitzung ab, über die Frage der Übertragung des Mandates der Internationalen Sozialisten Deutschlands zu entscheiden.

Die Versammelten sind der Ansicht, dass für die Zulassung der Vertretungen zu den Sitzungen der erweiterten Kommission die in dem Zirkular der Internationalen Sozialistischen Kommission vom 25. September 1915 niedergelegten Richtlinien maßgebend sein sollen.

Die Versammelten ersuchen die Vertreter der deutschen Opposition, diese Opposition zu organisieren und möglichst auch die Dreiervertretung in die erweiterte Kommission durch ihre Organisationen bezeichnen zu lassen."

Zusatz Modigliani:

Für den Fall, dass die Einigung [der] auf dem Boden der Zimmerwalder Beschlüsse stehenden deutschen Opposition bis zur nächsten Sitzung nicht erfolgt und die Internationale Sozialistische Kommission über die Zulassung der deutschen Vertretung entscheidet.

Laukant wiederholt, dass sich die Gruppe Borchardt nicht auf eine Organisation stütze. Sie bestehe nur in Berlin und beruhe auf einem Arbeiterbildungsverein. Fordert Entscheid von der Konferenz, ob sie die Gruppe Borchardt anerkennen wollen.

Platten: Will sich zu der Frage nicht materiell äußern. Entscheidend zur Zulassung [soll] nur sein die Stellung zu Zimmerwald. Die Internationale Sozialistische Kommission solle einen Delegationsmodus finden und versuchen, mit der deutschen Opposition die Frage zu regeln. In Wirklichkeit bestehe die Opposition in Deutschland aus Gruppen. Legt folgenden Zusatzantrag vor:

Das Büro erhält den Auftrag, eine Regelung der Mandatsfrage zu suchen. – Das Büro wird versuchen, eine Einigung unter den deutschen Gruppen herbeizuführen."

Grimm: Man solle heute keinen Entscheid treffen. Die verschiedenen Gruppen in Deutschland sollten sich verständigen. Vor allem sei die Organisation der Opposition in Deutschland notwendig. Für die Internationale Sozialistische Kommission sei es unmöglich, sich mit den einzelnen Gruppen einzulassen. Das Zirkular, das diese Frage präzisiert, sei allgemein anerkannt worden. Der von Grimm eingebrachte Antrag gilt selbstverständlich für alle Länder. Es sei Sache der Internationalen Sozialistischen Kommission, einen Delegationsmodus für die erweiterte Kommission auszuarbeiten und ein Bulletin zu veröffentlichen.

Die Internationale Sozialistische Kommission [wird] beauftragt, das zu tun.

Lapinski ist für die Aufstellung eines Prinzips. Das Büro habe das auszuarbeiten und dann zur Abstimmung zu bringen. Die Verhandlungen werden um 2 Uhr geschlossen.

Es wird in die Diskussion über den Bericht der Kommission eingetreten.

Laukant führt Klage darüber, dass die Internationale Sozialistische Kommission nicht in Verbindung mit ihnen getreten sei. Es sei an Ledebour weder eines der Rundschreiben noch das erste Bulletin gelangt. Von dem zweiten Bulletin hätten sie einige erhalten. Die Internationale Sozialistische Kommission hätte sich an die offiziellen Vertreter der Opposition wenden müssen, die in Zimmerwald das Manifest unterschrieben. Es mache den Eindruck, dass wir von dem Komitee geschnitten werden. Auch von der Sitzung einer erweiterten Kommission erfuhren wir erst so spät, dass wir zu der Frage in den Organisationen nicht Stellung nehmen konnten. Ich bin deshalb nur zur Information herübergekommen. Ich habe keinen Auftrag, an einer Beschließung teilzunehmen, deshalb begrüße ich, dass diese Sitzung überhaupt nur beratenden Charakter hat. Das Sekretariat habe nicht unparteilich und rücksichtsvoll gehandelt.

Thalheimer legt dar, wie sie die Verbindung mit der Internationalen Sozialistischen Kommission angestrebt und ermöglicht habe. Sie habe die verschiedenen Rundschreiben erhalten, in denen ausdrücklich bemerkt sei, dass auch Ledebour informiert werden müsse. Sie habe dies der Gruppe der „Internationale" in Berlin mitgeteilt und ersucht, die Mission zu erfüllen, warum das nicht geschehen sei, wisse sie nicht. Was die Sitzung der erweiterten Kommission betrifft, so sei ihr von Berlin mitgeteilt worden, dass die Angelegenheit mit Borchardt wie mit Ledebour besprochen worden sei.

Gegen die Behauptung Laukants, dass es in Deutschland nur eine einzige Opposition gebe, erwähnt sie, dass es ausgesprägte Strömungen gebe.

Neben der Richtung Haase-Ledebour, die entschiedenere, prinzipiell klare Richtung der „Internationale". Eine Zusammenkunft, die kürzlich stattfand, habe gezeigt, dass die Richtung auch einen Boden in den Organisationen habe.

Laukant bestreitet, dass es in Deutschland verschiedene Gruppen in der Opposition gibt. Es sei von der Gruppe der Internationale keine Schrift verbreitet worden. Wenn eine Spaltung vorgenommen werden soll, dann sind wir bereit dazu.

Rakowski macht im Namen der österreichischen Minderheit die Mitteilung, dass sie an dieser Sitzung nicht teilnehmen wollten, da Haase und Kautsky nicht eingeladen worden seien. Das sei ebenso wenig zur Konferenz in Zimmerwald geschehen. Grimm sei in Graz gewesen, habe aber nicht versucht, auch mit der Opposition in Wien in Verbindung zu treten.

Radek: Die Gruppe Borchardt in Deutschland sei gut informiert worden. Grimm habe sogar Briefe wieder zurückgeschickt. Am 22. Januar habe tatsächlich eine Unterredung von Borchardt mit der Gruppe „Internationale" stattgefunden und zwar zwecks einer gemeinsamen Delegation. Es sei notwendig in Zukunft alles besser geistig vorzubereiten, wenn wir nicht ein Konventikel sein wollen. Die in Zimmerwald vorgelegte Resolution hätte den einzelnen Sektionen vorgelegt werden müssen.

Laukant: In Deutschland gäbe es in der Opposition keine Gruppe Haase-Kautsky. Diese handelten nur als einzelne Personen. Sie arbeiten nicht offiziell in der Opposition. Ledebour habe per Zufall bei Kautsky erfahren, dass die Österreicher wohl von dieser Zusammenkunft wussten.

Martow bedauert, hören zu müssen, dass die Internationale Sozialistische Kommission nicht mit allen Strömungen der Opposition in Verbindung trat. Die beiden Unterzeichner des Manifestes gelten als offizielle Vertreter der Opposition in Deutschland. Mit ihnen hätte die Internationale Sozialistische Kommission in erster Linie in Verbindung treten müssen.

Lenin: In Wirklichkeit existierten in Deutschland 3 Gruppen der Opposition. Die ISD haben bereits ein Flugblatt herausgegeben. Alles sei noch in Gärung. Die Gruppe Ledebour sei nicht besonders hervorzuheben. Es müssen alle Gruppen unparteiisch und gleichberechtigt von der Internationalen Sozialistischen Kommission behandelt werden. Schließlich haben die Arbeiter noch nicht gesprochen, hinter welche Gruppe sie sich stellen. Alle drei Richtungen seien anzuerkennen, bis der Prozess der Klärung sich vollzogen habe.

Grimm kann nur wiederholen, dass es nicht geht, dass die Internationale Sozialistische Kommission sich mit einzelnen Gruppen in Verbindung setzt, besonders geht das in Detailfragen ein für allemal nicht. Eine Zusammenfassung der Opposition muss möglich sein. Zu Zimmerwald haben wir uns auf den Boden des alten revolutionären Sozialismus gestellt. Als wir in Zimmerwald auseinandergingen, habe er mit Ledebour und Hoffmann gesprochen, dass sie Korrespondenten bezeichnen sollen. Das sei bis heute noch nicht geschehen. Die Internationale Sozialistische Kommission habe ihre Pflicht getan. Er verliest die verschiedensten Briefe an Gen. Thalheimer, in denen ausgeführt ist, dass Ledebour zu unterrichten sei. Ein regelrechter Verkehr mit Deutschland sei ausgeschlossen, ehe die Opposition dort konsolidiert sei. Die Verbindungen mit der Borchardtgruppe geschah seitens Radek. Was die Reise nach Graz betrifft, so sei er nicht in internationalen Angelegenheiten dorthin gegangen. Was die Österreicher betrifft, so habe sich Genossin Balabanowa die größte Mühe gegeben, mit ihnen in Verbindung zu treten. Was den Brief der ISD betrifft und seine Versendung an die oppositionellen Genossen Deutschlands, so sei das das Recht und die Pflicht der Internationalen Sozialistischen Kommission zur Information. Die Resolution Radek sei wohl den Sektionen nicht mitgeteilt worden, sie sei aber doch im Bulletin abgedruckt worden. Es sei eben nicht möglich, eine ausgiebige Diskussion in den betreffenden Fragen in der Presse zu vollführen. Mit Resolutionen sei überhaupt nichts gemacht, vor allem müssen wir Aktionen unternehmen.

Warski: In Deutschland befinde sich die ganze Partei wie die Opposition in einem Gärungsprozess. Man könne nicht den formellen Maßstab wie in normalen Zeiten anlegen. Die Organisation der Kräfte könne sich nicht von heute auf morgen vollziehen. In der allgemeinen Krise werden sich Gruppen bilden. Wir sind Kämpfer und müssen die Krise durchkämpfen; in Polen gab es z.B. auch bereits Zirkel und Gruppen, ehe es zur Bildung der Partei kam. Die Gruppe „Internationale" könne sich nicht so leicht organisieren wie z.B. die ISD, da sie auf einer breiteren Basis beruhe.

Was die Aufgabe der Internationalen Sozialistischen Kommission betrifft, so müsse sie in der Weise konspiratorisch vorgehen, dass sie physisch die Personen schützt. Aber die Hauptsache sei, der neuen Internationale einen geistigen Zusammenhalt zu geben. Vor allem müsse das geistige Leben der Partei auf internationaler Basis verbreitet werden. Bleiben unsere Vorschläge nur auf einen engen Kreis beschränkt, dann machen wir nichts für die Internationale. Die Vorschläge, die die Polen nach der Zimmerwalder Konferenz der Internationalen Sozialistischen Kommission einreichten, hätten veröffentlicht werden müssen. Vor allem müsse eine zukünftige Konferenz besser geistig vorbereitet werden. In Russland sei es möglich gewesen, einen geistigen Kampf um Klärung zu führen, deshalb sei es auch jetzt möglich. Wenn in einem halben Jahre z.B. eine Konferenz stattfinden sollte, dann sei jetzt schon mit der Vorbereitung zu beginnen.

Radek: Stimmt Warski betreffs der geistigen Vorbereitung und Veröffentlichung der eingebrachten Anträge und Resolutionen zu. In Zimmerwald sei ein Block zur Aktion gebildet worden, dem aber keine einheitliche Auffassung zugrunde liege.

Wenn diese Einheit nicht besteht, so sei sie nicht künstlich zu schaffen. Die politischen Richtungen müssen sich erst kristallisieren. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, um die Verbindung mit den einzelnen Gruppen herzustellen. Die zufällige Zusammensetzung der Zimmerwalder Konferenz dürfe nicht richtunggebend sein.

Er ist der Ansicht, dass in Deutschland die Gruppe der „Internationale" Herz und Hirn der Opposition sein wird.

Lapinski: Hauptaufgabe der Kommission müsse sein, mit allen Gruppen in Verbindung zu treten. Es müsse alles getan werden, um unserer Arbeit eine breitere Basis zu geben. Bis jetzt habe man zu konspiratorisch gewirkt.

Modigliani: Man sei eben eifrig bemüht zu zerstören, was in Zimmerwald geschaffen sei. Bis jetzt habe man nur kritisiert, aber keinen praktischen Vorschlag gemacht. Was die Verbindung mit der deutschen Opposition betreffe, so sei der Internationalen Sozialistischen Kommission kein Vorwurf zu machen. Sie habe ihr möglichstes versucht. Die Verbindung mit Gen. Thalheimer sei deshalb möglich gewesen, da sie selbst sich bemüht habe, das sei bei Ledebour und Hoffmann nicht der Fall gewesen. Es sei zu wünschen, dass Genosse Haase zugezogen werde. Vor allem solle man sich an die Organisationen wenden.

Was unsere prinzipielle Stellung betreffe, so handle es sich nun nicht darum, eine Neuorientierung zu schaffen. In Zimmerwald habe man sie dahin präzisiert, dass wir den Klassenkampf gegen den Krieg zu führen haben. Wir sollten nicht die Unterschiede unterstreichen, sondern alle Kräfte zusammenfassen. In Italien hat man die Elemente entfernt, die sich nicht auf den Boden des Klassenkampfes gegen den Krieg stellten. Aber in der Partei habe man die verschiedenen Strömungen zur einheitlichen Aktion vereinigt. Für die deutsche Opposition handle es sich nun darum, sich zu konsolidieren, um sich tatkräftig zu machen. In Italien mache es großen Eindruck, dass hinter der deutschen Opposition wirklich Massen ständen. Nur eine einheitliche starke Opposition in Deutschland sei der Entwicklung förderlich.

