Zimmerwalder Konferenz Dritter Verhandlungstag 19150907

Dritter Verhandlungstag

(7. September)

[nach: Horst Lademacher (Hg.): Die Zimmerwalder Bewegung. I. Protokolle. Den Haag - Paris 1967, S. 115-150. Dort weitere Fußnoten]

Morgensitzung

Vorsitzender: Rakowski

Es wird eingetreten auf Punkt 7 der Tagesordnung: Friedensaktion des Proletariats. Nach einer kurzen Geschäftsordnungs-Debatte wird beschlossen, es solle dem Vorschlag des Büros gemäß jeder Redner das erste Mal 15 Minuten Redezeit erhalten, das zweite Mal 5 Minuten.1 Das Wort erhält zuerst Radek (Polen), der die von ihm und Lenin eingebrachte Resolution begründet.

Radek begründet die von der Vertretung des polnischen Landesvorstandes, des russischen Zentralkomitees, des lettischen Auslandskomitees, des schwedischen und norwegischen Jugendverbandes eingebrachte prinzipielle Resolution wie den auf ihr fußenden Aufrufsentwurf. Ohne dass die Konferenz ihren Standpunkt zum Weltkrieg und dem Zusammenbruch der Internationale klärt, wird es schwierig, wenn nicht unmöglich sein, einen Aufruf zu erlassen. Man muss sich im Klaren sein über die Vorbedingungen und Ziele der Friedensaktion. Aber nicht nur für die Konferenz ist diese Klarheit nötig, sondern für die Arbeitermassen, die – inwieweit es sich nicht um spontane Volksbewegungen handelt – erst nachdem sie sich geistig vom Banne der bürgerlichen Durchhaltepolitik getrennt haben, in den Kampf für den Frieden eintreten können.

Dieser Kampf muss seinen Mitteln und dem Inhalte nach ein revolutionärer sein. Solange die Regierungen von der Weiterführung des Krieges noch Erfolge erhoffen, kann nur ein entschlossener Druck der Arbeitermassen nützen. Nur wenn sie durch Straßendemonstrationen, politische Streike, ja durch Aufstände, sich dem Moloch entgegen werfen, können sie ihn an die Kandare nehmen. Dies wäre Revolution. Revolutionen kann man nicht machen, ihr Eintreten ist abhängig von der Zuspitzung der Verhältnisse, was bei weiterem Kriegsverlauf keinesfalls ausgeschlossen ist. Die Aufgabe der Sozialdemokratie diesen Möglichkeiten gegenüber besteht in dem Vorbereiten der Massen auf sie, in dem Aussprechen, dass ohne Revolution eine siegreiche Friedensaktion unmöglich ist, in der Bildung illegaler Organisationen zwecks unverhüllter Agitation.

Wie es keine andere Friedensaktion geben kann als eine revolutionäre, so kann sich die revolutionäre Friedensaktion mit dem Kampf um den Frieden nicht begnügen. Bei der Höhe der sozialen Gegensätze wird sie, einmal im Flusse, in den Kampf um den Sozialismus einmünden. Diesen Inhalt der Friedensaktion durch unsere Agitationsweise, durch die Losungen den Vorderreihen der Arbeiterschaft zum Bewusstsein zu bringen, ist die zweite Aufgabe der Sozialdemokratie. Nur bei einer solchen Beleuchtung der Friedensaktion als des ersten Schrittes im revolutionären Kampfe um den Sozialismus wird ein Fehlen eines sogenannten Friedensprogrammes mit all den subjektiven Wünschen betreffs der Änderungen auf der Karte Europas kein Ausweichen vor Schwierigkeiten, sondern ein Ausdruck der zum Bewusstsein gelangten Tatsache, dass im Kapitalismus die Gefahren des Imperialismus nicht mehr zu bannen sind, dass es gilt, den Kapitalismus niederzuwerfen, um auf seinen Ruinen die Fragen zu lösen, die den Krieg geboren haben.

Dies alles muss den Volksmassen klar gesagt werden. Wir können keine Friedensaktion, weder im Geheimnis vor den Staatsanwälten noch ohne Bewusstsein ihres Inhalts und ihrer Wege, führen.

Hoffmann: Es werden noch andere Resolutionen eingereicht: wir können nicht in die Diskussion eintreten, ehe alles vorliegt.

Grimm (Schweiz): Wir wollen erst darüber klar werden, was wir eigentlich bezwecken. Wollen wir ein Manifest bloß an die Parteigenossen oder an die breiten Massen der Arbeiter? Wollen wir das letzte, so muss der Aufruf einen ganz andern Charakter tragen. Ich meine, wir sollen einen Aufruf an das gesamte Proletariat erlassen. Also lassen wir zuerst darüber diskutieren, damit wir wissen, was wir wollen. Im Betreff auf die Resolution-Lenin möchte ich erstens bemerken, dass diese sich ausschließlich an die organisierten Parteigenossen, nicht an die Massen, wendet. Zweitens, dass es unzweckmäßig ist, unsere taktischen Maßnahmen vor dem Gegner zu enthüllen. (Zustimmung)

Ledebour (Zur Geschäftsordnung): Der Gedanke Grimms ist durchaus richtig. Wir müssen in die Erörterung der prinzipiellen Frage eintreten, das heißt, uns darüber aussprechen, welchen Charakter unser Appell an das Volk tragen soll.

Modigliani: Das von Grimm gestellte Problem soll noch mehr erweitert werden. Muss unsere Konferenz überhaupt ein Manifest erlassen? Mir scheint es, es wird schwer sein, uns in einem Manifest zu einigen. Es gibt zu viel Meinungsverschiedenheiten zwischen uns. Mit dem Manifest ist die Friedensaktion nicht zu Ende, sondern fängt erst an. Ein Manifest zu formulieren, ist nutzlos. Von weit größerem Wert ist es, einen Organismus zu schaffen für die Friedensarbeit. Wir müssen ein Komitee einsetzen, das sich mit dieser befassen wird. Selbstverständlich müssen wir einige allgemeine Grundsätze aufstellen. Dass unsere Konferenz den Ausgangspunkt zu einer dritten Internationale bilden wird, glaube ich kaum. Vielleicht ist die zweite noch nicht tot, sie existiert noch, politisch und moralisch. Was wir tun müssen, ist ein Komitee einsetzen, dessen Aufgabe es sein wird, die zweite Internationale wieder aufleben zu lassen. Darüber also wollen wir zuerst beraten.

Rakowski (Rumänien): Die Konferenz soll entschließen, ob sie im Prinzip der von Modigliani vorgeschlagenen Umkehrung der Tagesordnung: zuerst Einsetzung eines Komitees, zustimme.

Ledebour (Deutschland) spricht gegen Modigliani. Der Gedanke eines Komitees ist schon in der Tagesordnung vorgesehen. Wir können diese nicht beseitigen, weil sie einstimmig angenommen worden ist.

Modigliani zieht seinen Antrag zurück.

Lenin: Grimm irrt sich, wenn er sagt, unsere Resolution und unser Manifest richten sich nicht an die Massen. (Er schlägt Übersetzung auch des Manifestes auf französisch vor).2

Bourderon (Frankreich) schlägt eine Unterbrechung der Sitzung vor, damit die französische Delegation sich mit der deutschen ins Einverständnis setzen könne. Während der Zeit kann man die verschiedenen Entwurfsresolutionen übersetzen und die der Konferenz unterbreiten.

Rakowski ist gegen die Unterbrechung der allgemeinen Diskussion. Wir wollen jetzt weiter diskutieren und dann eine Kommission einsetzen, die die verschiedenen Entwürfe prüfen soll.

