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Wladimir I. Lenin 19181119 Rede auf dem I. Allrussischen Arbeiterinnenkongress

Wladimir I. Lenin: Rede auf dem I. Allrussischen Arbeiterinnenkongress

19. November 1918

[„Prawda" Nr. 57 (298). 10. März 1925. Nach Sämtliche Werke, Band 23, Moskau 1940, S. 364-366]

Genossinnen! In gewisser Hinsicht hat der Kongress des weiblichen Teils der proletarischen Armee besonders große Bedeutung, denn in allen Ländern kamen die Frauen am schwersten in Bewegung. Es kann keine sozialistische Umwälzung geben, wenn nicht ein gewaltiger Teil der werktätigen Frauen daran bedeutenden Anteil nimmt.

In allen zivilisierten Ländern, selbst in den fortgeschrittensten, ist die Lage der Frauen derart, dass man sie nicht umsonst Haussklavinnen nennt. In keinem einzigen kapitalistischen Staate, selbst nicht in der freiesten Republik, gibt es die volle Gleichberechtigung der Frauen.

Aufgabe der Sowjetrepublik ist es, in erster Linie alle Einschränkungen der Rechte der Frauen aufzuheben. Eine Quelle von bürgerlichem Schmutz, Unterdrückung und Erniedrigung – den Ehescheidungsprozess – hat die Sowjetmacht vollständig beseitigt.

Bald ist es ein Jahr, dass in Bezug auf die Ehescheidung eine vollkommen freie Gesetzgebung besteht. Wir haben ein Dekret herausgegeben, das den Unterschied in der Stellung des ehelichen und unehelichen Kindes, sowie eine ganze Reihe von politischen Beeinträchtigungen beseitigt hat. Nirgendwo ist die Gleichheit und Freiheit der werktätigen Frauen so vollständig verwirklicht worden.

Wir wissen, dass die ganze Last der veralteten Gesetze der Frau aus der Arbeiterklasse aufgebürdet ist.

Unser Gesetz hat zum ersten Mal in der Geschichte alles ausgelöscht, was die Frau rechtlos machte. Es handelt sich aber nicht nur um das Gesetz. In unseren Städten und Industrieorten bürgert sich dieses Gesetz über die vollständige Freiheit der Ehe gut ein, aber im Dorfe bleibt es häufig, sehr häufig, nur auf dem Papier. Dort überwiegt bis heute die kirchliche Ehe. Das verdanken die Dörfer dem Einfluss der Geistlichen; dieses Übel ist schwerer zu bekämpfen als die alte Gesetzgebung.

Im Kampf gegen die religiösen Vorurteile muss man außerordentlich vorsichtig vorgehen; viel Schaden richten diejenigen an, die in diesen Kampf eine Verletzung des religiösen Gefühls hinein tragen. Der Kampf muss auf dem Wege der Propaganda, der Aufklärung geführt werden. Wenn wir den Kampf überspitzen, können wir die Massen erbittern; ein solcher Kampf verstärkt die Spaltung der Massen nach dem Religionsprinzip, während unsere Stärke in der Einigkeit liegt. Die tiefsten Quellen der religiösen Vorurteile sind Armut und Unwissenheit; eben diese Übel müssen wir bekämpfen.

Die Lage der Frau ist bisher eine solche geblieben, dass man sie als sklavisch bezeichnet; die Frau wird durch ihre Hauswirtschaft erdrückt, und aus dieser Lage kann sie nur der Sozialismus erretten, und nur dann, wenn wir von den Kleinwirtschaften zur Gemeinwirtschaft und zur gemeinsamen Bodenbearbeitung übergehen.

Erst dann wird die volle Befreiung und Erlösung der Frauen Wirklichkeit werden. Diese Aufgabe ist schwer; es werden Komitees der Dorfarmut gebildet; die Zeit bricht an, da die sozialistische Revolution sich festigt.

Erst jetzt organisiert sich der ärmste Teil der Dorfbevölkerung, und in diesen Organisationen der Dorfarmut erhält der Sozialismus eine dauerhafte Grundlage.

Früher kam es häufig vor, dass die Stadt revolutionär wurde, das Dorf aber nach ihr in Aktion trat.

Der gegenwärtige Umsturz stützt sich auf das Dorf, und darin liegt seine Bedeutung und seine Stärke. Aus der Erfahrung sämtlicher Befreiungsbewegungen ist zu ersehen, dass der Erfolg der Revolution davon abhängt, inwieweit die Frauen daran teilnehmen. Die Sowjetmacht tut alles, damit die Frau ihre proletarische, sozialistische Arbeit selbständig leiste.

Die Lage der Sowjetmacht ist insofern schwer, als die Imperialisten aller Länder Sowjetrussland hassen und zu einem Kriege gegen Sowjetrussland rüsten, weil dieses den Brand der Revolution in einer ganzen Reihe von Ländern entfacht und entscheidende Schritte zum Sozialismus gemacht hat. Jetzt, da die Imperialisten das revolutionäre Russland zerschmettern wollen, beginnt ihnen selbst der Boden unter den Füßen heiß zu werden. Ihr wisst, wie in Deutschland die revolutionäre Bewegung um sich greift. In Dänemark kämpfen die Arbeiter gegen die Regierung, Holland verwandelt sich in eine Sowjetrepublik. Die revolutionäre Bewegung in diesen kleinen Ländern hat keine selbständige Bedeutung, ist jedoch deshalb besonders kennzeichnend, weil es in diesen Ländern keinen Krieg gegeben hat und weil dort die festeste demokratische „Rechts"-Ordnung bestand. Wenn solche Länder in Bewegung geraten, so gibt das die Gewissheit, dass die revolutionäre Bewegung die ganze Welt erfassen wird.

Bis heute war keine einzige Republik imstande, die Frau zu befreien. Die Sowjetmacht wird der Frau helfen. Unsere Sache ist unbesiegbar, da sich in allen Ländern die unbesiegbare Arbeiterklasse erhebt. Diese Bewegung ist ein Zeichen für das Wachsen der unbesiegbaren sozialistischen Revolution.

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