Thalheimer: All die Probleme, die hier betreffs der Entwicklung der Partei aufgerollt seien, kehren in den Berichten wieder. Will daher hier absehen darauf einzugehen, sondern sie ausführlich im Zusammenhange mit dem Berichte aus Deutschland behandeln. Die Kommission kann von der Tatsache der Gruppenbildung in Deutschland nicht absehen. Seit Zimmerwald haben sich eben in dieser Hinsicht die Dinge geändert. Es handle sich darum, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind. Daher müsse die Internationale Sozialistische Kommission in dem gegenwärtigen Entwicklungsstadium der Opposition einen Weg und Modus finden, um mit den verschiedenen Gruppen in Verbindung zu treten und so die ganzen vorhandenen Kräfte zur Arbeit heranzuziehen.

Serrati: Das wichtigste sei, die Stimmung der Massen kennenzulernen. Die Tatsachen werden eine revolutionäre Stimmung erzeugen. Die Kommission habe getan, was sie konnte, doch seien die Verhältnisse schwierig. Ledebour und Hoffmann hätten die Kommission informieren müssen. Die Ursachen des Mangels an Verbindung liegen tiefer als individuell. Einmal sei zu konstatieren, dass die Opposition Deutschlands in den andern Ländern nicht den nötigen Widerhall gefunden habe, dann sei die Opposition wohl bei den Massen gestiegen, aber nicht bei den Führern. Durch die Erklärung des PV gegen Zimmerwald sei die Arbeit der Opposition auch sehr erschwert worden.

Schlägt eine Resolution vor und Schließung der Rednerliste.

[Wortlaut wie folgt]:

Die Mitglieder der erweiterten Kommission, die an der Sitzung des 6. II. teilgenommen, stimmen der bisherigen Tätigkeit der Internationalen Sozialistischen Kommission vollständig zu und fordern sie auf, auch für die Zukunft dahin zu wirken, dass alle auf dem Boden der Zimmerwalder Konferenz stehenden Gruppen der Internationale sich um die Internationale Sozialistische Kommission scharen und in allen Ländern eine energische gleichzeitige Aktion gegen den Krieg und für den Klassenkampf, ohne welche die Grundsätze des Sozialismus nicht verfochten werden können, entfalten.

Balabanowa: Ist gegen den Antrag Serrati, da die Sitzung nur einen beratenden, aber keinen beschließenden Charakter habe.

Warski: Ist mit dem Antrag Serrati einverstanden, dass die Kommission ihre Pflicht erfüllt habe.

Balabanowa: Die Kommission habe sich bemüht, Beziehungen mit den verschiedenen Ländern zu knüpfen und alle Strömungen der Opposition zu gewinnen. Auch an die Gruppe Haase sei geschrieben worden, die Genossen haben aber keine Lust gezeigt, sich der Kommission anzuschließen. Vor allem kommt es darauf an, mit den Klassen in Verbindung zu treten. An den deutschen Genossen wäre es gewesen, sich in Verbindung mit der Kommission zu setzen. Was die Österreicher betrifft, so steht fest, dass sie von der Konferenz wussten. Nun liege es an dem Genossen Rakovski, die Österreicher über die Sachlage zu unterrichten und mit ihnen in Verbindung zu treten.

Was die Veröffentlichung des eingesandten Materials betreffe, so habe man einerseits bis jetzt keinen Raum gehabt, man musste sich im Bulletin auf die nötigsten Mitteilung beschränken. Zudem sei in der ersten Sitzung der Internationalen Sozialistischen Kommission beschlossen worden, dass das Bulletin keiner Polemik dienen solle.

Sinowjew: Die Internationale Sozialistische Kommission hat erklärt, dass sie sich auflösen werde, wenn das Internationale Sozialistische Büro wieder seiner Pflicht nachkomme. Das sei ein Fehler gewesen, denn man habe das als Schwäche aufgefasst. Nach der Versicherung Huysmans' müsste es sich nun auflösen. Er stimme der Resolution Serrati zu. Modigliani wollte eine Formel finden, um uns zu vereinigen. Der Kampf gegen den Krieg sei sehr unklar. Das beweise die Erklärung der 20, die im Reichstag gegen die Kredite stimmten. Diese Erklärung können die französischen Sozialpatrioten für ihre Stellung ausschlachten. Die Frage der Spaltung sei die hauptsächlichste Frage. Diese Frage sei nicht aus der Welt zu schaffen. Die Gründe, die die Österreicher für ihr Fernbleiben anführen, seien keine politischen. Warum haben die 20 nicht wie die Italiener das Z. Manifest auf der Tribüne des Reichstages verlesen? Die Schwäche der 20 bestehe darin, dass sie mit einem Auge auf Z. und mit dem andern nach Renaudel sehen. Es fehlt ihnen an Konsequenz. Aufgabe der heutigen Sitzung sei es, Klarheit und Konsequenz zu schaffen und die Fragen zu lösen, die bestehen.

Rakowski: Es wäre unrecht, den großen Eindruck, den Z. gemacht habe, zu bestreiten. Auch in Ungarn hätten die Genossen sich solidarisch mit uns erklärt, weil sie gegen den Krieg sind. Die Spaltung ist kein Ziel. Aber sie kann kommen, und das soll auch ausgesprochen werden. Zimmerwald war ein Kompromiss, nun stellt sich die Frage, ob wir weiter zu gehen haben, also die Zimmerwalder Konferenz wie die Kommission zu annulieren.

Huysmans Streben gehe dahin, das Zentrum und die Sozialpatrioten zu vereinigen.

Laukant wiederholt, dass es gilt, die Opposition einheitlich zusammenzufassen. Die Unterschiede seien nicht so tief gehend. Die Massen seien vor allem nicht für die Spaltung. Die Opposition sei auf dem besten Wege, die Massen für sich zu gewinnen. (Was die Stellung der 20 in der Fraktion betrifft, so hätten Organisationen beschlossen, dass sie in der Fraktion wie in der Partei zu bleiben haben. Er ist der Ansicht, dass die jetzige Minorität zur Majorität wird.) Warnt die Kommission davor, Schritte zu unternehmen, die diesem Empfinden der Massen widersprechen. Was die Behauptung betrifft, die deutschen Genossen hätten das Komitee ignoriert, so sei sie unrichtig. Die Zimmerwalder Konferenz dürfte nun nicht zur Zerreißung führen.

Grimm: Die Verhandlungen seien nicht zwecklos gewesen. Zur Arbeit brauchen wir vor allem Tatsachen. Um diese zu haben, müssen wir die Verbindungen verbessern. Unser Streben muss sein, an die Massen heranzukommen. Es sei nicht unsere Sache, uns oben auf einen Berg zu setzen und den Massen zuzurufen: Kommt doch herauf! Zur Zimmerwalder Konferenz sei eingeladen worden, nicht um eine neue Internationale zu schaffen, sondern um die zerrissenen Fäden der alten Internationale wieder zu knüpfen. An dem internationalen Zusammenbruch seien nicht nur die Führer, sondern auch die Massen schuld. Unsere Aufgabe müsse nun sein, die geistige Klärung der Massen zu fördern und die Massen zusammenzufassen. Im Grunde hätten die Massen den Hals voll von Resolutionen, besonders wenn ihnen keine Taten folgten. Die Massen haben den Glauben verloren, nun müssen wir alles tun, um bei den Massen Vertrauen zu unseren Aktionen zu erwecken. Man sollte nicht vergessen, dass wenn wir in der Aktion gegen den Gegner begriffen sind, die Diskussionen unmöglich sind. Dass es im Bulletin an Berichten mangelt, seien die betreffenden Genossen der einzelnen Länder selbst schuld.

Schluss der Debatte über die Diskussion Sonntag 6. Februar, abends 1 Uhr.

7. Februar Montagmorgen. Beginn der Sitzung um 10 Uhr

Grimm teilt mit, dass inzwischen Nachrichten von England und von Frankreich eingetroffen seien. Darnach könnten die Genossen erst später kommen. Grimm schlägt daher vor in zwei bis drei Wochen eine 2te Plenarsitzung einzuberufen. In Deutschland könnte die Zwischenzeit benützt werden, um die Genossen zu informieren und Delegierte zu bestimmen. Fragt, ob die Genossen aus Bulgarien und Rumänien so lange hier bleiben könnten.

Modigliani schlägt zur Geschäftsordnung vor, die Diskussion zu verschieben, bis die Tagesordnung erledigt ist.

Martow beantragt zuerst über Herausgabe eines Manifestes zu diskutieren, dann erst die Berichte anzuhören.

Laukant ist dafür, dass wir uns erst über den Vorschlag Grimm klar werden und heute noch die Berichte über die einzelnen Länder geben.

Radek tritt dafür ein, dass jetzt gleich entschieden werden sollte, ob eine 2te Sitzung stattfinden solle.

Lapinski meint, wir sollten uns entscheiden, ob eine 2te Sitzung stattfinden solle, dann solle die Frage des Manifestes entschieden, dann die Berichte gegeben werden.

Es wird in die Diskussion darüber eingetreten, ob eine 2te Sitzung einzuberufen sei.

Grimm tritt für eine Sitzung in etwa 3 Wochen ein.

Rakowski meint, es sei ein Fehler gewesen, dass beschlossen, dass die eben stattfindende Sitzung nur einen beratenden Charakter habe. Eine Sitzung in drei Wochen habe nicht mehr Autorität. Beantragt: Eine Konferenz in etwa 2 Monaten abzuhalten und keine Sitzung der erweiterten Kommission. Inzwischen könne die Internationale Sozialistische Kommission ihre Arbeit auf dem Boden des Zimmerwalder Manifestes wohl fortsetzen. Es sei die Rede Huysmans' zu beleuchten und vielleicht durch ein Zirkular die politischen Vorgänge seit Zimmerwald zu beleuchten.

Lapinski meint, man solle sich nicht übereilen, eine Sitzung wie eine Konferenz müssen gut vorbereitet sein. Die einzelnen Fragen müssen in den Organisationen besprochen werden. Notwendig sei auch eine klare Tagesordnung. Dass eine Sitzung in drei Wochen besser beschickt sei, habe man keine Sicherheit. Zur Beantwortung der Rede Huysmans' sei keine weitere Einberufung der erweiterten Kommission notwendig, das könne die kleine Kommission selbst erledigen.

Sinowjew: Stimmt dem Vorschlag Rakowskis zu, in etwa 2 Monaten eine Konferenz einzuberufen, aber keine Sitzung der erweiterten Kommission abzuhalten. Wir könnten ja heute ein Manifest beschließen und dies der Konferenz zum Entscheid vorlegen.

Es wird die Redezeit auf fünf Minuten beschränkt.

Modigliani- Der vorgelegte Entwurf des Manifestes gebe nichts Neues. Er sei keine Lösung der praktisch vorliegenden Fragen, daher nur eine Abschwächung von Zimmerwald. Eine Antwort an Huysmans sei wichtig, die kann man hier beschließen, in drei Wochen sei es zu spät. In dem Zimmerwalder Manifest seien viele Fragen aufgeworfen, die nicht weiter behandelt worden seien. Z.B. die Nationalitätenfrage. Er ist für eine Sitzung der erweiterten Kommission, und das Datum sei heute schon festzusetzen. Notwendig sei aber eine bessere Vorbereitung. Eine Konferenz sei deshalb nicht nötig, da das Zimmerwalder Manifest uns bereits die theoretische Grundlage gegeben habe, auf der wir praktisch weiter arbeiten müssten.

Laukant äußert seine Zweifel, dass von Deutschland aus eine Sitzung in drei Wochen beschickt werden könne. Bis dorthin sei die Klärung über die Delegation nicht entschieden. Damit die Zimmerwalder Konferenz eine breitere Grundlage bekomme, müsse eine Diskussion in den Organisationen möglich sein. Die weniger wichtigen Sachen könnte die kl. Kommission erledigen, während bei wichtigeren Fragen eine Konferenz nötig sein wird. Er ist überhaupt gegen eine erweiterte Kommission.

Balabanowa: Ist gegen Einberufung einer Konferenz. Die Aufgabe einer erweiterten Kommission, die Genossen der verschiedenen Länder zusammenzubringen, sei schon eine wichtige Sache.

Es wird von verschiedenen Anwesenden beantragt, die Frage zu entscheiden, ob eine Konferenz oder eine Sitzung der erweiterten Kommission stattfinden solle.

Es wird beschlossen, eine Konferenz abzuhalten. Als Datum wird der 23. April 1916 (Ostern) festgesetzt.

Die Delegation soll später beschlossen werden.

Es wird nun mit den Berichten begonnen.

