Wladimir I. Lenin: Die Grüppchen im Auslande und die russischen Liquidatoren [„Sa Prawdu", Nr. 46, 28. November/11. Dezember 1913. Nach Sämtliche Werke Band 17, Moskau-Leningrad 1935, S. 113-116] In Nr. 86 der „Nowaja Rabotschaja Gaseta" steht ein gegen die Sozialdemokratie gerichteter Schimpfartikel, der trotz des schimpfenden Tones und trotz der schon allen zum Überdruss gewordenen Methoden der Insinuation Beachtung verdient. Der Artikel heißt: „Die sozialdemokratische Presse Deutschlands über die Spaltung". Beachtung verdient dieser Artikel deshalb, weil er den russischen Arbeitern eine Sache, von der sie bis jetzt nichts wissen und die man wissen muss, mit außerordentlicher Anschaulichkeit erklärt. Man muss wissen, was für Intrigen gegen die sozialdemokratische Organisation in Russland bei ausländischen Grüppchen der russischen Sozialdemokraten im Schwange sind, denn die Unkenntnis darüber führt viele russische Sozialdemokraten beständig und unvermeidlich zu komischen und tragikomischen Fehlern, Der Artikel der Liquidatoren beginnt mit Kursivdruck: „Keine einzige Stimme erhob sich bis jetzt in den Reihen der deutschen Sozialdemokratie" für die Spaltung (als „Spaltung" bezeichnen die Herren Liquidatoren den Aufbau einer marxistischen Organisation gegen die Liquidatoren). Man beachte diese Kursivschrift im ersten Satze des Artikels : „Keine einzige Stimme!" Die abgedroschene. Methode der bürgerlichen Schreiberseelen: nicht alle lesen die Zeitung bis zu Ende, aber das effektvolle erste Wort eines Artikels sieht jeder… Man lese den Artikel der Liquidatoren weiter: da ist die Äußerung des Frankfurter Blattes. Natürlich für die Liquidatoren. Dabei wird verschwiegen, dass dies eine opportunistische Zeitung ist!!! Ihr lieben Liquidatoren! Haltet ihr wirklich die russischen Arbeiter für Dummköpfe, die vom Opportunismus unter den deutschen Sozialdemokraten und von der ständigen Unterstützung der „Nascha Sarja" durch die pseudo-„Sozialistischen Monatshefte", das Hauptorgan der deutschen, Opportunisten, nichts wissen? Lesen wir weiter. Die Äußerung des Dresdener Blattes. Sie verurteilt die Spaltung überhaupt. Weder über die Sympathien der Zeitung in den russischen noch über ihre Richtung in den deutschen Angelegenheiten wird etwas gesagt. Für die Liquidatoren handelt es sich nicht darum, die russischen Arbeiter aufzuklären, sondern sie mittels Verschweigens einer Reihe von Tatsachen zu betrügen. Lesen wir weiter. Das Leipziger sozialdemokratische Organ. ,Es brachte vor zwei Wochen eine Korrespondenz aus Russland, in der die Sache in einem für die Spalter ziemlich günstigen Sinne beleuchtet wird" So heißt es wörtlich in der Zeitung der Liquidatoren. Und natürlich ohne den geringsten Kursivdruck. Und natürlich kein Wort, kein Ton über den Inhalt dieses „unangenehmen" Artikels!!! O, wir sind große Meister kleiner Tricks und kläglicher Intrigen! Einerseits ist in Kursivdruck „keine einzige Stimme", anderseits aber erweist sich die einzige Korrespondenz aus Russland als in einem für die Gegner der Liquidatoren „ziemlich günstigen Sinne" geschrieben. Lesen wir weiter: „In der Nummer (der Leipziger sozialdemokratischen Zeitung) vom 15. November findet sich ein umfangreicher redaktioneller (Kursiv der, Liquidatoren!!) Artikel" … aus dem nur die zugunsten der Liquidatoren sprechenden Stellen zitiert werden. Russische Arbeiter! Es ist Zeit, dass ihr die Lüge der Liquidatoren entlarven lernt. Ein „redaktioneller" Artikel – was die Liquidatoren kursiv schreiben. Eine Lüge. Der Artikel ist mit den Initialen I. K. versehen, d. h. er erschien gerade nicht als redaktioneller sondern als Artikel eines Mitarbeiters!!!! Die Liquidatoren betrügen die russischen Arbeiter in schamlosester und frechster Weise. Das ist noch nicht alles. Die Liquidatoren verheimlichten, dass in demselben Artikel die Sieben als „gewissenlose Spalter" bezeichnet werden, weil sie Jagello entgegen dem Willen der polnischen Sozialdemokraten aufgenommen haben!! Das ist noch nicht alles. Die Liquidatoren verheimlichten eine Tatsache, die jedem politisch bewanderten Menschen klar ist. Der Artikel I. K.s ist von einem Tyszkianer geschrieben. Das geht aus allem hervor. Die „Tyszkianer" sind ein Berliner Zirkel um Rosa Luxemburg, Tyszka und Komp., der eine unglaubliche Gemeinheit über Provokatorentum in den Reihen der Warschauer sozialdemokratischen Organisation in Umlauf setzte. Selbst der „Lutsch" hat (freilich erst, nachdem Jagello durchgedrückt worden war!) diese Gemeinheit zugegeben. Selbst die „Nowaja Rabotschaja Gaseta" hat wiederholt anerkannt, dass die „Tyszkianer" nicht die polnischen sozialdemokratischen Arbeiter Warschaus vertreten und das Arbeiterversicherungskartell bekämpfen, dem der Bund, der linke Flügel der PPS und die polnischen Sozialdemokraten (die Warschauer, nicht aber die Tyszkianer natürlich) angehören. Und jetzt klammern sich also die Liquidatoren, um die russischen Arbeiter zu betrügen, an die Rockschöße der Tyszkianer. Der Ertrinkende klammert sich sogar an einen Strohhalm (möge dieser auch schmutzig und verfault sein). In dem Artikel des Tyazkianers I. K. brennt, wie überhaupt in allen Artikeln und Reden der Tyszkianer, der eine Wunsch: bei .Gelegenheit der Spaltung zu intrigieren, daraus ein „politisches Kapitälchen" zu schlagen. Ein Machtspiel von Grüppchen, die von der Arbeiterbewegung Russlands „losgerissen" sind, Intrigen auf dieser Grundlage, süßliche Phrasen anstatt eines Studiums dessen, was in Russland vor sich geht – das ist das Wesen des „Tyszkianertums", das ist die Beschäftigung von neun Zehnteln der selbständigen und „unabhängigen" ausländischen Grüppchen. Jetzt scheinen sie aufzuleben, in der Hoffnung, die Spaltung zwischen den Sechs und den Sieben „auszuschlachten". Vergebliche Hoffnung! Die russischen sozialdemokratischen Arbeiter sind schon so gereift, dass sie durch Mehrheit das Schicksal ihrer Organisation selbst bestimmen und die Intrigen der ausländischen Grüppchen verächtlich beiseite schieben werden. In der sozialdemokratischen Presse Deutschlands schreiben sehr oft Mitglieder solcher Grüppchen vom Standpunkt dieser Grüppchen aus, doch fällt es keineswegs schwer, diese Gesellschaft „an den Ohren" zu erkennen. |