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Wladimir I. Lenin 19180730 Rede auf der Konferenz der Vorsitzenden der Gouvernements-Exekutivkomitees

Wladimir I. Lenin: Rede auf der Konferenz der Vorsitzenden der

Gouvernements-Exekutivkomitees

30. Juli 1918. Zeitungsbericht

[„Iswestija" Nr. 161. 31. Juli 1918. Nach Sämtliche Werke, Band 23, Moskau 1940, S. 210-212]

Genossen, ihr habt euch mit der administrativen Arbeit zu befassen, die bei uns im Rat der Volkskommissare eine dominierende Stellung einnimmt. Es ist vollkommen natürlich, dass uns viele Schwierigkeiten bevorstehen. In den meisten Gouvernements-Exekutivkomitees ist zu bemerken, dass die Volksmasse endlich doch selbst die Arbeit der Verwaltung in Angriff nimmt. Schwierigkeiten sind allerdings unvermeidlich. Einer der Hauptmängel war der, dass wir aus Arbeiterkreisen noch wenig Mitarbeiter für die Praxis entnommen haben. Wir haben jedoch niemals daran gedacht, den alten Apparat an die neue Verwaltung anzupassen und wir bedauern nicht, dass mit der Beseitigung des Alten nun alles mit solchen Schwierigkeiten neu aufgebaut werden muss. Die Arbeiter- und Bauernmassen verfügen über größere Talente zum Aufbau, als man erwarten konnte. Wir rechnen der Revolution gerade das als Verdienst an, dass sie den alten Verwaltungsapparat hinweggefegt hat, müssen aber gleichzeitig erkennen, dass der Hauptmangel der Massen in ihrer Zaghaftigkeit liegt, in der Unlust, die Arbeit in die eigene Hand zu nehmen.

In einigen Gouvernements-Sowjets machte sich bisher Unordnung bemerkbar; jetzt aber wird die Arbeit immer mehr und mehr in Ordnung gebracht und aus vielen Orten laufen Meldungen ein, dass es in der Arbeit keinerlei Missverständnisse und Konflikte mehr gibt. Trotzdem erst acht Monate verflossen sind, hat die russische Revolution bewiesen, dass die neue Klasse, die die Regierung in ihre Hand genommen hat, fähig ist, mit dieser Aufgabe fertig zu werden. Ungeachtet des Mangels an Mitarbeitern kommt der administrative Apparat immer mehr und mehr in Gang. Unser Aufbau befindet sich noch in einem solchen Stadium, dass seine bestimmten Resultate noch nicht zutage treten, worauf die Feinde auch häufig hinweisen; aber trotzdem ist schon viel getan worden. Der Übergang des Grund und Bodens und der Industrie in die Hände der Werktätigen, der Produktenaustausch und die Lebensmittelversorgung werden trotz ungewöhnlicher Schwierigkeiten in die Tat umgesetzt. Es ist notwendig, die werktätigen Massen zu selbständiger Arbeit in der Verwaltung und am Aufbau des sozialistischen Staates aufrücken zu lassen. Nur in der Praxis werden sich die Massen überzeugen, dass es mit der alten Ausbeuterklasse vollständig zu Ende ist.

Unsere aktuelle Hauptaufgabe ist die Verwaltung, die Organisation und die Kontrolle. Das ist eine undankbare und unansehnliche Arbeit, aber gerade in dieser Arbeit werden die wirtschaftlichen und administrativen Kräfte der Arbeiter und Bauern sich immer erfolgreicher entfalten.

Die Arbeiter- und Bauernmassen, die von der Regierung zur Verwaltung des Landes berufen wurden, die lange Zeit davon ferngehalten waren, konnten sich nicht den Wunsch versagen, den Staat auf dem Wege eigener Erfahrung aufzubauen. Die Parole „Alle Macht den Sowjets!" führte dazu, dass man draußen im Land durch eigene Fehler zur Erfahrung im Aufbau des Staates gelangen wollte. Eine solche Übergangsperiode war unerlässlich und hat sich als fruchtbar erwiesen. In diesen separatistischen Bestrebungen war viel Gesundes und Gutes im Sinne des schöpferischen Strebens. Die Sowjetverfassung hat das Verhältnis der Kreisbehörde zur Bezirksbehörde, der Bezirksbehörde zur Gouvernementsbehörde und der letzteren zur Zentralregierung geklärt.

In unserem Staatsaufbau wird von dem Augenblick an, da die Verfassung bestätigt und in die Praxis umgesetzt wird, eine leichtere Periode beginnen. Aber im gegenwärtigen Augenblick uns mit ökonomischen Fragen, mit Wirtschafts- und Agrarpolitik zu befassen, fällt uns leider schwer. Wir werden davon unvermeidlich abgelenkt und müssen unsere ganze Aufmerksamkeit auf elementare Aufgaben – auf die Ernährungsfrage konzentrieren. Die Lage der Arbeiterklasse in den hungernden Gouvernements ist wahrhaftig schwer. Wir müssen so oder anders alle Anstrengungen aufwenden, um die Ernährungsschwierigkeiten und die damit verknüpften sonstigen Schwierigkeiten, die bis zur neuen Ernte bestehen, zu überwinden.

Dazu gesellen sich noch Aufgaben militärischen Charakters. Ihr wisst, wie die durch den englisch-französischen Imperialismus bestochene und entfachte tschechoslowakische Bewegung Russland in einem Halbkreis umklammert hat. Ihr wisst ebenfalls, dass sich die konterrevolutionäre Bourgeoisie und die kulakische Bauernschaft dieser Bewegung anschließen. Aus dem Lande draußen erhalten wir Meldungen, dass die Niederlagen, die Sowjetrussland in der letzten Zeit erlitten hat, die Arbeiter und die revolutionäre Bauernschaft in der Praxis davon überzeugt haben, dass außer der Kontrolle, außer dem Staatsaufbau auch eine Kontrolle auf militärischem Gebiete notwendig ist.

Ich bin überzeugt, dass die Sache weiterhin besser gehen wird. Ich bin überzeugt, dass die Gouvernements-Exekutivkomitees dadurch, dass sie mit Hilfe der Bauernschaft eine Organisation der Kontrolle über den militärischen Kommandobestand ins Leben rufen, eine starke sozialistische Armee schaffen werden. Die Erfahrungen der Revolution haben die Klassen der Arbeiter und der ausgebeuteten Bauernschaft endlich gelehrt, dass es notwendig ist, zu den Waffen zu greifen. Die Bauern und Arbeiter sind, nachdem sie den Grund und Boden erobert, die Kontrolle usw. durchgesetzt haben, zu der Erkenntnis gelangt, dass sie die Armee leiten müssen. Dadurch, dass sie ihre Arbeit auf das militärische Gebiet erstrecken, werden sie erreichen, dass die von ihnen geschaffene Armee in vollem Maße den Namen einer sozialistischen Armee verdienen wird und erfolgreich mit der konterrevolutionären Bourgeoisie und mit den Imperialisten bis zu jenem Moment kämpfen wird, wo das internationale revolutionäre Proletariat zu Hilfe herbeieilen wird.

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