Serrati: Die Zimmerwalder Konferenz hat in Italien großen Widerhall gefunden, die Partei betrachtet sie für eine Erneuerung der internationalen Solidarität.

In Parteikreisen fand sie allgemeine Zustimmung. Der Parteivorstand bekundete wiederholt sein Einverständnis mit dem Zimmerwalder Manifest und übernahm die Verpflichtung, die in ihm enthaltenen Beschlüsse zu erfüllen, bzw. die Internationale Kommission moralisch und finanziell zu unterstützen. Die parlamentarische Fraktion ist auch den Zimmerwalder Beschlüssen beigetreten. Trotz der Zensur ist das Manifest im Avanti und sämtlichen Parteiblättern veröffentlicht worden. Es ist auch als Flugblatt veröffentlicht worden.

In Mailand allein sind etwa 50.000 in einer Nacht an die Mauern geklebt worden, was Anlass zu Verhaftungen und einem Prozess gegeben. Letzterer wird in Bälde stattfinden und von den Genossen als Vorwand zu einer Demonstration benützt werden. An den jüngst in Bologna von den sozialistischen Gemeinderäten abgehaltenen Konferenz, an der Vertreter von mehr als 300 Gemeinden teilgenommen haben, sind die Zimmerwalder Beschlüsse angenommen worden. Ein Bürgermeister hat berichtet, dass in der Gemeinde Monza das Zimmerwalder Manifest als offizielles Dokument von der Gemeinde veröffentlicht worden ist. Im Parlamente haben sich die sozialistischen Redner auf das Zimmerwalder Manifest berufen.

Was die Stimmung der Massen betrifft, so wird sie immer kriegsfeindlicher. Bereits beginnen die Regierungen und die bürgerlichen Parteien die Verantwortlichkeit für den Krieg aufeinander zu wälzen. Die Volksmassen bekunden ihre Unzufriedenheit, unter den Soldaten haben bereits wiederholt Revolten stattgefunden, aus dem Kriege kehrende Soldaten haben gegen den Krieg demonstriert: „Nieder mit dem Kriege, es lebe die Anarchie, es lebe Giolitti", das war der Ruf, mit dem sie nach Hause zurückkamen. Sie wurden sofort zur Strafe an die Front zurückgeschickt. Es ist Pflicht dafür zu sorgen, dass die Gärung, die im Wachsen begriffen ist, zu einer klassenbewussten Orientierung der Massen wird. Darum hat auch der letzte PV beschlossen, die Agitation gegen den Krieg intensiver zu gestalten: durch Aufrufe, Flugblätter, öffentliche Versammlungen sollen die Massen aufgeklärt werden. Trotz der großen Schwierigkeiten werden in Italien Versammlungen abgehalten, so unlängst eine große Frauenversammlung in Mailand, deren Teilnehmerinnen eine Solidaritätskundgebung am Avanti! veranstalteten. Die Opposition gegen den Krieg darf selbstverständlich keine bloß theoretische sein, um praktischen Erfolg zu haben, muss sie aber einen internationalen Charakter haben, das Proletariat aller kriegführenden und neutralen Länder muss eine internationale Klassenaktion entfalten.

Die italienische Partei hat es stets abgelehnt, irgend welche Verantwortlichkeit mit der Regierung oder den herrschenden Klassen zu teilen. Jetzt auch betrachtet sie es für ihre Hauptaufgabe, die Arbeiterklasse darüber aufzuklären, wer die eigentlichen Verantwortlichen des Krieges sind. Auch will sie sich an der Aufstellung der Friedensbedingungen nicht beteiligen – der Diplomatie, den herrschenden Klassen, der Regierung soll die ganze Verantwortlichkeit überlassen werden, sie sollen die Folgen ihres Handelns übernehmen. Was die praktische Tätigkeit der Partei betrifft, so hat die Fraktion den Antrag der Internationalen Sozialistischen Kommission übermittelt, die sozialistischen Abgeordneten aller Länder, die auf dem Boden der Zimmerwalder Konferenz stehen, sollten zusammenkommen, um den Wortlauf einer gemeinsamen Erklärung, die am selben Tage in den verschiedenen Parlamenten zu verlesen sei, zu beschließen.

Betreffs des Unterstützungskomitees muss bemerkt werden, dass der Beschluss des PV nicht präzis genug gewesen ist; den Genossen in den einzelnen Ortschaften ist es überlassen worden, zu beschließen, ob sie an derselben teilnehmen wollen. Die Erfahrung hat bewiesen, dass da, wo die Unterstützungskomitees einen Klassencharakter haben, die Parteigenossen in ihnen verweilen können, aus den gemischten Komitees sind sie meistens ausgetreten, weil sie die größte Arbeit und Verantwortung zu tragen hatten, ohne sich sozial betätigen zu können.

Paar konkrete Beispiele mögen angeführt werden, um zu beweisen, wie kriegsfeindlich die Stimmung in den Massen ist. Als in Reggio Emilia Genossen, die im Parlamente und in der Gemeinde die Arbeiterklasse vertreten, ein Komitee zur Sammlung von Kriegsanleihen [schufen], riefen sie eine so starke Opposition hervor, dass sie sofort aus dem Komitee austreten müssten und zwar unter der Abgabe einer Erklärung, dass sie auf die Forderungen hin das Komitee verlassen müssten.

Balabanowa: Fügt hinzu, dass in Ferrara folgender typischer Fall zu verzeichnen sei. Als der berüchtigte Verräter Mussolini nach Ferrara kam, wo er sich im Militärdienste befindet, luden ihn einige sozialistische Gemeinderäte in den Gemeindesaal ein. Die betreffenden Genossen, die seit vielen Jahren in der gewerkschaftlichen und politischen Bewegung der Provinz tätig sind und allgemein geschätzt werden, wurden sofort aus der Partei ausgeschlossen und zwar unter der Begründung, dass Mussolini die widerlichste Form des Verrates an der Partei verkörpert.

Nachmittagssitzung:

Kolarow (Bulgarien): Von den in Bulgarien vorhandenen zehn politischen Parteien gehören drei dem Blocke der Mehrheitsparteien an, während sechs dem Blocke der Opposition angehören und nur die sozialdemokratische Partei unabhängig und selbständig vorgeht, auf dem Boden des Klassenkampfes stehend. Die Mehrheitsparteien, auf die sich die Regierung stützt, sind germanophil, die Oppositionsparteien russophil, die sd Partei steht beiden Strömungen gleich gegnerisch gegenüber und vertritt eine kriegsfeindliche, auf die Solidarität des internationalen Proletariats sich stützende Politik. Nach dem Ausbruche des europäischen Krieges fingen die Anhänger der russophilen und germanophilen Richtungen eine rege Agitation zu entfalten an, um Bulgarien in den Krieg hineinzuziehen. Zeitungen, Deputierte, Pressmänner wurden korrumpiert, es wurde geschachert, Kompensationsvorschläge wurden gemacht, alle Mittel wurden in Bewegung gesetzt – besonders seitens der Ententemächte – um den Krieg populär zu machen und die Regierung zu veranlassen, die Neutralität aufzugeben. Was die Stimmung im Volke betrifft, so ist die russophile Stimmung, die unter ihm herrscht, nicht etwa auf seine politische Stellung zurückzuführen, sondern auf ein allgemeines mystisches Gefühl. Anders ist es bei den bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien, die bestimmte politische Ziele verfolgen. Wie auch in den andern Ländern ist in Bulgarien das Volk wider seinen Willen in den Krieg herein gezogen worden. Auch war die Regierung besorgt um die Folgen, die die Mobilisation hervorrufen würde. Tatsächlich haben in den ersten Tagen Unruhen stattgefunden, wobei elf Soldaten erschossen wurden. Das Augenmerk der Regierung war ganz besonders auf die Tätigkeit der Sozialdemokraten gerichtet. Am 23. September hatte sie Flugblätter herausgegeben, wofür gegen einige Genossen und Abgeordnete eine Untersuchung eingeleitet wurde und einige Bürger und Soldaten, bei denen man den Aufruf gefunden, verhaftet wurden.

Nach der Kriegserklärungen Bulgariens haben 80% der organisierten Genossen in den Krieg ziehen müssen. Die Genossinnen, denen die Partei zu besonderem Danke verpflichtet ist, entfalten eine rege Tätigkeit. Die im Lande gebliebenen Genossen, von den Genossinnen unterstützt, bemühen sich, die Organisationen am Leben zu erhalten. In Bulgarien haben die Genossen mit unerhörten Zensurschwierigkeiten zu kämpfen, Schikanen und Verfolgungen werden gegen die Parteipresse angewandt, was ihre Arbeit sehr erschwert, trotzdem bemühen sie sich, ihre Pflicht zu erfüllen. Im Parlamente haben sie gegen das Vorgehen der bulgarischen Regierung Serbien gegenüber protestiert, wofür sie zu Vaterlandsverrätern, „Serben" und dergl. mehr genannt wurden. Verurteilungen haben bereits stattgefunden, und auch die angeklagten Abgeordneten werden zweifelsohne verurteilt werden.

Die Folgen des Krieges werden immer mehr und mehr von der Bevölkerung gespürt, das Land immer mehr in Mitleidenschaft gezogen. Infolge der Rückständigkeit der industriellen Entwicklung Bulgariens ist keine Hoffnung auf eine revolutionäre Bewegung vorhanden, viel mehr sind Bauern- und Hungerrevolten zu erwarten. Trotzdem es sich um ein agrarisches Land handelt, mangelt es an Lebensmitteln. Die Spekulation ist horrend. Die Partei nimmt sich vor, nach wie vor, dem Klassenkampfe und dem internationalen Sozialismus treu zu bleiben. Vor dem Kriege hat die sozdem. Fraktion die Regierung aufgefordert bei den kriegführenden Regierungen zwecks Friedensverhandlungen vorstellig zu werden und eine Annäherung der Balkanländer anzustreben.

Laukant (Deutschland): Zweck der Ausführungen ist, von einer jeden Polemik abzusehen und nur festzustellen, was seit Zimmerwald von der Opposition Deutschlands getan wurde. Das Zimmerwalder Manifest ist in 100.000 Exemplaren verbreitet worden. Das Aktionskomitee der Opposition in Berlin steht mit 60 Städten in Verbindung und versorgt sie mit Flugblättern und Broschüren. Von den letzten ist diejenige über Proletariat und Krieg, die in 125.000 Exemplaren erschien, von der Polizei unterschlagen worden. Im Anfange hatte die Opposition mit großen materiellen Schwierigkeiten zu kämpfen, jetzt aber bringen die Sammellisten viel ein, es kann festgestellt werden, dass die Genossen verhältnismäßig mehr für die Opposition spenden als früher für [die] offizielle Partei. In der nächsten Zukunft wird es der Opposition möglich sein, auch die Internationale Sozialistische Kommission finanziell zu unterstützen.

Was die Straßendemonstrationen betrifft, so sind nicht alle gelungen; einige von ihnen haben dadurch an Bedeutung eingebüßt, dass sie von Jugendlichen veranstaltet bzw. ausgeführt wurden. Auch die Frauendemonstrationen hatten nicht den Umfang und die Bedeutung, die man ihnen zugestanden hat. Eine wirklich imposante Demonstration hat Unter den Linden stattgefunden. Nicht weniger als 20.000 Proletarier haben an ihr teilgenommen. Die zweite und dritte Demonstration, die in Berlin stattgefunden haben, sind misslungen. Sie lassen sich nicht künstlich dekretieren, es muss abgewartet werden, bis die Gärung in den Massen sie selbst zur Aktion veranlasst. Die meisten Arbeiter Berlins, die nicht an der Front sind, sind in der Kriegsindustrie beschäftigt. Trotzdem die Lebensmittelpreise bedeutend gestiegen, geben ihnen die erhöhten Löhne die Möglichkeit, durchzukommen. Anderseits hält sie die Angst, an die Front geschickt zu werden, ab, dass im großen und ganzen die psychologischen Vorbedingungen einer breiten Aktion nicht vorhanden sind. Innerhalb der Partei aber und der Gewerkschaften geht eine starke Gärung vor sich. Trotzdem keine öffentlichen Versammlungen abgehalten werden dürfen und auch die privaten erschwert werden, gibt sich doch die Opposition gegen die Mehrheit der Partei und Gewerkschaften immer mehr kund. An einer Parteifunktionärskonferenz Berlins haben sich von 315 Teilnehmern derselben 314 für die Minderheit ausgesprochen. Würden alle Genossen die Möglichkeit haben, ihre Meinung frei auszudrücken, so würde es sich zeigen, dass die Opposition zur Mehrheit geworden ist. Die Genossen, die zur Opposition gehören, wollen keine Spaltung hervorrufen, dafür sind die deutschen Arbeiter nicht zu haben. Sie wollen in der Organisation bleiben und dort zur Majorität werden. Auch innerhalb der Gewerkschaften gärt es. Die Organisationen müssen auf praktischerer Basis aufgebaut werden. Die Entscheidungen und Handlungen sollen nicht ausschließlich den Beamten überlassen werden, die Arbeiter aus der Werkstatt sollen zu Beschlüssen und Ämtern herangezogen werden. Die Arbeiter sollen zu selbständigen, denkenden, handlungsfähigen Menschen erzogen werden. Die Opposition gegen den undemokratischen Geist, der in den Gewerkschaften und in gewissen Parteikreisen obwaltet, hat sich schon vor dem Kriege geltend gemacht und auch zur Gründung einer Oppositionsgruppe geführt. Der Krieg hat die Opposition verschärft und erweitert, im Keime war sie aber schon früher vorhanden. Wie gesagt, es handelt sich um keine Spaltungsversuche. Ein Genosse Bloch, der der Gruppe früher angehörte, musste aus ihr austreten, weil er für den Austritt [aus] der Partei wirkte.