Grimm (Schweiz): Es geht wegen des Zeitverlustes nicht an, die Sitzung zu unterbrechen, bis die Resolution Radek-Lenin auf französisch übersetzt sei. Setzen wir die allgemeine Diskussion fort. Wenn wir uns grundsätzlich darüber geeinigt haben werden, was wir wollen, würde es der Prüfungskommission nicht schwer fallen, die Fassung auszuarbeiten.

Ledebour: Wir brauchen nur fünf Minuten, um uns mit den Franzosen zu verständigen.

Die Sitzung wird für kurze Zeit aufgehoben.

Nach Wiedereröffnung der Sitzung erhält zuerst das Wort

Ledebour (Deutschland): Zuerst ein paar Worte zur Geschäftsordnung. Die deutsche Delegation präsentiert der Konferenz zwei Dokumente. Das eine ist eine Erklärung, die von den deutschen und französischen Genossen gemeinsam formuliert worden ist. Sie sehen also dass es möglich ist, dass deutsche und französische Sozialisten zusammenarbeiten (Beifall).3

Die Berliner Genossen, von denen ich mein Mandat zur Konferenz erhalten habe, waren einstimmig der Anschauung, dass wir hier zusammenkommen, um zu erfüllen, was das Internationale Sozialistische Büro nachgelassen hat, nicht um die 3. Internationale zu gründen. Wir wollen die Wege und Mittel beraten, welche einzuschlagen sind, um eine möglichst internationale Kundgebung für den Frieden zu erreichen. In welchem Geist muss unser Manifest abgefasst werden? Am wirksamsten wird es sein, uns auf diesen Punkt zu konzentrieren: wie erreichen wir am besten eine internationale Friedensbewegung?

Auf diesem Wege brechen wir viele Vorurteile und machen Propaganda für den internationalen Sozialismus. In der propagandistischen Tat liegt die Bedeutung der Konferenz (sehr richtig). – Die Resolution Lenin ist unannehmbar. Wir alle wünschen, dass es zu einer revolutionären Aktion komme, aber die detaillierte Aufforderung zu revolutionären Aktionen soll man nicht in die Welt hinausposaunen. (Redner gibt eine kurze Aufzählung der Aufforderungen in der Leninschen Resolution.) Vielleicht wird es tatsächlich zu revolutionären Aktionen kommen, jedoch nicht deshalb, weil wir in einem Manifeste dazu auffordern. Wer ein solches Manifest unterzeichnet, hat selbst die Pflicht, voranzugehen (Zustimmung). Wir sollen nicht von hier aus einen solchen Aufruf an andere Leute richten, nicht Leute, die sich in Sicherheit befinden wie einige der Unterzeichner, sollen es tun. In Berlin haben wir auch schon Massendemonstrationen gemacht, so vor einigen Jahren die große Kundgebung im Tiergarten, die gegen den Willen der Polizei stattfand. Wir hatten aber nicht vorher in alle Welt hinaus trompetet, dass wir etwas machen wollten. Gewiss ist eine Agitation in den Schützengräben wünschenswert, es wird schon darauf hingearbeitet, jedoch sie wird auf eine mehr praktische Art betrieben, als wozu im Leninschen Manifest aufgefordert wird. In den kriegführenden Ländern wären die Unterzeichner und Verbreiter eines solchen Manifestes gleich erledigt, schon deshalb kann, wer wirkliche Aktion will, ihm unmöglich zustimmen. Wir können nicht weitergehen, als dazu auffordern, den Klassenkampf wieder aufzunehmen, ihn mit den gewöhnlichen Mitteln fortzusetzen, solchen Mitteln, die auch im Frieden zur Anwendung gelangen.

Die deutsch-französische Deklaration, welche wir vorschlagen, steht auf diesem konkreten Standpunkt. Es wird in ihr auch ausdrücklich die Forderung hervorgehoben: Keine Annexionen. Dies gilt selbstverständlich auch für Polen. Die deutsche sozialdemokratische Opposition steht auf dem Standpunkt, dass das polnische Volk ganz dieselben Rechte auf Selbstbestimmung hat als das deutsche Volk usw. Wenn die polnischen Delegierten in dieser Sache ein Amendement zu unserer Resolution einbringen wollen, so wird die deutsche Delegation das gerne akzeptieren.

Die leitenden Gesichtspunkte für das zu erlassende Manifest müssen also sein: Kampf des Proletariats für den Sozialismus. Der Kampf gegen den Krieg ist ein Teil dieses Kampfes, er enthält den Keim der neuen Internationale, er bildet den Anfang des Kampfes für die allgemeine Erneuerung der Taktik. Wir gehen großen revolutionären Kämpfen entgegen: Die Aktion für den Frieden soll uns in die neue Epoche des Klassenkampfes hinüber leiten. – Redner verliest zum Schluss das von den deutschen Delegierten vorgeschlagene Manifest.4

Lenin (ZK): Es war unausbleiblich, dass es hier zum Meinungskampf zwischen uns und Ledebour kommen würde. Ich muss jedoch protestieren gegen die Weise, in der Ledebour Radek hier angegriffen hat. Es ist unerhört zu behaupten, unser Manifest sei bloß unterschrieben von Leuten, die sich in Sicherheit befinden. Auch der lettische Delegierte und Borchardt haben unterschrieben. Auch ist es ein altes, schäbiges Argument, zu behaupten, es gehe nicht an, die Massen aufzurufen zu revolutionären Aktionen, wenn man sich selbst daran nicht unmittelbar beteiligen kann. Des weiteren bestreite ich, dass man die Kampfesmittel nicht erwähnen soll. Es ist dies in allen revolutionären Perioden geschehen. Man muss die Mittel vor die Massen bringen, damit sie erläutert und diskutiert werden können. Wir in Russland haben immer nach dieser Methode gehandelt; gerade die Erläuterung der Kampfesmittel hat schon in den Jahren vor der Revolution den Inhalt der Diskussionen zwischen Plechanow und mir gebildet. Als in 1847 die objektive geschichtliche Situation Deutschland vor die Revolution stellte, haben Marx und Engels von London aus den Aufruf erlassen, indem sie an die Gewalt appellierten.5 Die deutsche Bewegung steht vor einer Entscheidung. Stehen wir heute wirklich vor einer revolutionären Epoche, in der die Massen zum revolutionären Kampfe übergehen werden, dann müssen wir auch die zu diesem Kampfe notwendigen Mittel erwähnen. Nach der revisionistischen Auffassung von David usw. ist dies selbstverständlich zwecklos: Sie glauben ja gar nicht, wir stünden vor einer revolutionären Epoche. Wir, die es glauben, sollen anders handeln. Man kann nicht Revolution machen wollen, ohne die revolutionäre Taktik zu erläutern. Es war gerade dies eine der schlechtesten Eigenschaften der zweiten Internationale, dass diesen Erläuterungen immer aus dem Wege gegangen ist, das ist es, was die holländischen Tribune-Marxisten ganz richtig den „Passiven Revolutionarismus" des deutschen Zentrums nannten.

Nun zu der Frage der Verfolgungen: Die in Deutschland werden überhaupt nicht ausschließlich legal vorgehen können, wenn sie wirkliche Aktion wollen. Sie werden die legale mit der illegalen Tätigkeit vereinen müssen. Die alten Methoden genügen nicht mehr in der neuen Situation. Sie selbst sagen: wir gehen einer Epoche von großen Klassenkämpfen entgegen. Dann müssen Sie auch die Mittel dazu wollen. Es ist doch nicht notwendig, das Manifest mit der Namensunterzeichnung erscheinen zu lassen, es könnte auch ohne Namen erscheinen. Jedenfalls sollen sie nicht halb legal vorgehen wie z.B. Cl. Zetkin. Das erfordert zu viel Opfer.

