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Wladimir I. Lenin 19180110 Entwurf des Dekrets über die Konsumkommunen

Wladimir I. Lenin: Entwurf des Dekrets über die Konsumkommunen1

[Abgefasst am 25.-28. Dezember 1917/7.-10. Januar 1918. Nach Sämtliche Werke, Band 22, 1934, S. 171-174]

I. Vorläufige Thesen

Die Entwürfe des Ernährungskommissariats über die „Versorgungsämter", die „Delegiertenkomitees" usw. sowie des Obersten Volkswirtschaftsrats über die „Gebietswirtschaftsräte" bringen auf den Gedanken, dass diese Organisationen zusammengefasst werden müssen. Etwa:

Versorgungs- und Absatzausschüsse?

Vorläufige Thesen:

Die Zellen müssen sein: die Konsum- und Produktions-Versorgungs- und Absatzausschüsse der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte (besser als Einkaufs- und Handelsorganisationen usw.), die Landbezirksverbände, die die Rolle sowohl von Versorgungsausschüssen als auch von Absatzorganen spielen. Die Grenzen der Landbezirke können geändert werden, wenn sich das als notwendig erweist.

In den Städten können vielleicht die Straßenviertel- oder Häuserblockausschüsse eine solche Rolle spielen.

Wenn es gelänge, solche Ausschüsse, solche Zellen zu schaffen, so würde man durch die Zusammenfassung dieser Ausschüsse ein Netz bekommen, mit dem man imstande wäre, die Versorgung der gesamten Bevölkerung mit allem Notwendigen zu organisieren, die Produktion im Reichsmaßstab zu organisieren.

Es wäre möglich, dass am Stelle der „Verbände" die „Arbeiter- und Bauernräte" unter Mitwirkung der Handelsangestellten usw. usw. das tun.

Jeder dieser Verbände oder Ausschüsse oder Sowjets (oder Versorgungs- und Absatzausschüsse) müsste sich in Sektionen oder Abteilungen nach Absatzzweigen und nach Arten der Produkte gliedern zur allgemeinen Regelung der Produktion und des Konsums (eine Finanzabteilung oder Abteilung für Einnahmen und Ausgaben in Geld muss es in jedem Versorgungs- und Absatzausschuss geben). Erteilt man ihnen das Recht, Einkommensteuer zu erheben und Unbemittelte zinslos zu kreditieren und die allgemeine Arbeitspflicht durchzuführen, so könnten sie die Zellen der sozialistischen Gesellschaft werden. Die Landbezirksbanken müssten dann mit den staatlichen Sparkassen zusammengefasst und in eine allgemeine staatliche Buchhaltung, in eine Summe von Ein- und Ausgangsbüchern des Staates umgewandelt werden.

Der Transport von Produkten ebenso wie der Kauf und Verkauf dürften nur zwischen Versorgungs- und Absatzausschüssen zugelassen werden, und jeden individuellen Absatz müsste man verbieten. Auf Grund von Bescheinigungen der Versorgungs- und Absatzausschüsse der Landbezirke (überhaupt der „grundlegenden" unteren Organe) können Produkte aus den zentralen Lagern auch an einzelne Personen verkauft werden, unter der Voraussetzung, dass sie in den Büchern der Landbezirks- und sonstigen Versorgungs- und Absatzausschüsse verbucht werden (ausgenommen, wenn es sich um Verkauf zwischen kleinen Einheiten oder um geringfügige Dinge handelt). Ohne Bescheinigung von den Versorgungs- und Absatzausschüssen dürfte der Transport von Produkten nicht zugelassen werden.

Das wäre eine Zusammenfassung der Volkskommissariate für Landwirtschaft, Industrie und Handel, Arbeit, Ernährungswesen, des Obersten Volkswirtschaftsrates, der Volkskommissariate für Finanzen und Verkehr.

NB. „Versorgungs- und Absatzausschüsse": in den Landbezirken, den Kreisen, Gouvernements, Rayons (ΣΣ = Oberster Volkswirtschaftsrat); ihre Abteilungen: Stoff zentrale, Zuckerzentrale, Kohlenzentrale usw. (ΣΣ = Oberster Volkswirtschaftsrat), Bankenzentrale usw.

NB. Die Stadtviertel der Reichen (oder ihre Sommersiedlungen usw.) müssten den Emissären der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte unterstellt werden, die Viertel usw., in denen der Prozentsatz der Arbeiter und Bauern geringer ist als z. B. 60%.

