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Stuttgarter Sozialistenkongress 19070800 Resolution zur Kolonialfrage

Stuttgarter Sozialistenkongress: Resolution zur Kolonialfrage

[Internationaler Sozialistenkongress zu Stuttgart, Berlin 1907, Verlag „Vorwärts", S. 39–40. Nach Lenin, Sämtliche Werke, Band 12, Wien-Berlin 1933, S. 526 f.]

Der Kongress ist der Ansicht, dass die kapitalistische Kolonialpolitik ihrem innersten Wesen nach zur Knechtung, Zwangsarbeit oder Ausrottung der eingeborenen Bevölkerung der Kolonialgebiete führen muss. Die Mission, auf die sich die kapitalistische Gesellschaft beruft, dient ihr nur als Deckmantel für die Eroberungs- und Ausbeutungsgelüste. Erst die sozialistische Gesellschaft wird allen Völkern die Möglichkeit bieten, sich zur vollen Kultur zu entfalten. Die kapitalistische Kolonialpolitik, statt die Kollektivkräfte zu steigern, zerstört durch Versklavung und Verelendung der Eingeborenen, wie durch mörderische, verwüstende Kriege den natürlichen Reichtum der Länder, in die sie ihre Methoden verpflanzt. Sie verlangsamt oder verhindert dadurch selbst die Entwicklung des Handels und des Absatzes der Industrieprodukte der zivilisierten Staaten. Der Kongress verurteilt die barbarischen Methoden kapitalistischer Kolonisation und verlangt im Interesse der Entfaltung der Produktivkräfte eine Politik, die eine friedliche kulturelle Entwicklung gewährleistet und die Bodenschätze der Erde in den Dienst der Höherentwicklung der gesamten Menschheit stellt.

Er bestätigt von neuem die Resolution von Paris (1900) und Amsterdam (1904) über die Kolonialfrage und verwirft nochmals die jetzige Kolonisationsmethode, die, ihrem Wesen nach kapitalistisch, keinen anderen Zweck hat, als fremde Völker zu erobern und fremde Völker zu unterwerfen, um sie schonungslos zum Nutzen einer verschwindenden Minderheit auszubeuten, während gleichzeitig im eigenen Lande die Lasten der Proletarier steigen!

Als Feind jeder Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und als Verteidiger aller Unterdrückten, ohne Unterschied der Rasse, verurteilt der Kongress diese Politik des Raubes und der Eroberung, die nur die schamlose Anwendung des Rechts des Stärkeren ist und das Recht der besiegten Völker mit Füßen tritt.

Die Kolonialpolitik vermehrt die Gefahr kriegerischer Verwicklung zwischen den kolonisierenden Staaten und steigert ihre Belastung durch Heer und Flotte.

Finanziell betrachtet, sollen die Ausgaben für die Kolonien, ebenso solche, die der Imperialismus verschuldet, als auch solche, die im Interesse der ökonomischen Entwicklung der Kolonien gemacht werden, von denen getragen werden, die allein von der Ausplünderung fremder Länder Nutzen ziehen und deren Reichtümer aus ihnen stammen.

Der Kongress erklärt schließlich, dass die sozialistischen Abgeordneten die Pflicht haben, in allen Parlamenten unversöhnlich diese Methode der schonungslosen Ausbeutung und Knechtschaft zu bekämpfen, die in allen bestehenden Kolonien herrscht.

Zu diesem Zweck haben sie für Reformen einzutreten, um das Los der Eingeborenen zu verbessern, haben sie jede Verletzung der Rechte der Eingeborenen, ihre Ausbeutung und ihre Versklavung zu verhindern, und haben sie mit allen zu Gebote stehenden Mitteln an ihrer Erziehung zur Unabhängigkeit zu arbeiten."

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