Trotz der Desavouierung des Parteivorstandes ist die Opposition überzeugt, dass sie lediglich ihre Pflicht erfüllt, ihr Recht anstrebt, keinen Disziplinbruch begeht. Sie will dem Programme der Partei bzw. den Beschlüssen der nationalen Kongresse treu bleiben, Wenn der Krieg zu Ende sein wird, der Belagerungszustand und die Zensur aufgehoben sein werden und der Opposition die Möglichkeit gegeben sein wird, ihren Standpunkt offen und klar zu vertreten, so wird zweifelsohne die jetzige Minorität zur Majorität werden; aus dieser Erwägung heraus vertreten die Anhänger des rechten Flügels die Meinung, ein Parteitag sollte jetzt schon einberufen werden. Die Minderheit ist dagegen, sie will die Rückkehr der im Felde stehenden Massen bzw. die Möglichkeit freier Erörterungen und Diskussionen abwarten.

Sehr täuschen würden sich diejenigen, die da annehmen würden, dass mehrere Richtungen in ihrem Rahmen vertreten sind. Davon ist keine Spur. Wenn die Oppositionen, die der Minderheit angehören, sich Liebknecht, Ledebour oder Haase anschließen, so tun sie es nicht etwa, weil sie die Absicht hätten, den einzelnen Genossen zu folgen, wenn es ihnen einfallen würde, die Partei zu verlassen oder Spaltungen hervorzurufen, sondern weil ein jeder dieser Genossen die Opposition vertritt und der Organisation sich ihr als solcher anschließen wollen. Nun werden durch die Steuerdebatten sich die Gegensätze innerhalb der Partei noch zuspitzen, gewisse Gewerkschaftsführer und Reichstagsabgeordnete werden für die Steuer zu gewinnen sein, was die Opposition noch stärken wird. Die Zustände in der Presse sind auch in Betracht zu ziehen, wenn man die Parteilage richtig beurteilen will. Die Mehrzahl der Partei- und Gewerkschaftsblätter stehen auf einem geradezu chauvinistischen Standpunkt. Die Presse, die die Minderheit vertritt, unterliegt unerhört strengen Maßnahmen der Zensur. Für Berlin ist das besonders zutreffend. Der Vorwärts wird in unglaublicher Weise von der Zensur verfolgt und drangsaliert. Seine Stellung ist des größten Lobes wert, er ist der Minderheit beigestanden. Ohne die Hilfe des Zentralorgans wäre die Opposition viel schwächer als sie tatsächlich gegenwärtig ist. Trotz der kolossalen Schwierigkeiten, die ihm von der Zensur und den Parteiinstanzen in den Weg gestellt wurden, hat der Vorwärts für die Opposition Stellung genommen und ist dem Programm der Partei treu geblieben.

Thalheimer: Will den Bericht des Genossen Laukant, was die Tatsachen anbetrifft, ergänzen, außerdem die Strömungen innerhalb der Opposition aufzeigen, die tatsächlich vorhanden sind.

Die Opposition in Deutschland hat im Verlaufe des Krieges nicht nur ständig breitere Kreise gezogen, sie hat sich auch vertieft und geklärt. In den verschiedensten Städten Deutschlands haben sich starke oppositionelle Gruppen gebildet. Jedoch infolge der Herrschaft der Zensur, des Mangels eines Briefgeheimnisses, fehlt es noch an sichern ständigen Nachrichten über die Lage und Vorgänge der einzelnen Bezirke. Wir streben danach, feste Verbindungen in der Opposition herzustellen, um gegenseitig in engerer Fühlung zu bleiben. Die Berichte, die daher jetzt gegeben werden können, sind noch lückenhaft und geben kein vollständiges Bild der Lage. Außer den Demonstrationen, die Genosse Laukant von Berlin erwähnt, haben im Herbst, als die Teuerung plötzlich einsetzte, die verschiedensten Demonstrationen, Deputationen auf Rathäusern und Ministerien, sowie manche Hungerkrawalle stattgefunden. Die Stimmung der Frauen war sehr erbittert. In Dresden fand eine Demonstration von etwa 2.000 Frauen statt. Bemerkenswert ist, dass sich an ihr Arbeiterinnen beteiligten, die den Nachmittag ihre Arbeitsstätte verließen, um gegen die Teuerung zu demonstrieren.

Es waren dies 600 Zigarettenarbeiterinnen, 200 Hutarbeiterinnen.

In Chemnitz kam es den Herbst zu Kämpfen mit der Polizei, die einige Tage und Nächte andauerten. Die Frauen zeigten sich sehr hartnäckig. Die Chemnitzer Polizei konnte nicht mit ihnen fertig werden, sie zog deshalb eine große Anzahl von Leipziger Polizisten heran. Es wurden dabei Dutzende von Lebensmittelläden zerstört. In Stuttgart fand ebenfalls eine Demonstration statt, wie in vielen andern Städten Deutschlands. In Berlin drangen einige Hundert Genossinnen in eine Sitzung des Parteiausschusses ein und erzwangen die Behandlung der Frage über die Teuerung. Diese Bewegung ist allmählich abgeflaut, so dass, wie Genosse Laukant erwähnt, die letzte Demonstration in Berlin wegen schwacher Beteiligung nicht gelang. Wenn diese Bewegung nun auch abflaute, so ist doch damit zu rechnen, dass es wieder zu lebhaften Bewegungen der Massen kommt, besonders wenn der Krieg noch längere Zeit dauert. In manchen Bezirken hat sich der Arbeiterschaft eine tiefe Erbitterung bemächtigt, so bei den Bergarbeitern im Rheinland, den Werftarbeitern in Hamburg und den Textilarbeitern. Die führenden Genossen, die in enger Fühlung mit diesen Arbeiterkreisen stehen, rechnen mit schweren Kämpfen. In dieser Situation muss unsere Aufgabe sein, den etwa einsetzenden wirtschaftlichen Kämpfen den Charakter des bewussten Klassenkampfes und politischer Losungen zu geben. Das geistige Leben in der Opposition ist sehr rege. Die verschiedensten politischen Fragen, die auftauchen, werden in den Organisationen diskutiert und dazu Stellung genommen. Die Arbeit wird uns ständig erschwert durch die verschärften Polizeimaßnahmen. Haussuchungen, Auflösungen von Sitzungen finden ständig statt. Auch werden immer wieder neue Verhaftungen vorgenommen und die oppositionellen Genossen scharf überwacht. Ein Briefgeheimnis existiert für diese nicht.

Betreffs Versammlungen werden die Maßnahmen immer mehr verschärft und auch die Zensur wird schärfer gehandhabt. Manchen Zeitungen, die bisher die Hand der Zensur bemerkbar machen konnten, ist das nun verboten. Aber trotzdem wird vorwärts gearbeitet.

Was die Opposition selbst betrifft, so ist sie nicht einheitlich. Es sind verschiedene Strömungen vorhanden, die im Laufe der Zeit immer klarer hervortreten, so dass damit zu rechnen ist, dass es innerhalb der Opposition zu Gruppenbildungen kommt. Man mag das bedauern, aber wenn die politische Notwendigkeit dazu führt, sind die Dinge zu nehmen, wie sie sind. Wir befinden uns in einem politischen Umwälzungsprozess in der Partei. Wie die Sozialdemokratie ein Prozess ist, so auch die Opposition. Sie setzt sich durch im Kampfe. In Wirklichkeit ging die Entwicklung der Dinge auf folgende Weise: Die Gruppe der „Internationale" hatte die Initiative im Kampfe übernommen. Sie hatte die Aufklärung der Massen auf die Grundlage der Organisationen aufgebaut. Sie hatte keine Unterstützung von der Rechten der Opposition, sondern im Gegenteil direkt oft im Widerstand zu ihr ihre Arbeit und Aufgabe erfüllt. Die Arbeit hatte besonders in Berlin den Erfolg, die breitesten Kreise der organisierten Massen für die Opposition zu gewinnen. Als das klar wurde, schwenkten die Genossen, die sich mit der sog. Sumpfrichtung solidarisieren, um und beginnen, die Führung der Opposition in Berlin an sich zu reißen. Die Situation ist nun so, dass der Kampf, der vorher von den Genossen um die „Internationale" geführt wurde und jetzt organisatorisch gemeinsam mit der ganzen Opposition geführt wird, an Entschiedenheit eingebüßt hat. Um jedes Flugblatt wird tagelang um jeden Satz gekämpft und heraus kommt meistens ein Kompromiss. Die Gruppe „Internationale", die bisher mit der unentschiedenen Oppositionsrichtung zusammenarbeitete, rechnet damit, dass sie sich trennen muss, um Bewegungsfreiheit in der Propaganda und Agitation in klarer prinzipieller Weise zu haben. Sie ist bestrebt, von Berlin aus mit den Verbindungen, die sie mit den Oppositionszentren in ganz Deutschland hat, sich zusammenzuschließen. Der erste Schritt dazu ist bereits getan, und zwar mit einer Besprechung, die am 2. Februar stattfand. Es waren vertreten die Städte und Bezirke: Berlin, Hamburg, Bremen, Rheinland (Duisburg), Hanau, Frankfurt a/M., Braunschweig, Nordhausen, Dresden, Leipzig, Chemnitz, Württemberg, Jena. Es waren dies alle Vertreter, die in den betreffenden Bezirken und Städten an der Spitze der Opposition stehen. Auf dieser Zusammenkunft kam ein ganz anderer, viel entschiedenerer Geist zum Ausdruck. Das Festhalten an der bestehenden Organisation um jeden Preis, wie es Gen. L. hier vertritt, war nicht die herrschende Stimmung dort. Es kam klar zum Ausdruck, dass die Genossen im Kampfe für die Aufnahme des Klassenkampfes und für den Sozialismus die Spaltung mit in den Kauf nehmen, wenn sie eine politische Notwendigkeit wird. Dagegen sprachen sich die Genossen gegen die Rühle'sche Auffassung aus, die die Spaltung als Kampfesparole, als Zweck propagiert. Es wurde in scharfer Weise ebenfalls Stellung gegen die Erklärung der 20 angenommen, weil sie prinzipiell nicht den sozialistischen Standpunkt vertrat. Ein Abgeordneter erklärte, er würde die Erklärung nicht mehr unterschreiben, da seine Wähler ihre große Unzufriedenheit darüber geäußert hätten. Da es der Opposition bis jetzt an einer klaren festen Grundlage fehlte, wurde von Genosse Mehring im Namen von Genossin Luxemburg und Genossin Zetkin Leitsätze eingebracht, die nahezu einstimmig angenommen wurden. Ich werde sie ihnen verlesen.

Eine größere Anzahl von Genossen aus allen Teilen Deutschlands hat die folgenden Leitsätze angenommen und die hiermit den angeschlossenen Organisationen zur Diskussion unterbreitet werden:

1. Der Weltkrieg hat die Resultate der 40jährigen Arbeit des europäischen Sozialismus zunichte gemacht, indem er die Bedeutung der revolutionären Arbeiterklasse als eines politischen Machtfaktors und das moralische Prestige des Sozialismus vernichtet, die proletarische Internationale gesprengt, ihre Sektionen zum Brudermord gegeneinander geführt und die Wünsche und Hoffnungen der Volksmassen an das Schiff des Imperialismus gekettet hat.

2. Durch die Zustimmung zu den Kriegskrediten und die Proklamation des Burgfriedens haben die offiziellen Führer der sozialistischen Parteien in Deutschland, Frankreich und England (mit Ausnahme der Unabhängigen Arbeiterpartei) dem Imperialismus den Rücken gestärkt, die Volksmassen zum geduldigen Ertragen des Elends und der Schrecken des Krieges veranlasst und so zur zügellosen Entfesselung der imperialistischen Raserei, zur Verlängerung des Gemetzels und zur Vermehrung seiner Opfer beigetragen, die Verantwortung für den Krieg und seine Folgen mitübernommen.

3. Diese Taktik der offiziellen Parteiinstanzen der kriegführenden Länder, in allererster Linie in Deutschland, dem bisherigen führenden Lande der Internationalen, bedeutet einen Verrat an den elementarsten Grundsätzen des internationalen Sozialismus, an den Lebensinteressen der Arbeiterklasse, an allen demokratischen Interessen der Völker. Dadurch ist die sozialistische Politik auch in jenen Ländern zur Ohnmacht verurteilt worden, wo die Parteiführer ihren Pflichten treu geblieben sind: in Russland, Serbien, Italien und – mit einer Ausnahme – Bulgarien.

