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Wladimir I. Lenin 19051031 Die Aufgaben der Kampfabteilungen der revolutionären Armee

Wladimir I. Lenin: Die Aufgaben der Kampfabteilungen der revolutionären Armee

[Geschrieben Ende Oktober 1905 Erstmalig veröffentlicht 1926 im „Leninski Sbornik", Nr. 5. Nach Sämtliche Werke, Band 8, S. 440-444]

1. Selbständige militärische Aktionen.

2. Führung der Masse.

Die Abteilungen können von beliebiger Stärke sein, von zwei bis drei Mann an.

Die Abteilungen müssen sich selbst bewaffnen, ein jeder mit dem, was er hat (Gewehr, Revolver, Bombe, Messer, Schlagring, Knüppel, mit Petroleum getränkte Lappen, um Feuer anzulegen, Stricke oder Strickleitern, Schaufeln für den Bau von Barrikaden, Sprengpatronen, Stacheldraht, Nägel [gegen die Kavallerie] usw. usw.). Unter keinen Umständen darf man von irgendeiner Seite, von außen oder von oben Hilfe erwarten, man muss alles selbst schaffen.

Die Abteilungen müssen möglichst aus Personen gebildet werden, die nahe beieinander wohnen oder häufig, regelmäßig, zu bestimmten Stunden zusammentreffen (am besten beides, denn das regelmäßige Zusammentreffen kann durch den Aufstand unterbrochen werden). Es ist ihre Aufgabe, die Sache so zu organisieren, dass sie in den kritischsten Augenblicken, in unvorhergesehensten Situationen zusammenkommen können. Jede Abteilung muss daher im Voraus Methoden für die gemeinsame Aktion ausarbeiten: Zeichen an den Fenstern usw., um einander leichter finden zu können; verabredete Pfiffe oder Rufe, um den Genossen in der Menge erkennen zu können; verabredete Zeichen für nächtliches Zusammentreffen usw. usw. Jeder energische Mann kann mit zwei bis drei Kameraden eine ganze Reihe dieser Regeln und Methoden ausarbeiten, die zusammengestellt, einstudiert und praktisch geübt werden müssen. Man darf nicht vergessen, dass die Ereignisse mit 99 Prozent Wahrscheinlichkeit überraschend eintreten werden und dass man unter außerordentlich schwierigen Verhältnissen wird zusammenkommen müssen.

Auch unbewaffnete Abteilungen können eine sehr wichtige Rolle spielen: sie können 1. die Menge leiten; 2. gelegentlich einen Schutzmann oder einen zufällig verschlagenen Kosaken überfallen (ein Fall in Moskau) usw. und ihm die Waffen wegnehmen: 3. Verhaftete oder Verwundete retten, wenn die Polizei nicht zahlreich ist; 4. auf Dächer und in die obersten Stockwerke usw. steigen und die Truppen mit Steinen bewerfen, mit kochendem Wasser begießen usw. Wenn die notwendige Energie vorhanden ist, kann eine organisierte, geschlossen vorgehende Kampfabteilung eine ungeheure Kraft sein. Unter keinen Umständen darf die Bildung einer Abteilung unter dem Vorwande des Waffenmangels aufgegeben oder aufgeschoben werden.

Die Abteilungen müssen die Funktionen möglichst im Voraus verteilen, zuweilen den Leiter, den Abteilungsführer, im Voraus wählen. Es wäre natürlich unvernünftig, in die Spielerei der Rangbezeichnungen zu verfallen, aber man darf die ungeheure Bedeutung einer einheitlichen Führung sowie raschen und entschiedenen Handelns nicht vergessen, Entschlossenheit, rascher Angriff sind Dreiviertel des Erfolges.

Die Abteilungen müssen gleich nach ihrer Bildung, also schon jetzt, eine vielseitige Arbeit keineswegs nur theoretischer, sondern unbedingt auch praktischer Art aufnehmen. Zu der theoretischen rechnen wir Studium der Kriegswissenschaften, Vertrautmachung mit militärischen Fragen, Referate über militärische Fragen, Einladung von Militärs (Offiziere, Unteroffiziere usw. einschließlich ehemaliger Soldaten aus der Arbeiterschaft) zu gemeinsamen Besprechungen; Lesen, Analyse und Verarbeitung illegaler Broschüren und Zeitungsartikel über den Straßenkampf usw. usw.