Die Sache steht so: entweder wirklicher revolutionärer Kampf oder nur leeres Geschwätz, das nur den Fahnenflüchtigen helfen wird, gegen welche Liebknecht sich in diesem Briefe so scharf äußert. Für den Frieden sein, hat an sich keine Bedeutung. Auch David schreibt: Wir sind nicht für den Krieg, sondern nur gegen die Niederlage. Den Frieden will jedermann. Wir müssen der neuen Situation gemäß neue, originelle Kampfesmittel schaffen, die weder den alten deutschen noch den russischen ganz ähnlich sind.

Grimm (zur Geschäftordnung): Die Diskussion sollte jetzt geschlossen und die Kommission zur Beratung der Resolution eingesetzt werden. Es ist sehr wohl möglich, dass die Konferenz weder der einen noch der andern zustimmt. Ich für mich bin der Meinung, dass diese Konferenz keine prinzipielle Resolution ausarbeiten kann, sondern nur eine Kundgebung in der Form eines Manifesterlasses und eine Zentralstelle zur weiteren Verständigung einsetzen. Vielleicht könnte man diese Zentralstelle beauftragen, den Entwurf Radek als Grundlage zu nehmen zur spätem Erarbeitung einer prinzipiellen Resolution; nachdem wir uns hier über die Grundlinien vereinbart haben. Im allgemeinen stimme ich der Resolution Radek zu wegen taktischer Gründe, jedoch nicht dem Manifest.

Nun zur Frage: Was sollen die Grundlinien des Manifestes sein? Mit einem Stück Papier ist nichts für die revolutionäre Friedensagitation zu tun. Das deutsche Manifest soll viel schärfer und in Bezug auf die Mittel, viel konkreter gefasst werden. Es ist nicht genug, den Klassenkampf zu erwähnen, es muss zu wirtschaftlichen Kämpfen aufgefordert werden; wir müssen uns das „Durchhalten" erklären usw. Die Forderung einer Agitation in den Schützengräben können wir nicht aufstellen; so etwas tut man, aber sagt es nicht. (Stimmen: sehr richtig). Man schafft keine neuen Kampfesmittel dadurch, dass man die revolutionären Kampfesmittel aufzählt, sondern man muss über die Situation aufklären: Aus Einsicht in die weltpolitischen Zusammenhänge soll die revolutionäre Kampfesweise hervorgehen.

Auch manches andere vermisse ich im deutschen Manifest. So die deutliche Erklärung, dass wenn die französische Regierung heute erklärt, dass sie Elsass-Lothringen zurückerobern will zum Zweck der Befreiung der Bevölkerung, es sich in Wahrheit nicht um diese Befreiung, sondern um militärisch-strategische Interessen handelt. Und dasselbe trifft zu für Belgien, Polen usw. Das soll mit aller Schärfe gesagt werden. (Zustimmung: sehr richtig.)

Rakowski: Wir sind nicht nur hier zusammengekommen, um ein Manifest abzufassen, sondern auch, um uns darüber klar zu werden, weshalb die Internationale nicht mehr besteht, welche Richtung man einschlagen will. Es handelt sich vor allem um die offene Aussprache; wir wollen in der Diskussion fortfahren und die Genossen aller Länder hören.

(Also keine Sabotage) (Zu Grimm).6

Ein Antrag Grimms (Schluss der Diskussion) wird abgelehnt.

Meyer (Deutschland) hat der deutschen Resolution zugestimmt, jedoch sich vorbehalten, seine Anschauungen zum Ausdruck zu bringen. Er will reden über die Situation des Proletariats und die Frage erläutern, weshalb alles so gekommen, weshalb die Internationale zusammengebrochen ist. Unser Manifest soll die Kennzeichen der Situation erläutern; wir haben nur ein Recht, hierher zu kommen, wenn wir die Frage beantworten, weshalb das Proletariat versagt hat. Er will nur über das deutsche Proletariat reden, über das Versagen der Mehrheit.

Bis zum Kriege nahmen wir an, dass die deutsche Arbeiterklasse an der Spitze der int. Massen marschierte, dass die große Mehrheit des Proletariats sozialistisch sei. Dies war eine Illusion; nur eine Avantgarde war wirklich sozialistisch, die große Masse jedoch befand sich noch im Banne bürgerlicher Anschauungen. Viele, die nominell zur Partei gehören, befinden sich faktisch im Banne des Bürgertums.

In unseren früheren Aktionen, in unserem ganzen Auftreten, haben wir nicht scharf genug den Strich zwischen bürgerlicher und proletarischer Gesellschaft gezeichnet. Wir haben die Massen nicht zum Sozialismus erzogen. Dies rächt sich heute. Der Krieg hat gezeigt, dass große Teile, vor allem der unorganisierten Arbeiterschaft, den imperialistischen Ideen stark zugänglich sind. Aus dieser Tatsache geht der Unterschied hervor zwischen dem Verhalten der Partei und der Fraktion. Die Fraktion stützt sich auf die Masse der Wähler, zu denen Millionen von Unorganisierten gehören, und bringt unvermeidlich die Stimmungen und Anschauungen dieser Massen zum Ausdruck.

Nun zu den Ansichten des Kampfes und zur Frage der Mittel. Man sagt: wir gehen revolutionären Kämpfen entgegen, aber Ledebour und Lenin verstehen nicht dasselbe unter revolutionären Kämpfen. Wir in Deutschland sind nicht an diesen Ausdruck gewohnt, wir sprechen von sozialen Kämpfen. Ledebour hat recht: der Prozess der geistigen Aufklärung wird infolge des Krieges ein rascheres Tempo annehmen, jedoch im heutigen Augenblick ist noch kein nennenswerter Bruchteil des deutschen Proletariats für solche Aktionen zu haben, wie das Leninsche Manifest sie aufzählt. – Welchen Weg müssen wir einschlagen, um dazu zu kommen?

Ein Teil der alten Methoden wird auch nach dem Kriege nicht mehr anwendbar sein; es ist z.B. wohl zweifellos, dass die scharfe Zensur in der einen oder andern Form beibehalten wird. Dies wird heute schon auch in bürgerlichen Kreisen gefordert. Wir haben nach dem Kriege keine volle Freiheit zu erwarten, in dieser Hinsicht wird keine günstigere Situation eintreten. Ein weiteres ungünstiges Moment ergibt sich aus der Tatsache, dass während des Krieges die imperialistischen Ideen unter der Arbeiterschaft eine größere Verbreitung gefunden haben. Die Partei hat dazu selbst beigetragen, indem sie in ihrer gesamten Tätigkeit die nationalen Zusammenhänge immer sehr stark betonte. Wir werden das künftig ändern müssen und auf praktischem wie auf theoretischem Gebiet, das internationale Zusammengehen so stark wie möglich hervorheben. Das, was auf dem Balkan schon verwirklicht sei, müsse für das gesamte europäische Proletariat verwirklicht werden. Selbstverständlich könne die Konferenz alle diese Aufgaben nicht lösen, es sei jedoch notwendig, schon heute darauf hinzuweisen, dass die Arbeiterschaft sie lösen müsse.

Bourderon (Frankreich) schlägt – um Polemiken zu vermeiden – vor, es solle von jeder Nation nur ein Delegierter zu Wort kommen.

Rakowski (Rumänien): Polemiken sind unvermeidlich: Es ist besser, die Diskussion fortzusetzen.

Trotzki (Nasche Slowo): An wen wenden wir uns mit dem Manifest? An die Massen oder bloß an die Partei, und Massen sind nicht fest und stark, sondern fließend.7 Bei den letzten Wahlen in Deutschland gaben 4 Millionen ihre Stimme für die Sozialdemokratie ab. Gewiss sind diese Massen noch nicht sozialistisch durchgebildet, sind heute noch nicht für jede Aktion wider den Krieg zu haben. Jedoch ebenso wenig bilden sie ein gänzlich unvorbereitetes Gebiet.

