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Wladimir I. Lenin 19031200 Brief des ZK der SDAPR an die Administration der Auslandsliga

Wladimir I. Lenin: Brief des Zentralkomitees der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands an die Administration der Auslandsliga, an die Gruppe zur Unterstützung der Partei und an alle Parteimitglieder, die sich im Ausland befinden1

[Geschrieben Anfang Dezember 1903. Zum ersten Mal veröffentlicht im Jahre 1928 im „Leninskij Sbornik" Nr. 7. Nach Sämtliche Werke, Band 6, Wien-Berlin 1930, S. 168-171]

Genossen! Die endgültige Vereinigung der Partei stellt uns jetzt vor die dringende und wichtige Aufgabe, die Auslandsarbeit der Sozialdemokratie breit zu entfalten und alle auf diesem Gebiet tätigen Genossen fest zusammenzufassen.

Auf Grund des Parteistatuts (§ 13) wird die ganze Auslandsarbeit der Partei in zwei große, nach der Art der Organisation verschiedene Gebiete geteilt. Einerseits verwaltet die Auslandsliga unmittelbar die Propaganda und Agitation im Ausland und konzentriert sie in ihren Händen. Das Zentralkomitee wird alle Maßnahmen ergreifen, um die vollständige Zentralisierung dieser Sache in den Händen der Liga zu fördern und ihre Autonomie in dieser Arbeit zu sichern. Anderseits unterstützt die Liga die Bewegung in Russland nur durch die Vermittlung von Genossen und Gruppen, die das Zentralkomitee besonders dafür bestimmt.

Das Zentralkomitee, das alle Mitglieder der Liga, alle Gruppen zur Unterstützung der Partei und alle Parteimitglieder, die sich im Auslande befinden, zur allseitigen Unterstützung der Liga in ihrer Propaganda- und Agitationsarbeit auffordert, beabsichtigt, jetzt alle Anstrengungen auf die Organisierung dieser vermittelnden Gruppen zu richten, über die die Unterstützung der Bewegung in Russland geleitet werden soll.

Seine Aufgaben auf diesem Gebiet fasst das Zentralkomitee folgendermaßen auf:

Die Unterstützung der russischen Bewegung vom Ausland aus kommt hauptsächlich zum Ausdruck 1. in der Entsendung von Genossen für die revolutionäre Arbeit in Russland; 2. in der Zustellung der im Auslande gesammelten Geldsummen nach Russland; 3. in der Sammlung von Verbindungen in Russland, von Nachrichten und Anweisungen, die sofort nach Russland mitgeteilt werden müssen, um den dort arbeitenden Genossen zu helfen, um Verhaftungen vorzubeugen usw.; 4. in der Zustellung der Parteiliteratur nach Russland usw.

Wir erheben nicht den Anspruch, durch diese Aufzählung alle Formen der unmittelbaren Unterstützung der russischen Bewegung vom Ausland aus zu erschöpfen, glauben jedoch, dass es vorläufig genügt, ihre Hauptformen vorzuzeichnen und die Organisation, die zu schaffen ist, mit diesen Formen in Einklang zu bringen. Die Erfahrung wird zeigen, in welchem Maße Änderungen dieser Organisation in der weiteren Zukunft notwendig sein werden.

Beginnen wir mit der Entsendung von Genossen für die Arbeit in Russland. Es wäre natürlich wünschenswert, dass möglichst viele der nach Russland reisenden Genossen sich unmittelbar mit der Hauptgeschäftsstelle des Zentralkomitees im Ausland in Verbindung setzten, und zwar mit der Genfer, um von ihr die Deckadressen und Parolen, das Geld und die notwendigen Anweisungen zu erhalten. Aber eine ganze Reihe der nach Russland reisenden Genossen ist natürlich nicht imstande, vorher nach Genf zu fahren, und darum beabsichtigt das Zentralkomitee, in allen einigermaßen wichtigen Auslandszentren ihre Vertrauensmänner zu ernennen, so in London, Paris, Brüssel, Berlin, Wien usw. Jeder, der die Absicht hat, zur revolutionären Arbeit nach Russland zu reisen, wird aufgefordert, sich an den örtlichen Vertrauensmann des Zentralkomitees zu wenden; dieser Vertrauensmann wird alle Maßnahmen treffen, damit der nach Russland reisende Genosse möglichst rasch und ungefährdet seinen Bestimmungsort erreicht, damit die ersten Schritte dieses Genossen dem allgemeinen Plan des Zentralkomitees hinsichtlich der Verteilung der Kräfte und Mittel entsprechen usw. Das Zentralkomitee hofft, dass die Auslandsliga diesen Vertrauensleuten des Zentralkomitees jede Hilfe zukommen lassen wird, – z. B. dadurch, dass sie möglichst viele der im Auslande weilenden Genossen mit den Funktionen dieser Vertrauensleute vertraut macht, ihnen hilft, die Bedingungen des Verkehrs mit den Vertrauensleuten kennenzulernen, diesen Verkehr möglichst konspirativ zu gestalten usw.

