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Wladimir I. Lenin 19180100 Fragen an die Delegierten des 1. Kongresses der Gesamtarmee zur Demobilisierung

Wladimir I. Lenin: Fragen an die Delegierten des 1. Kongresses der Gesamtarmee zur Demobilisierung

[Abgefasst Ende Dezember 1917 Zum ersten Mal veröffentlicht in den „Sapiski Instituta Lenina" II 1927. Nach Sämtliche Werke, Band 22 1934, S. 152 f.]

1. Besteht eine geringere oder größere Wahrscheinlichkeit, dass die Deutschen in der nächsten Zeit die Offensive eröffnen:

a) vom Standpunkt der physischen und technischen Möglichkeit einer Offensive im Winter;

b) vom Standpunkt der Stimmung der deutschen Soldatenmassen; ist diese Stimmung imstande, eine Offensive zu verhindern oder zu mindesten aufzuhalten?

2. Kann man annehmen, dass die Deutschen, wenn wir sofort die Friedensverhandlungen abbrechen, nach dem unmittelbaren Übergang ihrer Truppen zur Offensive imstande sein werden, uns eine entscheidende Niederlage beizubringen? Sind sie imstande, Petrograd zu nehmen?

3. Ist zu befürchten, dass die Nachricht über den Abbruch der Friedensverhandlungen in der Armee eine anarchistische Stimmung und eine Flucht von der Front als Massenerscheinung hervorrufen wird, oder kann man dessen gewiss sein, dass die Armee auch nach einer solchen Nachricht standhaft die Front halten wird?

4. Ist unsere Armee, was ihre Kampfkraft betrifft, imstande, einer deutschen Offensive zu widerstehen, wenn sie am 14. (1.) Januar beginnen sollte? Wenn nicht, innerhalb welcher Frist könnte unsere Armee imstande sein, der deutschen Offensive Widerstand zu leisten?

5. Wäre unsere Armee im Falle einer raschen deutschen Offensive imstande, einen geordneten Rückzug anzutreten und ihre Artillerie zu behalten? Wenn ja, könnte man unter solchen Umständen längere Zeit den Vormarsch der Deutschen ins Innere Russlands aufhalten?

6. Allgemeine Schlussfolgerung: soll man unter Berücksichtigung des Zustandes der Armee versuchen, die Friedensverhandlungen hinauszuzögern, oder ist ein mit revolutionärer Schärfe und sofort durchzuführender Abbruch der Friedensverhandlungen wegen der annexionistischen Forderungen der Deutschen als entschiedener, feister Übergang zur Vorbereitung auf einen revolutionären Krieg vorzuziehen?

7. Soll man sofort zu einer Steigerung der Agitation gegen die Annexionsforderungen der Deutschen und zur Agitation für den revolutionären Krieg übergehen?

8. Kann man in sehr kurzer Frist (z. B. in fünf bis zehn Tagen) eine Befragung beträchtlicher Teile der operierenden Armee durchführen, um der Norm mehr entsprechende und vollständige Antworten auf die gestellten Fragen zu erhalten?

9. Kann man hoffen, dass der Streit mit den Ukrainern seine Schärfe einbüßen oder bei der Nachricht über die Annexionsforderungen der Deutschen sogar durch einen einmütigen Zusammenschluss der Kräfte abgelöst werden wird, oder kann man erwarten, dass die Ukrainer die schwierigere Lage der Großrussen zur Verschärfung ihres Kampfes gegen die Großrussen ausnutzen werden?

10. Wenn die Armee abstimmen könnte, würde sie für einen sofortigen Frieden unter annexionistischen (Verlust aller besetzten Gebiete) und wirtschaftlich für Russland außerordentlich schweren Bedingungen oder für die äußerste Anspannung der Kräfte zur Führung eines revolutionären Krieges, d. h. für den Widerstand gegen die Deutschen, sein?

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