Diese Massen sind im heutigen Moment desorientiert, angesteckt vom Chauvinismus; wir können ihnen kein Licht geben und keine Richtung zeigen, wenn wir nicht in der innerpraktischen Frage uns scharf und klar aussprechen. Diese Masse hört nicht nur uns, sondern auch David, also müssen wir ihr doch sagen, dass wir einer Taktik à la David Todesfeind sind. In Bezug auf die revolutionären Aktionen bin ich nicht überrascht über das, was Meyer gesagt hat. Der linke Flügel der Partei ist desorientiert. Es hat sich gezeigt, dass unsere Weisheit noch nicht in die Massen eingedrungen war. Jetzt sagt man „wir müssen von neuem anfangen". Wir müssen mehr Bildungskurse abhalten, mehr Broschüren verteilen usw. Diese Auffassung ist ganz abstrakt. Wir arbeiten doch schon seit 50 Jahren, wir haben in Deutschland eine Reihe von großen revolutionären Agitatoren gehabt, Lassalle usw. Wie kann man da sagen, es sei eigentlich noch sehr wenig geschehen? Wir wollen nicht vergessen, dass die Erziehung der Massen bedingt wurde durch die Verhältnisse der nichtrevolutionären Epoche, welche hinter uns liegt. Es wäre äußerst zu bedauern, wenn jetzt gerade in dem linken Flügel eine neue Täuschung auftauchen würde, nämlich die Unterschätzung dessen, was in der hinter uns liegenden Epoche erreicht ist. Wir müssen uns klar darüber werden, dass die neuen Bedingungen der revolutionären Epoche, in die wir eingetreten sind, zu einer neuen Kampfesweise drängen. Wenn die Abbildung dieser Bedingungen in unseren Köpfen schon so weit vorgeschritten ist, dass wir daraus die Notwendigkeit einer neuen Taktik ableiten können, so werden sie sich auch stark genug beweisen, eine solche zu erzeugen.

Mit der Resolution Radek bin ich im Ganzen und Großen einverstanden. Im Manifest soll man nicht die ganze Frage des Programmes aufschneiden, nicht weil man eine Resolution in diskreter Weise machen kann, wie Grimm glaubt, sondern weil man vor den Massen ganze revolutionäre Programme aufrollen soll, weil sie es nicht im konkreten Sinne verstehen werden. Jedoch werden wir es nicht umgehen können, in der einen oder andern Form die Tatsache in die Welt zu tragen, dass die Massen den Burgfrieden aus der Welt schaffen müssen. Ich komme hiermit auf die Frage, welche im Mittelpunkt der Diskussion über die Taktik steht: die Frage der Kreditbewilligung. Für das ganze revolutionäre Proletariat Europas gibt es heute nur eine revolutionäre Fraktion: die Fraktion Liebknecht. (Zustimmung). Die französischen und russischen Arbeiter wissen, dass Liebknecht sich nicht scheute, den Burgfrieden zu brechen, dass er sich ganz unzweideutig und klar auf die Seite des internationalen Sozialismus stellte. In der heutigen Situation existiert das parteipolitische Argument nicht mehr, es hat bloß das weltpolitische noch Bedeutung. Die Tat Liebknechts hat einen ungeheuren Eindruck auf die Öffentlichkeit gemacht. Damit jedoch dieser Eindruck sich steigert, damit er auf die Gegner einwirken sollte, wäre es notwendig gewesen, dass er auch andere mit sich fortgerissen hätte. Als Liebknecht zum dritten Male im Reichstage die Kriegskredite ablehnte, begrüßte ihn das höhnische Gelächter der Patrioten: In ihm ridikulisierte man die Ohnmacht des deutschen Radikalismus.

Zum Schluss will ich einige Worte sagen über den Umfall des französischen Sozialismus. Gewiss gibt es in psychologischer Hinsicht für diesen Umfall mildernde Umstände, in politischer Hinsicht jedoch akzeptiere ich sie nicht. Die militärische Lage Frankreichs macht die Situation dort viel schwieriger; die Gefahr des sozialen Imperialismus und Chauvinismus ist viel größer. Deshalb ist der Mut auch sehr hoch zu bewerten, welchen unsere Genossen Merrheim und Bourderon bewiesen haben, indem sie hervorgekommen sind. (Beifall). Ich möchte Ihnen jetzt unsern Entwurf zum Manifest vorlesen (Redner verliest den Entwurf Trotzki – Roland Holst).

Schluss der Sitzung 1 Uhr Mittag

Mittagssitzung

Vorsitzender Rakowski

Platten (Schweiz): Man lässt sich meiner Ansicht nach allzu sehr von dem Verlangen nach Einigkeit beherrschen. Es wäre doch vor allem wünschenswert, in einer Resolution die Prinzipien klar zu formulieren. Die deutsche Minorität soll sich ganz unzweideutig aussprechen (Hoffmann und Vogtherr unterbrechen den Redner. Sie sind ganz mit ihm einverstanden, jedoch die Deutschen können [sich] wegen juristischer Gründe in der Frage der Kriegskredite nicht formell festlegen. Es steht in Deutschland den Abgeordneten das Recht nicht zu, sich andern gegenüber für irgendeine Haltung formell zu verpflichten).

Merrheim: Wir haben uns mit den Deutschen in einer gemeinsamen Kundgebung geeinigt, die ich Ihnen jetzt vorlesen möchte. Wir sind ausgegangen von der Voraussetzung, dass es das Wichtigste sei, unsere gemeinsame Auffassung über die Ursachen und die Folgen des Krieges klar zu stellen. (Redner verliest die deutsch-französische Erklärung, welche großen Beifall findet).

Lazzari möchte den Zielen der Konferenz einige Worte widmen. Wir Italiener befinden uns in der glücklichen Lage, einig zu sein. Es ist uns dies Glück nicht mühelos in den Schoß gefallen. Viele Jahre schwerer, erbitterter innerer Kämpfe sind ihm vorausgegangen. Der Geist der Einheit ist unsere stärkste Waffe, ist die Wurzel unserer Kraft; und wenn Lenin mit einer Art innerer Freude auf die Uneinigkeiten bei den Genossen der andern Länder hinweist, so will ich ihm entgegnen, dass ich diese Uneinigkeit für ein großes Unglück halte.

Ich erkläre mich gegen jede Abfassung eines Manifestes. Wir sind eine Minderheit in den Parteien, diese selbst wieder eine Minderheit in der Nation. Mir kommt es prätentiös vor, uns Aufrufe zu erlassen, vor allem im Tone Radeks. Weder kann ich die in der Resolution Radek-Lenin enthaltenen Mittel akzeptieren. Man soll betonen, was die Parteien vereinigt, nicht, was sie trennt. Ich glaube nicht, dass wir eine Revolution herbeiführen können dadurch, dass wir die insurrektionellen Kampfesmittel aufzählen. Wir sind nicht für Insurrektionen, schon weil wir nicht die Kraft haben, sie siegreich durchzuführen. Ein Manifest würde uns nur trennen, in einer Resolution jedoch können wir uns alle vereinen. Es müsste eine solche Resolution enthalten:

a) Einen allgemeinen Überblick der Situation, die Hervorhebung des imperialistischen Charakters des Krieges.

b) Die Verurteilung des in verschiedenen Ländern gefolgten Kurses, der die Internationale desorientiert und zersplittert hat. Man sollte sich berufen auf die Beschlüsse der Int. Kongresse, um die Genossen zu verurteilen, die in die Regierung ihres Landes eingetreten sind und für die Kriegskredite gestimmt haben.

c) Schließlich sollten wir unsere Aktion zur raschesten Beendigung des Krieges feststellen und zur Wiederherstellung von friedlichen Beziehungen zwischen den Völkern. Solange der Kapitalismus herrscht, wird auch die Gefahr neuer Kriege weiterbestehen. Zum dauerhaften Frieden wird es erst kommen, wenn der Sozialismus gesiegt haben wird. Wenn wir dies tun, legen wir den Grundstein der neuen Internationalen und können wir Hoffnung tragen, dass die Fehler der Vergangenheit sich in der Zukunft nicht wiederholen werden.