Da die Entsendung von Genossen aus den großen Städten des Auslandes nach Russland eine sehr schwierige Arbeit ist und da ein Genosse allein nicht immer imstande sein wird, die nach Russland reisenden Genossen so kennenzulernen, wie es notwendig wäre, wird das Zentralkomitee – auf Grund des § 13 des Parteistatuts – im Maße des Notwendigen – nicht einen Vertrauensmann, sondern eine Gruppe von Vertrauensleuten ernennen.

Weiter. Was die Zustellung von Geld nach Russland anbelangt, so wäre hier eine vollständige Zentralisierung der Geldsammlungen im ganzen Ausland in den Händen der Liga und die Übergabe der Summen durch die Administration der Liga an das Zentralkomitee sehr wünschenswert. Nur in Fällen besonderer Notwendigkeit wird man vielleicht – das wird die Erfahrung lehren – gezwungen sein, bestimmte Summen unmittelbar von den örtlichen Sektionen der Liga an die örtlichen Vertrauensleute des Zentralkomitees zu leiten, wenn z. B. außerordentliche Umstände die sofortige Hilfe für eine Flucht, für die Entsendung eines Genossen nach Russland, für die Übersendung von Literatur usw. erfordern. Das Zentralkomitee hofft, dass die Administration der Liga den Sektionen entsprechende Anweisungen geben und die besten Formen der Rechnungslegung über die Sammlungen und die Verausgabung der Gelder ausarbeiten wird.

Ferner ist natürlich allen bekannt, dass sehr oft Genossen, die aus Russland ins Ausland kommen, Mitteilungen machen, die für die in Russland tätigen Genossen sehr wichtig sind, – z. B. Mitteilungen über den Umfang von Verhaftungen, über die Notwendigkeit, bestimmte Genossen in einer Stadt, die von dem Ort der Verhaftungen weit entfernt liegt, zu warnen, über die Notwendigkeit, bestimmte Verbindungen in Russland auszunutzen, die auszunutzen ein aus Russland geflüchteter oder abgereister Genosse nicht die Zeit gehabt hat oder nicht imstande war usw.

Natürlich wird mit dem Fortschreiten der endgültigen Zusammenfassung der gesamten Parteiarbeit unter der Leitung des Zentralkomitees sich immer häufiger die Möglichkeit bieten, alle diese Verbindungen und Anweisungen in Russland selber zu sammeln, und das wäre der einzig normale und wünschenswerte Weg. Aber zweifellos wird es noch auf lange Zeit hinaus Fälle geben, wo die aus Russland geflüchteten oder legal abgereisten Genossen aus verschiedenen Gründen nicht die Zeit gehabt haben, die Verbindungen in Russland weiterzugeben, so dass es notwendig sein wird, ihren Aufenthalt im Ausland hierfür auszunutzen.

Schließlich wird sich das Zentralkomitee natürlich bemühen, die Übersendung der Parteiliteratur nach Russland möglichst vollständig in den Händen einer besonderen Transportgruppe zu zentralisieren, von der ein Teil der Mitglieder sich stets im Auslande befinden wird. Es werden darum besondere Vertrauensleute des Zentralkomitees ernannt werden, deren Amt es sein wird, die Lager der Parteiliteratur in den verschiedenen Zentren des Auslandes zu verwalten, die Verbindungen mit den Grenzorten aufrecht zu halten usw. Aber selbst bei der besten Organisierung der Beförderungsmöglichkeiten wird es natürlich immer Lücken geben, die man gezwungen sein wird, durch besondere Gelegenheiten auszufüllen (vielleicht) durch die Übersendung von Koffern, durch die Ausnutzung irgendwelcher günstigen Fälle von Handelsbeziehungen, Schifffahrtsbeziehungen usw. Alle Mitteilungen, Hinweise und Informationen über solche Dinge müssen ebenfalls an die Vertrauensmänner des Zentralkomitees weitergeleitet werden, die alle diese Angelegenheiten sammeln und entsprechend dem allgemeinen Plan des Zentralkomitees und seinen Anweisungen handeln werden.

Das Zentralkomitee, das seinen Arbeitsplan der Administration der Liga mitteilt, gibt seiner Überzeugung Ausdruck, dass die Liga von sich aus die Vertrauensleute des Zentralkomitees im Auslande nach Kräften unterstützen, dass sie insbesondere alle Maßnahmen treffen wird, damit diese Vertrauensleute die Hilfsgruppen, die Jugendzirkel usw. in weitem Umfange kennenlernen.

1 Diesen Brief wollte Lenin im Namen des Zentralkomitees abschicken, aber anscheinend ist der Brief nicht abgeschickt worden.

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