Resolution über die Genossenschaftsbewegung. Schon in den letzten Jahren vor dem Weltkriege und in noch höherem Grade während dieses Krieges hat das Genossenschaftswesen fast in allen Ländern eine sehr große Entwicklung erfahren und breite Massen der Arbeiter und Bauern in seine Reihen hineingezogen. Die gegenwärtig überall vor sich gehende Offensive des Kapitals veranlasst die Arbeiter — und insbesondere die Frauen — zu einer noch höheren Einschätzung der Hilfe, die die Konsumgenossenschaften ihnen gewähren können. Die alten Sozialreformisten haben die Bedeutung der Genossenschaften für die Verwirklichung ihrer Ziele schon längst und sehr gut begriffen. Sie haben sich in den Genossenschaftsorganisationen festgesetzt und von dort aus das Bewusstsein der werktätigen Massen unermüdlich und energisch vergiftet, ja es gelang ihnen sogar bei den revolutionär gesinnten Arbeitern einen Zwiespalt zwischen Bewusstsein und Handeln hervorzurufen. Andererseits schöpfen in einigen Ländern die sozialdemokratischen Parteien, die die Leitung der Genossenschaftsbewegung in Händen haben, aus den Kassen der Genossenschaften eifrig die Geldmittel zur Unterstützung ihrer Parteien und verwirklichen unter der Flagge der politischen Neutralität in Wahrheit die Unterstützung der Bourgeoisie und ihrer imperialistischen Politik. Die alten Führer der Genossenschaftsbewegung, die an der Spitze der Genossenschaften stehen, können oder wollen die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse und die neuen Aufgaben der Genossenschaften nicht begreifen und keine neuen Arbeitsmethoden für diese ausarbeiten. Indem sie sich hartnäckig weigern, auf ihre geheiligten genossenschaftlichen Prinzipien zu verzichten, untergraben sie sogar die rein wirtschaftliche Arbeit und die Existenz der Genossenschaften, und zugleich damit auch die ganze Genossenschaftsbewegung. Endlich tun sie auch nichts dazu, um die Genossenschaften auf die Durchführung der gewaltigen und wichtigen Aufgaben vorzubereiten. die ihnen zufallen werden, wenn das Proletariat die Macht ergreift. Alle diese Umstände veranlassen die Kommunisten, überall ihre ernsteste Aufmerksamkeit darauf zu verwenden, dass die Genossenschaften den Händen der Sozialreformisten entrissen und aus einem Werkzeug der Lakaien der Bourgeoisie in ein Werkzeug des revolutionären Proletariats umgewandelt werden. Der 3. Kongress der Komintern hat die Leitsätze über die Arbeit der Kommunisten in den Genossenschaften geprüft und gebilligt. Gegenwärtig hat die Erfahrung von 1½ Jahren gezeigt, dass diese Leitsätze vollkommen richtig entworfen waren. Der 4. Kongress der Komintern bestätigt nochmals diese Leitsätze und fordert alle kommunistischen Parteien, Gruppen und Organisationen dringend auf, sich energisch an die Arbeit in den Genossenschaften zu machen, und fordert ebenso die Presseorgane auf, den Fragen der Genossenschaftsbewegung in ihren Spalten ausreichenden Raum zuzuweisen. Ins besonderen und in Entwicklung dieser Leitsätze weist der 4. Kongress auf folgendes hin: 1. Es ist unbedingt notwendig, dass alle kommunistischen Parteien den Beschluss durchführen, demzufolge alle Parteimitglieder auch Mitglieder von Konsumgenossenschaften sein und in diesen Organisationen kommunistische Arbeit leisten müssen. Die kommunistischen Genossenschaftler müssen in jeder genossenschaftlichen Organisation eine geheime oder öffentliche kommunistische Zelle bilden. Alle diese Zellen müssen zu Bezirksorganisationen und diese letzteren zu einer gesamt-nationalen Organisation verbunden sein, an deren Spitze eine besondere Genossenschaftssektion, ein Zentralkomitee der Kommunistischen Partei des betreffenden Landes stehen muss. Die gesamte Arbeit der Kommunisten in den Genossenschaften muss auf Grund der strengsten Disziplin durchgeführt werden, unter der Leitung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei. Die Aufgabe dieser Zellen besteht darin, eine Verbindung mit den breiten Massen der Arbeitsgenossenschaftler herzustellen, unter ihnen nicht nur an den Prinzipien, sondern insbesondere auch an der Praxis der alten Genossenschaftsbewegung Kritik zu üben und alle unzufriedenen Massen unter ihrem Einfluss zu organisieren, um in den Genossenschaften eine Einheitsfront gegen das Kapital und gegen den kapitalistischen Staat zu bilden. Alle nationalen Vereinigungen der kommunistischen Genossenschaftler müssen durch die Genossenschaftssektion der Kommunistischen Internationale eng mit dieser letzteren verknüpft sein. Gleichzeitig aber dürfen die kommunistischen Genossenschaftler keinesfalls eine Loslösung der revolutionären oder oppositionellen Genossenschaftler von der genossenschaftlichen Gemeinschaft oder eine Spaltung der letzteren anstreben, denn das würde nur zur Verringerung der Kräfte des Genossenschaftswesens und zur Unterbrechung des Kontakts der revolutionären Genossenschaftler mit den breiten Arbeitermassen führen. Aus denselben Gründen darf auch die Loslösung der nationalen Genossenschaftsverbände vom Internationalen Genossenschaftsbund nicht angestrebt werden. Im Gegenteil, die Kommunisten müssen verlangen, dass alle nationalen Verbände, in denen die Kommunisten die Mehrheit bilden und die noch nicht Mitglieder des Internationalen Genossenschaftsbundes sind, in diesen eintreten und aufgenommen werden. 