Wir wiederholen, mit den praktischen Arbeiten muss sofort begonnen werden. Sie zerfallen in vorbereitende und militärische Operationen. Zu den vorbereitenden gehört das Auftreiben von allerhand Waffen und Munition, die Vormerkung der für den Straßenkampf günstig gelegenen Wohnungen (geeignet für den Kampf von oben, für die Lagerung von Bomben, Steinen, Säuren zum Begießen der Polizisten usw. usw., aber auch für Stabsquartiere, für den Nachrichtendienst, als Zufluchtsort der Verfolgten, Verwundeten usw. usw.). Zu den vorbereitenden Operationen gehören ferner die Aufklärungs- und Erkundungsarbeiten: Beschaffung von Plänen der Gefängnisse, Polizeireviere, Ministerien usw. Erkundung der Arbeitseinteilung in den staatlichen Institutionen, in den Banken usw., der Art ihrer Bewachung; Anknüpfung nützlicher Beziehungen (Polizei-, Bank-, Gerichts-, Gefängnis-, Post- und Telegraphenbeamten usw.), Erkundung von Waffenlagern und aller Waffenhandlungen der Stadt usw. Es gibt hier massenhaft Arbeit, und zwar solche, bei der jeder sich nützlich machen kann, sogar der für den Straßenkampf vollkommen Ungeeignete, sogar ganz schwache Menschen, Frauen, Jugendliche, Greise u.a.m. Man muss schon jetzt bestrebt sein, auf jeden Fall und unbedingt alle jene in die Kampfabteilungen aufzunehmen, die sich am Werke des Aufstandes beteiligen wollen, denn es gibt keinen Menschen und kann auch keinen geben, der, wenn er arbeiten will, nicht auch ohne Waffen, ja sogar bei persönlicher Kampfunfähigkeit, einen gewaltigen Nutzen bringen könnte.

Ferner dürfen sich die Abteilungen der revolutionären Armee keinesfalls auf nur vorbereitende Arbeiten beschränken, sie müssen sobald wie möglich zu militärischen Aktionen übergehen, um: 1. ihre Kampfkraft zu üben; 2. die schwachen Stellen des Feindes zu erkunden; 3. dem Feinde partielle Niederlagen zu bereiten; 4. Gefangene (Verhaftete) zu befreien; 5. Waffen zu erobern; 6. Geldmittel für den Aufstand zu gewinnen (Konfiskation staatlicher Geldmittel) usw. usw. Die Abteilungen können und müssen jede Gelegenheit zu lebendiger Arbeit unverzüglich beim Schopfe fassen und die Arbeit keinesfalls bis zum allgemeinen Aufstand hinausschieben, denn ohne Vorbereitung im Feuer lässt sich die Tauglichkeit auch für den Aufstand nicht aneignen.

Gewiss ist jede Übertreibung schlecht; alles Gute und Nützliche kann, auf die Spitze getrieben, zum Übel und zum Schaden werden, muss es sogar, wenn eine gewisse Grenze überschritten wird. Undisziplinierte, unvorbereitete kleine Terrorakte können, wenn sie schrankenlos angewandt werden, lediglich Kräfte zersplittern und sie vergeuden. Das ist richtig und darf natürlich nicht vergessen werden. Aber anderseits darf auch unter keinen Umständen vergessen werden, dass jetzt die Parole des Aufstandes schon ausgegeben ist, der Aufstand schon begonnen hat! Mit dem Angriff unter günstigen Bedingungen zu beginnen, ist nicht nur ein Recht, sondern auch die direkte Pflicht eines jeden Revolutionärs. Tötung von Spitzeln, Polizisten und Gendarmen, Sprengung von Polizeirevieren, Befreiung von Verhafteten, Konfiskation von Regierungsgeldern für die Bedürfnisse des Aufstandes – solche Aktionen werden überall dort, wo der Aufstand ausgebrochen ist, in Polen und im Kaukasus, schon unternommen und jede Abteilung der revolutionären Armee muss jeden Augenblick zu solchen Operationen bereit sein. Jede Abteilung muss daran denken, dass sie sich einer unverzeihlichen Untätigkeit, einer Passivität schuldig macht, wenn sie die für eine Operation geeignete Gelegenheit nicht heute schon ausnützt – und eine solche Schuld ist in der Epoche des Aufstandes das größte Verbrechen des Revolutionärs, die größte Schmach für jeden, der nicht nur mit Worten, sondern in der Tat die Freiheit erstrebt.

