Wladimir
I. Lenin: Rede auf dem II. Allrussischen Kongress der Lehrer-Internationalisten 18. Januar 1919 [Zum ersten Mal veröffentlicht im Jahre 1926 in der 1. Ausgabe der Sämtl. Werke, Bd. XX, II. Teil. Nach Sämtliche Werke, Band 23, Moskau 1940, S. 615-618] Genossen, gestattet mir, euren Kongress im Namen des Rates der Volkskommissare zu begrüßen. Genossen, heute stehen vor der Lehrerschaft besonders wichtige Aufgaben, und ich hoffe, dass nach dem durchlebten Jahr, nach dem Kampf, der innerhalb der Lehrerschaft vor sich ging zwischen denen, die von Anfang an auf der Seite der Sowjetmacht standen, auf Seiten des Kampfes für die sozialistische Umwälzung, und dem Teil der Lehrerschaft, der bislang auf dem Boden der alten Ordnung verblieb, auf dem Boden der alten Vorurteile – als könne man den Unterricht auf dem Boden dieser alten Ordnung konservieren –, ich glaube, dass heute nach einem Jahr Kampf, nach dem, was in den internationalen Beziehungen vor sich gegangen ist, dieser Kampf zu Ende gehen muss und zu Ende geht. Es kann keinen Zweifel darüber geben, dass die gewaltige Mehrheit des Lehrpersonals, die der Arbeiterklasse und dem werktätigen Teil der Bauernschaft nahesteht, dass sie in ihrer gewaltigen Mehrheit sich jetzt davon überzeugt hat, wie tief die Wurzeln der sozialistischen Revolution reichen, wie unvermeidlich sie sich über die ganze Welt ausbreitet, und ich glaube, dass heute die gewaltige Mehrheit der Lehrerschaft zweifellos aufrichtig auf die Seite der Macht der Werktätigen und Ausgebeuteten treten wird, und sich auch zukünftig auf ihre Seite stellen wird im Kampf für die sozialistische Umwälzung, im Kampf gegen jenen Teil der Lehrerschaft, der, weil er auf dem Boden der alten, bürgerlichen Vorurteile, der alten Ordnung und Heuchelei verblieben ist, sich bis heute einbildete, er könne irgend etwas von dieser alten Ordnung bewahren. Eine dieser bürgerlichen Heucheleien ist die Überzeugung, die Schule könne außerhalb der Politik stehen. Ihr wisst ausgezeichnet, wie lügenhaft diese Überzeugung ist. Und die Bourgeoisie selbst, die diese These verficht, stellte in den Brennpunkt der Schularbeit ihre eigene bürgerliche Politik, und bemühte sich, das Schulwesen dazu zu degradieren, für die Bourgeoisie ergebene und gewandte Diener zu drillen, sie bemühte sich, von unten bis oben sogar den allgemeinen Unterricht dazu zu degradieren, für die Bourgeoisie gehorsame und flinke Diener, Vollstrecker ihres Willens, Sklaven des Kapitals abzurichten. Niemals lag ihr daran, die Schule zu einem Werkzeug der menschlichen Persönlichkeit außerhalb der Klasse zu machen. Und jetzt ist allen klar, dass das nur die sozialistische Schule leisten kann, die in unlösbarer Verbindung mit allen Werktätigen und Ausgebeuteten steht, die nicht aus Angst, sondern aus Überzeugung auf der Sowjetplattform steht. Gewiss, das Werk des Umbaues der Schule ist ein schwieriges Werk. Und, sicherlich, hier gab es – und auch jetzt beobachtet man – Fehler und Versuche, das Prinzip der Verknüpfung der Schule mit der Politik in grobem, verunstaltetem Sinn zu verdrehen und zu verzerren, dadurch dass man versucht, diese Politik in die Köpfe der noch jungen, heranwachsenden Generation hinein zu tragen, der Generation, die sich erst vorzubereiten hat. Und zweifellos werden wir gegen diese grobe Anwendung des Grundprinzips immer ankämpfen müssen. Aber augenblicklich ist es die Hauptaufgabe jenes Teils der Lehrerschaft, der sich auf den Boden der Internationale, auf den Boden der Sowjetmacht gestellt hat, dafür zu sorgen, dass ein breiterer, nach Möglichkeit allumfassender Lehrerverband geschaffen wird. Für den alten Lehrerverband, der bürgerliche Vorurteile verteidigte, der Unverständnis an den Tag legte und Privilegien bis zum Äußersten verteidigte, bei weitem länger sogar als ebensolche Privilegien von anderen Spitzenverbänden1 verteidigt wurden, die sich gleich bei Beginn der Revolution des Jahres 1917 bildeten und mit denen wir auf allen Gebieten des Lebens kämpften, – für diesen Verband gibt es keinen Boden in eurem Verband, dem Verband der Internationalisten. Ich denke, dass euer Verband der Internationalisten durchaus in die Einheitsgewerkschaft der Schullehrer verwandelt werden kann, die wie auch alle anderen Gewerkschaften – das zeigt mit besonderer Klarheit der II. Allrussische Gewerkschaftskongress – auf der Plattform der Sowjetmacht steht. Vor der Lehrerschaft steht eine umfassende Aufgabe. Man muss hier auch mit den Überresten der Schlamperei und des Partikularismus kämpfen, die uns die vorige Revolution hinterlassen hat. Weiter zur Propaganda und Agitation. Augenblicklich ist es natürlich, dass bei dem Misstrauen gegenüber der Lehrerschaft, welches die Praxis der Sabotage und die Vorurteile des bürgerlichen Bestandes der Lehrerschaft hinterließen, die da gewöhnt war zu denken, dass wirkliche Bildung nur die Reichen erlangen könnten, dass für die Mehrheit der Werktätigen lediglich die Ausbildung zu guten Dienern, zu guten Arbeitern aber nicht zu wirklichen Herren des Lebens genüge – dass bei diesem Misstrauen eine völlige Zerfahrenheit auf allen Gebieten der Propaganda und Aufklärung übrigblieb. Das verurteilt einen Teil der Lehrer zu einem engen Wirkungskreis, zu dem Wirkungskreis lediglich des Unterrichts, und gab uns nicht die Möglichkeit, vollständig einen einheitlichen Apparat zu schaffen, in den alle Kräfte der Wissenschaft eingehen und mit uns zusammen arbeiten werden. Das zu leisten wird uns nur insoweit gelingen, als wir mit den alten bürgerlichen Vorurteilen brechen werden, und hier ist es die Aufgabe eures Verbandes, die breitesten Lehrermassen in eure Familie hineinzuziehen, die zurückgebliebensten Schichten der Lehrerschaft zu erziehen, sie der gesamtproletarischen Politik zu unterwerfen, sie in einer allgemeinen Organisation zusammenzufassen. Bei der gewerkschaftlichen Vereinigung liegt auf den Schultern der Lehrerschaft eine große Aufgabe in dieser gegenwärtig bei uns entstandenen Lage, wo sich alle Fragen des Bürgerkrieges deutlich herauskristallisieren, wo die kleinbürgerlichen demokratischen Elemente durch die Macht der Tatsachen gezwungen sind, auf die Seite der Sowjetmacht überzugehen, weil sie sich überzeugt haben, dass jeder andere Weg sie ungewollt dahin führt, das Weißgardistentum des internationalen Imperialismus zu verteidigen. Jetzt, da in der ganzen Welt eine Hauptaufgabe gestellt wird, steht die Sache so: entweder äußerste Reaktion, entweder Militärdiktatur und Erschießungen, hinsichtlich derer wir bezeichnende Nachrichten aus Berlin erhalten haben, entweder diese rasende Reaktion der vertierten Kapitalisten, die fühlen, dass ihnen dieser vierjährige Krieg nicht straflos durchgehen kann und die darum zu allem bereit sind, bereit sind, die Erde noch weiterhin mit dem Blut der Werktätigen zu tränken – oder voller Sieg der Werktätigen in der sozialistischen Revolution. In dem Moment, den wir durchleben, kann es keinen Mittelweg geben. Und darum muss die Lehrerschaft, die von Anfang an sich auf die Position der Internationale stellte, die heute klar sieht, dass ihre Gegner unter den Lehrern des anderen Lagers keinerlei ernste Opposition machen können, den Weg einer breiteren Arbeit betreten. Aus eurem Verband muss jetzt eine breite Lehrergewerkschaft gemacht werden, die die gewaltige Masse der Lehrer erfasst, eine Gewerkschaft, die entschlossen auf dem Boden der Sowjetplattform steht, auf dem Boden des Kampfes für den Sozialismus durch die Diktatur des Proletariats. Eben das ist die Formel, die von dem jetzt tagenden II. Gewerkschaftskongress angenommen wurde. Der Kongress fordert, dass alle, die einen bestimmten Beruf, eine bestimmte Art Tätigkeit ausüben, sich in einer Gewerkschaft zusammenschließen, sagt aber zur gleichen Zeit, dass die Gewerkschaftsbewegung nicht von den Grundaufgaben des Kampfes für die Befreiung der Arbeit vom Kapital getrennt werden kann. Und darum können nur die Verbände voll berechtigte Mitglieder eines Gewerkschaftsverbandes sein, die den revolutionären Klassenkampf für den Sozialismus durch die Diktatur des Proletariats anerkennen. Euer Verband ist ein solcher. Wenn ihr auf dieser Position stehen werdet – dann wird euch der Erfolg sicher sein bei der Heranziehung der gewaltigen Lehrermasse und bei der Arbeit dafür, dass Kenntnisse und Wissenschaften aufhören, eine Angelegenheit der Privilegierten zu sein,aufhören, Material für die Festigung der Positionen der Reichen und Ausbeuter zu sein, sondern sich in ein Werkzeug für die Befreiung der Werktätigen und Ausgebeuteten verwandeln. Erlaubt mir, Genossen, euch auf diesem Arbeitsfeld jeglichen Erfolg zu wünschen. 1So im Stenogramm. Die Red. |