Bourderon: Das Ergebnis der Konferenz muss eine gemeinsame Deklaration sein. Handelte es sich darum, in Theorien zu machen, so stünden wir vielleicht der Auffassung Radeks nahe. Gewiss werden diese Fragen von der neuen Internationalen gelöst werden müssen, aber ist es zu diesem Zwecke, dass wir heute zusammengekommen sind? Nichts verbürgt uns, dass man uns folgen wird, wenn wir zum revolutionären Kampf, zur Insurrektion, auffordern. Wir wünschen die Mittel zu finden, um dem Krieg ein Ende zu machen. Gewiss sollen wir auch während des Krieges nicht vergessen, dass wir vor allem Lohnarbeiter sind, und als Sozialisten andere, weitere Ziele haben als den Frieden, aber heute verdeckt die erschütternde Tatsache des Krieges alles andere. Man würde uns nicht verstehen, wenn wir uns auf den Boden der Theorie stellten. Wenn wir jedoch zum Kampfe für den Frieden auffordern, so werden wir so viele werden, dass die Regierung erschrecken wird. Vielleicht wird es sich bei uns möglich erweisen, Versammlungen abzuhalten, wenigstens im Zentrum des Landes wo der Kriegszustand jetzt aufgehoben ist. Wir werden mit der Minorität im Parti Ouvrier uns beraten können. Diese Minorität ist ansehnlich; von der Parlamentsfraktion gehören zu ihr 29 pro8 31 Abgeordnete, die gegen die Erklärung des Vertrauens zu der Regierung gestimmt haben. An die deutschen Genossen will er sagen, dass auch in Frankreich die Arbeiter unter der Macht des Gesetzes stehen, jedoch, wenn die Legalität zu drückend ist, so gehen sie über die Legalität hinweg. Wir versichern Ihnen, dass wenn wir agitieren werden für die Auffassung, dass die Arbeiterklasse je mehr verliert, desto länger der Krieg dauert, es auch bei uns viele Genossen geben wird, die uns bekämpfen, weil wir die Landesverteidigung schwächen. Das wird uns jedoch nicht davon abhalten, unsere Pflicht zu erfüllen. Auch an der Front haben französische Arbeiter ihre Freiheitsliebe, ihre Gewohnheit, ihren Willen kundzutun, erhalten. Dieser Umstand ist für uns von großem Wert. Der Hauptknoten des Krieges liegt zwischen den Deutschen und uns Franzosen. Wenn wir einander unterstützen, würde die Bewegung gegen den Krieg wachsen, und es wird vielleicht möglich sein, der Metzelei ein Ende zu machen.

Vielleicht werden wir in Bälde wieder zahlreich zusammenkommen. Dann wird es Zeit sein, dass Genosse Radek an die Abfassung einer prinzipiellen Resolution geht. Was heute vor allem geschehen soll, ist, auf Beendigung des Krieges hinzuwirken.

Tschernow will nur über einige spezielle Punkte reden. Zu den deutschen Genossen sagt er: Wir drängen Ihnen unsern Standpunkt nicht auf, wir wollen, dass sie sich selbst aufdringen, was sie zusammen mit uns beschlossen haben. Er erinnert an den Internationalen Kongress zu Amsterdam und an die Rolle Jaurès', der sich der internationalen Disziplin und den internationalen Interessen gefügt hat. Heute haben wir das Recht, von Ihnen ein ähnliches Opfer zu verlangen. Was soll die richtunggebende Idee unserer gemeinsamen Kundgebung sein? Ausschließlich der Kampf für den Frieden oder der Gedanke der großen Umwälzung dieses Kampfes in jenen für die soziale Revolution? Ich will hier nicht den besonderen russischen Standpunkt zur Sprache bringen, der unserer besonderen Lage entspricht.

Jedoch ausdrücklich will ich hervorheben, dass meiner Meinung nach der Hauptgedanke des Manifestes der Umschlag der Kriegskrise in eine revolutionäre Krise sein muss. Unsere Beschlüsse müssen von diesem Prinzip beherrscht werden. Das ist der einzige Weg, auf dem wir die Internationale von neuem zu einer moralischen Macht erheben können und die Massen aus ihrer dumpfen Niedergeschlagenheit herausziehen. Deshalb erklären wir uns im Prinzip mit der Resolution Radek einverstanden, nicht jedoch mit seinem Manifest.

Thalheimer: Der Kampf für den Frieden kann nicht direkt erfolgreich sein. Es muss ein Kampf sein für den Zusammenschluss der Massen, zur Erneuerung des Klassenkampfes. Zu Massenaktionen sind wir im gegenwärtigen Moment zu schwach. Das Manifest soll sich richten an die Massen. Der alten Politik soll es die neue entgegenstellen, auch wo diese weiß, ihren Willen noch nicht erzwingen zu können. Aus strategischen Gründen ist es wohl nicht möglich, das Manifest Radek zu veröffentlichen. Nicht Mangel an Mut bestimmt unsere Haltung: wir von der Minorität sind vollkommen bereit zu illegalen Mitteln. Liebknecht hat großen Anhang: Die ganze süddeutsche Opposition steht hinter ihm, seine Tat war eine Erlösung, ein Flammenzeichen in der Finsternis. (Zustimmung). Wir von der äußersten Linken wenden uns schon an die Massen, jedoch unsere energischsten Vorkämpfer stecken im Gefängnis.

Sinowjew: Fast alle bisherigen Redner haben sich bis jetzt für unsere Resolution ausgesprochen. Das Manifest Trotzki tut einen Schritt vorwärts im Vergleich zum deutschen Entwurf. Was jedoch fehlt, ist der Kampf gegen den Kautskyanismus. Er wendet sich gegen Ledebour und hält ihm vor, wie schon einmal, das während des Sozialistengesetzes die deutsche Partei neben den legalen auch die illegalen Mittel akzeptiert hat.

Serrati: Wäre der Krieg noch keine Tatsache, so würde ich der Leninschen Resolution zustimmen. Heute kommt sie zu früh oder zu spät. Der Krieg ist von sehr starken Minoritäten durchgesetzt worden, wären wir zur Anwendung gewaltsamer Mittel bereit gewesen, so hätten wir ihn verhindern können.

Zur Frage des Zusammenbruchs der Internationale will ich bemerken, dass man vor allem die Rolle der Gewerkschaften ins Auge fassen muss. Ihre Tätigkeit hat diejenige der Partei demoralisiert, die Gewerkschaften haben sich überall gegen jede Aktion gegen den Krieg erklärt. Weiter haben wir uns seit vielen Jahren auf die legalen Methoden eingeschworen, jetzt können wir nicht mit einem Male die Geistesverfassung des Proletariats ändern. Das Proletariat ist den revolutionären Minoritäten nicht gefolgt, die es auf andere Bahnen führen wollten. Auch die Jugend hat sich davon entwöhnt, ihrer Sache Opfer zu bringen. Wir müssen für eine völlige Umkehrung der Taktik eintreten, die Internationale soll sobald als möglich zur revolutionären Kampfesweise zurückkehren.