2. Sowohl die Zentralkomitees der kommunistischen Parteien, als auch alle kommunistischen Genossenschaftler müssen mit äußerster Energie den Kampf gegen die genossenschaftlichen Illusionen aufnehmen, die darin bestehen, dass die Genossenschaften allein, aus eigener Kraft imstande sind, die sozialistische Ordnung durch langsames Hineinwachsen in den Sozialismus und ohne Machtergreifung durch das Proletariat zu verwirklichen, oder dass sie imstande sind durch die Anwendung der alten Methoden die Lage der Arbeiterklasse wesentlich zu verbessern. Ein ebenso energischer Kampf muss gegen das Prinzip der angeblichen politischen Neutralität des Genossenschaftswesens geführt werden, hinter dem sich in Wirklichkeit eine offene und versteckte Unterstützung der Politik der Bourgeoisie und ihrer Diener verbirgt. Dieser Kampf darf nicht nur in der theoretischen Propaganda seinen Ausdruck finden, sondern auch in der Heranziehung der Genossenschaften zu dem wirtschaftlichen und politischen Kampf, den die politischen Parteien und Roten Gewerkschaften gegenwärtig zum Schutz der Interessen der Werktätigen führen. Hierher gehört z. B. der Kampf gegen eine Erhöhung der Steuern, insbesondere der indirekten Steuern, die den Konsumenten treffen; der Kampf gegen eine spezielle oder drückende Besteuerung der Genossenschaften oder ihres Umsatzes, der Kampf gegen die Teuerung, die Forderung, dass die gesamte Verteilung der lebenswichtigen Produkte an die Konsumgenossenschalten der Arbeiter übergehen muss, der Kampf gegen den Militarismus, der zur Steigerung der Staatsausgaben und folglich zur Erhöhung der Steuern führt, der Kampf gegen die wahnwitzige Finanzpolitik der imperialistischen Staaten, die den Sturz der Währung hervorruft; der Kampf gegen den Faschismus, der überall sein Haupt erhebt und die Genossenschaften schonungslos zerstört; der Kampf gegen einen drohenden neuen Krieg; der Kampf gegen die Intervention, der Kampf für Handelsverträge mit Sowjetrussland usw. Die kommunistischen Genossenschaftler müssen bestrebt sein, ihre Organisationen Schulter an Schulter mit den Kommunistischen Parteien und den Roten Gewerkschaften in diesen Kampf hineinzuziehen und dadurch eine proletarische Einheitsfront zu schaffen. Die kommunistischen Genossenschaftler müssen fordern, dass ihre Organisationen den Opfern des kapitalistischen Terrors, den streikenden und ausgesperrten Arbeitern usw., Hilfe leisten. Die kommunistischen Genossenschaftler müssen energisch darauf bestehen, dass die Genossenschaften eine revolutionäre Aufklärungsarbeit großen Stils führen und müssen diese Arbeit in ihre Hände nehmen. 3. Neben dieser energischen Teilnahme am politischen und wirtschaftlichen Kampf des revolutionären Proletariats müssen die kommunistischen Genossenschaftler in ihren Organisationen eine rein genossenschaftliche Arbeit leisten, um der letzteren den Charakter zu verleihen, den die neuen Aufgaben des Proletariats erfordern. Die Vereinigung kleiner Konsumgenossenschaften zu großen, die Abkehr vom alten die Genossenschaften schwächenden Prinzip der Gewinnverteilung und die Verwendung der Überschüsse zur Stärkung der Kräfte des Genossenschaftswesens, die Bildung eines Spezialfonds zur Unterstützung der Streikenden aus den Überschüssen, der Schutz der Interessen der Genossenschaftsangestellten, der Kampf gegen einen Bankkredit, der für die Genossenschaften gefährlich sein könnte, usw. Falls eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge erforderlich ist, müssen die Kommunisten fordern, dass die Arbeiter, die diese Zahlungen nicht leisten können, nicht aus den Genossenschaften ausgeschlossen werden dürfen, und dass für die unbemittelten Arbeiter Zahlungserleichterungen eingeführt werden. Die Zellen der kommunistischen Genossenschaftler müssen ihre Arbeit auch möglichst eng mit der Arbeit der proletarischen Frauenorganisationen und mit den Verbänden der kommunistischen Jugend verknüpfen, um mit gemeinsamen Kräften unter den Arbeiterinnen und unter der Jugend eine von kommunistischen Prinzipien durchdrungene Genossenschaftspropaganda zu treiben. Ebenso ist es notwendig, mit aller Energie den Kampf gegen die Genossenschaftsbürokratie aufzunehmen, die die Losung der Demokratie als Deckmantel benutzt, aber dieses Prinzip zur hohlen Phrase herabgewürdigt hat und in Wirklichkeit willkürlich und unkontrolliert in den Genossenschaften wirtschaftet, die Einberufung von Hauptversammlungen vermeidet und mit dem Willen der Arbeitermassen, die zu den genossenschaftlichen Organisationen gehören, in keiner Weise rechnet. Endlich ist es notwendig, dass die Zellen der kommunistischen Genossenschaftler ihre Mitglieder, auch Frauen nicht ausgenommen, in die Vorstände und Kontrollorgane der Genossenschaften hineinbringen und andere Maßregeln ergreifen, um den Kommunisten die Kenntnisse und Erfahrungen zu vermitteln, die zur Leitung der Genossenschaften erforderlich sind.
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