4. Indem die offizielle Sozialdemokratie der führenden Länder den Klassenkampf im Kriege preisgab und auf die Zeit nach dem Kriege verschob, hat sie den herrschenden Klassen in allen Ländern Frist gewährt, ihre Positionen auf Kosten des Proletariats wirtschaftlich, politisch und moralisch ungeheuer zu stärken.

5. Der Weltkrieg dient weder der nationalen Verteidigung noch den wirtschaftlichen oder politischen Interessen irgendwelcher Volksmassen; er ist lediglich eine Ausgeburt imperialistischer Rivalitäten zwischen den kapitalistischen Klassen verschiedener Länder um die Weltherrschaft und um das Monopol in der Aussaugung und Unterdrückung der noch nicht vom Kapital beherrschten Gebiete. In der Ära dieses entfesselten Imperialismus kann es keine nationalen Kriege mehr geben. Die nationalen Interessen dienen nur als Täuschungsmittel, um die arbeitenden Volksmassen ihrem Todfeind, dem Imperialismus, dienstbar zu machen.

6. Aus der Politik der imperialistischen Staaten und aus dem imperialistischen Kriege kann für keine unterdrückte Nation Freiheit und Unabhängigkeit hervorsprießen. Die kleinen Nationen, deren herrschende Klassen Anhängsel und Mitschuldige ihrer Klassengenossen in den Großstaaten sind, bilden nur Schachfiguren in dem imperialistischen Spiel der Großmächte und werden ebenso wie deren arbeitende Massen während des Krieges als Werkzeug missbraucht, um nach dem Kriege den kapitalistischen Interessen geopfert zu werden.

7. Der heutige Weltkrieg bedeutet unter diesen Umständen bei jeder Niederlage und bei jedem Sieg eine Niederlage des Sozialismus und der Demokratie. Er treibt bei jedem Ausgang – ausgenommen die revolutionäre Intervention des internationalen Proletariats – zur Stärkung des Militarismus, der internationalen Gegensätze, der weltwirtschaftlichen Rivalitäten. Er steigert die kapitalistische Ausbeutung und die innerpolitische Reaktion, schwächt die öffentliche Kontrolle und drückt die Parlamente zu immer gehorsameren Werkzeugen des Militarismus herab. Der heutige Weltkrieg entwickelt so zugleich alle Voraussetzungen neuer Kriege.

8. Der Weltfriede kann nicht gesichert werden durch utopische oder im Grunde reaktionäre Pläne, wie internationale Schiedsgerichte kapitalistischer Diplomaten, diplomatische Abmachungen über „Abrüstung", „Freiheit der Meere", „Abschaffung des Seebeuterechts", „europäische Staatenbünde", „mitteleuropäische Zollvereine", „nationale Pufferstaaten" und dergleichen. Imperialismus, Militarismus und Kriege sind nicht zu beseitigen oder einzudämmen, solange die kapitalistischen Klassen unbestritten ihre Klassenherrschaft ausüben. Das einzige Mittel, ihnen erfolgreich Widerstand zu leisten, und die einzige Sicherung des Weltfriedens sind die politische Aktionsfähigkeit und der revolutionäre Wille des internationalen Proletariats, seine Macht in die Waagschale zu werfen.

9. Der Imperialismus als letzte Lebensphase und höchste Entfaltung der politischen Weltherrschaft des Kapitals ist der gemeinsame Todfeind des Proletariats aller Länder. Aber er teilt auch mit den früheren Phasen des Kapitalismus das Schicksal, die Kräfte seines Todfeindes in demselben Umfange zu stärken, wie er sich selbst entfaltet. Er beschleunigt die Konzentration des Kapitals, die Zermürbung des Mittelstandes, die Vermehrung des Proletariats, weckt den wachsenden Widerstand der Massen und führt so zur intensiven Verschärfung der Klassengegensätze. Gegen den Imperialismus muss der proletarische Klassenkampf im Frieden wie im Krieg in erster Reihe konzentriert werden. Der Kampf gegen ihn ist für das internationale Proletariat zugleich der Kampf um die politische Macht im Staate, die entscheidende Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Kapitalismus. Das sozialistische Endziel wird von dem internationalen Proletariat nur verwirklicht, indem es gegen den Imperialismus auf der ganzen Linie Front macht und die Losung „Krieg dem Kriege" unter Aufbietung der vollen Kraft und des äußersten Opfermutes zur Richtschnur seiner praktischen Politik erhebt.

10. Zu diesem Zwecke richtet sich die Hauptaufgabe des Sozialismus heute darauf, das Proletariat aller Länder zu einer lebendigen revolutionären Macht zusammenzufassen, es durch eine starke internationale Organisation mit einheitlicher Auffassung seiner Interessen und Aufgaben, mit einheitlicher Taktik und politischer Aktionsfähigkeit im Frieden wie im Kriege zu dem entscheidenden Faktor des politischen Lebens zu machen, wozu es durch die Geschichte berufen ist.

11. Die zweite Internationale ist durch den Krieg gesprengt. Ihre Unzulänglichkeit hat sich erwiesen durch ihre Unfähigkeit, einen wirksamen Damm gegen die nationale Zersplitterung im Kriege aufzurichten und eine gemeinsame Taktik und Aktion des Proletariats in allen Ländern durchzuführen.

12. Angesichts des Verrats der offiziellen Vertretungen der sozialistischen Parteien der führenden Länder an den Zielen und Interessen der Arbeiterklasse, angesichts ihrer Abschwenkung vom Boden der proletarischen Internationale auf den Boden der bürgerlich-imperialistischen Politik, ist es eine Lebensnotwendigkeit für den Sozialismus, eine neue Arbeiter-Internationale zu schaffen, welche die Leitung und Zusammenfassung des revolutionären Klassenkampfes gegen den Imperialismus in allen Ländern übernimmt.

Sie muss, um ihre historische Aufgabe zu lösen, auf folgenden Grundlagen beruhen:

a) Der Klassenkampf im Innern der bürgerlichen Staaten gegen die herrschenden Klassen und die internationale Solidarität der Proletarier aller Länder sind zwei unzertrennliche Lebensregeln der Arbeiterklasse in ihrem welthistorischen Befreiungskampfe. Es gibt keinen Sozialismus außerhalb der internationalen Solidarität des Proletariats, und es gibt keinen Sozialismus außerhalb des Klassenkampfes. Das sozialistische Proletariat kann weder im Frieden noch im Kriege auf Klassenkampf und auf internationale Solidarität verzichten, ohne Selbstmord zu begehen.

b) Die Klassenaktion des Proletariats aller Länder muss im Frieden wie im Kriege auf die Bekämpfung des Imperialismus und Verhinderung der Kriege als auf ihr Hauptziel gerichtet werden. Die parlamentarische Aktion, die gewerkschaftliche Aktion wie die gesamte Tätigkeit der Arbeiterbewegung müssen dem Zwecke untergeordnet werden, das Proletariat in jedem Lande aufs Schärfste der nationalen Bourgeoisie entgegenzustellen, den politischen und geistigen Gegensatz zwischen beiden auf Schritt und Tritt hervorzukehren sowie gleichzeitig die internationale Zusammengehörigkeit der Proletarier aller Länder in den Vordergrund zu schieben und zu betätigen.

c) In der Internationale liegt der Schwerpunkt der Klassenorganisation des Proletariats. Die Internationale entscheidet im Frieden über die Taktik der nationalen Sektionen in Fragen des Militarismus, der Kolonialpolitik, der Handelspolitik, der Maifeier, ferner über die gesamte im Kriege einzuhaltende Taktik.

d) Die Pflicht zur Ausführung der Beschlüsse der Internationalen geht allen andern Organisationspflichten voran. Nationale Sektionen, die ihren Beschlüssen zuwiderhandeln, stellen sich außerhalb der Internationale.

e) In den Kämpfen gegen den Imperialismus und den Krieg kann die entscheidende Macht nur von den kompetenten Massen des Proletariats aller Länder eingesetzt werden. Das Hauptaugenmerk der Taktik der nationalen Sektionen ist somit darauf zu richten, die breiten Massen zur politischen Aktionsfähigkeit und zur entschlossenen Initiative zu erziehen, den internationalen Zusammenhang der Massenaktion zu sichern, die politischen und gewerkschaftlichen Organisationen so auszubauen, dass durch ihre Vermittlung jederzeit das rasche und tatkräftige Zusammenwirken aller Sektionen gewährleistet und der Wille der Internationalen so zur Tat der breitesten Arbeitermassen aller Länder wird.

f) Die nächste Aufgabe des Sozialismus ist die geistige Befreiung des Proletariats von der Vormundschaft der Bourgeoisie, die sich in dem Einfluss der nationalistischen Ideologie äußert. Die nationalen Sektionen haben ihre Agitation in den Parlamenten wie in der Presse dahin zu richten, die überlieferte Phraseologie des Nationalismus als bürgerliches Herrschaftsinstrument zu denunzieren. Die einzige Verteidigung aller wirklichen nationalen Freiheit ist heute der revolutionäre Klassenkampf gegen den Imperialismus. Das Vaterland der Proletarier, dessen Verteidigung alles andere untergeordnet werden muss, ist die sozialistische Internationale.

Die Leitsätze sollen für uns eine Plattform sein. Es ist die erste internationale Kundgebung, die kühn und entschieden die Konsequenzen aus dem Zusammenbruche der Internationale zieht. Hier wird zum ersten Male ausgesprochen, dass es sich darum handelt, dass das Proletariat aus seinen Halbheiten und Unzulänglichkeiten lernt, dass es nach den Ursachen zu suchen hat, die zu seinem Zusammenbruche führten und dass es unerbittlich und rücksichtslos seine Konsequenzen zu ziehen hat. Wir wollen uns nicht auf den Boden der Kompromisseleien stellen, der die alte Partei auszeichnete und sie in den Sumpf führte. Wir dürfen nicht, wie es hier von verschiedenen Seiten befürwortet wurde, aus Rücksicht auf die unaufgeklärten Massen die prinzipielle Klarheit und Entschiedenheit verwischen. Die Aufgabe der Sozialdemokratie muss sein, als Führer in den Massen voranzugehen, ihnen unerbittlich die Entwicklungslinien zu eröffnen. Nur wenn wir uns auch in dieser Hinsicht selbst kritisieren, wird aus dem Zusammenbruche eine neue lebensfähige sozialistische Bewegung erstehen. Es gilt nur im Geiste der Leitsätze zu wirken, damit die Massen, wenn die politische Entwicklung sie dazu treibt eine klare, entschiedene Fahne haben, der sie folgen können. Die Leitsätze sollten auf nicht nationaler Basis beschränkt bleiben, sie sollten international verbreitet, diskutiert werden, um so zur Grundlage der geplanten Konferenz zu werden.

Abend-Sitzung

Montag, 7. Februar, 9 Uhr

Modigliani beantragt, über die Berichte nicht zu debattieren. Es kamen zwei verschiedene Meinungen zum Ausdruck. Es sollen nur Feststellungen von Tatsachen gemacht und Anfragen gestellt werden. Dies wurde angenommen.

Laukant begründet, warum in Berlin die Unterzeichner des Manifestes die Agitation und Propaganda nicht sofort nach Zimmerwald begonnen hätten. Meyer und Eberlein seien verhaftet worden, und in ihren Händen war die Liste. Findet es von Mehring widerspruchsvoll, dass er einerseits für die bekanntgegebenen Thesen eintritt und andrerseits für ein Flugblatt, das die Tat der 20 gutheißt.

Radek führt Einzelheiten über Vorgänge in verschiedenen Oppositionszentren [an].

Modigliani beantragt, dass die Frage des Manifestes bis Ostern verschoben werde, dass aber eine Antwort an Huysmans von Rakowski und Grimm diesmal ausgearbeitet werden solle.

Grimm tritt für die Verfassung eines Manifestes ein. In Zimmerwald habe man sich auf den Standpunkt gestellt, dass das Proletariat sich international zu rüsten habe. Ein neues Manifest solle die Arbeiterklasse einen Schritt vorwärts führen. Und das solle jetzt gefasst werden, da man doch nicht wisse, ob wir in 2½ Monaten wieder zusammenkommen werden. Bis zur Konferenz könnten wieder Fragen auftauchen, die dann eine andere Antwort erheischen.

Lenin tritt dafür ein, dass ein Manifest gefasst werden müsse. Eine besondere Antwort an Huysmans sei nicht notwendig, diese sei bereits im Manifest enthalten.