Roland Holst (Holland): Es ist von einigen Delegierten die Feststellung der theoretischen Richtungslinien mit dem Kampf für den Frieden in einen gewissen Gegensatz gebracht worden. Ich kann diese Auffassung nicht akzeptieren: Mir scheint es, wir sollen das eine tun und das andere nicht lassen. Es ist nicht zu früh zur Vorzeichnung der Wege für die taktische Entwicklung. Diese ganze revolutionäre Lage ist doch nicht unvermittelt über uns hereingebrochen; schon in der Broschüre über den Massenstreik und die Gewerkschaften, die Rosa Luxemburg im Revolutionsjahre 1905 veröffentlichte, findet sich manches über die neue Taktik, was heute noch zutrifft.

Jedoch mit der Vergleichung der theoretischen Richtungslinien ist es nicht getan. Die Arbeitermassen der kriegführenden Länder sind zwar kriegsmüde, aber es fehlt ihnen die Energie zum Kampf, weil sie durch den Zusammenbruch der Internationale den Glauben an den Sozialismus verloren haben. Es ist vor allem notwendig, sie zum Kampfe für den Frieden, der zum Ausgangspunkt revolutionärer Kämpfe werden kann, zu gewinnen. In diesem Geiste ist der Entwurf, den Trotzki und ich eingereicht haben, gehalten.

Die größte Ermunterung jedoch ist die Tat, das Beispiel der Opferwilligkeit für unsere Überzeugung. Eine revolutionäre Zeit erheischt Opfer von uns allen, aber nicht für uns alle nimmt das Opfer die gleiche Form an. Und ein schwereres Opfer vielleicht als das Einsetzen der Persönlichkeit, ist das Brechen mit fest gewurzelten Traditionen, das Aufgeben des alten Menschen. Die Franzosen müssen jetzt das Opfer bringen, sich loszusagen von ihrer alten demokratischen Tradition der völkerbefreienden Rolle ihres Landes. Ihr Deutschen sollt das Opfer bringen der Partei-Tradition, der Legalität und Disziplin. Und dies ist doppelt schwer, weil die deutsche Arbeiterbewegung sich durch legale Aktion und starke Disziplin so gewaltig entwickelt hat. Jedoch wie wichtige Waffen Disziplin und Einheit sind, eine ist wichtiger: Der Sozialismus.

Zu den deutschen Genossen sage ich: Wir wollen sie in der Frage der Kriegskredite nimmermehr zwingen, sondern wir möchten Sie überzeugen. Nicht nur auf Grund der Beschlüsse der internat. Kongresse sollen sie die Kredite ablehnen, sondern weil sie selbst verstanden haben, wie die revolutionäre Situation das Opfer zäher Partei-Traditionen von Ihnen fordert.

Martow (OK Russland): Wir wollen den deutschen Genossen kein konkretes System aufdrängen, aber wir sind der Meinung, dass man heute weniger wie je die allgemeine europäische Situation unberücksichtigt lassen kann. Die deutsche Partei hatte die Vorherrschaft in der Internationale, deshalb reden wir hier ja so viel von ihr. Die internationale Gesinnung der deutschen Sozialdemokratie war ein starker Halt für uns Sozialisten der zurückgebliebenen Länder. Als die deutsche Partei sich der Nationalverteidigung anschloss, ist in den Massen der Glaube an den Sozialismus ins Wanken gekommen. Was müssen wir unsern Arbeitern sagen, wenn die deutschen Abgeordneten hier erklären, dass sie künftig nicht anders handeln werden? Entweder ihre Taktik oder die unsere ist grundfalsch. Das bürgerliche russische Blatt Rjetsch9 hat vor einiger Zeit versucht, den Arbeitern an dem Beispiel der deutschen Partei klar zu machen, sie sollten ihre bisherige Taktik ändern (Stimmen: hört, hört). Gewiss, auch bei uns gibt es Genossen, die sich fragen, ob es nicht Zeit wäre, der nationalen Verteidigung Opfer zu bringen. Es ist kein Zufall, dass hier über die Stellungnahme der deutschen Fraktion so viel gesprochen wurde: sie hat große Wichtigkeit für die internationale Bewegung. Wir sind gegen die materielle Sabotage, aber wir haben immer gesagt: die einzige Art und Weise, in der man den Krieg bekämpfen kann, ist, ihn moralisch zu sabotieren. Da hat die Zustimmung oder Ablehnung der Kredite einen gewaltigen Einfluss. Ich habe französische Deputierte gefragt, weshalb sie nicht gegen die Kredite stimmen. Sie antworteten: „Weil es die kriegerische Begeisterung in den Schützengräben gleich dämpfen würde". Daraus ersehen Sie, ein wie schwerwiegendes Mittel die Ablehnung der Kredite ist: Sie macht es jedem einfachen Soldaten klar, dass der Krieg den Interessen des Volkes entgegengesetzt ist. Es ist unsere Pflicht, darauf hinzuwirken, dass die Soldaten nicht länger mit Begeisterung kämpfen. Es ist nicht an uns, den Deutschen eine taktische Übereinstimmung mit den Serben usw. aufzudrängen, dass wir die Fraktionsmitglieder auffordern, dem Beispiel Liebknechts zu folgen, aber weil sie sonst die Massen immer mehr entmutigen werden. Das Joch des Burgfriedens muss zertrümmert werden. Kein Mensch wird sagen können, dass die deutsche Minorität dem Druck nachgibt. Wir alle wissen, dass sie nicht für die Bewilligung war; wenn wir in unserm Manifest ausdrücklich die Ablehnung fordern, wird niemand sagen, dass sie erzwungen worden ist.

Auch die französischen Genossen haben eine Tradition gebrochen: jene des Syndikalismus. Sie gehen zum ersten Male mit uns Sozialisten zusammen im Kampfe für den Frieden im Interesse des Proletariats sowie wir mit ihnen.

Radek (Polen): Er ist überzeugt von der Notwendigkeit einer besonderen Resolution über die Richtungslinien. Und zwar erstens, weil es notwendig sei, den Kampf für den Frieden von der allgemeinen Seite zu beleuchten, klar zu machen, weshalb und wofür wir kämpfen. Es handelt sich nicht darum, ob bekannte Führer unterzeichnen, weil ihre Autorität erschüttert ist, wenn nur den Massen im Manifest die Ansichten des Kampfes klar gemacht werden. Für Denkende ist es schon möglich, das Postulat des Krieges zu ziehen, aber die Gärung in den Massen ist erst in den Anfängen, die Gegensätze haben sich noch nicht zugespitzt. Dieser Gründe wegen ist es nötig, neben dem Manifest auch eine Resolution anzunehmen. Es ist eine Illusion, dass wir den Kampf führen können, ohne dass die Regierungen wissen, wie wir ihn führen. Wenn wir über revolutionäre Aktionen, ohne mehr zu reden, diese nicht weiter determinieren, sagen die Deutschen, dies alles seien nur Phrasen; determinieren wir sie, so heißt es, wir liefern „Material für den Staatsanwalt". Dadurch, dass wir die große[n Linien] hineinziehen, werden wir den Kampf beschleunigen.

Lenin (ZK Russland) ist mit Serrati darin nicht einig, dass die Resolution entweder zu früh oder zu spät komme. Es werden nach diesem Krieg noch andere, besonders Kolonialkriege geführt werden.