Über die Zusammensetzung dieser Abteilungen lässt sich folgendes sagen: die wünschenswerte Anzahl der Mitglieder und die Verteilung ihrer Funktionen wird die Erfahrung zeigen. Man muss selbst anfangen, die Erfahrungen zu sammeln, ohne Hinweise von außen abzuwarten. Man muss natürlich die lokale revolutionäre Organisation um die Entsendung eines militärisch geschulten Revolutionärs für Vorträge, Beratungen und Ratschläge ersuchen; aber falls ein solcher fehlen sollte, muss man unbedingt selbst handeln.

Hinsichtlich der parteimäßigen Gruppierung ist zu sagen, dass die Mitglieder einer Partei es natürlich vorziehen werden, zusammen eine Abteilung zu bilden. Aber man darf den Mitgliedern anderer Parteien den Beitritt zu einer Abteilung nicht unbedingt verweigern. Gerade hier müssen wir den Zusammenschluss, die praktische Verständigung (natürlich ohne irgendeine Verschmelzung der Parteien) des sozialistischen Proletariats mit der revolutionären Demokratie verwirklichen. Wer für die Freiheit kämpfen will und seine Bereitschaft durch die Tat beweist, der kann zu den revolutionären Demokraten gerechnet werden, mit dem muss man gemeinsam an der Vorbereitung des Aufstandes zu arbeiten trachten (natürlich nur dann, wenn volles Vertrauen zu der Person oder zu der Gruppe vorhanden ist). Alle übrigen „Demokraten" müssen als Quasi-Demokraten, als liberale Schwätzer, auf die sich zu verlassen und denen zu vertrauen von Revolutionären unverzeihlich und verbrecherisch wäre, scharf zurückgewiesen werden.

Eine Vereinigung der Abteilungen untereinander ist natürlich wünschenswert. Die Ausarbeitung der Formen und Bedingungen für die gemeinsame Tätigkeit ist außerordentlich nützlich. Aber man darf dabei keinesfalls in die Übertreibung verfallen, komplizierte Pläne, allgemeine Schemata usw. zu erfinden und lebendige Möglichkeiten pedantischen Tüfteleien zu opfern. Der Aufstand wird unvermeidlich in der Weise verlaufen, dass die nichtorganisierten Elemente tausendfach zahlreicher sein werden als die organisierten; es werden Fälle nicht zu vermeiden sein, bei denen spontan, an beliebigen Orten zwei oder einer allein handeln muss, und man muss sich darauf vorbereiten, auf eigene Gefahr zu handeln. Verschleppungen, Verzögerungen, Diskussionen, Unentschlossenheit sind der Untergang eines Aufstandes. Größte Entschlossenheit, größte Energie, unverzügliche Ausnutzung jedes geeigneten Augenblicks, sofortiges Entfachen der revolutionären Leidenschaft der Menge, ihre Anstachelung zu entschlosseneren und zu den entschlossensten Handlungen – das ist die erste Pflicht des Revolutionärs.

Eine ausgezeichnete militärische Aktion, die den Soldaten der revolutionären Armee auch Lehren, ihnen die Feuertaufe gibt und auch der Revolution ungeheuer nützt, ist der Kampf gegen die „Schwarzen Hunderte". Die Kampfabteilungen der revolutionären Armee müssen unverzüglich feststellen, von wem, wo und wie die Schwarzen Hunderte organisiert werden, und dürfen sich nicht nur auf die Agitation beschränken (die ist nützlich, genügt aber nicht), sondern müssen auch mit Waffengewalt vorgehen, die Schwarzen Hunderte niederschlagen, sie töten, ihre Stabsquartiere sprengen usw. usw.

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