Martow: Mit einem Manifest würden wir der Arbeit der Konferenz vorgreifen. Und ein Manifest, das theoretisch neue Wege zeigt, sei eben nicht Vorbereitung genug. Heute hätten wir ja erst von den Thesen gehört. Für jetzt solle man sich darauf beschränken, durch ein Rundschreiben an die Organisationen Stellung zur Rede Huysmans', wie zum französischen Parteitag, wie zum Bruch der Minderheit in der deutschen Fraktion mit der Mehrheit zu nehmen.

Sinowjew tritt für die Verfassung eines Manifestes ein. Bei der Antwort auf den französischen Parteitag und die anderen Fragen könne man sehr wohl unseren prinzipiellen Standpunkt darlegen und weiter entwickeln. Die Kommission habe ein richtiges Gefühl dafür, dass sie sich an die Massen wende. Sie solle kein bürokratisches Büro sein. Man solle die Internationale Sozialistische Kommission nicht nennen.

Peluso beantragt 5 Minuten Redezeit.

Lapinski spricht dagegen, da dies die wichtigste Frage sei, die zur Debatte stehe. Der Antrag Peluso wird abgelehnt.

Lapinski ist gegen das Manifest. Dies wäre nur eine Improvisation. So wichtige Fragen, wie die Thesen enthalten, müssen gut vorbereitet sein.

Rakowski: Ist dagegen, dass man hier so weitgehende Beschlüsse fasst. Er versteht Grimms Haltung gut. Er schlägt folgenden Mittelweg vor: In einem Rundschreiben soll seitens der Internationalen Sozialistischen Kommission zu Huysmans' Rede und zu den anderen Vorkommnissen aus dem Leben der sozialistischen Parteien Stellung genommen werden.

Warski: Dass jede Frage, die wir eben behandeln, zu einer prinzipiellen Auseinandersetzung führt, erkläre sich daraus, dass bei der Geburt der 3. Internationale noch alles im Flusse ist. Deshalb können die lebhaften Debatten nicht unterbunden werden. Huysmans geben wir die beste Antwort durch die Tat, indem wir eine weitere Konferenz vorbereiten. Man kann sehr wohl auf der bestehenden Basis eine Erklärung geben, um die Heuchelei und Hohlheit von einem Huysmans aufzudecken. Eine prinzipielle Grundlage, wie sie die Thesen zeigen, müsse ganz anders vorbereitet werden. Die kl. Kommission könne vorerst am besten für die Thesen wirken, indem sie die Thesen mit einem Begleitschreiben veröffentlichen. Der Redner wundert sich, dass Lenin für ein Manifest ist, trotz der von ihm vorgeschlagenen Tagesordnung für die geplante Konferenz.

Modigliani: Wir hätten nicht über den Inhalt eines Manifestes zu diskutieren, das sei Sache der Internationalen Sozialistischen Kommission. Man könnte aber doch das Manifest prüfen, um die Sache vorwärts zu treiben, es enthält nichts, was abschreckend werden könnte.

Grimm besteht auf der Notwendigkeit, ein Manifest zu erlassen. Es handle sich darum festzustellen, ob die Internationale Sozialistische Kommission ein Briefkasten sei, der berechtigt sei, Initiative zu entfalten. Das Internationale Sozialistische Büro habe sich gerade deshalb nicht bewährt, weil es zu einem Briefkasten entwürdigt wurde.

Balabanowa bemerkt Modigliani gegenüber, es handle sich um den prinzipiellen Beschluss, ob ein Manifest überhaupt erlassen werden soll, nicht etwa um den Inhalt, der „abschrecken" könnte. Modigliani ist im Widerspruch mit sich selbst. Was die Internationale Sozialistische Kommission betrifft, so handelt es sich keineswegs um die Begrenzung der Kompetenz der Internationalen Sozialistischen Kommission. Die Genossen, die Widerspruch gegen den Erlass des Manifestes erhoben haben, haben es nicht deswegen getan, weil sie das Recht der Internationalen Sozialistischen Kommission auf solche Kundgebung bestreiten, sondern weil sie überhaupt gegen die Herausgabe eines Manifestes seien. Auch Sprechende sei derselben Meinung: als von der Internationalen Sozialistischen Kommission der Entwurf ausgearbeitet wurde, wusste man nicht, dass keine Plenarsitzung der Erweiterten Kommission stattfinden könne und noch weniger, dass eine Konferenz einberufen sein würde. Gerade aus diesem letzten Grunde erübrige sich die Herausgabe des Manifestes. Was die „Briefträgermission" der Internationalen Sozialistischen Kommission betrifft, so ist von ihr absolut keine Rede. Das Internationale Sozialistische Büro hat sich nicht deshalb nicht bewährt, weil es keine Kompetenzen besaß – im Gegenteil, es besaß unbeschränkte Bewegungsfreiheit. Ganz andere, viel tiefere Ursachen haben die Tätigkeit des Internationalen Sozialistischen Büros beeinträchtigt. Im gegebenen Falle handelt es sich um ein konkretes Manifest, um die Frage, ob es nicht durch ein Rundschreiben zu ersetzen sei, nicht um die Kompetenzfrage der Internationalen Sozialistischen Kommission. Es wird um 11½ Uhr beschlossen, die Diskussion zu vertagen.

8. Februar Dienstag, Vormittags-Sitzung 10 Uhr

Fortsetzung der Diskussion über Herausgabe eines Manifestes

Grimm meint, die Frage stehe praktisch so, wollen wir eine Kundgebung erlassen oder nicht.

Laukant bittet davon Abstand zu nehmen, dass ein Manifest erlassen wird. Es sollte nichts herausgegeben werden, was über die Zimmerwalder Kundgebung hinausgeht. Aber die Internationale Sozialistische Kommission habe das Recht dazu, in den politisch auftauchenden Fragen, von denen hier gesprochen wurde, Stellung zu nehmen.

Modigliani: Man muss die Frage teilen. Einerseits muss festgestellt werden, dass die Internationale Sozialistische Kommission das Recht hat, zu allen Fragen Stellung zu nehmen, andererseits muss das Manifest als solches besprochen werden. Redner betrachtet dasselbe als harmlos und beantragt, dass es verlesen wird.

Grimm betont, dass der Internationalen Sozialistischen Kommission nun ausdrücklich zugestanden wurde, Publikationen zu erlassen, die im Geiste des Zimmerwalder Manifestes gehalten sind. Die Internationale Sozialistische Kommission ist der Meinung, dass der vorgelegte Entwurf auf dem Boden des Zimmerwalder Manifestes stehe. Um das zu entscheiden, solle man nur Absatz für Absatz des Manifestes durchgehen. Stellt den Antrag, auf den vorgelegten Entwurf einzugehen und alle sonstigen Entwürfe bis zur Konferenz zurückzustellen. Wird die Mehrheit sich dagegen erklären, dann wird die Internationale Sozialistische Kommission die Konsequenzen ziehen.

Rakowski: Es ist doch unmöglich, im Laufe eines Tages zu einer solch wichtigen Frage Stellung zu nehmen.

Martow meint, der Vorschlag Grimms würde die Diskussion beschneiden. Gestern sei die Frage aufgeworfen, ob ein Manifest oder ein Rundschreiben veröffentlicht werden solle. Diese Frage sei noch nicht entschieden. Ist gegen den Vorschlag Grimms, hier das Manifest durchzunehmen. Wir wollten nicht die Rolle einer Zensur übernehmen. Für uns handelt es sich vielmehr darum, zu den einzelnen Fragen Stellung zu nehmen und zwar: Rede Huysmans, Rede Scheidemann, französischer Parteitag u.s.w. Diese Fragen könnten erörtert werden, wonach eine Kommission ein Rundschreiben oder eine Erklärung an die affilierten Organisationen abfassen könnte.

Lenin erklärt sich gegen Martows Vorschlag. Die Mehrheit der Anwesenden ist dagegen, etwas Neues zu schaffen. Es bleibe nichts anderes übrig, als nach Vorschlag Grimms Absatz für Absatz zu diskutieren und festzustellen, ob über Zimmerwald hinausgegangen werden solle oder nicht.

Rakowski ist gegen ein Manifest, aber für ein Rundschreiben der Internationalen Sozialistischen Kommission. Das nehme sich bescheidener aus.

Lapinski: Es sei die Aufgabe der Internationalen Sozialistischen Kommission, das Proletariat auf dem Laufenden zu halten und zu den auftauchenden Fragen die Internationale betreffend Stellung zu nehmen und zwar in einem Zirkular, in dem die Huysmans, Scheidemänner und der französische Parteitag kritisch beleuchtet werden. Wir wollen hier die Richtlinien dieser Erklärung feststellen und die Internationale Sozialistische Kommission damit betrauen.

Rakowski und Lapinski beantragen die Ernennung einer Kommission, die mit der Redaktion der Erklärung zu betrauen sei.

Grimm ist mit Gen. Lapinski nicht der Ansicht, dass in einem Zirkular direkt Stellung gegen Huysmans genommen werde. Unsere Stellung müsse positiv dargelegt werden, wie es in dem vorliegenden Entwurf des Manifestes geschehe. Er halte an seiner Ansicht fest und sträube sich dagegen, etwas zu machen, was ihr widerspreche.

Laukant ist der Ansicht Rakowskis und Lapinskis. Wir hätten heute einen breiten Boden, auf dem bis zur nächsten Konferenz gearbeitet werden könne. Bittet Gen. Grimm sich der Stimmung der Konferenz zu fügen, er würde sich nichts vergeben und sollte seinen Antrag zurückziehen. Bittet die Diskussion nun zu schließen.

Thalheimer erklärt sich gegen das Manifest. Tatsache sei, dass das Manifest Absätze enthielte, die eine neue prinzipielle Basis darstellen. Sie sind herausgerissene Teile der von mir verlesenen Thesen. Wir sträuben uns mit aller Energie dagegen, dass in dieser improvisierten Art und Weise ein Teil der Thesen in verwässerter Form hier eingebracht wird. Die Genossen der Opposition, die ich hier vertrete, sind der Ansicht, dass uns in der Partei eine grundsätzliche Neuorientierung vonnöten ist, wie die Annahme der Thesen beweise. Sie sind dagegen, dass es in dieser improvisierten Weise geschehe. Wir wollen vor allem in Deutschland selbst in den Organisationen uns mit den Thesen auseinandersetzen. Bis heute sei das nicht geschehen. Und erst wenn der Boden gründlich vorbereitet sei, können die Thesen, so wie sie vorliegen, auf der nächsten Konferenz zur Debatte stehen. Es würde sich übrigens eigentümlich ausnehmen, wenn hier ein Manifest beschlossen würde, wo die Engländer und Franzosen fehlen und die gesamte deutsche Opposition sich dagegen erklärt. In Betracht muss auch gezogen werden, dass hier nicht einmal die Einbringer der Thesen in Deutschland vertreten sind. Ganz anders liegen die Voraussetzungen für ein Rundschreiben, hier ist eine Basis gegeben. Und es ist nötig, dass die Internationale Sozialistische Kommission zu den verschiedenen inzwischen aufgebauschten Fragen Stellung nimmt und zwar in dem von Lapinski und Rakowski vertretenen Sinne.

Radek: In Zimmerwald habe man erklärt, dass man nicht für eine theoretische Grundlage sei. Man müsse Schritt für Schritt weiter gehen. Und nun sträube man sich gegen das Manifest in opportunistischer Weise (Zwischenrufe: Einschüchterungsversuche). Besonders bei Genossin Thalheimer nehme es sich eigentümlich aus, dass sie für die Thesen eingetreten und nun gegen das Manifest sei, das auf dieser Basis beruhe. Ebenso kindlich sei die Berufung auf das Urheberrecht (Zwischenrufe: Das ist unwahr!). Das Manifest versucht, die Bewegung voranzutreiben. Die Fragen seien in den Organisationen schon gelöst. Man verlange von der Kommission, sie solle Aufrufe ohne Gedanken, leere Formeln bringen.

Genossin Thalheimer gibt folgende Erklärung zu Protokoll:

Um allen Missdeutungen und Unterstellungen vorzubeugen, erkläre ich, dass ich mich hier bei der Verfassung einer Prinzipienerklärung nur aus dem Grunde widersetzt habe, weil hier erstens die Delegierten der meisten kriegführenden Länder nicht vertreten sind und weil es an jeder Vorbereitungsarbeit mangelt und ich eine solche Improvisation in einer so wichtigen tief eingreifenden Frage für unangebracht halte.

Modigliani: Man könne sich einigen. Genossin Thalheimer habe klar ausgesprochen, dass es sich um die Gründung der 3. Internationale handle. Das sei der springende Punkt. Dafür könnte man nicht eintreten, man würde es sich unmöglich machen, im Büro und in der Partei zu kämpfen. Wir müssten doch dahin streben, in der alten Partei allmählich zur Majorität zu werden.

Er ist für Verlesung des Manifestes.

Schluss der Debatte wird angenommen.

Rakowski und Lapinski verlesen ihren Antrag. Er wird mit großer Mehrheit angenommen.

Für die Redaktions-Kommission werden vorgeschlagen: Grimm, Rakowski, Serrati, Balabanowa, Lenin, Martow, Laukant. Grimm und Balabanowa treten als Vertreter der Internationalen Sozialistischen Kommission der Redaktionskommission bei.