Wenn das Proletariat nicht von den Bahnen des Sozialimperialismus einschwenkt, wird die proletarische Solidarität vollkommen zerstört werden, deshalb müssen wir eine einheitliche Taktik feststellen. Nehmen wir bloß das Manifest an, so werden Vandervelde, die Humanité usw. von neuem die Massen betrügen; sie werden sagen, dass sie ebenfalls gegen den Krieg und für den Frieden sind. Es wird dieselbe Unklarheit vorherrschen wie bisher.10

Ledebour: Wir haben gelitten unter einem Missverständnis, das ab und zu heftige Formen annahm: Wir sind nicht einig über die Zwecke der Konferenz. Wir in Berlin sind alle einig, dass die Konferenz dazu dienen soll, um den Zusammenbruch des Internationalen Sozialistischen Büros wett zu machen, und dass ihr die Aufgabe zufällt, eine sozialistische Friedensbewegung einzuleiten. Ich meine, wir hätten uns auf diese Aufgabe konzentrieren müssen, aber es ist leider eine entgegengesetzte Richtung eingeschlagen worden. Lange Reden, Rekriminationen – und unsere Aufgabe haben wir fast aus den Augen verloren. Es wird uns vorgeworfen, wir seien zu legal, aber die Partei hat sich nie auf den legalen Standpunkt gestellt. Schon dadurch, dass wir hier erschienen sind, brechen wir mit der Legalität unseres Landes wie mit der Disziplin unserer Partei. Wir werden illegal vorgehen, wo und wann es uns geboten erscheint.

Man glaubt, uns hier fortwährend mit Belehrungen über die Stellung der Partei kommen zu müssen; die Genossin Roland Holst tritt auf, als ob wir Vertreter der Majorität oder des Sumpfes wären. Dies alles beweist, dass sie uns nicht kennen. Ich will jetzt auch mal als Gouverneur auftreten. Nehmen Sie ein Beispiel an dem Zartgefühl, womit unsere französischen Genossen uns entgegengetreten sind. Ihre und unsere Vereinbarung wird in allen Ländern Großes zustande bringen, und das war die Hauptsache bei der Konferenz.

Modigliani (Italien): Es kommt mir vor, als dass wir manches Wichtige vergessen haben. Die Deutschen sollen sich nicht ärgern, weil gerade über sie so viel diskutiert worden ist. Sie sind der große starke Bruder in der Familie, von dem recht viel erwartet wurde: Kommt es dann zur Enttäuschung, desto schlimmer fällt man über ihn her. Aber wenn wir dies sagen, ist noch nicht alles gesagt. Der Krieg wird über kürzere oder längere Zeit zu Ende gehen, die proletarische Bewegung wird wieder in Fluss kommen. Schon fangen die Deutschen an einzulenken, wir wollen ihnen zugeben, dass sie sich beeifern, zum Wege der Tugend zurückzufahren. Gewiss, wir wollen ihnen nicht jeden Vorwurf ersparen, aber es soll so freundschaftlich wie nur möglich geschehen. Wir alle haben gefehlt, es gilt für alle, in allen Parteien, viele Prinzipien zu revidieren. Wir Italiener befanden uns in einer überaus günstigen Situation, für uns war es viel weniger schwierig wie für die Bruderparteien, fest zu bleiben. Auch in Frankreich und in Belgien hat man gefehlt, es war eben nie eine ganz unzweideutige internationale Haltung festgestellt worden, überall gab es gewisse Beziehungen zu den bürgerlichen Klassen, überall bevorzugte man die nationalen Interessen vor den internationalen. Man hat in der Seele des Proletariats nicht gefunden, das was niemand bisher in seine Seele versenkt hatte.

Wir müssen unserm Manifeste eine solche Form geben, dass es einen ganz konkreten Zweck erfüllt; man wird uns auslachen, wenn wir zu viel hineinbringen werden. In der Resolution Radek stehen ganz gute Dinge, aber man kann die Grundlage der Gesellschaft nicht mittels einer Proklamation erneuern. Unser Manifest, das an alle sich richtet, an die Massen wie an die Parteigenossen, wird bescheiden, konkret und klar sein müssen. Das Ziel, welches wir uns vorstellen, ist, den Zusammenbruch des Internationalen Sozialistischen Büros aus der Welt zu schaffen. Es soll eine Zentralstelle geschaffen werden, um für den Frieden zu arbeiten, und das Manifest muss vor allem dazu dienen, die Gründung dieser Zentralstelle klar zu machen.

Hoffmann (Deutschland): Ich hätte es verstanden, wenn die Franzosen über uns hergefallen wären, aber nein, es tun dies gerade die andern. Wir, die wir hier uns befinden, sind nicht die Schuldigen; warum pochen sie dann immerzu auf uns. Sogar gegen die Österreicher habe ich noch nichts gehört. Es ist uns nicht möglich, uns für Scheidemann usw. zu engagieren. Prügeln Sie soviel Sie wollen, wenn Sie nur keine Beschlüsse fassen, die uns in eine schiefe Lage bringen.

Nach den Ausführungen der Genossin Thalheimer konnte es scheinen, als ständen wir nicht hinter Zetkin, Luxemburg und Liebknecht. Dies ist ein Irrtum, wir sind mit ihnen in der Sache vollkommen einig. Nur meinen wir zum Fall Liebknecht, er hätte sich mit uns verständigen sollen, des weiteren sind wir einig, er hat alle Flugblätter mitunterzeichnet usw.

Sinowjew sagte: „Wenn ihr es tut, müsst ihr es sagen." Sie aber sagen es, weil sie sich nicht im Lande befinden. Schickt uns nicht heim mit einer Direktive, sondern helft nur, Frieden auf Erden schaffen.

Es wird Schluss der Sitzung beantragt.11

Abendsitzung

Vorsitzender Grimm

Merrheim (Frankreich): Unser italienischer Genosse hat auch die Anschauungen der französischen Delegation zum Ausdruck gebracht. Ich will jedoch Lenin noch einiges antworten, um ihm die Differenz zwischen uns und Vandervelde, Jouhaux usw. klar zu machen.

Wir wollen uns zunächst auf eine Aktion für den Frieden beschränken. Nach dem Frieden wird es sehr viel zu revidieren geben, auch bei uns Syndikalisten. Unsere Agitation hat sich zu sehr begnügt mit der Phrase, sie ist nicht genug in die Tiefe gegangen und stand zu wenig in Beziehung zur Wirklichkeit. Wenn wir während des Krieges etwas tun wollten, schlug man uns tot mit den Artikeln Legiens und der Gewerkschaftspresse überhaupt. Wir haben geantwortet: Es muss überhalb dieser Führer eine Arbeitermasse geben, die ganz so denkt, wie wir denken. (Großer Beifall). Sie fragen uns, Genosse Lenin, die Grundpfeiler der künftigen Internationale zu errichten. Das ist aber eine tiefernste Sache, das kann man nicht in einer Resolution tun. Ich denke an Hervé: Es kommt mir jetzt vor, als habe er durch seine klingenden Phrasen die Energie des Proletariats vor der Zeit erschöpft. Machen wir den andern nicht zu viele Vorwürfe wegen Fehler, deren wir ähnliche selbst begangen haben, und in Abwartung der Stunde, wo es Zeit sein wird, an die Wiederaufrichtung der Internationale zu gehen, gründen wir das Organ für den Kampf gegen den Krieg. In Frankreich befinden wir uns einer völlig enttäuschten Arbeiterklasse gegenüber. Sie hat im jetzigen Moment jeden Glauben verloren, sie wird uns zuhören, wenn wir von dem Frieden reden, aber nicht, wenn Sie wiederkommen mit den alten Phrasen...

Trotzki: Monatte und Rosmer denken anders darüber.