II. Entwurf des Dekrets über die Konsumkommunen

Der Krieg, der durch den Kampf der Kapitalisten um die Aufteilung der von ihnen geraubten Beute hervorgerufen wurde, führte zu einem beispiellosen Ruin. Die verbrecherische Spekulation und die Jagd nach Gewinn, insbesondere unter den reichen Klassen, hat diesen Ruin noch verschärft, hat über Hunderttausende und Millionen Menschen die Qualen des Hungers und der Arbeitslosigkeit heraufbeschworen. Die Notwendigkeit außerordentlicher Maßnahmen zur Unterstützung der Hungrigen und zum rücksichtslosen Kampf gegen die Spekulanten veranlasst die Arbeiter- und Bauernregierung, folgende Bestimmungen – als Gesetz der Russischen Republik – herauszugeben:

Alle Staatsbürger müssen einer lokalen Konsumgenossenschaft angehören (im Dorfe, dem Landbezirk, der Siedlung oder einem bestimmten Stadtviertel, einem Straßenviertel usw.).

Der Anschluss der Familien an die Konsumgenossenschaften steht frei, allerdings mit der Einschränkung, dass nicht weniger als zwei Drittel der Familien jeder Konsumgenossenschaft zu den armen Klassen (d. h. Arbeitern, Bauern, die keine Lohnarbeiter beschäftigen usw.) gehören müssen.

Jede Konsumgenossenschaft betreibt außer dem Kauf und der Verteilung von Produkten den Absatz der lokalen Erzeugnisse. Die Vorstände der Konsumgenossenschaften bilden Versorgungsausschüsse, und ohne schriftliche Bescheinigung des betreffenden Versorgungsausschusses darf kein Transport von Produkten erlaubt werden.

Die bestehenden Konsumgenossenschaften werden nationalisiert, sie sind verpflichtet, die gesamte Bevölkerung des betreffenden Ortes aufzunehmen.

Privatpersonen dürfen Produkte nicht nur im lokalen, sondern auch im zentralen Lager kaufen, darüber muss jedoch eine Eintragung in die Bücher der lokalen Konsumgenossenschaft erfolgen.

Der Transport sowie der Kauf und Verkauf von Produkten ohne Bescheinigung der Versorgungsausschüsse wird mit Konfiskation des gesamten Eigentums des Schuldigen, mit Gefängnisstrafe von nicht weniger als einem halbem Jahr und Zwangsarbeit bestraft.

Bescheinigungen über Transport sowie Kauf und Verkauf von Produkten müssen in zwei Exemplaren ausgestellt und von nicht weniger als drei Mitgliedern des Vorstandes des betreffenden Versorgungsausschusses unterzeichnet werden; ein Exemplar muss in den Akten des Vorstandes aufbewahrt werden.

In jeder Bescheinigung muss angegeben werden: von welcher Konsumgenossenschaft das Produkt abgesandt worden ist und welcher Konsumgenossenschaft es zugestellt werden soll.

Telegraphenämter befördern die Telegramme der Versorgungsausschüsse in erster Linie.

Alle Versorgungsausschüsse arbeiten unter der Kontrolle und nach den Anweisungen der lokalen Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte.

Jeder hat das Recht, durch seine Konsumgenossenschaft beliebige Produkte zu erwerben, ohne jede Einschränkung, abgesehen von den Beschränkungen, die für die Einfuhr von Produkten aus dem Ausland festgesetzt werden können.

Produkte, die für den Markt hergestellt werden, müssen dem lokalen Versorgungsausschuss zu Marktpreisen übergeben werden, abgesehen von den Fällen, wo durch Gesetz feste Preise festgesetzt werden. Die Summen, die für die Bezahlung der Produkte zu entrichten sind, werden auf das Konto des Eigentümers in der lokalen (Dorf-, Landbezirks-, Stadt-, Fabrik- usw.-) Filiale der Volksbank überwiesen.

Jeder Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat ist verpflichtet, eine Gruppe von Kontrolleuren, Revisoren und Instruktoren zu bilden zur Unterstützung der Bevölkerung bei der Organisierung von Konsumgenossenschaften (Versorgungsausschüssen) und zur Prüfung ihrer Rechnungsführung sowie ihrer gesamten Geschäftsführung.

Eine Instruktion für die Versorgungsausschüsse über ihre Rechnungsführung und Korrespondenz wird besonders herausgegeben werden.

1 Der Entwurf des Dekrets über die Konsumkommunen, von Lenin verfasst und von der Kommission des Ernährungskommissariats etwas ergänzt und detailliert, wurde Mitte Januar 1918 veröffentlicht. Der Entwurf stieß auf den erbitterten Widerstand der bürgerlichen Genossenschaftler, die in ihm ein „Attentat auf die Unabhängigkeit der Genossenschaften" sahen. Da die Sowjetmacht es für nötig hielt den bürgerlichen Apparat der Rechnungslegung und Kontrolle auszunützen wurden den Genossenschaftlern einige Zugeständnisse gemacht. Die Verhandlungen mit ihnen dauerten bis Mitte April 1918, wo das Allrussische Zentralexekutivkomitee ein neues Dekret über die Konsumgenossenschaften annahm.

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