Lenin fragt, ob von seiner Gruppe niemand anstatt seiner zugezogen werden kann. Die Versammelten erklären, dass es sich nicht um Gruppenvertreter handelt. Lenin bittet, von Sinowjew ersetzt zu werden, da er selbst verhindert sei, an der Kommission mitzuarbeiten.

Die Sitzung wird um 11 Uhr beendigt.

Die Redaktionskommission tritt zusammen, um das Rundschreiben auszuarbeiten.

Mittwoch, 9. Februar, Beginn vormittags 10 Uhr

Grimm begrüßt Morgari-Italien und Rigola, den Generalsekretär der Gewerkschaften Italiens, die inzwischen eingetroffen sind.

Auf der Tagesordnung steht: Die Bedingungen der Beteiligung an der am 24. April stattfindenden Konferenz wie Festsetzung der Tagesordnung.

Grimm führt dazu aus: Die Zimmerwalder Konferenz hätte keine Beschränkungen in der Delegation gehabt. Die Vertretung war vorwiegend persönlich. Jetzt müssen nun feste Richtlinien aufgestellt werden.

Es müsse verhindert werden, dass Delegationen von Ländern zustande kommen, die der Situation in den einzelnen Länder nicht entsprechen. Wirft die Frage auf, ob es nicht notwendig sei, eine Beschränkung in der Zahl der Delegationen für die einzelnen Länder festzusetzen.

Rakowski: In der jetzigen Situation, wo die Opposition sich in manchen Ländern noch gar nicht konsolidiert habe, müsse man in der Delegation eine Weitherzigkeit üben. Es müssten daher auch persönliche Delegationen zugelassen sein. Natürlich müssten Richtlinien festgesetzt werden, dass die persönliche Delegation nicht überwiegt. Grundbedingungen an der Beteiligung müssten die prinzipiellen Voraussetzungen sein, die auch für die Beteiligung an Zimmerwald maßgebend waren.

Ein Antrag, die Redezeit auf 5 Minuten festzusetzen, wird angenommen.

Modigliani schlägt vor, dass nur Organisationen zugelassen werden, die auf dem Boden des Zimmerwalder Manifestes stehen.

Rigola bedankt sich für die herzliche Begrüßung der Konferenz. Die italienische Partei habe die italienischen Gewerkschaften eingeladen, hier an der Sitzung teilzunehmen. Fragt an, ob ein Gegensatz zur alten Internationale besteht oder ob von der Voraussetzung ausgegangen wird, im Rahmen der alten Internationale für unsre Ideen zu werben.

Laukant: Was die Delegation anbetrifft, so müsste man weitherzig sein. Steht auf dem Standpunkt der italienischen Partei, dass nur Organisationen die Konferenz beschicken könnten. Einzelne Personen sollten nur mit beratender Stimme zugelassen sein. Müsste es aber ablehnen, wenn die Konferenz sich auf den Standpunkt stellen sollte, die 3. Internationale zu propagieren. Dann müssten wir ausscheiden. In diesem Sinne stellen wir uns auch zu den Thesen, die hier eingebracht sind.

Grimm stellt folgenden Antrag betreffs Delegation: [Nicht vorhanden]

Rakowski stellt folgendes Amendement:

Alle Delegierte, die an der Zimmerwalderkonferenz teilgenommen haben, haben das Recht, an der nächsten Konferenz mit beratender Stimme teilzunehmen.

Modigliani ist einverstanden mit dem ersten Teil des Amendements Rakovskis, möchte aber bitten, den 2. Teil abzulehnen. Es können nur die beschließende Stimme haben, die ein Mandat haben.

Lenin ist mit dem Teil nicht einverstanden, der über die ausländische Vertretung von Gruppen handelt. Schlägt vor, es sollen klare Regeln ohne Willkür festgesetzt werden. Bei dem Prozess der Formulierung der Gruppen in den einzelnen Ländern müsste die Stellung zu den einzelnen Gruppen präzisiert werden.

Grimm schlägt vor, dass das Büro mit den verschiedenen Antragstellern sich zur Ausarbeitung der Bedingungen der Delegation zurückzieht.

Nach ½-stündiger Pause verliest Grimm folgenden Antrag:

[1. Zugelassen werden nur die Vertreter solcher politischer oder gewerkschaftlicher Organisationen oder die Einzelpersonen, die sich auf den Boden der Beschlüsse der Zimmerwalder Konferenz stellen.

2. In den Ländern, wo die offiziellen Parteien oder Gewerkschaftsorganisationen der ISK angeschlossen sind, werden nur die von ihnen bezeichneten Vertreter zugelassen.

3. In den Ländern, wo die offiziellen Parteien der ISK nicht angeschlossen sind, werden die Delegierten nur von solchen Organisationen und Gruppen zugelassen, die:

a) im gegebenen Lande in Wort und Schrift im Sinne der Zimmerwalder Beschlüsse wirken;

b) die sich über ihre Tätigkeit gegenüber der ISK ausweisen.

4. Persönliche Vertretungen sind nur ausnahmsweise und nur mit beratender Stimme zulässig.

5. Über die Gültigkeit der Mandate entscheidet im Streitfall, nach Anhörung der Gründe und in Berücksichtigung der Verhältnisse, endgültig eine von der Konferenz gewählte Kommission von 9 Mitgliedern, in welcher Zahl auch die 4 Mitglieder der ISK eingeschlossen sind.

6. Das Stimmenverhältnis wird durch die Konferenz festgestellt.

Mit sozialistischem Gruß

Bern, 10. Februar 1916 Die Internationale sozialistische Kommission zu Bern]

Grimm macht bekannt, dass die Bestimmungen einstimmig angenommen wurden. Der Antrag Rakowskis soll nicht veröffentlicht oder ins Protokoll aufgenommen werden.

Martow tritt dem Beschluss entgegen, den Antrag Rakowskis ins Protokoll aufzunehmen. Er schlägt folgenden Antrag vor:

Die Zeitungen und Zeitschriften, die im Sinne der Zimmerwalder Beschlüsse kämpfen, haben das Recht, Vertreter mit beratender Stimme auf die Konferenz zu senden.

Der Antrag, Rakowskis Antrag ins Protokoll aufzunehmen, wird angenommen.

Der Antrag Martow wird abgelehnt.

Die Internationale Sozialistische Kommission bekommt den Auftrag, ein Reglement für die Geschäftsordnung auszuarbeiten. Nun wird der Punkt:

Festsetzung der Tagesordnung der Konferenz"

behandelt. Es liegt folgender Antrag Lenin vor:

1. Kampf gegen den Krieg.

2. Taktik des internationalen Proletariats gegenüber dem Imperialismus.

3. Methoden und Mittel der internationalen Verbindung des Proletariats.

4. Selbstbestimmungsrecht der Nationen.

Grimm schlägt vor, Punkt 3 von Lenins Antrag mit 2 zu verbinden.

Laukant bittet den Punkt 3 zu streichen, damit ist gesagt, dass wir eine neue Internationale bilden. Wenn in dieser Richtung beschlossen wird, bleiben wir der Konferenz fern.

Radek: Es fällt niemand ein, eine Spaltung künstlich zu forcieren, nur um uns als neue Institution der 3. Internationale zu nennen. Wir wollen nur die Möglichkeit haben zu debattieren, wie wir uns dem Internationalen Büro gegenüber zu verhalten haben. Es kommt doch nicht auf die äußere Form, sondern auf den Inhalt an, dass wir das tun, wozu unser sozialistischer Standpunkt uns treibt.

Grimm schlägt vor zu sagen: Der Kampf gegen den Krieg, seine Mittel und Methoden.

Rakowski ist dafür, dass der Punkt Selbstbestimmungsrecht der Nationen von der Tagesordnung abgesetzt wird.

Modigliani ist mit Rakowski einverstanden, dass dieser Punkt abgesetzt wird. Dagegen sei notwendig, zu den konkreten Fragen Stellung zu nehmen. Es müsste erörtert werden, wie wir uns verhalten, wenn es zu Friedensverhandlungen kommt. Dann müssen wir uns klar werden, wie wir uns zum Internationalen Büro verhalten sollen. Mit der Erörterung theoretischer Fragen können wir in der praktischen Aktion nicht weiter.

Sinowjew: Die Frage Friedensverhandlungen brauche nicht als besonderer Punkt auf die Tagesordnung gesetzt werden. Er sei schon im „Kampf gegen den Krieg" einbegriffen. Dagegen müsse das „Selbstbestimmungsrecht der Nationen" selbständig behandelt und auf die Tagesordnung gestellt werden. Die Behandlung dieser Frage sei wichtig, um die Heuchelei der Sozialpatrioten enthüllen zu können, die erklären, auch für das Selbstbestimmungsrecht der Völker einzutreten. Das sei eine eminent praktische Frage, die bereits auf den verschiedenen internationalen Kongressen selbständig behandelt wurde.

Radek tritt Modigliani in der Trennung der Theorie auf der einen Seite und der praktische Kampf auf der andern entgegen. Unsere praktischen Losungen müssen auf einer theoretischen Grundlage beruhen. Ist in Gegensatz zu Lenin Gegner der Losung „Selbstbestimmungsrecht der Nation"; aber die Frage muss doch behandelt werden. Was die „Friedensfrage" betreffe, so würden wir uns lächerlich machen, wenn wir diesen Absatz nicht ergänzen durch „und die Aktion des Proletariats". Dies muss gesagt werden, sonst hat die Losung einen pazifistischen Anstrich.

Radek schlägt folgende Tagesordnung vor:

1. Berichte

2. Kampf gegen den Krieg

3. Friedenslosungen und die Aktion des Proletariats

4. Verhältnis zum Büro

Martow: Dem 2. Punkte „Kampf gegen den Krieg" den Absatz und „Kampf für den Frieden" einzuschalten. Außerdem sollte auf die Tagesordnung noch der Kampf gegen die Teuerung gesetzt werden. Was den Punkt über das Internationale Büro betrifft, so sollte man nichts über „unsere Beziehungen" sagen, sondern „Einberufung des Internationalen Büros". Ist gegen den 3. Punkt von Lenin „Die Mittel und Wege zur internationalen Vereinigung".

Serrati bringt folgenden Antrag ein:

a. Kampfesmittel gegen den Krieg

b. Parlamentarische Aktion

c. Massenaktion

d. Sozialistische Organisationen

e. Die Aktion des Internationalen Sozialistischen Büros.

Rakowski ist dagegen, dass man die Tagesordnung überladet. Bei Beziehung auf das Internationale Büro sollte man nicht den Eindruck erwecken, dass es sich um Gründung einer neuen Internationale handelt. Ist auch gegen den Punkt: „Selbstbestimmungsrecht der Nationen". Besonders sollte man über die praktischen Maßnahmen im Kampf gegen den Krieg handeln. Ist dagegen, die Teuerung als besonderen Punkt anzusetzen. Bei „Imperialismus und Kampf gegen den Krieg" sei das enthalten.

Morgari: Man solle die Frage der internationalen Organisation nur besprechen, wenn es sich um praktische Maßnahmen handelt. Dagegen gehört die Frage der „Vaterlandsverteidigung" besprochen, weil bisher noch keine Klärung herrscht, es ist aber fraglich, ob es möglich sei, die Frage zu klären, ohne Spaltungen in der Opposition selbst hervorzurufen.

Lapinski ist dafür, dass die Friedensprobleme auf die Tagesordnung der nächsten Konferenz kommen. Es ist notwendig zur Frage Stellung zu nehmen, um so mehr als die Sozialpatrioten die einzelnen Friedensstellungen besprechen. Die Frage des Selbstbestimmungsrechtes der Völker ist unlängst noch im Reichstage besprochen worden, während Vandervelde in einem Interview mit dem Clarion und Huysmans in jener Rede in Den Haag sich dahin geäußert haben, dass die nächste Sitzung des Büros sich mit der Elsass-Lothringen und polnischen Frage zu beschäftigen [habe]. Unser Schweigen in der Angelegenheit soll nicht zu Missverständnissen leiten. In Ländern wie z.B. Polen ist eine prinzipielle Stellungnahme notwendig. Die angebliche Schwierigkeit der Frage kann nicht davon abhalten, die Frage zu erörtern. Es handelt sich darum, die Methode festzustellen im Einverständnis mit unsern allgemeinen Grundsätzen. Redner ist gegen die Formulierung Lenins, die zu scholastisch ist und zu eng gefasst. Er schlägt vor, auf die Tagesordnung zu setzen. „Die Friedensprobleme und die Stellung der Sozialdemokratie".

Mittwoch, 9. Februar, Sitzung nachmittags 3 Uhr Grimm stellt die Frage, ob Referenten zu bestimmen sind. Es wird beschlossen, jetzt diese nicht zu bestimmen.

