Wladimir I. Lenin: Zwei Methoden der Dispute und des Kampfes [„Sa Prawdu", Nr. 36, 15./28. November 1913. Nach Sämtliche Werke Band 17, Moskau-Leningrad 1935, S. 89-91] Es gibt Dispute und Meinungskämpfe in der Presse, die den Lesern helfen, sich über die politischen Fragen klarer zu werden, sie tiefer zu erfassen und sicherer zu entscheiden. Es gibt Dispute, die in eine Schimpferei, in Klatsch und Gezänk ausarten. Die vorgeschrittenen Arbeiter, die sich ihrer Verantwortung für den Gang der Arbeit an der Aufklärung und Organisierung des Proletariats bewusst sind, müssen auf das Sorgfältigste darauf achten, dass die unvermeidlichen Dispute, der unvermeidliche Meinungskampf nicht in Schimpferei, in Klatsch, Gezänk und Verleumdung ausarten. Das ist eine Frage der Arbeitersache, der Arbeiterorganisation. Das ist eine höchst ernste und wichtige Frage des Kampfes gegen die geringsten Versuche zur Desorganisation. Darüber kann man nicht hinwegkommen: wer nicht gelernt hat, desorganisatorische Versuche mit der Wurzel auszurotten, der taugt nicht zum Organisator. Ohne Organisation aber ist die Arbeiterklasse ein Nichts. Ohne Debatten, Dispute und Meinungskämpfe ist keine Bewegung, auch keine Arbeiterbewegung möglich. Ohne schonungslosen. Kampf gegen die Ausartung der Dispute in Schimpferei und Gezänk ist keinerlei Organisation möglich. Wir laden die klassenbewussten Arbeiter ein, den Kampf zwischen den Sechs und den Sieben in der sozialdemokratischen Dumafraktion von diesem Gesichtspunkt aus zu betrachten. Die Sechs haben es als ihre Pflicht erachtet, mit dem Willen und dem Beschluss der Beratung der Marxisten zu rechnen. Die Vertreter des Proletariats in der Duma sind verpflichtet, sich dem Willen der Mehrheit der klassenbewussten und organisierten marxistischen Arbeiter außerhalb der Duma zu fügen. Das ist ein allgemeines Prinzip. Das ist die allgemeine Grundlage aller unserer Ansichten über die Aufgaben der Arbeiterbewegung. Wenn diese Ansicht falsch ist, so muss man sie widerlegen und aufgeben. Wenn sie aber richtig ist und das ABC darstellt, ohne das man nicht an die Politik herangehen kann, wenn ohne dieses ABC keinerlei Organisation denkbar ist, dann muss man diese Ansicht akzeptieren und hartnäckig verfechten, allem Geschrei, Gejammer und Gezänk und allen Verleumdungen zum Trotz. Arbeiter, Genossen! Diskutiert darüber. Bestrebt euch, diese Frage in Disputen, Gesprächen und Diskussionen völlig zu klären, weist aber jene zurück, die die Dispute durch gegenseitige Schimpferei ersetzen. Seht euch an, was haben die Liquidatoren auf das erste und grundlegende Argument der Sechs geantwortet? Ihre Antwort enthält nichts als ein Geschimpfe! Sie beschimpften die Konferenz, beschimpften zum hundertsten Male die illegale Arbeit, und das ist alles. Ist das etwa eine Antwort? Ist das etwa nicht einfach ein Versuch, die Organisation zu desorganisieren, zu zerstören? Es kam so weit, dass Th. D. in Nr. 70 buchstäblich den folgenden Satz schrieb: „Wo sind die verantwortlichen Körperschaften, die ihre Kandidatur aufgestellt und ihnen Aufträge gegeben haben?"1 Arbeiter, Genossen! Denkt darüber nach, was diese Frage bedeutet, und ihr werdet erkennen, dass dies eine Frage ist, würdig … jener Leute, die … Verhöre anstellen! … Begreift doch, ihr Herren Th. D. und andere Liquidatoren, dass wir mit euch nicht diskutieren können, wenn ihr solche Fragen stellt. Untersucht das Wesen der Sache: War der Beschluss der Beratung richtig, brachte er die Interessen und Anschauungen der Mehrheit der Arbeiter richtig zum Ausdruck? Die „Prawdisten" antworten darauf mit einer ganzen Reihe genauer Zahlen („Sa Prawdu" vom Dienstag, den 29. Oktober 1913"*). Diese Zahlen zeigen, dass hinter den „Prawdisten" unbedingt und unbestreitbar die Mehrheit der klassenbewussten, d.h. der am politischen Leben teilnehmenden Arbeiter steht. Diese Zahlen betrafen sowohl den Vergleich zwischen den Wahlen der Arbeiterkurie in die II., III. und IV. Duma als auch die Anzahl der von den Sechs und den Sieben vertretenen Arbeiter und die Anzahl der Arbeitergruppen, die die ein oder die andere Zeitung durch Geldsammlung offen unterstützten, usw. Wo ist nun die Antwort der Liquidatoren auf dieses Argument, das die wesentliche Seite der Frage der Mehrheit berührt? Anstalt einer Antwort – Schimpferei. Die Liquidatoren widerlegen nicht eine, buchstäblich keine einzige dieser Zahlen, versuchen nicht einmal, sie zu korrigieren, durch andere Zahlen zu ersetzen!!! Die Sache ist mehr als klar: wer die genauen Daten über die Mehrheit umgeht, der durchbricht den Willen der Mehrheit, der ist ein Desorganisator. Die Sieben in der Duma schwanken nach der Seite der Liquidatoren hin, denn sie erlauben sich, die illegale Arbeit zu beschimpfen, und beteiligen sich an der Durchbrechung des Willens der Mehrheit. Das ist denn auch das Kennzeichen der Parteilosigkeit der Sieben. Kein Mensch auf der Welt, der nicht von Sinnen ist, wird den sieben Parteilosen erlauben, mit der Mehrheit vom einer Stimme die Verfechter der Parteibeschlüsse an die Wand zu drücken. Kein Geschimpfe der Liquidatoren wird diese einfache und klare Tatsache widerlegen. Die Sechs haben ihre Pflicht erfüllt. Und je mehr die Liquidatoren lärmen und schimpfen, desto eher werden alle Arbeiter und alle Marxisten begreifen, dass die Sechs richtig gehandelt haben und dass die Gleichberechtigung und eine Vereinbarung mit den parteilosen Abgeordneten der Sozialdemokratie in der Reichsduma unumgänglich notwendig ist. 1 Lenin meint hier den Artikel von Th. Dan „Die Fraktion der Desorganisatoren" in der „Nowaja Rabotschaja Gaseta" vom 12. November (30. Oktober) 1913. |