Merrheim: Ja, Monatte denkt, dass die Revolution aus dem Kriege hervorgehen wird, aber wir wollen sie in keine beengende Formel fassen. Eine revolutionäre Bewegung kann nur aus dem Kampfe für den Frieden hervorgehen. Sie, Genosse Lenin, sind beherrscht nicht von dem Verlangen nach dem Frieden, sondern von dem Wunsche, die Grundpfeiler einer neuen Internationalen aufzurichten: dies ist es, was uns trennt. Wir verlangen ein Manifest, das die Aktion für den Frieden fördern wird; wir wollen nicht betonen, was uns trennt, sondern was uns vereint (Lebhafter Beifall).

Rakowski (Rumänien): Ich spreche auch im Namen Kolarows. Es ist unmöglich zu handeln, als ob die Internationale gar nicht mehr existierte. Sie lebt noch gewissermaßen als ein politischer Gedanke. Wie werden wir unser Ziel: die Einstellung des Gemetzels, erreichen? Wäre es nicht gut, uns an die Internationale zu richten? Wahrscheinlich ist ein großer Teil der zu ihr gehörenden Parteien überhaupt nicht mehr international. Aber der andere Teil schwankt hin und her, es kämpfen zwei Seelen in einer Brust. Unsere Pflicht ist es, diese Schwankenden zu uns herüber zu ziehen. Wir sind die Verkörperung ihres sozialistischen Gewissens. Soll unser Manifest nicht damit anfangen, dass es sich an dieses sozialistische Gewissen wendet? Was uns hier vereint, sind gemeinsame Anschauungen, und schon deshalb können wir nicht von der alten Internationale abstrahieren, denn diese hat sie in uns großgezogen. Weshalb berufen sie sich in ihrem Manifest nicht auf die in Stuttgart, Kopenhagen und Basel angenommenen Resolutionen, welche die Kreditbewilligung, das Zusammengehen mit der Bourgoisie usw. verurteilen? Es ist dies wichtig, wir wollen genau sein und konkret...

Bourderon: Bedenken Sie, dass wir nicht hierher gekommen sind im Auftrage der Partei, sondern der Gewerkschaften.

Rakowski: Man hat hier den Fragen der nationalen Taktik das Recht der Ablehnung der Intervention in Anspruch genommen. Jedoch ungeachtet meiner Hochachtung für die deutsche Partei, bestehe ich auf dem Recht, sie zu kritisieren. Nachdem wir jahrhundertelang uns vom internationalen Gedanken genährt haben, ist es unmöglich, dass das, was in Deutschland geschieht, nicht einen allgemeinen Widerhall finden wird. In den Balkanländern war der Einfluss der deutschen Partei immer sehr groß, deshalb war man auch so bestürzt über die Abstimmung. Es geht nicht an, diesen ganzen Zusammenbruch durch die Verwirrungen der Führer oder durch Zufälligkeiten wie den Fall Müller erklären zu wollen. In der alten Internationale gab es viele Türen, die dem Zusammenwirken der Klassen, besonders in der Sache der internationalen Verteidigung, offen standen. Was die Beschlüsse von Basel usw. untersagten, wurde im Definitivkrieg gebilligt. Wir müssen diese Türen zuschließen.

Ein dritter Punkt: es gibt nicht nur eine internationale und sozialistische Phraseologie, sondern auch eine derartige wirkliche Empfindung. Diese Empfindung will unser Manifest in allen aufwachen lassen, auch in den Schützengräben. Wir müssen den Internationalismus zu einem Glauben, zu einer Religion machen. Diese Empfindung ist es, welche die Arbeiterklasse retten wird. Je konkreter wir in diesen Dingen sind, desto besser. Der bürgerlichen Welt gegenüber hat unsere Konferenz schon an sich großen Wert.

Grimm: Wir sind am Schlusse der Debatte über die Friedensaktion angelangt. Es gibt also eine Entwurfs-Resolution und drei Entwurfs-Manifeste. Ich schlage vor, nun die Manifeste der Kommission zu überweisen und die Frage der Resolution offen zu lassen bis ein ständiges Organ eingesetzt ist. Vor allem sollen wir im Manifest referieren an die Beschlüsse der internationalen Kongresse und die Äußerungen der jetzt zum Nationalismus übergegangenen Führer (Redner verliest eine Äußerung Vanderveldes auf dem Amsterdamer Kongress).

Es ist Pflicht, daran zu erinneren und auf die früheren Beschlüsse zurückzugreifen. Selbstverständlich wollen wir nicht ein Land verdammen, wo alle gefehlt haben. Ich schlage vor, alle drei Manifeste zur Durcharbeitung an die Kommission zu überweisen. -

Es wird mit 19 gegen 11 Stimmen beschlossen, die Resolution Radek nicht an die Kommission, sondern an die zu schaffende Zentralstelle zu überweisen.

Nach einer kurzen Diskussion werden als Mitglieder der Kommission gewählt: Ledebour, Lenin, Grimm, Martow, Merrheim Meyer Modigliani, Rakowski und Trotzki. Die nächste Plenarsitzung soll erst stattfinden, wenn die Kommission mit ihren Arbeiten zu Ende gekommen sein wird.

(Das Büro schlägt vor: Lenin, Ledebour, Trotzki, Meyer Martow, Modigliani, Merrheim und Grimm – später noch Rakowski

Bisher immer zwei Unter-Sektionen.

Tschernow: Antrag statt drei Sozialdemokraten und 1 Sozial-Revolutionär: Natanson.

Vogtherr: Schlägt vor: den Landesvertretern von Frankreich, Deutschland, Russland, Italien, Schweiz, Balkan 7 Staaten je ein Vertreter, inklusiv Verfasser. – Wir wollen nicht 2 Mitglieder und Frankreich nur einen – dies gerechter.

Grimm: Doch zwei Russen in der Kommission – 1 Franzose genüge, weil doch nicht ganze Delegation.

Sinowiew: Will alle Richtungen – Vorschlag Büros jedoch nur 2 Russen.

Wird noch vorgeschlagen Kommission auf 7 zu beschränken akzeptiert.

Grimm will verzichten auf Kommission.

Hoffmann: Er hat kein Recht.

Natanson verzichtet.

Rakowski verzichtet.

Es bleiben noch, nachdem sich Rakowski hat zurückgezogen für Meyer acht. Offen abgestimmt. Martow nicht gewählt. Nachher bleibt doch Rakowski statt Meyer.

Wird vorgeschlagen Plenarsitzung auf 11 Uhr.

Schluss Sitzung.)12

Schluss der Sitzung: 10 Uhr Abends.

1 Ausführungen nach Protokollnotizen S. 35:

Grimm: Friedensverhandlungen. Schlägt 15 Minuten vor.

Radek: Gruppen: jeder Generalredner einer Gruppe längere Zeit für die Gruppe, dann jeder andere 15 Minuten.

Grimm hält fest an Geschäftsordnung.

2 Protokollnotizen S. 37.

3 „(Beifall)" – übernommen aus handschriftlichem Text.

4 Der von der deutschen Delegation vorgeschlagene Manifestentwurf lag Lademacher nicht vor.

5 „Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, dass ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung.“ (Kommunistisches Manifest)

6 Protokollnotizen S. 42.

7 Hschr. Text S. 105 hat: „. .. Parteigenossen. Das ist eine Spielerei mit Worten, denn die Grenzen zwischen Partei und Massen sind nicht fest und klar, sondern fließend."

8 Lesefehler. Hschr. S. 115 hat „bis".

9 Zentralorgan der Kadettenpartei.

10 Protokollnotizen S. 57 hat hier noch:

...La guerre engendre la cherté etc., on ne sait pas quand viendra la révolution. Guerres pour les débouchés vont revenir à chaque moment …

11 Protokollnotizen S. 61 hat: Grimm beantragt abzubrechen.

12 Einfügung aus Protokollnotizen S. 65 f.

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