Es wird fiktiv bekannt gegeben, die Konferenz finde in Holland statt, alles Material sei der Genossin Roland Holst zuzustellen. Bittet Gen. Rakowski sich mit den Österreichern in Verbindung zu setzen und unsere Beschlüsse mitzuteilen. Laukant sollte [die] Gen. Haase und Kautsky benachrichtigen. Fragt, was mit den Thesen und dem andern vorliegenden Material zu tun ist. Ist gegen eine Veröffentlichung im Bulletin. Es genüge, wenn es den Delegierten der Konferenz einige Wochen vorher als Material gedruckt zugestellt wird.

Laukant ist auch dagegen, dass die Thesen von der Internationalen Sozialistischen Kommission veröffentlicht werden, dies könnte so ausgenützt werden, dass es sich um Propaganda für die neue Internationale handle.

Thalheimer besteht darauf, dass die Thesen sobald wie möglich im Bulletin veröffentlicht werden. Die Gründe, die Laukant und Grimm angeführt, seien nicht stichhaltig. Die Internationale Sozialistische Kommission identifiziert sich doch nicht mit der Veröffentlichung der Thesen, diese werden von einer bestimmten Gruppe eingebracht als Material zur allgemeinen Diskussion.

Martow ist dafür, dass alles Material dem Studium der Organisation unterbreitet und zur Debatte gestellt werde, daher für die Veröffentlichung. Außerdem dürfe sonst nichts versäumt werden, was die Mitteilungen über die Konferenz betrifft, um die Konferenz auf einer möglichst breiten Grundlage aufzubauen.

Sinowjew spricht sich gegen Einladung der Gen. Haase und Kautsky aus. Dagegen müssen alle Anträge im Bulletin veröffentlicht werden.

Der Antrag betreffs Veröffentlichung des sämtlichen Materials im Bulletin wird zum Beschluss erhoben.

Grimm wirft die Frage des Bulletins auf. Die Art und Weise seiner Herausgabe befriedigt niemanden, am allerwenigsten die Herausgeber. Geldmangel und die Tatsache, dass das Material nicht regel- und gleichmäßig ankommt, verhindert eine periodische Erscheinung des Bulletins. Das ZK der russischen Partei hat den Vorschlag gemacht, das Bulletin abzuschaffen, wöchentlich in der Tagwacht und in der Sentinelle Berichte über die Vorkommnisse der Opposition zu veröffentlichen. Die Internationale Sozialistische Kommission hat den Vorschlag in Erwägung gezogen, hat ihn aus technischen Gründen verwerfen müssen. Die Anwesenden sollten der Internationalen Sozialistischen Kommission die Kompetenz anerkennen zu den einzelnen Fragen im Bulletin Stellung zu nehmen, dann würde dasselbe öfter erscheinen. Selbstverständlich sind finanzielle Mittel notwendig.

Modigliani ist der Meinung, dass die Internationale Sozialistische Kommission bereits das Recht und die Pflicht besitzt zu den konkreten Fragen Stellung zu nehmen. Die Internationale Sozialistische Kommission könnte ihre Rundschreiben in der sämtlichen Presse veröffentlichen.

Lenin befürwortet den Vorschlag des ZK der russischen Partei. Der Vorschlag Modigliani ist unannehmbar, weil keine Agentur die Mitteilungen der Internationalen Sozialistischen Kommission veröffentlichen wird.

Radek schließt sich Lenin an.

Grimm befürwortet die Herausgabe des Bulletins. Vor allem muss aber die finanzielle Frage besprochen werden. Er gewärtige Mitteilungen über die Beitragsbeschlüsse der vertretenen Organisationen.

Morgari, der für die Verbreitung eines Zimmerwalder Abzeichens ist, teilt mit, dass die italienische Partei 50 Fr. monatlich für die Internationale Sozialistische Kommission bestimmt.

Kolarow teilt mit, er habe die seinerseits versprochenen zweihundert Franken mitgebracht.

Bobrow teilt mit, dass die russischen SR 50 Franken pro Monat senden werden.

Laukant meint, man könne in der deutschen Opposition etwa hundert Franken monatlich für die Internationale Sozialistische Kommission auftreiben.

Peluso teilt mit, die portugiesische Partei habe bereits im September geschrieben, sie würde an die Internationale Sozialistische Kommission Geld schicken.

Radek ist für die Herausgabe von Sammellisten, wird auch nach Holland schreiben, um zu erfahren, welchen Beitrag die betreffenden Genossen der Internationalen Sozialistischen Kommission spenden wollen.

Nach Erledigung der Finanzfrage wird Genosse Rigola das Wort zum Bericht über die italienische Gewerkschaftsbewegung erteilt.

Die Internationale Sozialistische Kommission kann auf die moralische und finanzielle Unterstützung der italienischen Gewerkschaften rechnen. Die große Mehrheit der Mitglieder der CGT steht auf dem Boden des Internationalismus, die Minderheit wird sich der Mehrheit unterwerfen, auch was den finanziellen Beitrag zur Internationalen Sozialistischen Kommission betrifft.

In Italien hat der Krieg auf die Gewerkschaftsbewegung denselben Einfluss ausgeübt, wie woanders. Z.B. von den 30.000 Bauarbeitern, die vor dem Kriege gewerkschaftlich organisiert, sind es jetzt nur noch 10.000. Den 130.000 organisierten Landarbeitern stehen jetzt 7.000 gegenüber. Die Metall- und Textilarbeiter, besonders die für den Krieg arbeitenden, sind nicht so stark in Mitleidenschaft gezogen worden, was sich unter anderem auch dadurch erklärt, dass viele Frauen in Betracht kommen. Die italienischen Gewerkschaften wollen innerhalb des Rahmens der 2. Internationale bleiben, sie werden die Wiederaufnahme der internationalen gewerkschaftlichen Beziehungen mit allen Kräften fördern, sind aber gegen eine jede Zersplitterung und Neugründung. Sie wollen verfahren wie die deutsche Opposition, innerhalb der Organisation dahin zu wirken, dass die ganze Bewegung wieder mal aufs internationale Gleise kommt und dass die, die heute Minderheit sind, Mehrheit werden.

Laukant dankt dem Genossen Rigola für seine Ausführungen. In Deutschland gibt es innerhalb der Bewegung harte Kämpfe. Die Mehrheit der Führer steht auf dem Standpunkt des 4. August und spricht sich offen dafür aus, dass die Arbeiterbewegung sich an die bürgerliche Gesellschaft anpasst. Die Massen werden aber keine solche Politik akzeptieren. Sie sind für den Klassenkampf und für das Endziel der Sozialdemokratie. Auch innerhalb der Gewerkschaftsbewegung vollzieht sich ein Gesundungsprozess. Die Führer und Redakteure, welche dem rechten Flügel angehören, haben ein jedes Ansehen bei den Massen eingebüßt. Die Massen werden ihre Klassenpolitik durchführen. Selbstverständlich fällt es ihnen auch im Entferntesten nicht ein, irgend welche Spaltungen hervorzubringen. Wie in der politischen so auch in der gewerkschaftlichen Organisation muss die Opposition durch rege Agitation und Propaganda zur Mehrheit werden. Dafür sind schon jetzt die sichersten Anzeichen vorhanden.

Abendsitzung Mittwoch, den 9. Februar 1916

Grimm schlägt vor, den französischen Text der von der 7er Kommission einstimmig angenommenen Erklärung, die von der Internationalen Sozialistischen Kommission herauszugeben sein wird, zu verlesen. Fügt hinzu, dass in dem letzten Abschnitt des Rundschreibens die Bekanntgabe und Einladung zur Konferenz u.a. Mitteilungen eingefügt sein werden. Die Erklärung wird von allen affiliierten Organisationen, der Presse und wenn nötig auch durch Flugblätter verbreitet werden.

An die Verlesung des Rundschreibens knüpft sich keine Diskussion. Es wird einstimmig angenommen. Lenin verliest Erklärung A:

Wir stimmen für das Rundschreiben, weil wir in ihm einen praktischen Schritt in der Richtung der Förderung der revolutionären Massenaktion sehen, ohne uns mit einzelnen Sätzen zu solidarisieren.

Lenin, Sinowjew, Radek"

Es wird zur Verhandlung des Traktandums „Verschiedenes" übergegangen.

Sinowjew beginnt eine Erklärung zu verlesen, in der gesagt wird, die Vertreter des OK dürfen nur als Vertreter einer Minderheit betrachtet werden, da die Mehrheit auf dem Standpunkte des Sozialpatriotismus steht.

Grimm protestiert gegen den Versuch, diese Behauptungen in der Form einer Erklärung dem Protokoll einzufügen und fragt die Anwesenden an, ob die Verlesung der Erklärung fortzusetzen sei.

Rakowski protestiert gegen die Verlesung der Erklärung, die Auseinandersetzung hätte bei der Besprechung der Mandate stattfinden sollen.

Modigliani, Serrati sind derselben Meinung.

Martow protestiert gegen den Versuch, eine Erklärung zu verlesen und dagegen, dass man sein Mandat streitig macht. Er vertritt das OK als Ganzes. Die Tatsache selbst, dass die betreffende Organisation ihn hierher delegiert, beweist, dass sie auf dem Boden der Zimmerwalder Beschlüsse steht. Ob es innerhalb der Fraktion schwankende oder zum Sozialpatriotismus neigende Elemente gibt, muss die Fraktion selbst klären bzw. dazu Stellung nehmen, das Vorhandensein solcher Elemente, die auch andere Parteien, die hier vertreten sind aufweisen, ist kein Grund um die Vertretung dem Organisationskomitee streitig zu machen. Die Leninisten hat niemand gefragt, ob und wie viel Mitglieder des ZK auf sozialpatriotischem Boden stehen. Solange das OK sprechen und Genossen Axelrod beauftragen werde, es in internationalen Zusammenkünften zu vertreten, werde es in seinem Namen sprechen und handeln. Dieses Recht kann nicht in Frage gestellt werden. Die Erklärung, welche man hier zu lesen versuche, sei nicht am Platze, gegen diesen Versuch muss entschiedener Protest erhoben werden.

Die Mehrheit der Anwesenden beschließt, die Erklärung nicht verlesen zu lassen.

Serrati schlägt im Namen des Italienischen PV vor, den ersten Mai international zu feiern.

Radek fragt an, ob die Internationale Sozialistische Kommission nicht eine Broschüre herausgeben sollte, die in verschiedenen Sprachen die Bedeutung der ersten Maifeier beleuchtet.

Grimm erwidert, die Internationale Sozialistische Kommission würde den Vorschlag in Erwägung ziehen.

Serrati fordert die Genossen auf, sich über die Beschickung des Friedenskongresses, der in Bern stattfinden wird, auszusprechen. Selbstverständlich sei er gegen die Mitarbeit mit den bürgerlichen Parteien, es handelt sich aber um eine eventuelle Demonstration zugunsten des Sozialismus, die sämtliche Genossen veranstalten können, wenn sie sich zu diesem Zwecke zum Friedenskongresse begeben würden. Jedenfalls muss eine Richtlinie bestimmt werden, die für alle auf dem Boden der Zimmerwalder Konferenz stehenden Genossen maßgebend sein muss.

Rakowski teilt mit, dass seine Partei die Einladung zum Friedenskongress bereits abgewiesen hat.

Balabanowa meint, es sei nicht der Mühe wert, die Frage zu debattieren, da es ohne Weiteres klar ist, dass die meisten Anwesenden gegen eine jede Beschickung des Friedenskongresses sind und zwar aus prinzipiellen Gründen. Die Sprechende ist ihrerseits gegen die Teilnahme am Kongresse.

Radek meint, die Frage sei nicht ohne Weiteres subjektiv zu lösen. Unter gewissen Umständen könnte die Beschickung des Kongresses zu empfehlen sein, aber im gegebenen Falle wäre es ratsamer, von der Beschickung abzusehen.

Modigliani spricht sich gegen die Teilnahme am Friedenskongress aus.

Lenin verliest Erklärung B:

Die Unterzeichneten protestieren gegen die persönliche Einladung Kautskys, Haases und Bernsteins zur Internat, Soz. Konferenz. Die Wirksamkeit der Genannten in den letzten Jahren vor dem Kriege und während der 17 Monate desselben, ihr Kampf gegen die revolutionäre Aktion der Volksmassen, ihre sozialpatriotischen und sozialpazifistischen Ansichten geben nicht den geringsten Grund zur Annahme, dass sie sich wirklich, nicht in Worten, auf den Boden der Zimmerwalder Aktion stellen könnten.

Lenin,

G. Sinowjew,

K. Radek.

Modigliani erklärt, dass, da gegen die Einladung Kautskys, Haases, Bernsteins protestiert wird, er einen Gegenprotest erhebt und fordert die Internationale Kommission auf, die Genossen Haase und Kautsky einzuladen:

Die Unterzeichneten schlagen der Internationalen Kommission zu Bern vor, zur nächsten Konferenz die Genossen Haase und Kautsky einzuladen.

Modigliani

Rakowski

Martow

Angelica Balabanowa

Kolarow

Rigola

Musatti

Grimm schließt die Sitzung um 11½ Uhr.

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